Musik-Akademie Basel (18.6.) Don Bosco Basel (22.6.)
Sinfonieorchester Basel
Kammerorchester Basel
Ensembles zone expérimentale und sonic space basel alumni
Kollekte fhnw.ch/schlusskonzerte
ÜBERSICHT DER SYMBOLE
Diese Institution verfügt über eine Höranlage
Nummerierte Rollstuhlplätze im Vorverkauf erhältlich
Manuskript in der Paul Sacher Stiftung
Das Sinfonieorchester Basel verwendet geschlechtergerechte Formulierungen und weist Autor*innen bei der Vergabe von Textaufträgen im Vorfeld darauf hin. Es steht den Autor*innen jedoch frei, ihre Texte individuell zu gestalten.
«Ich kann dramatisch aus dem Vollen schöpfen», sagt die Sopranistin Anna Prohaska. In Basel singt sie erstmals Felix Mendelssohn Bartholdys Lobgesang .
Herzlich willkommen zu einem Konzertabend der besonderen Art: Es ist Ivor Boltons letzter Auftritt als Chefdirigent in einem Abonnementskonzert unseres Orchesters. Mit diesem Konzert wird Ivor noch einmal den Fächer völlig unterschiedlicher Musikstile öffnen. Die ausgewählten Werke führen uns durch verschiedene musikalische Strömungen, vereinen Bekanntes mit Überraschendem und lassen Vergangenheit und Gegenwart in einem faszinierenden Dialog erklingen.
Im Mittelpunkt steht Felix Mendelssohn Bartholdys 2. Sinfonie, genannt Lobgesang – ein Werk zwischen Sinfonie und Kantate, das nach seiner Uraufführung in der Leipziger Thomaskirche grosse Anerkennung fand und gar mit Beethovens 9. Sinfonie verglichen wurde. Ein glanzvoller Erfolg für den Komponisten und bis heute für viele die Essenz seines Schaffens. Inhaltlich besingt das Werk die Treue Gottes, den Beistand in Zeiten der Not und den triumphalen Weg aus der Dunkelheit ins Licht – ausdrucksstark und eindrucksvoll in Musik gefasst. Besonders freuen wir uns auf die gefeierte Sopranistin Anna Prohaska, die mit ihrer nuancierten und ausgereiften Stimme erstmals in Basel diesen Part interpretieren wird. Ich bin sehr glücklich darüber, dass es uns gelungen ist Ivors
Herzenswunsch zu erfüllen, Mendelssohns sinfonischen Lobgesang ins Programm aufzunehmen.
Zuvor widmen wir uns der verspielten Welt der Commedia dell’Arte mit Igor Strawinskys Suite aus seinem Ballett Pulcinella . Eine respektvolle, zugleich erfindungsreiche Hommage an Pergolesi, die Rokoko-Elemente mit modernem Esprit verbindet. Strawinsky komponierte dieses Werk am Genfersee, wo er sich während des Ersten Weltkriegs aufhielt, und schuf dabei eine kunstvolle Verschmelzung von Tradition und Neuerung.
Eröffnet wird das Konzert mit Oliver Knussens Music for a Puppet Court , einer Klangreise in die Rätselkanons eines englischen RenaissanceKomponisten. Knussen schafft hier eine Verbindung zwischen historischen Strukturen und moderner Klangsprache – ein ebenso herausforderndes wie faszinierendes Hörerlebnis.
Freuen Sie sich auf eine spannende musikalische Entdeckungsreise in diesem Konzert voller Klangfarben, Dramatik und kunstvoller Virtuosität!
Franziskus Theurillat Orchesterdirektor
LOBGESANG
Mi, 7. Mai 2025, 19.30 Uhr
Do, 8. Mai 2025, 19.30 Uhr
Stadtcasino Basel, Musiksaal
Sinfonieorchester Basel
La Cetra Vokalensemble
Anna Prohaska, Sopran
Jennifer Johnston, Mezzosopran
Andrew Staples, Tenor Ivor Bolton, Leitung
18.30 Uhr, Musiksaal: Konzerteinführung mit Benjamin Herzog
Oliver Knussen (1952 – 2018)
Music for a Puppet Court , op. 11 (1983)
I. Puzzle I «Iste tenor ascendit»
II. Toyshop. Music after «Tris»
III. Antiphon after «Iste tenor ascendit»
IV. Intrada and Puzzle II «Tris»
Igor Strawinsky (1882 – 1971)
Suite aus dem Ballett Pulcinella , K 34 (1922/49)
I. Sinfonia
II. Serenata
III. Scherzino
IV. Tarantella
V. Toccata
VI. Gavotta (con due variazioni)
VII. Vivo
VIII. Minuetto
IX. Finale
ca. 10’
ca. 24’
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847)
Sinfonie Nr. 2, Lobgesang , op. 52 (1840)
I. Sinfonie
Maestoso con moto – Allegro Allegretto un poco agitato
Adagio religioso
II. Chor und Sopran
Allegro moderato maestoso – Animato «Alles, was Odem hat, lobe den Herrn» Molto più moderato ma con fuoco «Lobe den Herrn, meine Seele»
III. Rezitativ und Arie Tenor
Rezitativ «Saget es, die ihr erlöst seid durch den Herrn»
Allegro moderato «Er zählet unsre Tränen in der Zeit der Not»
IV. Chor
A tempo moderato «Sagt es, die ihr erlöset seid»
V. Duett Soprane und Chor
Andante «Ich harrete des Herrn» «Wohl dem, der seine Hoffnung setzt»
VI. Tenor
Allegro un poco agitato «Stricke des Todes hatten uns umfangen»
VII. Chor
Allegro maestoso e molto vivace «Die Nacht ist vergangen»
VIII. Choral
Andante con moto – Un poco più animato «Nun danket alle Gott»
IX. Duett Sopran und Tenor
Andante sostenuto assai «Drum sing’ ich mit meinem Liede»
X. Schlusschor
Allegro non troppo «Ihr Völker, bringet her dem Herrn Ehre und Macht»
ca. 85’
Konzertende: ca. 22.10 Uhr
RÄTSEL GELÖST?
VON BENJAMIN HERZOG 1972 arrangierte der englische Komponist Oliver Knussen zwei sogenannte Puzzle- oder auch Rätselkanons, die einem englischen Komponisten des 16. Jahrhunderts zugeschrieben werden, für kleines Ensemble. Im darauffolgenden Jahr fügte er zwei kurze eigene Variationen hinzu. Seine Music for a Puppet Court (Musik für ein PuppenGericht), die im August 1983 fertiggestellt wurde, ist eine Neukomposition und Erweiterung dieses Materials. Das kurze viersätzige Stück ist orchestriert für zwei antifonal platzierte Kammerorchester.
Ein Rätselkanon ist eine besondere Form des Kanons, bei der die eigentliche Melodie oder die Regeln für den Einsatz der Stimmen nicht vollständig notiert sind. Stattdessen gibt es in den Noten Hinweise, die man erst entschlüsseln muss, um den Kanon korrekt aufzuführen. John Lloyds Puzzlekanons wurden in einem höfischen Liederbuch gefunden, das aus den frühen Jahren der Herrschaft Heinrichs VIII. stammt. Die canti firmi (Tenorstimmen) sind nicht ausgeschrieben, sondern nur mit kreuzworträtselartigen Hinweisen versehen. In einem Fall beispielsweise mit dem griechischen Wort τρίς (tris, dreimal), gefolg t von vier absteigenden Noten. Knussen schreibt dazu: «Es stellte sich heraus, dass der fehlende cantus aus genau diesen vier Noten bestand, die in einem Muster von drei mal drei Wiederholungen mit zunehmend kürzeren Notenwerten gespielt wurden. Die Lösungen wurden 1951 von John E. Stevens gefunden und veröffentlicht.»
Der Titel Music for a Puppet Court ist einerseits eine Anspielung auf den historischen Ursprung der Puzzlekanons und andererseits auf den spielerischen Charakter der gegenwärtigen instrumentalen Gestaltung. Das Orchester ist in zwei Gruppen aufgeteilt. Die erste ist um eine Celesta, eine Gitarre und zwei Flöten zentriert. Die zweite Gruppe um eine Harfe und zwei Klari-
Ehre für einen der ganz Grossen der englischen Musikgeschichte: Oliver Knussen erhält im Mai 2016 die Queen ’s Medal for Music von Königin Elizabeth II. überreicht.
netten. Jedes Orchester enthält eine Auswahl an Bläsern, Schlagwerk und Streichern, die die Musik der «Kernelemente», wie Knussen sie nennt, tragen, verstärken oder widerspiegeln. Wie Igor Strawinskys Pulcinella -Suite zeigt sich auch Knussens Musik mal in altem Gewand, fast kokettierend, und dann wieder in völlig modernem Kleid. Rätselhaft und verspielt bleibt sie auf jeden Fall.
Pulcinella ist ein aussergewöhnliches Werk im Œuvre von Igor Strawinsky. «Musique d’Igor Strawinsky, d’après Giambattista Pergolesi», steht über der Partitur, und zu den reizvollen Fragen beim Anhören gehört zweifellos jene, was denn in diesem Stück überhaupt vom Grossmeister der musikalischen Moderne und was von dem genialen Neapolitaner aus dem 18. Jahrhundert beigesteuert wurde.
Die Sache mit «Pergolesi» hat allerdings einen Haken, wie sich noch zeigen wird. Strawinsky aber ist mit Pulcinella in jedem Fall ein brillantes Spiel mit historischen Masken gelungen, dessen Entstehung wir einem seiner grossen Förderer verdanken: Sergei Diaghilew. Diaghilew, der Impresario der berühmten Tanzkompagnie ‹Ballets Russes›, reiste im Frühling 1917 mit zwei künstler ischen Weggefährten nach Neapel: mit dem jungen Tänzer und Choreografen Leonid Mjassin und mit Pablo Picasso, der in diesen Jahren gelegentlich auch Kostüme und Bühnenbilder gestaltete.
Die drei arbeiteten (zusammen mit dem Dichter Jean Cocteau) an dem Ballett Parade , und daneben spielten sie in jenen Tagen mit Ideen für ein neues Projekt: ein Stück in der Art der Commedia dell’Arte, also des traditionellen italienischen Improvisationstheaters mit seinen typischen Figuren und Kostümen. Picasso zeichnete erste Entwürfe, Mjassin entwickelte aus einer zweihundert Jahre alten Geschichte (Le quattro Polcinelle) ein Szenario. Im Mittelpunkt der Eifersuchts- und Verkleidungskomödie sollte der Schelm Pulcinella stehen, dem die Herzen der Frauen zufliegen und der deswegen in handfeste Turbulenzen gerät.
Es war die Idee Diaghilews, Musik des von ihm so geschätzten Giambattista Pergolesi (1710–1736) zur Grundlage des
neuen Balletts zu machen. Aus Bibliotheken in London und Neapel wurden zu diesem Zweck Abschriften einer grösseren Zahl von Kompositionen beschafft. Das Notenmaterial musste allerdings noch arrangiert werden, und nachdem Manuel de Falla einen entsprechenden Auftrag abgelehnt hatte, kam Igor Strawinsky ins Spiel. Der einstige Star-Komponist der ‹Ballets Russes›, der vor Beginn des Ersten Weltkriegs mit grossen Produktionen wie L’Oiseau de feu , Pétrouchka und Le sacre du printemps europaweit für Furore gesorgt hatte, war von der eher bescheidenen Aufgabe zunächst mässig begeistert. Das änderte sich jedoch bald. Diaghilew händigte ihm im September 1919 die Noten aus, denn Strawinsky war zumindest bereit, sich die Sache zu überlegen. Er habe sich dann die Stücke angeschaut, erinnerte er sich Jahrzehnte später – «und ich verliebte mich». Im waadtländischen Morges, wohin er mit seiner Familie vor Krieg und russischer Revolution geflohen war, machte sich Strawinsky an die Arbeit, und im Mai 1920 hatte Pulcinella als Ballett mit Pantomime und Gesangseinlagen seine Premiere in Paris. Diaghilew und Strawinsky gingen davon aus, dass die für sie kopierten Instrumentalstücke und Arien selbstverständlich von Pergolesi stammten. Dass Pergolesi zu den meistgefälschten Komponisten der Musikgeschichte gehört, konnte man zu dieser Zeit auch noch kaum wissen. Tatsächlich ist aber der früh vollendete, in Neapel wirkende Tonsetzer nach seinem Tod mit erst 26 Jahren schon bald zu einer legendären Figur geworden, mit deren Namen manch ein Verleger gute Geschäfte machen wollte. Musikwissenschaftliche Nachforschungen haben ergeben, dass zwar die Arien in Pulcinella (mit einer Ausnahme) zu Recht mit «Pergolesi» überschrieben sind. Der grösste Teil von Strawinskys instrumentalen Vorlagen stammt jedoch von anderen, heute weitgehend vergessenen Komponisten,
Gehupft wie gesprungen: Strawinsky ging in Pulcinella sehr frei mit der vermeintlichen Originalmusik Pergolesis um.
Ölgemälde Die Gaukler von Giovanni Domenico Tiepolo, 1793
insbesondere von Domenico Gallo (ca. 1730 – ?). Am Charme dieser Musik im Übergang von Spätbarock zu Frühklassik ändert die neue Zuschreibung natürlich nicht das Geringste. Bei dem Auftrag an Strawinsky hatte Diaghilew mehr oder weniger mit einem 1:1-Arrangement der alten Stücke gerechnet, und er war vom tatsächlichen Ergebnis dann leicht schockiert, was sich auch an der 1922 uraufgeführten Suite de Pulcinella gut nachvollziehen lässt. Strawinsky hat hier das Bühnenstück zu einer ‹Best-of›-Version für den Konzertsaal umgearbeitet. Das Ballett wurde auf die Hälfte zusammengestrichen, von den Arien blieb nur eine übrig, die sich in einen Dialog zwischen Oboe und Solo-Geige verwandelte. Will man ein Stück weit verstehen, was Strawinsky in den acht kurzen Sätzen mit Pergolesi & Co. angestellt hat, so ist vor allem zu beachten, dass praktisch
alle seine Vorlagen nur ganz dünn besetzt waren: Notiert waren maximal zwei Melodiestimmen und ein Bass. Strawinsky musste die Stücke also komplett neu orchestrieren, und er wählte dafür ein authentisch-barockes Instrumentarium. Wie unterschiedlich konnten freilich diese Orchestrierungen ausfallen! Im einen Extrem (Sinfonia ) imitierte er perfekt ein barockes Concerto grosso, im anderen (Vivo) machte er aus der Vorlage eine schräge Zirkusmusik mit Kontrabass- und PosaunenSolo, die ihr Urbild aus dem musikalischen Rokoko kaum noch erahnen lässt. Und Strawinsky beliess es mitnichten beim Orchestrieren: Hier schnitt er einen Takt oder einen ganzen Abschnitt weg, dort schrieb er eine eigene Überleitung; hier erfand er eine virtuose Geigenstimme, dort ersetzte er die klassischen Harmonien durch ein Ostinato; in einem Moment in täuschender Nachahmung, als wäre er Pergolesis dritte Hand – um dann im nächsten einen eklatanten Stilbruch zu begehen. Zum artistischen Höhepunkt ist, so gesehen, das Finale geworden. Nur noch die Themen von Gallos Vorlage werden – mitunter wie kitschige Zitate – in diesen Satz übernommen, in eine fulminante Neukomposition, in der sich Strawinsky endgültig wieder als der unübertroffene Champion des modernen Balletts präsentiert: mit seinen typisch unvorhersehbaren, elektrisierenden Rhythmen, die beim Hören direkt körperlich wahrnehmbar sind. Alle Masken sind gefallen – hier spricht: Igor Strawinsky.
Maskerade? Igor Strawinsky jedenfalls gefiel sich sehr in Dandy-Pose. Fotografie, 1920er-Jahre
Am 22. Dezember 1922 in Boston mit dem Boston Symphony Orchestra unter der Leitung von Pierre Monteux
DAUER
ca. 24 Minuten
«DURCHGEHEN MUSS MAN SELBER»
VON FABIAN KRISTMANN
Die Sopranistin Anna Prohaska stammt aus einer Musikerfamilie und erhielt mit vierzehn Jahren ihren ersten Gesangsunterricht. Ihr Repertoire umfasst alle Gattungen von der Oper bis zum Liedgesang und reicht vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Zusammen mit dem Sinfonieorchester Basel interpretiert sie zum ersten Mal eine der beiden Solo-Sopran-Partien in Felix Mendelssohn
Bartholdys 2. Sinfonie, Lobgesang .
Das musikalische Elternhaus, das den Weg für eine glanzvolle Sängerinnenkarriere ebnet – dies war ein ideales Umfeld für die künstlerische Entwicklung der Sopranistin Anna Prohaska: Sie ist das Kind einer Opernsängerin englisch-irischer Herkunft und eines Opernregisseurs aus Wien, der seinerseits einen Dirigenten als Vater und einen Komponisten als Grossvater hatte. Auf Neu-Ulm, wo sie 1983 geboren wurde, folgte als Wohnort der Prohaskas denn auch das väterliche Wien. Danach liess sich die Familie in Berlin nieder. Dort erhielt die Vierzehnjährige vom Dirigenten Eberhard Kloke – einem Freund der Eltern – ihren ersten Unterricht und übernahm schon zu Schulzeiten kleinere Opernpartien. Dass familiäre Verbindungen allein den Erfolg nicht automatisch garantieren, ist der Sängerin bewusst: «Da hatte ich natürlich schon auch Glück, aber wie es immer so ist: Die Tür geht vielleicht auf, aber man muss durchgehen, und man muss sich dann erstmal auf der anderen Seite der Schwelle beweisen.» An eine besondere Art der Unterstützung durch die Eltern erinnerte sich Prohaska mit folgenden Worten: «Wenn mal irgendwann ein Anflug von Primadonna um die Ecke schaute, haben sie sich immer lustig über mich gemacht, und dann war man auch gleich wieder am Boden. Und ich glaube, so etwas ist unbezahlbar.»
Mit zwanzig Jahren feierte Anna Prohaska ihr Debüt an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin, nachdem sie sich an der Hochschule für Musik ‹Hanns Eisler› von Norma Sharp, Brenda Mitchell und Wolfram Rieger zur Sopranistin hatte ausbilden lassen. Es dauerte nicht lange, da klopften Dirigenten wie Daniel Barenboim und Simon Rattle bei ihr an. Seit 2011 ist sie beim Plattenlabel Deutsche Grammophon unter Vertrag.
Anna Prohaskas Repertoire reicht von Monteverdi über Mozart, Weber, Strauss und Berg bis hin zu Uraufführungen zeitgenössischer Musik. Exemplarisch repräsentiert – und sogar noch etwas weiter ausgereizt – ist diese ganze Bandbreite auf ihrem letzten StudioAlbum mit dem Titel Maria Mater Meretrix , das sie mit der Violinistin Patricia Kopatchinskaja und der Camerata Bern eingespielt hat: Musik der mittelalterlichen Mystikerin Hildegard von Bingen und der ‹modernen› Komponistin Lili Boulanger bilden da die Eckpunkte. Für das Album hat Prohaska 2024 den Opus Klassik in der Kategorie ‹Sängerin des Jahres› entgegennehmen dürfen.
Eine «strahlend saugende, gläserne und doch leicht verhangene Stimme» bescheinigte die Presse der Sängerin, als sie noch keine dreissig war. Wie ihr Timbre inzwischen gereift ist, beschrieb Prohaska in einem Interview einmal so: «Die Stimme ist voller, lyrischer und auch körperlicher geworden. Die Stimme sitzt mehr ‹auf dem Körper›, sagt man in der sängerischen Umgangssprache. Früher war das doch sehr ‹kopfig› und ein bisschen mädchenhafter und leichter und flockiger. Ja, ich glaube, ich kann jetzt auch dramatisch mehr aus dem Vollen schöpfen.»
Zu Beginn ihrer Karriere hatte Prohaska der Stimme wohlweislich Sorge getragen, um sie nicht vorzeitig zu über fordern und zu verschleissen. Dazu gehörte auch der Verzicht: «Es ist so schwer, Nein zu sagen, wenn Traum-
rollen winken», sagt sie. «Das bereitet mir schlaflose Nächte. Da muss ich beharrlich und freundlich bestimmt sagen: Bitte erst in fünf Jahren!» Der rechte Zeitpunkt, um sich mit Felix Mendelssohns Sinfonie Lobgesang zu beschäftigen, ist für Anna Prohaska ganz sicher gekommen: Mit seiner weihevoll-betrachtenden Grundhaltung, die auch dramatische Momente und viel Lyrisches einschliesst, ist das Werk bei Prohaskas stimmlichen Qualitäten ideal aufgehoben. Mit dem Sinfonieorchester Basel führt sie es nun erstmals in einem Konzert auf.
Selbst Genies machen mitunter die Erfahrung, dass ihr kreativer Fluss ins Stocken gerät. Ein Kompositionsauftrag der Stadt Leipzig half Felix Mendelssohn Bartholdy schliesslich dabei, eine längere Schaffenskrise zu überwinden. Die Sinfonie Nr. 2 mit dem Beinamen Lobgesang , die 1840 als Festmusik in der Thomaskirche uraufgeführt wurde, sprengte alle Gattungsgrenzen und bescherte dem Komponisten einen seiner grössten Erfolge.
Unter Glockengeläut zogen am 24. Juni 1840 Professoren, Studenten, Buchhändler, Drucker, Setzer und Schriftgiesser zum Leipziger Marktplatz. Zehntausende Menschen versammelten sich in der renommierten Verlagsstadt, um die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg vor 400 Jahren zu feiern. Unter freiem Himmel präsentierte Felix Mendelssohn mit einem Männerchor und zwei Blechblasorchestern einen weltlichen Festgesang, den er eigens zu diesem Anlass komponiert hatte. «Mittwoch früh auf dem Markte ist die erste grosse Feierlichkeit, wo ich am Laternenpfahl stehe, und meinen Männergesang dirigire», schrieb er an seine Mutter in Berlin. Nach dieser Gutenberg-Kantate hob der Enkel des jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn am folgenden Tag in der Thomaskirche, der ehemaligen Wirkungsstätte von Johann Sebastian Bach, ein noch aufsehenerregenderes Werk aus der Taufe.
Der Weg zu dieser ungewöhnlichen Komposition, die verschiedene Gattungen in sich vereint, war freilich mühsam. Bevor Mendelssohn das Werk fertigstellte, kam er mit seinen sinfonischen Arbeiten offenbar über viele Jahre zu keinen befriedigenden Ergebnissen. Die Reformations-Sinfonie wurde erstmals 1832 in Berlin aufgeführt. Mendelssohn war unzufrieden und gestand,
dass er sie am liebsten verbrennen würde. Erst lange nach seinem Tod erschien das Werk im Druck. Die Italienische Sinfonie überarbeitete er nach der Uraufführung, vollendete sie aber nie, während die Schottische Sinfonie erst 1842, gut dreizehn Jahre nach den ersten Skizzen, im Leipziger Gewandhaus erklang. Als er nun zum Gutenbergfest den Auftrag für ein grosses Werk für Soli, Chor und Orchester erhielt, arbeitete er gerade an einer Sinfonie in B-Dur, deren Entwurf in das neue Stück einging. Mendelssohn sprach anfangs von einer «Symphonie für Chor und Orchester», während der zwei Jahre später erschienene Erstdruck den Titel «Eine Symphonie-Cantate nach Worten der Heiligen Schrift» trug. Widmungsträger dieser Ausgabe war der junge König Friedrich August II. von Sachsen, der nach einer Aufführung bei einem Festkonzert zu seinen Ehren voller Begeisterung auf die Bühne gestürmt war. Der Lobgesang beginnt mit drei Instrumentalsätzen, die attacca ineinander übergehen. Für die folgenden neun Vokalsätze mit Chören, Rezitativen und Arien verwendete Mendelssohn, dessen Familie in seiner Kindheit zum Protestantismus konvertiert war, vor allem Psalmverse aus der Lutherbibel sowie den Choral Nun danket alle Gott des protestantischen Geistlichen Martin Rinckart. Dabei fokussierte er sich auf drei Hauptthemen: das Lob Gottes, Gottes Treue zu denjenigen, die seine Hilfe und seinen Trost suchen, sowie den Aufstieg aus der Finsternis zum Licht. Die Metapher bezieht sich hier nicht nur auf die Hoffnung auf Erlösung durch den Glauben, sondern auch auf die Erleuchtung, die Gutenbergs Buchdruck der Kultur des 15. Jahrhunderts brachte. Die beiden Teile des Werks stehen nicht unverbunden nebeneinander, sondern sind durch die Verarbeitung der musikalischen Themen miteinander verklammert.
Das markante Eingangsmotiv der Posaunen durchzieht wie ein roter Faden den 1. Satz des sinfonischen Teils, Maestoso con moto – Allegro . In der Mitte des 2. Orchestersatzes, Allegretto un poco agitato , taucht das Motiv erneut als eine Art Cantus firmus einer choralartigen Struktur in den Bläsern auf, schliesslich ertönt es am Ende des gesamten Werks. Seine tiefere Bedeutung zeigt sich gleich zu Beginn des KantatenTeils, als ihm durch den Chor die Psalmworte «Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!» unterlegt werden, die im strahlenden Schlusschor erneut aufgegriffen werden. Der Weg aus dem Dunkel der Unwissenheit hin zum Licht der Erkenntnis wird in den Sätzen 6 und 7 besonders eindringlich dargestellt. Der Tenor singt zunächst in c-Moll von der Furcht vor Finsternis und Tod: «Stricke des Todes hatten uns umfangen. Und Angst der Hölle hatte uns getroffen. Wir wandelten in Finsternis.» Der Erwähnung von Gottes Versprechen, Erleuchtung zu senden, die von sachten Anklängen an As-Dur und dann an C-Dur begleitet wird, folgt der verzweifelte Schrei: «Hüter, ist die Nacht bald hin?» Der Solo-Sopran verkündet schliesslich in strahlendem D-Dur, dass das düstere Bangen ein Ende hat, woraufhin ein Chorsatz in derselben Tonart erklingt: «Die Nacht ist vergangen, der Tag aber herbeigekommen. So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts». Dieser dramatische Übergang vermittelt die poetische und musikalische Botschaft des Werks wohl am deutlichsten.
Das Leipziger Publikum nahm den Lobgesang mit Begeisterung auf, auch wenn einige Kritiker Mendelssohn eine blosse Nachahmung von Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie vorwarfen. Eine erweiterte Fassung kam im Dezember desselben Jahres zur Aufführung. Schon zu Lebzeiten Mendelssohns zählte die ‹Sinfoniekantate› zu seinen meistaufgeführten Werken. Der Komponist
Robert Schumann, der bei der Leipziger Uraufführung mit etwa fünfhundert Sängern und Musikern anwesend war, zeigte sich höchst angetan. «Enthusiastisch wirkte das Ganze und gewiss ist das Werk, namentlich in den Chorsätzen, seinen frischesten, reizendsten beizuzählen», schrieb er. «Einzelnes heben wir nicht hervor; doch – jenen mit Chor unterbrochenen Zweigesang ‹ich harrete des Herrn›, nach dem sich ein Flüstern in der ganzen Versammlung erhob, das in der Kirche mehr gilt als der laute Beifallruf im Concertsaal. Es war wie ein Blick in einen Himmel Raphael’scher Madonnenaugen.»
Am 25. Juni 1840 in der Leipziger Thomaskirche (Erstfassung) unter Leitung des Komponisten. Die erweiterte zweite Fassung erklang erstmals am 3. Dezember 1840 in Leipzig, ebenfalls unter Mendelssohns Leitung.
DAUER ca. 85 Minuten
Die Leipziger Thomaskirche, fast wie zu Mendelssohns Zeiten. Fotografie, 1930
Alles, was Odem hat, lobe den Herrn! Halleluja, lobe den Herrn! (Psalm 150) Lobt den Herrn mit Saitenspiel, Lobt ihn mit eurem Liede! (Psalm 33) Und alles Fleisch lobe seinen heiligen Namen. (Psalm 145)
FRAUENCHOR UND SOPRAN
Lobe den Herrn, meine Seele, Und was in mir ist, seinen heiligen Namen!
Und vergiss es nicht, was er dir Gutes getan. (Psalm 103)
III. TENOR
Saget es, die ihr erlöst seid durch den Herrn,
Die er aus der Not errettet hat, Aus schwerer Trübsal, aus Schmach und Banden, Die ihr gefangen im Dunkeln waret, Alle, die er erlöst hat aus der Not.
Saget es! Danket ihm und rühmet seine Güte! (Psalm 107)
Er zählet unsre Tränen in der Zeit der Not.
Er tröstet die Betrübten mit seinem Wort. (Psalm 56)
Saget es! Danket ihm und rühmet seine Güte!
Sinfonie Nr. 2, Lobgesang, op. 52
IV. CHOR
Sagt es, die ihr erlöset seid
Von dem Herrn aus aller Trübsal. Er zählet unsere Tränen in der Zeit der Not.
V. DUETT SOPRANE UND CHOR
Ich harrete des Herrn, und er neigte sich zu mir Und hörte mein Flehn.
Wohl dem, der seine Hoffnung setzt auf den Herrn!
Wohl dem, der seine Hoffnung setzt auf ihn! (Psalm 40)
VI. TENOR
Stricke des Todes hatten uns umfangen, Und Angst der Hölle hatte uns getroffen, Wir wandelten in Finsternis. (Psalm 116)
Er aber spricht: Wache auf! Wache auf, der du schläfst, Stehe auf von den Toten, Ich will dich erleuchten! (Eph 14) Wir riefen in der Finsternis: Hüter, ist die Nacht bald hin?
Der Hüter aber sprach: Wenn der Morgen schon kommt, So wird es doch Nacht sein; Wenn ihr schon fraget, So werdet ihr doch wiederkommen Und wieder fragen: Hüter, ist die Nacht bald hin? (Jes 21)
VII. CHOR
Die Nacht ist vergangen, Der Tag aber herbeigekommen. So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis
Und anlegen die Waffen des Lichts, Und ergreifen die Waffen des Lichts. (Röm 13,12)
VIII. CHORAL
Nun danket alle Gott Mit Herzen, Mund und Händen, Der sich in aller Not Will gnädig zu uns wenden, Der so viel Gutes tut; Von Kindesbeinen an Uns hielt in seiner Hut, Und allen wohlgetan.
Lob, Ehr’ und Preis sei Gott, Dem Vater und dem Sohne, Und seinem heil’gen Geist Im höchsten Himmelsthrone.
Lob dem dreieinen Gott, Der Nacht und Dunkel schied Von Licht und Morgenrot, Ihm danket unser Lied.
IX. DUETT SOPRAN UND TENOR
Drum sing’ ich mit meinem Liede
Ewig dein Lob, du treuer Gott!
Und danke dir für alles Gute, das du an mir getan!
Und wandl’ ich in der Nacht und tiefem Dunkel, Und die Feinde umher stellen mir nach:
So rufe ich an den Namen des Herrn, Und er errettet mich nach seiner Güte. Und wandl’ ich in Nacht, so ruf ich deinen Namen an, Ewig, du treuer Gott!
X. SCHLUSSCHOR
Ihr Völker, bringet her dem Herrn Ehre und Macht!
Ihr Könige, bringet her dem Herrn Ehre und Macht!
Der Himmel bringe her dem Herrn Ehre und Macht!
Die Erde bringe her dem Herrn Ehre und Macht! (Psalm 96)
Alles danke dem Herrn!
Danket dem Herrn und rühmt seinen Namen
Und preiset seine Herrlichkeit. (1 Chr 16,8‒10)
Alles, was Odem hat, lobe den Herrn, Halleluja, lobe den Herrn! (Psalm 150)
FREIHEIT FÜR DIE EIGENE STIMME
VON CRISTINA STEINLE
Die Londoner Geigerin Hana Mizuta-Spencer widmet sich leidenschaftlich der Erforschung selten gespielter Werke. Darüber hinaus be geistert sie sich für die Schweizer Bergwelt beim Wandern. Die Studentin der Hochschule für Musik Basel FHNW ist eine von 11 Solist*innen der drei Schlusskonzerte mit dem Sinfonieorchester Basel am 28. Mai und 3. Juni 2025.
CS Hana, Du hast bereits einen Master in Performance an der Guildhall School of Music and Drama bei David Takeno abgeschlossen. Was bewog Dich dazu, einen Solist*innen-Master hier in Basel in der Klasse von Barbara Doll anzuhängen?
HMS Mein Masterstudium fiel in die Corona-Zeit, dadurch habe ich leider nicht nur gute Erfahrungen sammeln können. Nach dem Studium arbeitete ich ein Jahr lang als Freelancerin in London und konnte mir dabei Gedanken machen, wohin die Reise gehen soll. Ich entschied mich, bei unterschiedlichen Dozierenden Lektionen zu besuchen – und so kontaktierte ich auch Barbara Doll. Ich kannte sie bereits von einem Meisterkurs in Liechtenstein. Barbara und mich verbindet da eine unvergessliche Geschichte: Als ich frühmorgens von meiner Gastfamilie in Liechtenstein aufbrach, um das Flugzeug in Zürich zu nehmen, schloss ich mich im Vorhof ein. Ich wusste mir nicht anders zu helfen, als Barbara anzurufen. Die setzte sofort alle Hebel in Bewegung, um mich zu ‹befreien›, und ich erwischte den Flug doch noch!
CS Wie ging es danach weiter?
HMS Die Probelektionen bei Barbara, aber auch die Hochschule und die Stadt Basel gefielen mir sehr gut, sodass ich
meine ‹Komfortzone› London verliess und hier 2023 das Studium aufnahm. Ich hatte Basel anders erwartet: Die Stadt wirkt sehr entspannt, und trotz ihrer ‹Grösse› läuft hier unglaublich viel in ganz unterschiedlichen Bereichen. Der Campus der Musik-Akademie liegt mitten im Stadtzentrum. Und obwohl die Hochschule für Musik Basel keine sehr grosse Hochschule ist, haben die drei Institute eine starke Präsenz und sind sehr breit aufgestellt. Basel kann mir mehr als nur Violinunterricht geben, das ganze Drumherum stimmt für mich!
CS Bereits im Alter von sieben Jahren hat Dich ein Auftritt von Sarah Chang dazu inspiriert, Geigerin zu werden. Wie kam es dazu?
HMS Ja, ich habe mich schon sehr früh der Geige verschrieben. Meine Eltern sind keine Musiker*innen, aber sie haben mich in meinem Bestreben sehr unterstützt. Meine Mutter entwickelte gemeinsam mit mir eine grosse Liebe zu klassischer Musik. Wir übten zusammen, sie besuchte meinen Unterricht, und wir gingen auf viele Konzerte. Meine Eltern wussten, wie wichtig es für Kinder ist, den Kontext ausserhalb des Übezimmers zu kennen und zu verstehen, wohin das Üben führen kann. Schliesslich ist es sehr selten, dass ein Kind wirklich üben will; klar, man möchte gut sein, aber die Arbeit, die dafür nötig ist, oft nicht tun. Ich habe grossartige Erinnerungen an ein Konzert von Sarah Chang. Sie sah wunderschön aus in ihrem Kleid, und ihr Auftritt war einnehmend und überwältigend. Das hat mich sehr inspiriert und gewissermassen infiziert.
CS Das Sinfonieorchesters Basel spielt diese Saison unter dem Motto ‹Finale›. Dieses Konzert ist auch für Dich ein Finale: Du schliesst damit Dein Studium ab. HMS Es ist ein Privileg, dass wir als Abschluss des Solist*innen-Masters mit
einem professionellen Orchester im wunderschönen Stadtcasino auftreten dürfen. Mit einem Orchester zu spielen, ist spektakulär und nicht vergleichbar mit einer Kammermusikformation. Bisher habe ich solistisch nur mit Laienorchestern gespielt. Dieses Konzert wird für mich also ein grosses Fest zum Ende des Studiums in Basel werden!
CS Du spielst das Violinkonzert von Alexander Glasunow – was sind Deine Gründe für diese Wahl?
HMS Ich geniesse es im Moment sehr, Werke zu spielen, die zwar Teil des Repertoires sind, aber nicht so oft aufgeführt werden. Das gibt mir etwas mehr Freiheit, meine eigene Stimme im Werk zu finden. Das Konzert von Glasunow habe ich noch nie live erlebt. Es ist interessant, ein solches Werk zu erkunden. Ausserdem schätze ich, dass es ein kurzes, sehr dichtes Stück ist. In den
lediglich wanzig Minuten passiert wahnsinnig viel. Alle Sätze gehen nahtlos ineinander über. Das heisst, ich muss mich beim Schlusskonzert nicht für einen Satz entscheiden, sondern kann ein ganzes Werk spielen, was ich sehr schön finde.
CS Worauf sollte das Publikum besonders achten?
HMS Der technisch schwierigste Part ist die Kadenz, da lohnt es sich, genau hinzuhören! Und auch wenn Glasunow als Komponist nicht unzugänglich ist, rate ich, sich vorab einige seiner Werke anzuhören, um in seine Welt einzutauchen, denn eine eigene Stimme hat er definitiv.
CS Wie ist es, kurz vor dem Konzert mit einem Dirigenten zu arbeiten, den man nicht kennt und der nochmals ganz neue Ideen zum Stück mitbringt?
HMS Wenn man das Stück sehr gut kennt, hat man den Platz, um neue Ideen zu integrieren. Ich versuche, anderen Interpretationen gegenüber möglichst offen zu sein, als Musikerin will ich grundsätzlich stets dazulernen. Meine Interpretation des Stücks kann in zwei Monaten wieder ganz anders aussehen als heute. Zudem spielt es eine grosse Rolle, ob man mit Orchester oder mit Klavierbegleitung spielt.
CS Hast Du schon eine Idee, wohin die Reise nach dem Studienabschluss gehen soll?
HMS Ich werde noch ein weiteres Jahr in Basel bleiben. Nach zwei Jahren fühle ich mich hier richtig angekommen, und das möchte ich noch etwas nutzen, um mich auf anderes zu konzentrieren und mein Netzwerk auszubauen. Basel liegt ja so toll im Herzen von Europa! An der Hochschule habe ich mit drei Kolleg*innen das Talos Quartet gegründet, wir widmen uns selten gespielter Kammermusik. Das kommende Jahr soll dann ganz im Zeichen unserer Kammer-
musiktätigkeit stehen, so freue ich mich schon sehr auf eine Konzerttournee durch Schottland. Aber natürlich möchte ich auch weiterhin von der fantastischen Natur in der Schweiz profitieren und diese wandernd erkunden.
Die Zusammenarbeit zwischen dem Sinfonieorchester Basel und der Hochschule für Musik Basel hat eine lange Tradition und geniesst einen hohen Stellenwert als eine die hiesige Musikszene seit vielen Jahren bereichernde Kooperation. Die Studierenden absolvieren Praktika beim Orchester, die Orchestermusiker*innen wiederum erteilen Unterricht an der Hochschule. Sie bringen den angehenden Musiker*innen mit ihrer Erfahrung das ‹Berufsfeld Orchester› näher. Hana Mizuta-Spencer studiert in der Klasse von Barbara Doll. Im Konzert am 3. Juni 2025 spielt sie das Violinkonzert a-Moll von Alexander Glasunow unter der Leitung von Samy Rachid. Ein weiteres Schlusskonzert mit dem Sinfonieorchester Basel findet am 28. Mai 2025 ebenfalls im Stadtcasino statt. An den Konzerten wird eine Kollekte erhoben, der Eintritt ist frei.
ÄLTESTE BISCUIT MANUFAKTUR DER SCHWEIZ
Eine gelungene Komposition. Der smart #3.
Sinfonie aus Kraft & Design.
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Hoch kommen, dabei sein!
Wir feiern 40 Jahre jung
Davos Festival40 Zeitlos
2.—16. August 2025
Young Artists in Concert
Chefdirigent Ivor Bolton und ‹Artist in Residence› Xavier de Maistre beim Saisonauftaktkonzert ‹Vielsaitig› am 11. September 2024
Judith Gerster wurde 1972 in Basel geboren, wo sie heute auch lebt. Sie studierte Violoncello an der Musikhochschule Basel bei Ivan Monighetti und an der Zürcher Hochschule für Musik bei Thomas Grossenbacher. Judith ist Mitglied des Sinfonieorchesters Basel seit 2003.
BH Was liegt Dir selbst besonders? Und was überhaupt nicht?
JG Ich habe sehr viel Ausdauer in der Musik und feile gerne an Stücken und an meinem Cellospiel. Aber mit anderen Menschen habe ich leider manchmal wenig Geduld.
BH Wer ist Dein*e Lieblingskomponist*in?
JG Mein absoluter Lieblingskomponist ist Beethoven. Mein Traum war stets, mein Musikerinnenleben in einem Streichquartett zu verbringen. Da taten Beethovens Quartette das ihre dazu. Es kam aber anders. Doch stellte ich später fest, dass mich Beethoven auch im ‹erweiterten Quartett›, im Orchester nämlich , sehr glücklich macht.
BH Wo findest Du Inspiration?
JG Inspiration finde ich in den Bergen; je höher, desto besser. Mir gefällt die Kargheit und Dominanz der Natur oberhalb der Baumgrenze.
BH Was war Dein prägendstes Erlebnis mit Chefdirigent Ivor Bolton?
BH Was ist Deine schönste Kindheitserinnerung?
JG Die Liederabende mit Kurt Widmer und Rolf Mäser am Murtensee und dabei insbesondere die Entdeckung von Schuberts Lied Die Forelle .
JG Das schönste Erlebnis mit Ivor waren für mich die Proben zu Bachs Weihnachtsoratorium . Ivor sprach für seine Verhältnisse wenig, formte aber mit seinen Händen diese berührende und tröstliche Musik. Ich hatte das Gefühl, dass dies ganz und gar seine Welt ist.
Der Freundeskreis ist eine engagierte Gemeinschaft, die Freude an klassischer Musik sowie eine hohe Wertschätzung gegenüber dem Sinfonieorchester Basel verbindet.
Wir unterstützen die Arbeit der Musiker*innen des Sinfonieorchesters Basel auf vielfältige Weise. Wir tragen dazu bei, in der Stadt und der Region Basel eine positive Atmosphäre und Grundgestimmtheit für das Orchester und das Musikleben zu schaffen. Unser Verein stellt für seine Mitglieder ein reichhaltiges Programm an exklusiven Anlässen mit dem Sinfonieorchester Basel zusammen. Dabei bietet sich die besondere Möglichkeit des direkten Kontakts zu den Musiker*innen. Auch in der aktuellen Spielzeit können wir wieder zu einer Kammermusikreihe einladen – eine aktuelle Vorschau finden Sie auf unserer Website. Als Mitglied erhalten Sie jeweils per Mail Informationen zu den bevorstehenden Anlässen und Angeboten.
Wir heissen Sie sehr herzlich will kommen! Nehmen Sie direkt Kontakt mit uns auf: freundeskreis@sinfonieorchesterbasel.ch oder besuchen Sie unsere Website www.sinfonieorchesterbasel.ch/freundeskreis
Z WIE ZUKUNFT
VON BENJAMIN HERZOG
Zack , das Licht ging aus. Der ganze Strom – einfach weg. Für einen kurzen Moment zwar nur, doch lange genug, um möglicherweise kritisch zu sein. Das würde man dann sehen. Mit kurzer Verzögerung schalteten sich die Notstromaggregate ein. Überall fuhren Dieselmotoren hoch. Ein Brummen erfüllte die Stadt. Es hörte sich an wie früher, als Autos, die kostbares Erdöl verpufften, noch erlaubt waren. Die Panne – war es ein Kurzschluss? Ein Cyberangriff? Seit die Behörden, die Institute, aber auch Private und Firmen auf vollständige Digitalisierung umgeschaltet hatten, war die Stadt verwundbar geworden. Ihre Strategie ‹digital komplett› hatte die Sicherheit nicht eben erhöht. Den Hebel zur Digitalisierung umgelegt hatte man vor zehn Jahren, also 2030. Gewiss, die Regierung unterhielt in den nahen Jurabergen, keiner wusste so genau wo, grosse Speicher. Ins kühle Gestein gebohrte Gehirne. Alles doppelt abgelegt. Doch man munkelte, auch diese Datenströme kämen immer wieder ins Flackern. Das konnte man zum Beispiel im Fussballstadion sehen. Die Spiele der Avatarmannschaften, national und international, mussten des Öfteren wiederholt werden, weil die digitalen Schiedsrichter Unterbrüche feststellten. Im Millisekundenbereich, gewiss,
aber die geltenden Cybersportregeln liessen da wenig Toleranz zu. Und auch die Konzerte – man hatte, wie in vielen anderen Städten, ein Orchester der Zukunft gegründet, das einzig aus digitalen Musiker*innen bestand, dreidimensional in den Konzertsaal projiziert –, auch die Konzerte waren störungsanfällig. Die komponierenden KI-Programme spuckten gigantische Partituren aus. Sinfonien für 800 Saxofone und 50-fach geteilte Streicher mit grossem Schlagzeug. Die Konzerthäuser steigerten sich in den Grössenwahn, überboten sich mit jeder Uraufführung. Und gerieten so tatsächlich an die Leistungsgrenzen der angeschlossenen Serverfirmen.
Ja, gewiss, man konnte diese MusikEvents nun auch von zu Hause aus bequem mitverfolgen. Das Klangbad wurde meist mit einem Massageprogramm übertragen, das problemlos in die SofaSoftware einzuspeisen war. Doch dieses Zuckeln in den 3D-Bild-Ton-Hologrammen immer ... Das machte die ganze Entspannung kaputt. Und die automatischen Updates brachten in der Regel nur für kurze Zeit Abhilfe.
Schliesslich beschlossen sie, es zu tun. Sie, die ‹Saurier des Sinfoniekonzerts›, wie sich der Verein selbstironisch nannte. Sie beschlossen, ein Konzert zu geben in der alten analogen Art. Zusammenkünfte, mit physischer
Präsenz, mit Instrumenten, an einem Ort – damit hatten sie schon bei ihrer Gründung 2032 wieder angefangen. Zwei Jahre Zwangspause waren genug. Ja, der Gesetzgeber hatte das Zusammenspiel vorübergehend verboten. Er vermutete in einer irrwitzigen Fantasie, umstürzlerische Kräfte könnten bei solchen analogen Treffen stark werden. Die Macht der Musik, aus Individuen ein Kollektiv zu formen, war ihm suspekt.
Die ‹Saurier› probten also. Im Keller ihres Vereinslokals war Platz für immerhin fünfzig Musiker*innen. Einige erinnerten sich noch, wie das damals war. So mit Dirigent*innen, mit Konzentration auf den Moment und mit Witzen in der Pause. Mit Hungergefühlen, wenn der letzte Satz auf die Coda zusteuerte. Und mit dem Gefühl, beim Konzert etwas Eigenes erzählen zu können. Etwas Eigenes als Orchester. Etwas, zu dem jeder und jede ein Stück beitrug: ein Ganzes.
Das Konzert, sie konnten dafür sogar in den alten Musiksaal zurückkehren, war sofort ausverkauft. Obwohl sie schon vermutet hatten, dass das gemeinsame Hören eines solchen echten Konzerts ein Bedürfnis der Leute in der Stadt war, waren sie überrascht. Sie betraten die Bühne. Die Menschen applaudierten. Danach raschelte es noch sanft im Saal. Sie hatten – auf Papier! – Programmhefte drucken lassen. Das Licht
wurde heruntergedimmt. Der Dieselgenerator, man wusste ja nie, lief im dritten Untergeschoss und war somit unhörbar. Die Oboe stimmte ihr A an ...
Illustration: Paula Troxler
SYMPHONIC GAMES
VIDEOGAME-MUSIK
TRIFFT AUF ORCHESTERSOUND
Di, 13. Mai 2025, 19.30 Uhr
Stadtcasino Basel, Musiksaal
Internationale Hits aus den Videospielen
Super Mario Bros. , The Legend of Zelda , Kingdom Hearts , Resident Evil V, The Last of Us , Fallout 4 , Fortnite , Mario + Rabbids , Starfield …
Lucien Guy Montandon
Bämeräng Medley aus dem Videospiel Bämeräng (2021), arr. von Jean Kleeb
Michel Barengo
The Fictional Adventures of Orin and the Wandering Tune (2025, Auftragskomposition des Sinfonieorchesters Basel)
Sinfonieorchester Basel
Eímear Noone, Leitung
In vielen Games erklingt bereits der Klang eines Sinfonieorchesters. Doch selten können passionierte Gamer die Hits aus Legend of Zelda , Starfield , Mario + Rabbids oder Fallout 4 live erfahren. Dieser bekannte Sound wird im Rahmen des Konzerts kombiniert mit einer neuen Komposition des Schweizer Videogame-Komponisten Michel Barengo sowie mit einem neuen Arrangement des Soundtracks aus dem Schweizer Game Bämeräng . Geleitet wird das Sinfonieorchester Basel von der legendären Dirigentin Eímear Noone – auch bekannt als «the Irish Queen of Game Music». Sie hat die Musik zu World of Warcraft oder Starcraft II komponiert.
Das Projekt findet im Rahmen der Initiative ‹zusammen, insieme, ensemble› von orchester.ch, dem Verband Schweizerischer Berufsorchester, statt.
Sinfonieorchester
OPERNWIEDERAUFNAHME
DAS RHEINGOLD
Di, 20.5.2025, 19 Uhr Theater Basel
Jonathan Nott, Benedikt von Peter, Caterina Cianfarini, Sinfonieorchester Basel
OPERNWIEDERAUFNAHME
DIE WALKÜRE
Mi, 21.5.2025, 17.30 Uhr Theater Basel
Jonathan Nott, Benedikt von Peter, Caterina Cianfarini, Sinfonieorchester Basel
WEITERES KONZERT
SCHLUSSKONZERT FHNW
Mi, 28.5.2025, 19.30 Uhr
Stadtcasino Basel
Solist*innen der Hochschule für Musik Basel FHNW, Sinfonieorchester Basel
VERMITTLUNGSPROJEKT
YOGA WITH LIVE MUSIC
So, 1.6.2025, 11 Uhr Probezentrum Picassoplatz
Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel, Nathalie Bont
WEITERES KONZERT SCHLUSSKONZERT FHNW
Di, 3.6.2025, 19.30 Uhr
Stadtcasino Basel
Solist*innen der Hochschule für Musik Basel FHNW, Sinfonieorchester Basel
KAMMERMUSIK ATRIUMKONZERT
Sa, 14.6.2025, 16 Uhr
Probezentrum Picassoplatz
Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel
KAMMERMUSIK PICKNICKKONZERT
So, 15.6.2025, 11 Uhr Museum der Kulturen Basel
Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel
KONZERT
SURPRISE
Do, 19.6.2025, 19.30 Uhr Stadtcasino Basel
Sinfonieorchester Basel, Sänger*innen und Chor des Theater Basel, Ivor Bolton
WEITERES KONZERT SUMMERSTAGE BASEL
Mi, 25.6.2025, 18 Uhr Park im Grünen
Sinfonieorchester Basel, Ritschi, Mädchenkantorei Basel, Chor und Extrachor des Theater Basel, Robert Emery