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LABOR

Paramagnetische Verbindungen

NMR-Methode für die Komplexchemie

Chemiker der Universität Kiel zeigen eine neue NMR-Methode auf, mit deren Hilfe sich paramagnetische Komplexe präziser charakterisieren lassen als üblich. Die Erkenntnisse führen sogar dazu, dass Veränderung von magnetischen Spin-Zuständen bei Komplexen mithilfe der NMR-Spektrometrie genau analysiert werden können. Die Studie ist online frei zugänglich.

Um die Struktur von Molekülen wie zum Beispiel Proteinen zu untersuchen, nutzen die Chemie und die Strukturbiologie Methoden der NMR-Spektroskopie. Die Atomkerne von Molekülen wie Wasserstoff werden hierbei mit HochfrequenzImpulsen in Spektrometern mit starken Magnetfeldern angeregt. Über die erzeugten Spektren lassen sich Unterschiede in den Umgebungen der Kerne feststellen und so Rückschlüsse auf die Molekülstruktur ziehen.

Diamagnetisch und paramagnetisch

Da alle ihre Elektronen in den Orbitalen jeweils paarweise vorkommen, erzeugen sie normalerweise klare Signale und eindeutige Spektren. Wenn zwei Elektronen sich im selben Orbital befinden, weisen sie jeweils den entgegengesetzten Eigendrehimpuls (Spin) auf. Um den Spin bei der Darstellung von Elektronen miteinzubeziehen, werden die Elektronen als Pfeile (↑) dargestellt. Wenn nun beide Elektronen sich ein Orbital teilen, zeichnet man sie in entgegengesetzter Richtung, entsprechend ihrem entgegengesetzten Spin (↑↓). Genauso verhält es sich mit einem diamagnetischen System. Schwieriger zu untersuchen sind hingegen paramagnetische Verbindungen, die ungepaarte Elektronen besitzen, wie sie bei d6-Komplexen vorliegen können. Das sind Komplexe, die sechs Elektronen auf dem Energieniveau der d-Orbitale besitzen. Beispielsweise sind Fe(II)-Komplexe d6-Komplexe. Diese Verbindungen können entweder als Low-Spin oder High-Spin vorliegen. Als High-Spin-Komplexe sind sie paramagnetisch und besitzen ungepaarte Elektronen in den d-Orbitalen. Als Low-Spin-

eg

eg

t2g ∆O

t2g

Bild 1: Die schematische Darstellung des Kristallfeldes eines d6-Komplexes mit oktaedrischer Struktur. Links liegt ein High-Spin-Komplex vor (paramagnetisch) und rechts ein Low-SpinKomplex (diamagnetisch). Die fünf d-Orbitale des Komplexes sind in zwei unterschiedlichen Energien aufgespaltet (t2g und eg). Links ist der Energieunterschied der Aufspaltung (∆O) sehr gering. Die sechs Elektronen müssen sich nicht alle ein Orbital teilen. Anders sieht dies rechts aus.

Komplexe sind alle Elektronen gepaart und die Verbindung ist diamagnetisch. Anschaulich zeigt dies die Kristallfeldtheorie für d6-Komplexe (siehe Bild 1). Zu den paramagnetischen Verbindungen gehören auch einige MRT-Kontrastmittel. Sie werden von externen Magnetfeldern stark angezogen und stören so NMR-Messungen. Chemikern der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) ist es nun gelungen, mehrere NMR-Methoden zu entwickeln, die zusammen angewendet, erstmals eine detaillierte Strukturanalyse für paramagnetische Komplexe in Lösungen ermöglichen. In der Fachzeitschrift «Angewandte Chemie» zeigten sie die umfassenden Anwendungsmöglichkeiten ihrer Methoden in verschiedenen Bereichen der Chemie und darüber hinaus. Molekulare Käfige Auch komplexe «molekulare Käfige» lassen sich detaillierter als zuvor analysieren. «Um die Struktur von paramagnetischen Molekülen zu untersuchen, gab es bisher kaum geeignete NMR-Methoden. In der

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Bild 2: Ein NMR-Spektrometer wird gerade mit flüssigem Stickstoff versorgt. In der Studie wurden 500-MHz- und 600-MHz-Spektrometer verwendet.

ren, weil Signale dabei verbreitert werden und ihre Lage somit oft keine Rückschlüsse mehr auf die Struktur zulässt», erklärt Juniorprofessorin Anna McConnell. Am Otto-Diels-Institut für Organische Chemie der CAU forscht sie an paramagnetischen Verbindungen, die sich selbständig zu grösseren Komplexen zusammensetzen. Sie bilden einen Hohlraum, in den sie andere Moleküle aufnehmen können, und werden daher als «molekulare Käfige» bezeichnet. Langfristig könnten diese anderen Moleküle medizinische Wirkstoffe sein, die an bestimmte Stellen im Körper transportiert und dort wieder «freigelassen» werden. «Dafür benötigen wir aber zuerst noch mehr Informationen über die Strukturen und Eigenschaften dieser paramagnetischen Komplexe», so McConnell weiter. Gemeinsam mit einem Forschungsteam aus den Instituten für Organische und Anorganische Chemie der CAU hat McConnell verschiedene Methoden entwickelt, um NMR-Daten von paramagnetischen Verbindungen verlässlich zu gewinnen und auszuwerten. In Kombination miteinander angewendet, ergibt sich so ein umfassendes Bild der Molekülstrukturen. Zum Teil sind die Ergebnisse sogar besser als die vergleichbarer Verfahren für diamagnetische Moleküle, stellte das Team fest. «Die Datenerhebung für die paramagnetischen Verbindungen verlief deutlich schneller. Teilweise erhielten wir das gewünschte Ergebnis bereits durch ein einziges Experiment, während wir bei diamagnetischen Molekülen mehrere brauchten», so McConnell.

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In aufwendigen Untersuchungen an den 500-MHz- und 600-MHz-Spektrometern des Otto-Diels-Instituts für Organische Chemie ermittelte das Team, wie sich Standard-NMR-Experimente für paramagnetische Molekülkomplexe anpassen lassen. Sie erstellten eine genaue Anleitung, um ihre Methoden auf andere paramagnetische Komplexe und Spektrometer zu übertragen. «Die Entwicklung dieser para-

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Die Anfänge der Komplexchemie

Als der Urvater der Komplexchemie gilt der gebürtige Elsässer Alfred Werner (1866–1919). Der Chemiker lehrte und forschte an der Universität Zürich. 1893 veröffentlichte er die Theorie der «variablen Valenz», mit der er die Eigenschaften von Komplexverbindungen beschreibt: ein zentraler Kern (meist ein d-Block-Metall), um den sich nach bestimmten geometrischen Mustern andere Atome, Verbindungen anordnen. 1913 erhielt Werner für sein Schaffen in der Komplexchemie den Chemie-Nobelpreis. So heisst es in der offiziellen Begründung der Nobel Foundation: Der Nobelpreis für Chemie 1913 wird Alfred

Werner verliehen «in Anerkennung seiner

Arbeiten über die Verknüpfung von Atomen in Molekülen, mit denen er ein neues

Licht auf frühere Untersuchungen geworfen und neue Forschungsgebiete, insbemagnetischen NMR-Methoden ist ein wirklicher Durchbruch für die tägliche Forschungsarbeit und wir hoffen, dass sie anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern genauso helfen wie uns», sagt Marc Lehr, Doktorand und Erstautor der Studie. Das Forschungsteam hofft, so einen Beitrag zur Methodenentwicklung in verschiedenen Bereichen der Chemie und darüber hinaus leisten zu können. Denn wie sie in ihrer Studie zeigten, lassen sich auch komplexe Molekülverbindungen, übergeordnete Molekülstrukturen oder die

sondere in der anorganischen Chemie,

Bild 3: Juniorprofessorin Anna McConnell hat zusammen mit den Doktoranden Marc Lehr (links) und Tobias Paschelke (rechts) mehrere NMR-Methoden entwickelt, um erstmals die Struktur paramagnetischer Verbindungen umfassend analysieren zu können.

erschlossen hat.» Veränderung von magnetischen Spin-Zuständen mit ihren Methoden untersuchen. In einem nächsten Schritt wollen sie mit ihren Methoden noch grössere paramagnetische Komplexe analysieren. «Zum Beispiel Molekülkäfige, deren Strukturen sich durch die Bestrahlung mit Licht verändern lassen. Mit solchen Käfigen könnten wir gebundene Moleküle in Zukunft wirklich gezielt freisetzen», hofft McConnell.

Originalpublikation Marc Lehr, Tobias Paschelke, Eicke Trumpf, Anna-Marlene Vogt, Christian Näther, Frank Sönnichsen, Anna McConnell, «A Paramagnetic NMR Spectroscopy Toolbox for the Characterisation of Paramagnetic/ Spin-Crossover Coordination Complexes and Metal-Organic Cages», Angew. Chem. Int. (2020); https://onlinelibrary.wiley. com/doi/abs/10.1002/anie.202008439

Medienmitteilung Universität Kiel www.uni-kiel.de

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Bild 1: Wie ein Kind mit Lego seine Welt kreiert, so könnte künftig das Rastertunnelmikroskop mit bestehenden Molekülen neue zusammensetzen.

KI im Labor

Roboter setzt Moleküle zusammen

Jülicher und Berliner Wissenschaftler haben eine Künstliche Intelligenz entwickelt, die selbständig lernt, wie sie einzelne Moleküle mittels eines Rastertunnelmikroskops greifen und bewegen kann. Die im Wissenschaftsmagazin «Science Advances» beschriebene Methode ist nicht nur die für die Forschung, sondern auch für neuartige Fertigungstechnologien wie den molekularen 3-D-Druck von grosser Bedeutung.

Moleküle sind die Bausteine des Alltags. Die meisten Materialien setzen sich aus ihnen zusammen, vergleichbar mit einem Legomodell, das aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Steinen besteht. Doch während man beim Lego einzelne Steine ganz einfach versetzen oder wegnehmen kann, ist das in der molekularen Welt nicht so ohne weiteres möglich. Atome und Moleküle verhalten sich völlig anders als makroskopische Gegenstände und jeder Baustein braucht seine eigene «Bedienungsanleitung». «Rapid Prototyping», die schnelle – und kostengünstige – Produktion von Prototypen oder Modellen, besser bekannt als 3-D-Druck, hat sich längst als wichtiges Werkzeug für die Industrie etabliert. «Könnte man dieses Konzept auf die Nanoskala übertragen und einzelne Moleküle wie Legosteine gezielt zusammensetzen oder auch wieder trennen, böten sich nahezu unendliche Möglichkeiten, wenn man bedenkt, dass es etwa 1060 denkbare Molekülarten gibt», weiss Dr. Christian Wagner, Leiter der Arbeitsgruppe Molekülmanipulation am Forschungszentrum Jülich.

Das fehlende Rezept fordert ein Umdenken

Das Problem: Mit dem Rastertunnelmikroskop gibt es zwar ein Werkzeug, mit dem sich einzelne Moleküle gut hin und her schieben lassen, für die gezielte räumliche Anordnung benötigt man jedoch immer ein spezielles, geeignetes «Rezept» zur Führung der Mikroskop-Spitze. Dieses lässt sich weder berechnen noch intuitiv erschliessen – dafür ist die Mechanik auf der Nanoskala viel zu variabel und zu kompliziert. Denn die Mikroskop-Spitze ist kein beweglicher Greifer, sondern ein einfacher starrer Kegel. Die Moleküle haften daran nur leicht an – und lassen sich nur durch ausgeklügelte Bewegungsmuster an Ort und Stelle bringen. «Bislang war so ein gezieltes Bewegen von Molekülen höchstens per Hand, durch Trial-and-Error, möglich. Mithilfe einer selbstlernenden, autonomen Software-Steuerung ist es uns nun zum ersten Mal gelungen, eine Lösung für diese Vielfalt und Variabilität auf der Nanoskala zu finden und diesen Prozess zu automatisieren», freut sich Prof. Dr. Stefan Tautz, Leiter des Jülicher Instituts für Quantum Nanoscience.

Algorithmus lernt aus seinen Erfahrungen

Der Schlüssel liegt in dem sogenannten «Reinforcement Learning», einer speziellen Variante des maschinellen Lernens. «Wir geben dem Software-Agenten keinen Lösungsweg vor, sondern belohnen Erfolg und bestrafen Misserfolg», erklärt Prof. Dr. Klaus-Robert Müller, Leiter des Fachgebiets Maschinelles Lernen an der Technischen Universität Berlin. Der Algorithmus versucht immer wieder, die gestellte Aufgabe zu lösen und lernt aus seinen Erfahrungen. In der breiten Öffentlichkeit bekannt geworden ist Reinforcement Learning vor ein paar Jahren durch AlphaGo Zero: Die Künstliche Intelligenz entwickelte eigenständig Gewinn-Strategien des hochkomplexen Go-Spiels, ohne menschliche Spieler zu studieren – und war schon nach wenigen Tagen in der Lage, professionelle Go-Spieler zu besiegen. «In unserem Fall bekam der Agent die Aufgabe, einzelne Moleküle aus einer

Bild 2: Perylen.

Schicht zu entfernen, in der sie über ein komplexes Netzwerk an chemischen Bindungen festgehalten werden. Konkret handelte es sich dabei um Perylen-Moleküle (Bild 2), wie sie etwa für Farben und organischen Leuchtdioden verwendet werden», erklärt Christian Wagner.

Bindungsstärke der Moleküle ist entscheidend

Die besondere Herausforderung: Die aufgewendete Kraft für die Bewegung darf niemals die Stärke der Bindung überschreiten, mit der die Spitze des Rastertunnelmikroskops das Molekül anzieht, da diese Verbindung sonst bricht. «Die Spitze muss dafür ein spezielles Bewegungsmuster ausführen, das wir früher, im wahrsten Sinne des Wortes, per Hand herausfinden mussten», so Christian Wagner. Während der Softwareagent anfangs völlig zufällige Bewegungsaktionen ausführt, die die Bindung zwischen Spitze und Molekül abreissen lassen, entwickelt er mit der Zeit Regeln, welche Bewegung in welcher Situation am erfolgversprechendsten ist und wird daher mit jedem Durchlauf besser. Der Einsatz des Reinforcement Learning im nanoskopischen Bereich hält jedoch zusätzliche Herausforderungen parat. Die Metallatome, aus denen die Spitze des Rastertunnelmikroskops besteht, können sich leicht verschieben, was die Bindungsstärke zum Molekül jedes Mal ändert. «Jeder neue Versuch macht die Gefahr einer Veränderung und damit den Abriss der Bindung zwischen Spitze und Molekül grösser. Somit ist der Software-Agent gezwungen, besonders schnell zu lernen, da seine Erfahrungen jederzeit hinfällig werden könnten», so Stefan Tautz. «Es ist ein bisschen, als würden sich beim autonomen Fahren ständig das Strassennetz, die Verkehrsregeln, der Aufbau sowie die Bedienungsregeln des Fahrzeugs ändern.» Die Forscher haben diese Schwierigkeit überwunden, indem die Software parallel zu den ersten Versuchen auch ein einfaches Modell der Umgebung lernt, in der die Manipulation stattfindet. Der Agent trainiert dann gleichzeitig sowohl in der Realität als auch in seinem eigenen Modell, was den Lernprozess stark beschleunigt.

Eine Symbiose zwischen der KI und Nanotechnologie

«Das ist das erste Mal überhaupt, dass es gelungen ist, Künstliche Intelligenz und Nanotechnologie Zusammenzubringen», betont Klaus-Robert Müller. «Bis jetzt handelt es sich zwar ausschliesslich um ein ‹Proof of Principle›», erklärt Stefan Tautz. «Doch wir sind zuversichtlich, dass unsere Arbeit Wegbereiter für die robotergestützte, automatische Konstruktion funktioneller, supramolekularer Strukturen sein wird, beispielsweise von molekularen Transistoren und Speicherzellen – in einer Geschwindigkeit, Präzision und Ausdauer, die unsere derzeitigen Möglichkeiten weit übertreffen.»

Originalpublikation Philipp Leinen, Malte Esders, Kristof T. Schütt, Christian Wagner, Klaus-Robert Müller, F. Stefan Tautz, «Autonomous robotic nanofabrication with reinforcement Learning», Science Advances (2020); DOI: 10.1126/sciadv.abb6987

Kontakt Prof. Dr. Klaus-Robert Müller Technische Universität Berlin Strasse des 17. Juni 135 D-10623 Berlin +49 30 314 78620 klaus-robert.mueller@tu-berlin.de www.tu-berlin.de

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