Nr. 7 Saison 21/22 – Seelentrost

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ORTSGESCHICHTEN

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W IE BREMEN BASEL ÜBERHOLTE

VON SIGF R IED SCHIBL I

Wenn die Baslerinnen und Basler sich ein wenig geschickter angestellt ­hätten, wäre das Deutsche Requiem von Johannes Brahms 1868 in Basel urauf­ geführt worden. Schliess-­ lich pflegte Brahms in­ten­sive Kontakte nach Basel und weilte häufig in der Schweiz, teils mit seiner Geliebten Clara Schumann, teils ohne sie. Er spielte im Rahmen der Hauskonzerte im Basler Kettenhof beim Ehepaar Riggenbach-­Stehlin, gab in der Martinskirche Klavierabende, dirigierte 1874 in Basel sein Triumphlied und später im Musiksaal seine Nänie sowie seine 2. Sinfonie und (in Urauffüh­ rung!) sei­nen Gesang der

Parzen mit dem Basler Gesangverein. Wieso denn nicht auch das Deutsche Requiem, wie es eigentlich von ­diesem ältesten gemischten Chor der Schweiz vorge­sehen war? Offenbar traute sich der Gesangverein diese grosse Aufgabe nicht zu. Seinem Verleger Rieter-Biedermann in Winterthur schrieb Brahms am 10. November 1867: «Die Basler sind von einer so unpraktischen Weitläufigkeit, dass das wohl nichts wird. Und ich wäre gar gerne zum Frühling in Ihre Gegend gegangen. Dagegen will man das Requiem in Bremen durchaus aufführen […]» Die Mentalität der Baslerinnen und Basler scheint damals in der Tat nicht einfach gewesen zu sein. Jedenfalls beklagte auch Friedrich Hegar, ein aus Basel stammender, landesweit renommierter Geiger und Dirigent, die «veilchenhafte» Art der Basler. Er hätte auch von falscher Bescheidenheit sprechen können. Hegar hatte nachträglich er­fahren, dass Schumanns Oratorium Das Paradies und die Peri in Basel 1867 aufge­f ührt worden war – und der brennend daran interessierte Hegar hatte nichts davon erfahren.


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