
4 minute read
Unsichere Lieferketten
Leg leg
Peter Bruggmann, Präsident Verband Sportfachhandel Schweiz (ASMAS)
Wie lief der WintersportartikelVerkauf im Corona-Jahr 2020? Peter Bruggmann: Für die einzelnen Geschäfte sehr unterschiedlich. Schaut man sich nur den Bereich Ski alpin an, also den klassischen Wintersport, fällt das Fazit durchzogen aus. Die Leute waren viel weniger auf der Piste als in den Vorjahren, vor allem, weil die Gastronomieangebote geschlossen waren. Das hat sich stark auf unsere Branche ausgewirkt. Und dann wurden auch alle Schneesportlager abgesagt. Auf der anderen Seite haben vor allem Geschäfte profitiert, die sich auf WinterOutdoorsportarten spezialisiert haben. Welche Sportarten haben denn konkret profitiert? Schneeschuhlaufen etwa boomte extrem, und auch Langlaufskis waren sehr gefragt. Ebenfalls bei den Skitourenangeboten gab es eine grosse Nachfrage. Insgesamt als Branche lagen wir umsatzmässig etwa im Bereich von 2019. Der Lockdown hat vor allem die Berggebiete stark getroffen. Die Ausfälle in der Branche konnten also aufgeholt werden, allerdings in anderen Bereichen. Und was erwarten Sie für diese Saison? Wenn die CoronaSituation einigermassen stabil bleibt, die Bergbahnen fahren und Gastrobereiche offen bleiben dürfen – auch mit Aussenbewirtung –, dann könnte es eine gute Saison geben. Corona macht hierbei nur einen Teil aus, ganz wichtig ist für uns auch das Wetter. Und, was mich sehr freut, ist die Situation bei den Schneesportlagern. Da haben wir 25 Prozent mehr Buchungen, und es zeichnet sich ein absolutes Rekordjahr ab. Wir sind also ganz zuversichtlich für diesen Winter – auch, weil wir dieses Jahr die Aussicht haben, dass die Saison in den Bergen stattfinden wird.

Andere Branchen kämpfen mit steigenden Frachtkosten und wackeligen Lieferketten. Sind auch Wintersportartikel von Lieferengpässen betroffen? Das ist bei uns genauso wie in anderen Branchen. Es gibt Produktgruppen, die knapp verfügbar sein werden. Das sind vor allem Produkte, die im asiatischen Raum hergestellt werden, bei uns etwa Reissverschlüsse. Da sind Jacken fertig produziert, es fehlt aber an Reissverschlüssen. Auch anderes Zubehör fehlt im Moment. Und im Sportfachhandel haben sich die Bestellzyklen stark verlagert. Es muss also noch früher bestellt werden, weil der ganze Warenfluss nicht so funktioniert wie früher. Und da Container nicht verfügbar sind oder in Häfen rumliegen, werden auch einige Produkte geflogen. Der Transport wird definitiv teurer. Müssen die Kunden also mit Preiserhöhungen rechnen? Diese Saison kaum. Wir haben auch schon von Lieferanten gehört, die diese Preisaufschläge noch nicht weitergeben. In der Sportartikelbranche wird die Ware etwa neun Monate im Voraus bestellt, und vor neun Monaten waren die Lieferketten noch kein Thema. Was jedoch nun nachgeordert wird, ist definitiv teurer, und diese Aufschläge werden den Konsumenten auch weitergegeben. Aus dieser Situation werden wir leider nicht so schnell herauskommen. Das ist eine völlig neue Situation für alle. Es könnte also sein, dass diese Saison weniger Skis und Schlitten in den Läden stehen? Es würde mich sehr überraschen, wenn es da zu einem Mangel kommt. Schlitten, Skis und Skischuhe werden ja zu einem ganz grossen Teil in Europa produziert. Aber beim Textilbereich und
auch bei den Sportschuhen könnte es knapp werden. Was raten Sie den Konsumentinnen Wie andere auch kämpft die Sportartikelbranche mit unterbrochenen Lieferketten. Peter Bruggmann verfolgt als Präsident des Verbands Sportfachhandel Schweiz (ASMAS) die Entwicklung hautnah mit. Der ASMAS-Präsident vertritt die Interessen von mehr als 420 Sportfachhändlern und nimmt im Interview Stellung. «Einzelne Produkte werden knapp verfügbar sein»❄ INTERVIEW DINO NODARI | FOTO EMANUEL FREUDIGER DOSSIER und Konsumenten? Es kann Situationen geben, in denen Kunden nun länger auf ein Sportgerät warten müssen. Wenn dann die Saison schon durch ist und der Kunde den Kauf auf die nächste Saison verschieben will, kann es sein, dass er dann noch länger darauf warten muss. Gerade bei Sportgeräten, die man mehrere Jahre besitzt, würde ich raten, bei der Bestellung zu bleiben. Wir werden uns wohl schon bald in einer Situation mit Nachfrageüberschuss befinden. Wann rechnen Sie wieder mit einer Normalisierung? Zum Teil könnte das schon wieder im Frühling sein, wenn es bei den Lieferketten wieder eine Verbesserung gibt. Wir werden wohl aber ein ganzes, normales Jahr brauchen, bis sich alles wieder eingependelt hat. Ich gehe nicht davon aus, dass wir im nächsten Jahr schon wieder einen Normalzustand haben werden. Welche Produktgruppen werden im Sportfachhandel in diesem Winter sehr gefragt sein? Weiter zunehmen wird sicher Langlaufen und Schneeschuhlaufen. Vor allem Letzteres hat ja ganz tiefe Einstiegshürden. Es braucht nur Schuhe, Stöcke und Schnee, dann schon kann es losgehen mit dem Erlebnis Natur und Berg. Das ist sehr niederschwellig zum Anfangen. Grosses Potenzial sehe ich auch bei der Tourenausrüstung. Da rechne ich auch damit, dass es neue Tendenzen geben wird. Etwa, dass Leute mit Tourenskis den Pisten entlang den Berg hoch laufen und dann auf der Piste wieder runterfahren. Das sieht man etwa in Österreich schon häufiger. • ❄ Dez 2021 / Jan 2022 | touring 21
