Nummerierte Rollstuhlplätze im Vorverkauf erhältlich
Das Sinfonieorchester Basel verwendet geschlechtergerechte Formulierungen und weist Autor*innen bei der Vergabe von Textaufträgen im Vorfeld darauf hin. Es steht den Autor*innen jedoch frei, ihre Texte individuell zu gestalten.
MUSIK
SINFONISCHE REISE
Liebes Konzertpublikum
Mit seiner musikalischen Dampflokomotive Pacific 231 schuf Arthur Honegger ein Werk, das die Faszination der maschinellen Kraft und Dynamik einfängt. Der bekennende Eisenbahn-Enthusiast beschrieb sein Stück als «allmähliche Steigerung bis zum ‹lyrischen Zustand›, zum Gewaltig-Pathetischen eines Eisenbahnzuges». Honeggers Mouvement symphonique ist jedoch mehr als Maschinenmusik: Es ist ein poetisches Klanggemälde, das die rhythmische Wucht und die majestätische Anmut eines Zuges in Bewegung einfängt. Der aus Usbekistan stammende Dirigent Aziz Shokhakimov, der bereits im Oktober 2022 mit einer beeindruckenden Interpretation von Debussys La Mer für Begeisterung sorgte, kehrt zum Sinfonieorchester Basel zurück, um diesen Honegger-Klassiker zu dirigieren: «Ich mag das Theatralische dieses Stücks sehr.»
Einen faszinierenden Kontrast dazu bieten Sergei Rachmaninows Sinfonische Tänze , ein Werk, das der Komponist 1940 im amerikanischen Exil schrieb. Hier treffen moderne Klänge auf die melancholische Seele eines Romantikers. Charakteristisch ist das immer wiederkehrende Dies irae -Motiv, das wie ein gespenstischer Schatten durch Rachmaninows Werk geistert.
Die Sinfonischen Tänze markieren einen späten Höhepunkt in Rachmaninows Schaffen: Energiegeladene Rhythmen, mystische Atmosphären und eine tief empfundene Melancholie verbinden sich hier zu einem fesselnden Klangkosmos. Ebenfalls aus Usbekistan stammend begeistert der Pianist Behzod Abduraimov das Publikum mit seinem nuancierten und kraftvollen Spiel. Nach seinem triumphalen Auftritt in Basel mit Tschaikowskis 1. Klavierkonzert im Mai 2023 wird er diesmal Beethoven spielen. Dessen 1. Klavierkonzert verbindet die klassische Formsprache eines Mozart mit emotionaler Tiefe und pianistischer Brillanz und wurde so zu einem Publikumsliebling. Abduraimov wird Sie zweifellos erneut in Bann ziehen.
Das Zusammenspiel dieser Werke und Musiker verspricht einen Konzertabend voller Kontraste und Intensität. Geniessen Sie diese ‹Sinfonische Reise› mit dem Sinfonieorchester Basel!
Ihr
Franziskus Theurillat Orchesterdirektor
Behzod Abduraimov bei seinem gefeierten Auftritt mit Tschaikowskis 1. Klavierkonzert im Mai 2023 mit dem Sinfonieorchester Basel
VORVERKAUF, PREISE UND INFOS
VORVERKAUF
Bider & Tanner – Ihr Kulturhaus in Basel Aeschenvorstadt 2, 4051 Basel +41 (0)61 206 99 96 ticket@biderundtanner.ch
Das Stadtcasino Basel ist rollstuhlgängig und mit einer Induktionsschleife versehen. Das Mitnehmen von Assistenzhunden ist erlaubt.
PREISE
CHF 110/90/75/55/35
ERMÄSSIGUNGEN
• Junge Menschen in Ausbildung: 50 %
• AHV/IV: CHF 5
• KulturLegi: 50 %
• Mit der Kundenkarte Bider & Tanner: CHF 5
• Begleitpersonen von Menschen, die für den Konzertbesuch eine Begleitung beanspruchen, haben freien Eintritt. Die Anmeldung erfolgt über das Orchesterbüro.
GEHÖRSCHUTZ
Gehörschutz ist an der Abendkasse sowie am Welcome Desk im Foyer des Stadtcasinos Basel erhältlich.
Behzod Abduraimov, Klavier Aziz Shokhakimov, Leitung
18.30 Uhr, Musiksaal: Konzerteinführung mit Benjamin Herzog
Arthur Honegger (1892 – 1955)
Pacific 231 – Mouvement symphonique Nr. 1 (1923)
Ludwig van Beethoven (1770 – 1827)
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1
C-Dur, op. 15 (1800)
I. Allegro con brio
II. Largo
III. Rondo. Allegro scherzando
PAUSE
Alexander Wassiljewitsch Mossolow (1900 – 1973)
Die Eisengiesserei , op. 19 (1926 – 1928)
Sergei Rachmaninow (1873 – 1943)
Sinfonische Tänze , op. 45 (1940)
I. Non allegro
II. Andante con moto. Tempo di valse
III. Lento assai – Allegro vivace
ca. 7’
ca. 34’
ca. 4’
ca. 35’
Konzertende: ca. 21.30 Uhr
DAS THEATRALISCHE BEI HONEGGER
VON REINMAR WAGNER
Seit 2021 ist Aziz Shokhakimov Chefdirigent des Orchestre Philharmonique de Strasbourg. In der Saison 2022/23 stellte sich der aus Usbekistan stammende Dirigent beim Sinfonieorchester Basel unter anderem mit Claude Debussys Tondichtung La Mer vor. Jetzt kehrt er zurück und hat Partituren von Rachmani now, Honegger und Beethoven im Gepäck.
RW Aziz Shokhakimov, Sie haben für Ihr zweites Programm in Basel die Sinfonischen Tänze von Sergei Rachmaninow ausgewählt. Offenbar haben Sie eine ganz besondere Beziehung zu diesem Werk.
AS Ja, tatsächlich haben Rachmaninows Sinfonische Tänze für mich eine grosse Bedeutung, weil ich sie zur Erlangung meines Diploms am Konservatorium in Taschkent dirigiert habe. Ich erinnere mich noch gut daran, denn viele Musiker*innen erzählten mir nach dem Konzert, dass sie bei diesem Stück etwas ganz besonderes gespürt hätten. Insbesondere beim letzten Satz, der auf dem Dies Irae -Motiv basiert. Dieser letzte Satz verleiht dem Stück eine fast apokalyptische Facette.
RW Sie waren sehr jung damals und haben tatsächlich schon als Teenager mit dem Dirigieren begonnen.
AS Man muss dazu sagen, dass wir in Usbekistan noch aus sowjetischer Zeit eine grosse Tradition für europäische klassische Musik haben. Während des Zweiten Weltkriegs sind viele grosse Lehrer aus Moskau oder St. Petersburg nach Taschkent geflohen und zum Teil auch geblieben. Meine Musikschule ist dadurch in der ganzen UdSSR sehr bekannt gewesen. Ich wurde schon im
Alter von sechs Jahren dort aufgenommen und habe zuerst Geigen- und Gesangsunterricht gehabt. Als ich in den Stimmbruch kam, meinte einer meiner Lehrer, ich solle mich doch in Ensembleleitung versuchen. So habe ich bereits mit elf Jahren Dirigier-Unterricht bekommen.
RW Beim Dirigieren sind Sie dann geblieben und haben dabei offenbar eine Vorliebe für die gross besetzten Werke der Spätromantik entwickelt.
AS Ich hatte einfach Glück, dass ich an dieser Schule guten Unterricht bekam und später auch am Konservatorium immer wieder Orchester leiten durfte. Das waren sehr wichtige Erfahrungen. Wenn man sich heute die Dirigierausbildung in Europa oder den Vereinigten Staaten anschaut, haben die Studierenden oft keinen Zugang zu Orchestern, um mit ihnen Erfahrungen zu sammeln. Ich hingegen durfte schon früh mit professionellen Orchestern in Usbekistan arbeiten. Mit vierzehn leitete ich mit Bizets Carmen am Opernhaus von Taschkent meine erste Oper. Und, ja, ich habe tatsächlich eine grosse Faszination für die vielfältigen Klangfarben der sinfonischen Musik aus Russland, Frankreich und Deutschland entwickelt.
RW Wenn man Ihnen zuhört, zum Beispiel auf Ihren Einspielungen mit dem Orchestre Philharmonique de Strasbourg, hat man nicht den Eindruck, dass es Ihnen dabei um das Monumentale und die grosse Klangentfaltung geht.
AS Mich interessiert sehr das Geflecht der verschiedenen Stimmen, das in diesem Repertoire eben oft sehr vielfältig ist. Ich mag es, aufzuzeigen, wie sie auftauchen und wieder verschwinden. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen. Und das gegeneinander abzuwägen in der Dynamik und im Charakter,
das ist etwas, was mir schon immer wichtig war. Gerade in Sergei Prokofjews Symphonie classique , die wir auf CD aufgenommen haben, ist das deutlich zu hören. Es muss alles sehr leicht und logisch klingen, dabei ist alles sehr fragil. Ich könnte tagelang an jedem Satz arbeiten, aber ich bin sehr zufrieden mit dem Resultat.
RW In Basel dirigieren Sie auch Arthur Honeggers Pacific 231 , das Orchestergemälde einer anfahrenden gigantischen Dampflok.
AS Ich mag das Theatralische dieses Stücks schon auch sehr. Ich habe ja sehr viel Oper dirigiert als Kapellmeister in Düsseldorf und auch jetzt in Strasbourg. Ich finde es wichtig für einen Dirigenten, beides zu machen, Oper und Konzert, weil sich das gegenseitig sehr positiv beeinflussen kann. Ich suche oft in sinfonischen Partituren nach den dramatischen Momenten und versuche, diese mit Energie und Emotionen aufzuladen.
RW Als konzertantes Werk steht nichts Spätromantisches in Ihrem Programm, sondern das 1. Klavierkonzert von Beethoven, das Sie mit Ihrem Landsmann Behzod Abduraimov aufführen.
AS Behzod und ich spielen sehr gerne Beethoven zusammen, wie alle Musiker*innen. In Seoul zum Beispiel haben wir Beethovens 3. Klavierkonzert aufgeführt und jetzt das 1. Aber es stimmt schon, wir verstehen uns auch sehr gut in den Konzerten von Rachmaninow oder Prokofjew. Wir haben zwar nicht zu sammen studiert, ich bin ein paar Jahre älter, aber wir sind bald sehr enge Freunde geworden und haben quer durch die Welt immer wieder Gelegenheiten gefunden, zusammen aufzutreten.
LOBLIED AUF
DIE LOKOMOTIVE
VON ANETTE UNGER
Paris, 8. Mai 1924: Unter der Stabführung von Sergei Kussewizki erklingt zum ersten Mal Arthur Honeggers Orchesterstück
Pacific 231 . Sieben Minuten Musik, die dem 32-jährigen Komponisten zu internationalem Ruhm verhelfen.
Endlich: Die Presse schreibt über ihn. Und es geht dabei hoch her. Die einen verreissen Honeggers Werk als lärmenden Wirrwarr, die anderen bejubeln es als Hohes Lied der Maschine.
Honegger hat seinem ersten von insgesamt drei Mouvements symphoniques den Namen des SchnellzuglokomotivenTyps ‹Pacific› mit der Achsenfolge 2-3-1 gegeben und das Titelblatt der autografen Partitur mit einer detaillierten Zeichnung der Lok versehen. Ausserdem lässt Honegger verlauten: «Lokomotiven habe ich immer leidenschaftlich geliebt. Für mich sind sie lebendige Wesen, die ich verehre, wie andere Frauen oder Pferde lieben.» 1924 bekennt sich Honegger offen zu seinem programmatischen Stück, in dem ein Anwachsen der Geschwindigkeit durch die stete Verkürzung der Notenwerte erreicht wird, ohne das Tempo zu beschleunigen. Doch nicht die Nachahmung von Geräuschen steht im Zentrum, sondern die «Wiedergabe eines visuellen Eindruckes und eines physischen Wohlempfindens durch eine musikalische Konstruktion», so der Komponist. «Diese geht von der sachlichen Beobachtung aus: das ruhige Atmen der stillstehenden Maschine, die Anstrengung beim Anfahren, die allmähliche Steigerung der Geschwindigkeit bis zum ‹lyrischen Zustand›, zum Gewaltig-Pathetischen eines Eisenbahnzuges, der mit seinen 300 Tonnen Gewicht mit einer Stundengeschwindigkeit von 120 Kilometern durch die tiefe Nacht rast.»
Noch ahnt Honegger nicht, dass sich die Rezeption trotzdem auf detail-
Die ‹Pacific› gehörte auch in Europa zu den modernsten Schnellzug-Dampflokomotiven. Fabrik in Nantes (1921)
lierte Vergleiche mit dem Quietschen der Bremsen oder dem Lärm der Kolben stürzen wird. 1952 versucht er einen Rückzieher. Nichts als eine romantische Idee sei der Titel seines Mouvement symphonique gewesen: «In Wirklichkeit bin ich einer sehr abstrakten, reinen Idee gefolgt, durch die ich das Gefühl einer mathematischen Beschleunigung des Rhythmus geben wollte, während die Bewegung selbst sich verlangsamt. Musikalisch habe ich einen grossen figurierten Choral komponiert, der sich in der Form an Johann Sebastian Bach anlehnt.»
Umsonst. Pacific 231 wird ein ‹Lokomotivenstück› bleiben. Honegger weiss selbst um die Unumkehrbarkeit seiner einstigen Idee. Er nimmt es gelassen: «Man soll das Publikum nie unnötig betrüben: Das ist eines der wichtigsten Gesetze der musikalischen Komposition.»
Als exzellenter Pianist schrieb Ludwig van Beethoven seine Klavierkonzerte zunächst einmal zum eigenen Gebrauch. Zugleich brachte er die Gattung zu kraftvoller
Virtuosität und sinfonischer Fülle. Beethovens kühnes Klavierspiel war «nicht liebenswürdiges Getändel, kokette Bravour, sondern sprudelnder Energieüberschuss», wie es sein Biograf Paul Bekker 1911 formulierte.
Einem unvollständig erhaltenen Konzert aus der Jugendzeit folgte ein B-DurWerk, das heute als Beethovens Klavierkonzert Nr. 2 bezeichnet wird. Erst danach, 1795, nahm Beethoven die Arbeit an einem Klavierkonzert in C-Dur auf, das jedoch als erstes im Druck erschien und daher als Nr. 1 gezählt wird. Öffentlich präsentierte er es erstmals im
März 1795 in der Wiener Hofburg, um es danach immer wieder zu überarbeiten. Auch auf seinen Konzertreisen 1796 nach Berlin, Pressburg (dem heutigen Bratislava) und Budapest sowie 1798 nach Prag hat Beethoven das Konzert wahrscheinlich gespielt. Im April 1800 erklang es in Wien erstmals in seiner endgültigen Fassung. Die Ausführung war jedoch offenbar suboptimal: «Die […] Fehler dieses Orchesters wurden sodann desto auffallender, da B.’s Komposition schwer zu executiren ist. Im Accompagniren nahmen sie sich nicht die Mühe auf den Solospieler Acht zu haben», schrieb ein Kritiker. Allerdings war das Scheitern des Orchesters verzeihlich angesichts Beethovens berüchtigter Neigung, spontan vom Notentext abzuweichen.
Zählte Beethoven das Klavierkonzert selbst «noch nicht zu meinen besten von der Art», so macht diese Übergangsposition gerade dessen Reiz aus. Noch in traditionellen Modellen wurzelnd, sucht dieses Stück bereits nach neuen Regionen: mit motivisch individueller Arbeit, emotionaler Tiefe, fülligen Klavierfigurationen und einer exzentrischen Sprungkraft im Finale. Die sinfonische Dimension eroberte sich Beethoven mit raumgreifenden Klangblöcken im Soloinstrument, die sich von der Kleingliedrigkeit der früher entstandenen Werke Mozarts absetzen.
In diesem brillanten Figurenwerk schlägt sich seine von den Zeitgenossen bestaunte Improvisationslust nieder. Die ausgedehnte Einleitung im stilisierten Marschcharakter scheint thematisch zunächst nicht viel herzugeben: Das fanfarenartige Hauptthema bietet mit Oktavsprung, aufwärts rol lender Figur und lapidarem Abschluss noch wenig Originalität. Erst rückblickend lässt sich erkennen, wie es mit seinem einprägsamen Rhythmus auch den Pulsschlag der beiden folgenden Sätze prägt. Diese Substanzgemeinschaft der Sätze untereinander sollte Beethoven als Markenzeichen stetig weiterentwickeln. Einmal etabliert, gibt das Klavier die Marschrichtung vor, nicht nur in der spielerischen Beschäftigung mit dem Fanfarenthema, sondern auch mit dem Weiterspinnen des lyrischen zweiten Themas.
Im poetischen Mittelsatz übernimmt die Solostimme sofort die Führung und weist mit empfindsamen Umspielungen des gesanglichen Themas behutsam den Weg. Über einem sanft schimmernden Streicherklang erblüht immer wieder die Klarinette. Launige Purzelbäume schlägt dann das Finale, ein Rondo mit feurigem Refrain-Thema. Der grimmige Humor des späteren Beethoven flackert bereits auf, aber auch seine Liebe zu eigenwilligen Akzentuierungen und Überraschungen. Nach einer plötzlichen Atempause stürmt das Rondo umso ausgelassener seinem Ende entgegen – ein Effekt, den Beethoven gerne zur Spannungssteigerung einsetzte.
Das Konzert ist der Fürstin Barbara Odescalchi, geborene Gräfin Keglevich, gewidmet. Sie wurde eine Schülerin Beethovens, nachdem sie ihm 1796 als Sechzehnjährige in Pressburg vorgespielt hatte. Der Augenzeuge Johann Daniel Ribini berichtete, wie «deren musikalisches Talent ihn [Beethoven] in Erstaunen setzt. Alle seine Sachen spielt sie mit einer Richtigkeit u. Fertigkeit, wie er selbst nicht besser im Stande ist. Wenn er sich selbst wollte hören, ohne zu spielen, so bath er diese
Das alte Wiener Burgtheater (in der Mitte) am Michaelerplatz neben der Winterreitschule (vor 1888)
junge Künstlerin sich ans Klavier zu sezen.» Möglicherweise verliebte sich Beethoven in sie. 1801, im Jahr der Drucklegung des Konzerts, heiratete seine Schülerin den Fürsten Odescalchi.
Originalbeitrag für die Berliner Philharmoniker. Abdruck mit freundlicher Genehmigung.
In der endgültigen Fassung am 2. April 1800 im Wiener Burgtheater mit dem Komponisten am Klavier
DAUER
ca. 34 Minuten
STERNE ÜBER USBEKISTAN
VON BENJAMIN HERZOG
«Ich gehörte sicher nicht zu den Kindern, die sich mit drei, vier Jahren zum Instrument quengeln. Erst als ich sechs war, hat mir meine Mutter die Grundlagen beigebracht», sagt Behzod Abduraimov im Interview. Ein Früh-, aber nicht Frühest starter. Die internationale Klavierwelt ist voller Anekdoten solchen «Quengelns». Der zweijährige Lang Lang soll durch einen Tom und Jerry -Cartoon im Fernsehen, in welchem der Kater Tom Liszts 2. Ungarische Rhapsodie spielt, zum Klavierspielen animiert worden sein. Martha Argerich erzählt, wie sie mit knapp drei Jahren im Kindergarten fehlerfrei eine Melodie nachspielte, die einer der Unterrichtenden dort vorgespielt hatte. Behzod Abduraimov erhielt seinen ersten Unterricht von seiner Mutter – mit sechs Jahren. Naturtalent oder disziplinierter Schüler – auf Abduraimov trifft wohl beides zu. Wenn die Kritik über ihn schreibt, er demonstriere eine Technik «von aussergewöhnlicher Präzision, was es ihm er möglichte, jede Note klar und deutlich zu spielen», so sind damit die beiden Sphären angesprochen, die ausserord entliches von gutem Klavierspiel unterscheiden: die technische, aber auch die interpretatorische Präzision. Abduraimov studierte zunächst in seiner Heimatstadt Taschkent, Usbekistan, bei Tamara Popowitsch. Eine Leh-
rerin, die ihm einbläute: «Solange Du Dich mit der Technik aufhalten musst, machst Du keine Musik.» Ein, wie er sagt, richtiger Rat für ihn. Mit dem Wechsel zu Stanislav Ioudenitch an der Park University in Kansas City (USA) kam Abduraimov zu einem Lehrer, «der mir die musikalische Seite vermittelt hat, die unterschiedlichen Interpretationsstile, das Entwickeln einer eigenen Handschrift, auch den Umgang mit dem ganz grossen Klang, der leicht zur Kraftmeierei wird».
Der Pianist, der mit den grossen Konzerten von Prokofjew, Rachmaninow oder Tschaikowski unterwegs ist (Tschaikowskis b-Moll-Konzert, mit dem er 2023 auch in Basel angetreten ist, habe er «mindestens 300 Mal» aufgeführt), spielt selbstverständlich auch Werke von für Pianist*innen so zentralen Komponisten wie Mozart, Schubert oder Beethoven. Seine in einem geradezu ekstatischen Schluss endende Appassionata reisst einen auch als Konzertmitschnitt mit. Und das Finale des 3. Klavierkonzerts von Beethoven, nachzuhören auf der Website seines Managements, gibt jenem Kritiker recht, der schrieb, Behzod Abduraimovs interpretatorische Entscheidungen verliehen der Musik eine «betont persönliche Note». Als Solist tritt Abduraimov in der laufenden Saison mit zahlreichen Orchestern in Europa, in den USA, aber
auch in Singapur oder Tokio auf. Seine jüngste CD vom Januar 2024 stellt Sergei Prokofjews bunt bewegte Klaviertranskription seiner Ballettmusik zu Romeo und Julia und die wahrlich dämonischen Schwierigkeiten von Maurice Ravels Gaspard de la nuit der Musik einer usbekischen Komponistin gegenüber. Dilorom Saidaminovas Mauern des alten Buchara ist eine Hommage der 1943 in Taschkent geborenen Komponistin an Modest Mussorgskis Bilder einer Ausstellung . Acht zu einem abwechslungsreichen Parcours zusammengestellte Miniaturen, die beim Hören sofort die unterschiedlichsten Bilder aufsteigen lassen, von mächtigen Kuppeln zu den kalt glitzernden Sternen über Buchara, einer im heutigen Usbekistan gelegenen Stadt an der ehemaligen Seidenstrasse.
Denken wir heute an Maschinenmusik, so fällt uns am ehesten der Computer ein. In der Popmusik unverzichtbar, wird er auch in der zeitgenössischen Kunst musik wie selbstverständlich eingesetzt. Viele Komponist*innen komponieren am und mit dem Computer oder speisen elektronische Klänge in ihre Stücke ein. Kürzlich, an den Donaueschinger Musiktagen, wirkte sogar ein Programm mit Künstlicher Intelligenz in einem Stück mit: in dem Klavierkonzert The Reincarnation of Blind Tom des US-amerikanischen Komponisten George E. Lewis.
Musik mit oder von Maschinen erzeugt, diese Idee geistert seit der Antike durch die Musikgeschichte und hat über die Musikautomaten und Spieluhren des Barocks ihre Spur bis in die Gegenwart gezogen. Maschinen oder, im Falle von Alexander Wassiljewitsch Mossolows Tondichtung Die Eisengiesserei , eine ganze Fabrik sind als Sujets jedoch die Ausnahme. Im Konzertbetrieb haben sich hier zwei Werke behaupten können. Arthur Honeggers Pacific 231 und, seltener zu hören, Mossolows Eisengiesserei .
Angeblich war der 1900 in Kiew geborene und in der jungen Sowjetunion gross gewordene Mossolow von Honeggers dampf-stampfender Lokomotivmusik derart beeindruckt, dass er daraufhin ein ganzes Ballett namens
Stahl schreiben wollte. Fertig wurde daraus einzig der Satz Sawod , zu Deutsch ‹Fabrik›. Mossolow schiebt seine kurze Komposition, ähnlich wie Honegger seine Pacific-Lokomotive, mit einem mechanisch repetitiven Crescendo an. Über die anschwellenden Klänge pflanzen sich choralartige Blechbläserlinien. Mossolows Loblied auf die stolze Industrie der Sowjetunion wurde zu seinem Vermächtnis. Von seinem Werk, zu dem auch Sinfonien, Opern und Oratorien zählen, ist heute einzig Die Eisengiesserei im Repertoire.
Die Sinfonischen Tänze op. 45 sind das letzte Werk, das Sergei Rachmaninow vollenden konnte. Die dreisätzige Komposition stand lange Zeit im Schatten seiner Klavierkonzerte und Sinfonien und konnte sich erst Jahrzehnte nach dem Tod des Komponisten durchsetzen. Vielleicht, weil sie einen neuen Ton anschlug und nicht ins Bild des schwermütigen, an sich selbst leidenden Spätromantikers passte. Heute sind die Sinfonischen Tänze eines der am häufigsten aufgeführten Orchesterwerke des russischen Meisters.
Sergei Rachmaninow hatte 1939 wegen des drohenden Weltkriegs Europa und damit auch das von ihm geplante und seit 1933 bewohnte Haus ‹Senar› in Hertenstein am Vierwaldstätter See verlassen. Er sollte sein geliebtes Sommerhaus – es ist heute im Besitz des Kantons Luzern und der Öffentlichkeit zugänglich – danach nie mehr sehen. In den Vereinigten Staaten entfaltete Rachmaninow eine rastlose Aktivität und feierte spektakuläre Erfolge als Pianist und Komponist, gelegentlich auch als Dirigent. Allein in der Saison 1940/41 trat Rachmaninow in 45 Konzerten auf, darunter in 31 Klavierrezitals. Im Februar 1943 wurden Sergei und Natalia Rachmaninow US-amerikanische Staatsbürger. Bereits Ende März starb der Musiker in Beverly Hills. Den Auftrag zur Komposition der Sinfonischen Tänze hatte Rachmaninow von Eugene Ormandy, dem Chef des Philadelphia Orchestra, erhalten. Der Komponist griff dafür auf Skizzen zu einem Ballett mit dem Titel Die Skythen aus dem Jahr 1915 zurück. Das nomadische Reitervolk der Skythen wurde wegen seiner Kriegslüsternheit gefürchtet, aber auch als Vorläufer der Slawen verehrt. Doch Rachmaninow hatte Pech mit seinem Vorhaben. Ihm kam Komponistenkollege Sergei Prokofjew mit einer eigenen Skythischen Suite zuvor, sodass Rachmaninow sein Projekt aufgab.
Mit seinen Sinfonischen Tänzen schlug der schwermütige Spätromantiker Rachmaninow neue Töne an. Fotografie um 1925
Zweieinhalb Jahrzehnte später griff er es unter dem Arbeitstitel ‹Fantastische Tänze› auf, und wieder gab es Konkurrenz aus dem russischen Komponistenlager: Dmitri Schostakowitsch schrieb gerade an einem Werk mit diesem Namen und brachte Rachmaninow unter Zugzwang.
Fünf Wochen lang arbeitete Rachmaninow täglich von 9 bis 23 Uhr an der Partitur. Mit Musiker*innen des Orchesters nahm er die Stimmen durch, unter anderem die in der sinfonischen Musik damals noch recht ungewöhnliche Saxofonstimme. Unter dem Titel
Sinfonische Tänze konnte er das Werk vollenden und am 3. Januar 1941 zur Uraufführung bringen. Die Reaktionen der musikkritischen Presse waren durchwachsen. Das neue Werk umfasste drei Sätze, die der Komponist ursprünglich mit den Titeln Mittag , Dämmerung und Mitternacht bezeichnet hatte. Es sollte eine Ballettmusik mit der Choreografie von Mikhail Fokine werden. Schliesslich verzichtete der Komponist auf programmatische Titel, und es kam nicht zur geplanten Choreografie.
Rachmaninow, so berichtet der in der Schweiz lebende russische Schriftsteller Michail Schischkin, soll seine Sinfonischen Tänze für sein zweitbestes Werk gehalten haben – neben und nach der Tondichtung Kolokola (Die Glocken). Und Anklänge an die typischen Glocken der russisch-orthodoxen Kirche gibt es tatsächlich im 3. Satz, in welchem die gregorianische Sequenz Dies irae als Vision des Jüngsten Tages aufblitzt. Vom Tanz zum Totentanz ist es in der Musik oft kein weiter Weg.
Der 1. Satz Non allegro mutet mit seinen schroffen, militärisch-aggressiven Motiven geradezu barbarisch an –und Rachmaninow ist mit dieser Vorliebe für das Brutale, Ungehobelte in guter Gesellschaft von Igor Strawinsky, Sergei Prokofjew oder Béla Bartók. Doch eine lyrische Hirtenmusik mit Oboen, Klarinetten und Englischhorn, in die eine wehmütige Saxofon-Kantilene
eingewoben wird, vertreibt vorübergehend alles Gewaltsame. Bemerkenswert ist die originelle Instrumentation dieses in C-Dur endenden Satzes, in dem nicht nur das Saxofon, sondern auch Harfen und Klavier aparte Farbakzente setzen. Ein grosser Orchester-Walzer schliesst sich als 2. Satz Andante con moto an. Darin findet sich viel Graziöses und Elegantes, aber auch eine Nähe zur Katastrophe, wie sie einst Maurice Ravel in La Valse musikalisch ausgemalt hatte. Anders als Ravel lässt Rachmaninow den Satz pianissimo verklingen. Fanfarenhafte Anklänge verknüpfen diesen Walzer mit dem 1. Satz der Komposition. Im Finale mit seinen Glockenmotiven und dem Dies irae haben russische Kommentator*innen einen Ausdruck der Sehnsucht Rachmaninows nach seiner russischen Heimat sehen wollen. «Alliluya», notierte der Komponist an einer Stelle 26 Takte vor dem Schluss, und als er mit der Orchesterpartitur fertig war, fügte er am Ende hinzu: «Ich danke dir, Gott».
Am 3. Januar 1941 mit dem Philadelphia Orchestra unter Eugene Ormandy
DAUER
ca. 35 Minuten
RECHTER VORHOF RECHTE
Sinfoniekonzert ‹La Mer› vom 19. Oktober 2022 unter der Leitung von Aziz Shokhakimov
TEIL EINES GANZEN
VON BENJAMIN HERZOG
Huw Morgan, seit 2015 Solotrompeter im Sinfonieorchester Basel, wurde 1987 in Südwales, Grossbritannien, geboren. Er studierte zunächst an der Chetham’s School of Music in Manchester bei John Dickinson und Murray Greig. Später an der Royal Academy of Music in London bei James Watson, Mark David und Robert Farley. Und zuletzt an der Zürcher Hochschule der Künste bei Frits Damrow. Huw wohnt im französischen Leymen mit seiner Frau Julia Morgan, Solo-Flötistin des Sinfonieorchesters Basel, und der gemeinsamen dreijährigen Tochter Emilia.
BH Welcher ist Dein Lieblingsort in Basel oder der Region?
HM Die Burg Landskron befindet sich in unserer Nähe in Leymen. Von dort hat man die schönste Aussicht auf Basel. Es gibt auch einen sehr idyllischen Weg, der dieses Schloss mit der Klosterkirche von Mariastein verbindet und so die Grenze zur Schweiz überquert. Auch Mariastein ist unglaublich schön. Wir haben das Glück, all das vor unserer Haustür zu haben.
BH Hast Du schon einmal von Musik geträumt?
HM Von Musik selbst eigentlich nicht. Aber hin und wieder habe ich Alpträume, dass mein Instrument gestohlen wird, dass ich mein Mundstück vergesse oder meinen Dämpfer während einer sehr ruhigen Passage im Konzert versehentlich umstosse! Zum Glück ist mir das noch nie passiert.
BH Welche Eigenschaften bewunderst Du an Deinen Kolleg*innen im Orchester?
HM Ein Orchester unterscheidet sich von den meisten anderen Arbeitsplätzen dadurch, dass sehr junge Musiker*innen und fast pensionierte Musiker*innen absolut gleichwertig nebeneinander spielen. Dass und wie diese persönlichen und beruflichen Bindungen funktionieren, macht unsere Arbeit so
schön. Die Leidenschaft, Sorgfalt und Neugier, die meine Kolleg*innen für ihre Kunst aufbringen, verbunden mit Loyalität, Respekt und Freundlichkeit berühren mich jeden Tag.
BH Wo oder wie findest Du Inspiration?
HM Am meisten inspirieren mich die Gespräche, die ich mit meiner Familie und meinen Freund*innen führe. Unterschiedliche Perspektiven und Meinungen zu diskutieren, ist unglaublich aufschlussreich. Bei der Vorbereitung auf unsere Orchesterkonzerte versuche ich mich von der Partitur inspirieren zu lassen. Das soll nicht heissen, dass mich der Klang der Musik, die Virtuosität und Sensibilität meiner lieben Kolleg*innen nicht inspirieren (denn das tun sie!), sondern einfach, dass ich meine Rolle als Teil des Ganzen sehe. Das führt zu einer tieferen Verbindung mit den Wünschen der Komponist*innen und zu einer grösseren Wertschätzung der vielen Farben und Texturen der Musik, die wir spielen.
BH Was war Dein prägendstes Erlebnis mit Chefdirigent Ivor Bolton?
HM Ein absoluter Höhepunkt war für mich die szenische Version von Mozarts Requiem , die Ivor in der letzten Saison im Theater dirigierte. Die Nuancen und Farben, die er im Orchester zu finden vermochte, und sein Tempo bei den ineinander verwobenen Gesangslinien machten die Produktion wirklich magisch. Ich glaube, Ivor hat eine angeborene Affinität zu dieser Musik; sie fliesst einfach ganz natürlich durch ihn.
‹ FREUNDESKREIS SINFONIEORCHESTER BASEL ›
MUSIK VERBINDET –FREUNDSCHAFT AUCH
Der Freundeskreis ist eine engagierte Gemeinschaft, die Freude an klassischer Musik sowie eine hohe Wertschätzung gegenüber dem Sinfonieorchester Basel verbindet.
Wir unterstützen die Arbeit der Musiker*innen des Sinfonieorchesters Basel auf vielfältige Weise. Wir tragen dazu bei, in der Stadt und der Region Basel eine positive Atmosphäre und Grundgestimmtheit für das Orchester und das Musikleben zu schaffen. Unser Verein stellt für seine Mitglieder ein reichhaltiges Programm an exklusiven Anlässen mit dem Sinfonieorchester Basel zusammen. Dabei bietet sich die besondere Möglichkeit des direkten Kontakts zu den Musiker*innen. Auch in der aktuellen Spielzeit können wir wieder zu einer Kammermusikreihe einladen – eine aktuelle Vorschau finden Sie auf unserer Website. Als Mitglied erhalten Sie jeweils per Mail Informationen zu den bevorstehenden Anlässen und Angeboten.
Wir heissen Sie sehr herzlich will kommen! Nehmen Sie direkt Kontakt mit uns auf: freundeskreis@sinfonieorchesterbasel.ch oder besuchen Sie unsere Website www.sinfonieorchesterbasel.ch/freundeskreis
Y WIE YOGA
VON BENJAMIN HERZOG
Ich war wohl ein eher unkonzentrierter Schüler. Im Gymnasium liess sich der Lehrkörper leichter darüber hinwegtäuschen als im Geigenunterricht. Mein Geigenlehrer, mit dem ich mich prächtig verstand, vor allem beim Kaffee nach der Unterrichtsstunde, überreichte mir schliesslich das Buch Zen in der Kunst des Bogenschiessens . Ich fühlte mich geehrt, doch verstand ich von dem, was darin stand, nichts. Sätze wie, die Technik müsse «überschritten» werden, so dass das Können zu einer «nichtgekonnten» Kunst werde, lösten bei mir verwundertes Staunen aus über solche paradoxalen Sprachvolten. Mehr aber nicht. Ausserdem: Was sollte das Bogenschiessen mit dem Geigespielen zu tun haben?
Offenbar scheinen wir Europäer*innen ein Konzentrationsproblem zu haben. Oder, wenn man den Spiess umdreht, so scheint der Osten jedenfalls taugliche Mittel zur Hand zu haben, unserer hühnerhaft unfokussierten Schar zu gedanklicher Klarheit zu verhelfen. Zen, Yoga , Atemtechniken sind äusserst beliebt und werden hierzulande breit praktiziert. Auch unter Orchestermusiker*innen. Wer sich dort genauer umhört, bekommt daneben aber noch andere Antworten auf die Frage, wie die nötige Konzentration für einen Konzertabend aufgebracht wird.
Aus der Yogapraxis abgeleitet ist das sogenannte Box Breathing: einatmen, den Atem anhalten, ausatmen, den Atem wieder anhalten. Und das jeweils vier Sekunden lang. Er mache das sogar während der Proben oder im Konzert selbst, weil ihm diese Atemtechnik helfe, den Puls zu senken und vor anstrengenden Passagen entspannt zu bleiben, sagt ein Musiker. Entspannt sein und dabei konzentriert bleiben – das scheint das Wichtigste zu sein. Stress kann ja schon allein durch die Konzertsituation aufkommen. Haben Orchester-Solist*innen dann noch ein heikles Solo zu spielen, so hilft es vielen, sich diesen Moment vorzustellen: Ich sitze auf der Bühne, vor mir die Kolleg*innen, ein*e Dirigent*in mit erwartungsvollem Blick, der volle Saal. Diesen Film lassen Musiker*innen probeweise gerne schon zu Hause vor dem inneren Auge ablaufen, um im entscheidenden Moment innerlich darauf vorbereitet zu sein. An-, beziehungsweise Entspannung zeigt sich zunächst im Körper. Ist Ihnen bei fokussierten Menschen nicht auch schon die eine oder andere Halssehne aufgefallen, aus dem Gewebe hervortretend, als ob sie das Gehirn näher an das Herz bringen wollte und somit an die in dem Moment vielleicht besonders wichtige Blutpumpe? Das muss nicht heissen, dass diese Menschen nicht entspannt sind. Eher, dass sich
die Spannung irgendwo ihren Weg sucht, wenn sie sich schon – zum Beispiel – nicht in den fürs Instrumentalspiel so wichtigen Fingern breitmachen darf. Viele gehen das mit der Entspannung darum auch so an, dass sie ihren Körper einer Spannung ganz gezielt aussetzen. Im Sport etwa, im FitnessStudio. Die Aufgaben dort sind für Orchestermusiker*innen vergleichsweise unterkomplex: Gewichte anheben, Beine durchdrücken oder einfach auf dem Laufband auf Trab bleiben.
Eine sehr detaillierte Art der Vorbereitung mit seinem Instrument verriet mir ein Musiker, der sagte, er stelle sich bei besonderen Passagen in Zeitlupe jede einzelne dafür nötige Muskelbewegung vor, versuche sodann, sich diese zu merken und sie allmählich bis zum eigentlichen Tempo zu automatisieren. Die Bandbreite konzentrationsfördernder Aktivitäten ist also sehr vielfältig. Da viele Orchestermusiker*innen auch Genussmenschen sind, fand bei meiner Umfrage mehrfach auch das Kochen, das gemeinsame Essen Erwähnung. An freien Tagen, aber auch am Konzerttag. Danach eine Siesta, und wenn man dann den Frack anziehe, die Konzertkleidung, so sei klar: Jetzt gilt es, in eine andere Welt einzutauchen. Das Pendel von Anspannung und Entspannung schlägt im Musiker*innenBeruf bestimmt stärker aus als in einem
Bürojob. Oder aber die in Orchestern Tätigen sind darauf einfach besser vorbereitet. Denn auch widrige Chefpersonen oder der Konkurrenzdruck in einem Unternehmen sind nicht zu unterschätzende Spannungsfaktoren, die bei Arbeitenden, die sich dessen nicht so bewusst sind, Stress auslösen können. Fantasien vielleicht, zu einem Bogen oder sonst einer Waffe zu greifen oder wenigstens dem störrischen Drucker einen Fusstritt zu geben. Meistens bleibt es bei solchen Vorstellungen, wenn überhaupt, und die im Büro Arbeitenden treffen sich mit ihren Kolleg*innen vom Orchester friedlich im FitnessStudio. Oder beim gemeinsamen Yoga.
Das nächste Mal: Z wie Zukunft
Illustration: Paula Troxler
SYMPHONIC GAMES
VIDEOGAME-MUSIK
TRIFFT AUF ORCHESTERSOUND
Di, 13. Mai 2025, 19.30 Uhr
Stadtcasino Basel, Musiksaal
Internationale Hits aus den Videospielen
Super Mario Bros. , The Legend of Zelda , Kingdom Hearts , Resident Evil V, The Last of Us , Fallout 4 , Fortnite , Mario + Rabbids , Starfield …
Lucien Guy Montandon
Bämeräng Medley aus dem Videospiel Bämeräng (2021), arr. von Jean Kleeb
Michel Barengo
The Fictional Adventures of Orin and the Wandering Tune (2025, Auftragskomposition des Sinfonieorchesters Basel)
Sinfonieorchester Basel
Eímear Noone, Leitung
In vielen Games erklingt bereits der Klang eines Sinfonieorchesters. Doch selten können passionierte Gamer die Hits aus Legend of Zelda , Starfield , Mario + Rabbids oder Fallout 4 live erfahren. Dieser bekannte Sound wird im Rahmen des Konzerts kombiniert mit einer neuen Komposition des Schweizer Videogame-Komponisten Michel Barengo sowie mit einem neuen Arrangement des Soundtracks aus dem Schweizer Game Bämeräng . Geleitet wird das Sinfonieorchester Basel von der legendären Dirigentin Eímear Noone – auch bekannt als «the Irish Queen of Game Music». Sie hat die Musik zu World of Warcraft oder Starcraft II komponiert.
Das Projekt findet im Rahmen der Initiative ‹zusammen, insieme, ensemble› von orchester.ch, dem Verband Schweizerischer Berufsorchester, statt.
Geniessen Sie flüsterleises Schweben in modernen Hightech-Ambiente z.B. in einem vollelektrischen EQA von Mercedes-Benz. Innovative Ausstattungshighlights heissen Sie willkommen. Auf Reisen und im Alltag.