B O U L E VARD DER HEL DEN
MICHAIL SCHOLOCHOW
DAS VERSPRECHEN
Serie: MICHAEL KÖHLMEIER erzählt die außergewöhnlichen Geschichten inspirierender Figuren – faktentreu, aber mit literarischer Freiheit. Folge 20: Ein Literatur-Nobelpreisträger und seine heldenhafte Lebenslüge.
92
THE RED BULLETIN
BENE ROHLMANN, CLAUDIA MEITERT
D
MICHAEL KÖHLMEIER
S
GETTY IMAGES (3)
E
s gibt einfaches Heldentum und kom letzten Bandes lag also schon fünfundzwanzig pliziertes; diese Geschichte berichtet Jahre zurück. Auch den Mitgliedern des Ko mitees war die Diskussion über die Autoren von kompliziertem. Angenommen, schaft des Werkes bekannt. Noch bevor der es war so, wie ich es hier erzählen Roman zur Gänze der Öffentlichkeit vorlag möchte, dann wäre der S chriftsteller – entweder weil er noch nicht geschrieben Michail Alexandrowitsch Scholochow ein oder noch nicht vollständig herausgegeben selbstloser und aufopferungsvoller Held war –, kursierten Gerüchte, Scholochow gewesen. Seine Geschichte gehört allemal MICHAEL KÖHLMEIER Der Vorarlberger sei nicht, könne nicht der Autor sein. In zu den spannendsten der Schriftstellerei Bestsellerautor gilt dem Buch wird auf unvergleichlich sinn im 20. Jahrhundert und er selbst zu jenen als bester Erzähler liche Weise das Leben der Donkosaken be widersprüchlichen Persönlichkeiten, wie deutscher Zunge. schrieben, besonders im ersten Teil, sodass sie nur Diktaturen hervorbringen. Ich weiß, Zuletzt erschienen: alle Kritiker überzeugt waren, das könne, man kann die Geschichte dieses russischen der Roman „Matou“, erstens, nur jemand schreiben, der selbst Schriftstellers auch ganz anders erzählen, 960 Seiten, Hanser Verlag. in diesem Teil der Welt lebte oder lange nämlich als die Geschichte eines abgefeimten dort gelebt hatte; zweitens, einer, der ein Diebes von geistigem Eigentum, eines Plagia tors, eines Mannes, der sich viel Ehre und Ruhm ergau lebenserfahrener Mann ist, denn was beschrieben wird nert hat, indem er das Werk eines anderen als das seine und wie es beschrieben wird, zeuge von großer Weisheit ausgab. Lange Zeit wurden die Vorkommnisse auf diese und gefestigter Lebenssicht. Weise dargestellt. Der Mann war immerhin ein Günst ling Stalins; ihm etwas Gutes zu lassen wäre in den cholochow war, als der erste Band erschien, ge Augen vieler gewesen, als würde man ein mörderisches rade einmal dreiundzwanzig Jahre alt, und unter System gutheißen. Inzwischen ist sich die Wissenschaft den Donkosaken hatte er nie gelebt. Seine Mutter ziemlich sicher, dass der Spott und die Verdammung, war die Witwe eines Kosaken, ja, aber ob das ausreich te, um ein solch breites Panorama zu entwerfen? Scho denen der Künstler lange Zeit, vor allem im Westen, lochow hatte kaum die Schule besucht, eine genügende ausgesetzt war, auf falschen Informationen beruhten. literarische Bildung durfte also auch nicht vorausgesetzt Ich nehme mir die Freiheit, die Geschichte als eine werden. Mit dreizehn Jahren bereits schloss er sich den Heldengeschichte zu erzählen – was ist Wahrheit … Bolschewiki an und zog in den Bürgerkrieg. Nach dem er Nobelpreis für Literatur 1965 wurde Michail Krieg arbeitete er in verschiedenen Häfen und Stein Scholochow für seinen Roman „Der stille Don“ ver brüchen, vorübergehend als Buchhalter, was damals liehen. In den meisten Fällen vergibt das Komitee jeder werden konnte, der alle Buchstaben kannte. Mit den Preis für das Lebenswerk eines Autors, diesmal einundzwanzig Jahren heiratete er die Tochter eines stand in der Urkunde, dass die Ehrung a usschließlich Kosakenführers. Viel Gelegenheit, sich mit dem Leben das genannte vierbändige Werk meine. Der Roman der Menschen zu beschäftigen, die in seinem Buch so entstand zwischen 1927 und 1940, das Erscheinen des plastisch beschrieben werden, hatte er also nicht.