The Red Bulletin AT 01/22

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GUIDE Lesestoff

Tolkien trifft Tarantino Der britische Autor Peter McLean führt ein Kunststück vor: Er schafft es, im Rahmen eines Fantasy-Romans ein knallhartes Gangsterepos zu inszenieren. Text JAKOB HÜBNER

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chubladen schaffen Ordnung. Das wissen nicht nur Buchhalter, sondern auch Buchverlage. Und so werden literarische Genres mit erfinderischem Eifer in einen Haufen Subgenres zerlegt, die dem Leser bei der Suche nach der Wunschlektüre als Wegweiser dienen sollen. Eine der jüngeren Errungenschaften auf diesem Gebiet nennt sich „Grimdark“. Diese Kategorie markiert eine

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Abzweigung in die dunklen Ecken der Fantasy. Mit ähnlichen Mustern: Die Helden sind zynisch, die Atmosphäre ist düster, der Härtegrad hoch und Moral bestenfalls lästig. Ein weiteres Merkmal der „Grimdark“-Abteilung ist, dass sie mit klassischer Fantasy recht wenig zu tun hat – wenn’s richtig zur Sache geht, stehen Zauberer, Elfen, Zwerge und der Rest der Hokus­ pokus-Truppe meist längst unter der Dusche.

Deshalb ist auch oft von einem „neuen Realismus der Fantastik“ die Rede. Semantisch betrachtet eine kühne Wortschöpfung, unbestritten ist aber, dass hier tatsächlich eine neue Leserschaft ins ­Visier genommen wird, der Quentin Tarantino vermutlich näher liegt als J. R. R. Tolkien. Ein wunderbares Beispiel für die Artenvielfalt, die sich aus der „Grimdark“-Schub­ lade zaubern lässt, liefert der 1972 geborene britische Autor Peter McLean mit dem „Kampf um den Rosenthron“. In deutscher Übersetzung sind bisher zwei der auf insgesamt vier Bände ange­ legten Reihe erschienen – „Priest of Bones“ (2020) THE RED BULLETIN

VINZ SCHWARZBAUER

MAGISCHER THRILLER


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