Handbuch der Schweizer Klosterbibliotheken

Page 21

2 Klosteraufhebungen als Herausforderung

19

fehlt für Alte Drucke jedoch eine Gesamtübersicht zu den Buchbeständen klösterlicher Provenienz in Schweizer Kantons-, Universitäts- oder Stadtbibliotheken.14 Bestehende und ehemalige Klosterbibliotheken sind demnach von ausserordentlicher Bedeutung für die mittelalterliche und frühneuzeitliche Kultur- und Landesgeschichte der Schweiz. Sie bildeten bis zur Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg das «Fundament f ür die Verbreitung von Schrif tlichkeit und Vermittlung von Wissen» – eine Funktion, die sie in katholischen Regionen bis ins 18. Jahrhundert innehatten.15

2 Klosteraufhebungen als Herausforderung für den ­Fortbestand von Klosterbibliotheken Trotz der unbestrittenen Bedeutung von Klosterbibliotheken verzeichnet die Schweizer Geschichte immer wieder Phasen, in denen klösterliche Büchersammlungen aufgrund einer aus unterschiedlichen Gründen erf olgten Klosterschliessung auf gelöst, zerstreut oder von anderen Institutionen übernommen wurden. Es sind dies zum einen die schon erwähnten politisch-religiösen Zeitumstände der Reformation oder die Säkularisierungsbewegungen im 18. und 19. Jahrhundert.16 Zum anderen ist in jüngerer Zeit ein gesellschaftlicher Strukturwandel zu beobachten, der sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts in einer allgemeinen Abnahme der Zahl der Ordensleute und in einer Überalterung vieler Klostergemeinschaf ten manif estiert. Dieser Wandel wirkt sich insof ern auf Klosterbibliotheken aus, als es an geeigneten Ordensleuten f ür das Amt einer Bibliothekarin oder eines Bibliothekars mangelt, in vielen Klöstern das Interesse an Büchern nachlässt oder finanzielle Mittel für Neuanschaffungen bzw. für die Bestandspflege fehlen. Diese Herausf orderungen f ührten in den vergangenen zwei bis vier Jahrzehnten dazu, dass vieler­orts – glücklicherweise aber nicht überall – Bemühungen um die Bestandspflege nachgelassen haben, dass in vielen Klosterbibliotheken keine aktuellen Kataloge mehr vorhanden sind, dass das fachliche Wissen über Inhalt, Ordnung und Umgang mit einer

14 Einzig bei Senser 1991, 163–164 liegt ein zusammenfassender Überblick zu den wichtigsten aufgehobenen Klöstern der Schweiz und ihren Bibliotheken vor. Ergänzende Informationen zu klösterlichen Streubeständen lassen sich etwa aus den Artikeln des Handbuchs der historischen Buchbestände in der Schweiz (kurz HHBCH) herauslesen, bei dessen Erarbeitung die Erforschung von Provenienzen im frühneuzeitlichen Buchbestand erstmals in grösserem Rahmen vorgenommen wurde. 15 Tremp 2016, 26; vgl. auch Schmid Alo. 2012, 11. 16 Für die Schweiz zusammenfassend Senser 1991, 13–14 [Reformation] und 21–24 [18. und 19. Jahrhundert] sowie jüngst Gamper 2022. Ausführlicher zu Schweizer Klosterbibliotheken während der Reformation: Germann 2000; und während der Helvetik: Escher 1936; Burckhardt 1947/48; Marti H. 2005. Für den süddeutschen Raum vgl. auch die Beiträge in: Schlechter 2021. Weiter sei darauf hinzuweisen, dass auch ausserhalb der genannten historischen Ereignisse immer wieder Klöster aufgehoben wurden, worauf hier aber nicht ausführlicher eingegangen werden kann.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.