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Der Pandemie-Übersetzer
Wissen schafft Lebensfreude
Günther Mayr erklärt Wissenschaft so, wie es Albert Einstein sinngemäß empfahl: kann man es der Großmutter nicht erklären, hat man es selbst nicht verstanden.
Seit Ausbruch der Pandemie kennt ihn jeder. Für jedermann verständlich erklärt Günther Mayr (55), Leiter der Wissenschaftsredaktion im ORF, die komplexen Probleme einer weltumspannenden Seuche, die in China ihren Ausgang nahm. Ausgangspunkt seines wissenschaftlichen Orbits ist das Rheindelta. In der wundersamen Vogelwelt wecken die Wunder der Natur sein Interesse für Naturwissenschaft.
Das Leben am Bodensee. Bregenz ist Geburtsort. Hörbranz Lebensmittelpunkt. Die Welt der drei Mayr-Brüder sind der Bodensee und das Rheindelta. Harry ist zwei Jahre älter als Günther. Heute Holzexperte in Murau. Bernd, der Jüngste, kehrt zu den väterlichen Wurzeln zurück. Auf einen Bauernhof mit Fischzucht in der Steiermark. Mama Martina arbeitet bei Sannwald. Sie liebt die Arbeit mit den feinen Wollen von Kaschmirziegen und Kamelen. Eine steirische Arbeitskollegin „verkuppelt“ die Hörbranzerin mit ihrem Bruder. Der Landwirt fackelt nicht lange, übersiedelt ins Ländle, macht eine Maurerlehre, wird stolzer Ehemann und glücklicher Vater. Seine Leidenschaft für Fische und Wasservögel ist ansteckend. Sohn Günther teilt das aufregende Leben der Wasserwelt mit seinen Helden Hans Hass und Jacques-Yves Cousteau. Allerdings bekommen diese alsbald Konkurrenz aus dem Weltraum. Konkurrenzlos bleibt seine Volksschullehrerin Fanny Gorbach im Gedächtnis. „Sie war meine allererste Lehrerin und hat mein Sprachtalent sehr gefördert.“ Günther Mayr ist zwölf Jahre alt, als die Familie 1978 die Zelte in Vorarlberg ab- und auf einem Bauernhof in der Steiermark aufbaut. Mama Martina vermisst den Bodensee und tröstet die Knaben mit Kässpätzle. Bis heute das Lieblingsgericht von Günther Mayr.
Die Arbeit am Wörthersee. Aus Neugierde, wie die Welt hinter St. Peter am Kammersberg aussieht, inskribiert Günther Mayr Publizistik und Politikwissenschaft an der Universität in Wien. Knappe Geldmittel in Verbindung mit alemannischer Nutzenrechnung richten den Fokus der Jobsuche auf die Gleichzeitigkeit
Geerdet. Die Leidenschaft für Fische und die Wasserwelt hat Günther Mayr von seinem Vater.

von Theorie und Praxis. Das funktioniert auf Anhieb mit einem Volontariat bei der Kleinen Zeitung und gipfelt in einem Sommerjob beim ORF Landesstudio Kärnten. „Geld verdienen und im See baden, nach dem Sommer mit Taschen voller Geld wieder studieren, eine Kombination, die gepasst hat.“ So gut, dass er das Studium an den Nagel hängen will. Das verhindert ein kluger Mentor. Ergo macht er seinen Abschluss und heuert im Ressort Innenpolitik von Profil an. „Ein Fehler.“ Günther Mayr sucht Abstand in der Republik Irland, sammelt dort Lebensweisheiten bei einfachen Landmenschen, und wird sich klar, dass er als Journalist arbeiten will. Als ihm das Geld ausgeht, kehrt er zurück und macht den Zivildienst.
Die Chance am Küniglberg. Sie kommt 1996 mit dem Wissenschaftsformat „Modern Times“. Zwei Jahre lang ist er Redakteur im Team von Josef Broukal, von 1998 bis 2005 stellvertretender Sendungschef. In derselben Funktion findet die Fortsetzung beim Nachfolgemagazin „Newton“ statt. Im April 2007 wird Günther Mayr zum Leiter der aktuellen Wissenschaft im ORF-TV bestellt. Das Covid-19-Virus katapultiert den bescheidenen Natur- und
Pandemie-Übersetzer. Quasi unabsichtlich wurde Günther Mayr zum TV-Star. Gewürdigt mit der Romy 2021.

Menschenfreund Anfang März 2020 als Pandemie-Übersetzer auf die Bildschirme aller Wohnzimmer von Österreich. Diesen nicht einfachen Job im Rahmen des „Hochamtes ZIB 1“ macht er unaufgeregt, sachlich, positiv gestimmt. Mit einem gewissen Schalk in den Augen serviert er zum leichteren Verständnis der komplexen Materie bildhafte Vergleiche. Seine Liebe für Formulierungen und Metaphern ist echt. Sie sind freudvoll wie sorgsam benutzte Werkzeuge des Erklärens und Verständlichmachens. „Wenn man es der Großmutter nicht erklären kann, hat man es nicht verstanden.“ So sagte es Albert Einstein. Daran hält sich Günther Mayr und wurde unabsichtlich zum TV-Star. Gewürdigt mit der Romy 2021 steht er „für die Hoffnung und nicht für die Katastrophe“.
Mayrs Magazin. Wissen für alle. Das ORF-Format ist eine Premiere für die Wissenschaft und eine Anerkennung für alle Wissenschaftsjournalisten: Seit Kurzem hat Günther Mayr jeden Freitag um 18.30 Uhr auf einem Sendeplatz der ZIB 2 seine eigene Sendung. Im Magazinstil werden die Menschen hinter der Wissenschaft 20 Minuten sichtbar und erlebbar. Er bringt sie zu uns nach Hause. Ganz so, wie wir sind: bei der Arbeit im Büro, in der Fabrik, am Bau, im Cockpit wie im Stall; daheim im Haushalt; in der Freizeit, auf Fußballfeld und Tennisplatz, in Wasser und Wald, am Berg, beim Entdecken, Staunen, Erkennen. Die Damen und Herren der Wissenschaft haben Hoffnungen und neues Wissen, aber auch Sorgen und Nöte im Gepäck. Ihre Welt ist international, bunt, abenteuerlich. Das Unglaubliche wird durch genaue Begründung glaubwürdig. Günther Mayr kennt viele, liest ihre Bücher und Fachbeiträge, korrespondiert und redet mit denen, die Neues von morgen zu sagen haben. „Darunter sind Österreicherinnen und Österreicher, die über den ganzen Globus verteilt sind. Das Magazin ist wie ein Flugzeug, das wir in der Luft zusammenbauen.“
Mensch Mayr! Er ist Fliegenfischer und kein Partytiger. Spielt Saxofon in einer Band und haut als Wissenschaftsjournalist nicht auf die Pauke. Er lässt sich lieber ein Murauer Bier am Stammtisch

schmecken als Austern bei einer Staatsgala. Günther Mayr ist eine geerdete Frohnatur. Zu sein, wer man ist: Die Mutprobe der Wiener Moderne hat er nicht nötig. „Ich bin ein Arbeiter- und Bauernkind.“ Neugierig auf die große Welt, unerschrocken am steilen Berg wie im schnellen Wasser, wissbegierig, wie die globale Klimakrise bewältigt wird. „Sie ist bedrohlicher als die Pandemie.“ Seit Kindesbeinen mit Schalk und Humor gesegnet, nutzt der Studiosus diese Talente für eine arteigene augmented reality und bringt eine gefiederte Rabenfrau dazu, an der Uni zu inskribieren und sich ihr Studentendasein als „schräger Vogel“ im Studienausweis bestätigen zu lassen. Den Beweis bleibt uns Günther Mayr nicht schuldig. Aktuell passt privat alles. Seine Lebensgefährtin Beatrix forscht in der Universitätsbibliothek in Folianten des 18. Jahrhunderts, Günther widmet seinen Forschergeist der Zukunft, die er uns mit Sprachbildern aus dem echten Leben erklärt. An sein Leben hat er einen speziellen Wunsch: mit seinen Musikerfreunden Joe Zawinuls „Mercy, Mercy, Mercy“ zu spielen... „You know, sometimes we’re not prepared for adversity.“ Stimmt, oder? Elisabeth Längle
Kraft tanken. Auf der Kuhalm in der Steiermark.