UNTERWEGS MIT
MARTIN CHARDONNENS
«Das Schöne am Wohnwagen ist das Gefühl von Freiheit» Der Freiburger Martin Chardonnens baut und renoviert Wohnwagen für eine stetig wachsende Kundschaft. Der 25-jährige Bauernsohn ist der Einzige, der in der Westschweiz diesen Service anbietet. Ein Besuch in seiner Werkstatt in Le Mouret. TEXT PASCALE STEHLIN | FOTO OLIVIER VOGELSANG
D
ie Werkstatt des einzigen Wohnwagenbauers der Westschweiz, Martin Chardonnens, ist in einem abgelegenen Bauernhaus in Le Mouret im Kanton Freiburg zu finden. Vor zwei Jahren hat der 25-Jährige das 2004 von seinem Vater und seinem Onkel gegründete Familienunternehmen übernommen. Der Firmenname ist P rogramm: Brin d’aventure – ein Hauch von Abenteuer. Mit seinen Wohnwagen nach Mass will der junge Unternehmer seinen Kunden auch ein wenig Verrücktheit bieten beim Abenteuer, sich auf das Wesentliche zu be sinnen.
Nichts deutete zunächst darauf hin, dass er in die Fussstapfen seines Vaters treten würde, der von Wohnwagen so begeistert ist, dass er selber in einem lebt. Von klein auf von der Arbeit mit Holz begeistert, machte Martin Chardonnens eine Schreinerlehre. Danach absolvierte er in Brienz eine Fachausbildung zum Holzbildhauer. Gefallen am Beruf des Wohnwagenbauers fand er nach und nach, als er während seiner Stellensuche beim Vater aushalf: «Es gibt keine spezifische Ausbildung, um Wohnwagenbauer zu werden. Ich habe das Handwerk ‹on the Job› gelernt, und mein Vater hat mir alles bei 86 touring | Dez 2021 / Jan 2022
gebracht. Man muss vor allem ein Allrounder sein.» Als sein Vater die Werkstatt abgeben wollte, übernahm Martin Chardonnens sie. Heute lebt er von der Herstellung seiner Wohnwagen und baut etwa vier pro Jahr. «Mir gefällt, dass hinter jedem Wohnwagen eine einmalige Geschichte, ein Lebens projekt steht», sagt er.
Garten oder Camping? Der Handwerker hat eben einen sechs Meter langen und 2,3 Meter breiten Wohnwagen komplett ausgebaut. Das Gefährt mit neuem Chassis umfasst Küche, Ankleide, Bett und Heizung. Die Kundin will den Wagen auf einem Campingplatz aufstellen und das ganze Jahr darin leben. Bei diesem Auftrag hat Martin Chardonnens auch die Vorbereitung für die Motorfahrzeugkontrolle übernommen – keine so leichte Aufgabe. «Es braucht Fingerspitzengefühl, um Naturmaterialien zu verarbeiten und gleichzeitig das Gewicht maximal zu reduzieren, das bei der Motorfahrzeugkontrolle auf 3,5 Tonnen limitiert ist.» Doch er denkt bereits an den nächsten Auftrag. Er wird einen Wohnwagen für ein kleines Mädchen bauen. Dessen Eltern wollten ihm eine Hütte hinten im Garten schenken – in Form eines Caravans. Das Kind
wird dort seine Freundinnen treffen können. «Ein Wohnwagen lässt sich immer wieder anpassen und nach Lust und Laune weiterent wickeln», meint der Freiburger. Er erzählt von einer jungen Frau, die aus ihrem Gefährt ein Gästezimmer machte. Eigentlich wollte sie zuerst darin wohnen, doch ihr Partner fühlte sich auf so engem Raum zu stark eingeengt. «Das Schöne am Wohnwagen ist das Gefühl von Freiheit, das er verschafft. Wenn man sich an einem Ort nicht mehr wohlfühlt, fährt man einfach woanders hin», sagt Martin Chardonnens. Die meisten der von ihm gebauten oder renovierten Wohnwagen sind nicht für die Strasse bestimmt. Doch mithilfe eines Spediteurs wechseln sie je nach Wunsch der Besitzer ihren Standort. «Die Mehrzahl meiner Kunden sucht ein einfacheres Leben, eine Rückkehr zum Wesentlichen», sagt der Handwerker, der seit drei Jahren eine steigende Nachfrage feststellt. Angesichts der Gesundheitskrise und deren Folgen droht bei den Aufträgen sicher kein Einbruch. •
«Man muss vor allem ein Allrounder sein.» Martin Chardonnens, Wohnwagenbauer, Le Mouret (FR)
Der neue Wohnwagen von Martin Chardonnens hat die Motorfahrzeugkontrolle bestanden