ChemieXtra 11/2020

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CHEMIE

Entschwefelung von Erdöl

Salzsäure bringt Katalysatoren auf Trab Ein Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM) unter der Leitung des Chemikers Johannes Lercher hat ein Syntheseverfahren entwickelt, mit dem sich die Aktivität von Katalysatoren zur Erdöl-Entschwefelung um ein Vielfaches steigern lässt. Das neue Verfahren lässt sich möglicherweise auch für Katalysatoren in Brennstoffzellen einsetzen.

Wichtig für die Umwelt Das Hydrotreating ist einer der wichtigsten katalytischen Prozesse – sowohl im Hin­ blick auf die eingesetzten Katalysatormen­ gen als auch in Bezug auf die Menge der verarbeiteten Rohstoffe. Mit Wasserstoff unter hohem Druck werden dabei Verun­ reinigungen wie Schwefel- oder Stickstoff­ verbindungen möglichst vollständig aus dem Rohöl entfernt. «Derartige Verunreinigungen würden spä­ ter zu Schwefeldioxid und Stickoxiden ver­ brennen, was negative Auswirkungen auf die Umwelt, vor allem auf die Luftqualität zur Folge hätte», sagt Manuel Wagenhofer, Erstautor der in «Science Advances» ver­ öffentlichten Studie. Zudem würden Schwefel- und Stickstoffverbindungen auch Edelmetalle in Abgaskatalysatoren moderner Fahrzeuge beschädigen und ihre Wirksamkeit drastisch verringern.

Ein erstaunlicher Effekt der Salzsäure Die Chemiker untersuchten solche Misch­ metallsulfid-Katalysatoren auf ihre Wirk­ 4

samkeit beim Hydrotreating. Dazu synthe­ tisierten sie in mehreren Prozessschritten zunächst Nickel-Molybdän-Sulfide, im An­ schluss behandelten sie sie mit Säure. «Es war erstaunlich, wie stark die Zugabe von konzentrierter Salzsäure die katalyti­ sche Leistung erhöht», sagt Wagenhofer. «Salzsäure verbessert die Zugänglichkeit zu aktiven Zentren in den Katalysatoren, in­ dem es weniger aktive Komponenten, vor allem Nickelsulfide, entfernt. Es entstehen reinere und damit aktivere Mischmetallsul­ fide.»

Grosser Nutzen für die Grundlagenforschung Die Ergebnisse der TUM-Chemiker sind auch für die Grundlagenforschung von grosser Bedeutung. Die gereinigten Misch­ metallsulfide lassen sich nämlich wissen­ schaftlich leichter untersuchen. «Wir konnten dadurch beispielsweise an den so behandelten Katalysatoren aktive Zentren identifizieren und quantifizieren», erklärt Lercher. «Das war nur möglich, weil die Oberfläche nicht mehr mit Nickelsulfid belegt war.» Prinzipiell lasse sich die Säurebehandlung als Untersuchungsinstrument für eine Rei­ he ähnlicher Katalysatoren nutzen, um diese zu optimieren, etwa auch für die An­ wendung mit Ölen aus nachwachsenden Rohstoffen, die künftig in Raffinerien zu klimaneutralen Kraftstoffen umgewandelt werden sollen. «Wenn wir Mischmetallsulfid-Katalysato­ ren besser verstehen, können wir sie eventuell auch für den Einsatz in anderen wichtigen Zukunftsfeldern wie Wasser­ elektrolyse oder Wasserstoff-Brennstoff­ zellen dramatisch verbessern», sagt Johan­ nes Lercher.

Bild: Shutterstock

Erdöl enthält sehr viel Schwefel. Um da­ raus Kraftstoffe zu machen, müssen die Schwefelverbindungen mithilfe von Was­ serstoff entfernt werden. Hydrotreating nennen Fachleute dieses Verfahren, das erst mit entsprechenden Katalysatoren realisiert werden kann. Am Lehrstuhl für Technische Chemie II der TU München haben Forschende ein Ver­ fahren entwickelt, mit dem sich die Aktivi­ tät dieser Katalysatoren um ein Vielfaches steigern lässt: Sie behandelten dazu die katalytisch aktiven Metallsulfide vorab mit konzentrierter Salzsäure.

Salzsäure – die wohl bekannteste Säure der Welt.

Originalpublikation Manuel F. Wagenhofer, Hui Shi, Oliver Y. Gutierrez, Andreas Jentys, Johannes A. Lercher, «Enhancing hydrogenation activity of Ni-Mo sulfide hydrodesulfurization cata­ lysts», Science Advances (2020); DOI: 10.1126/sciadv.aax5331 Kontakt Prof. Dr. Johannes A. Lercher Technische Universität München Lichtenbergstrasse 4 D-85748 Garching +49 89 289 13540 johannes.lercher@ch.tum.de www.tum.de

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