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Bis zu den Sternen

Der Netzwerker

Er wäre der schlechteste Buchhalter der Welt, sagt Ernst Seidl über sich selbst. Ein Glück, hat er sich für das Handwerk entschieden. Konditor und Koch hat er gelernt, seit mehr als 25 Jahren ist der Geschäftsführer und kreativer Kopf seines Unternehmens Seidl Catering. Mit dem Firmament wird in Rankweil nun ein neues Baby des leidenschaftlichen Gastgebers geboren.

Wer auf der A14 unterwegs ist und die Autobahnabfahrt Rankweil nimmt, sieht es direkt vor sich: das Firmament. Damit ist nicht das Himmelszelt gemeint, sondern die neue Heimat von Seidl Catering. In dem imposanten Gebäude im Römergrund finden aber nicht nur die Logistik und Küche des Cateringunternehmens ihren Platz, sondern auch ein Hotel, Seminarräume, ein Restaurant und eine große Veranstaltungshalle. Die Ausrichtung: Business und Events. „Wir haben aus Stahl, Glas, Beton und Holz ein Werkzeug gebaut. Hier sollen sich Menschen treffen, die sich weiterentwickeln und gemeinsam eine gute Zeit verbringen wollen“, führt Ernst Seidl das Konzept des Firmament aus.

Grillgarten bis Vinothek. Die Idee zu seinem neuen Baby entstand bereits, als 2014 das Olympische Komitee an die Tür klopfte und Seidl Catering ans andere Ende der Welt holte. „Nach Sotschi haben wir gemerkt, dass der alte Standort bald aus allen Nähten platzen wird. Da haben wir angefangen, zu philosophieren.“ Zum reinen Ort fürs Catering gesellte sich relativ schnell die Idee für eine Eventhalle und das dazu passende Hotel. „Mit 80 Zimmern haben wir gedanklich begonnen, jetzt sind es 150 geworden“, so Ernst Seidl über die Entstehung des Großprojektes. 2020 begannen die Bauarbeiten, pünktlich zu Corona. „Im Unternehmen war quasi Stillstand. Keine Veranstaltungen, keine Caterings. Doch diese Zeit haben wir genutzt, um gemeinsam mit dem Team das Firmament zu entwickeln.“ So gab es Workshops mit den Köchen, in denen die Idee zum Naschgarten entstand. „Walnussbäume, Zwetschgenbäume, 2500 Kräuterstöcke ... alles was wir im Anschluss auch verarbeiten können, hat in unserem Garten Platz gefunden“, ist Ernst Seidl begeistert. Apropos Garten. Der hält noch eine andere Besonderheit bereit: Grillringe der Grill Garten Manufaktur aus Hörbranz. „Eine Win-win-Situation: Wir haben einen einzigartigen Grillgarten mit hochwertigen Designergrills, die jede Woche zum Einsatz kommen und Christoph Hagspiel kann unseren Garten quasi als Ausstellungsfläche nutzen.“ Hier kommt ein weiteres großes Talent von Ernst Seidl zum Tragen: das Netzwerken. „Du musst heute nicht nur effizient arbeiten, sondern auch in Netzwerken denken. Genau dann entstehen nämlich Sachen, die vorher noch niemand gemacht hat.“ Kooperationen pflegt das Firmament mit Reiter Design, Enjo, Rational und Winterhalter. Mit Bevanda in Dornbirn wurde zudem ein besonderes Projekt umgesetzt: „Ich kenne kein anderes Restaurant mit einer eigenen, öf-

„Die Gastronomie ist extrem transparent und vielfältig. Du kannst nicht vom Wiener Schnitzel bis zum Espumaschaum der Weltbeste sein. Vielmehr geht es darum, deine Nische zu finden. In dieser musst du dich bewegen und der Beste werden.“

Kooperationen und Partnerschaften sind wesentlich wertvoller und nachhaltiger als glanzvolle Alleingänge.

fentlich zugänglichen Vinothek inklusive Sommelier.“ Eine von vielen Netzwerk-Ideen, auf die man aber erstmal kommen muss. „Ja da bin ich sehr kreativ. Und ich habe die Freiheit, alle möglichen Länder zu bereisen. Da sehe ich Gutes und ich sehe Schlechtes. All das hat Einfluss und wird entweder importiert oder angepasst. Und wenn ich ein Problem habe, dann frage ich nicht irgendjemanden, sondern ich suche mir den Besten dieser Branche aus – und der bringt mich dann auch zu meinem Ziel.“ So wie sein Hauptpartner beim Firmament, Peter Mostögl von Investraum in Dornbirn. „Er ist ein echter Bauprofi mit jahrzehntelanger Erfahrung. In seiner Hand lag das komplette Baumanagement.“

Mit großer Bühne. Ohne Frage, Ernst Seidl verfügt über ein großes Netzwerk, die Kontaktliste im Handy hält vom Herzchirurgen bis zum Meistersommelier alles bereit. Damit auch junge Menschen sich solch ein Netz aufbauen können, haben sein Team und er die Seidl Masterclass ins Leben gerufen. Ein Ausbildungskonzept, das die Welt nach Vorarlberg bringt. „Junge Köche kommen dafür drei Monate zu uns und werden zum Eventchef weitergebildet.“ Mit großer Bühne: Denn im letzten Monat kochen sie vor den Gästen in der offenen Küche des Restaurants Rezepte aus ihrem Land.

Hoch hinaus. Ernst Seidl führte „kontur“-Chefredakteurin Sabine Carotta durch sein Firmament.

„Wir haben mit dem Firmament ein Werkzeug gebaut. Hier sollen sich Menschen treffen, die sich weiterentwickeln und miteinander eine gute Zeit verbringen wollen. Und wenn am Ende alle glücklich sind, haben wir unsere Arbeit gut gemacht.“

„So bleibt auch unser Betrieb niemals stehen. Denn neben der eigentlichen kulinarischen Ausrichtung Pizza & Pasta können wir zusätzliche, internationale und authentische Küche bieten.“ Und die jungen Menschen kehren mit neuen Eindrücken und Freundschaften im Gepäck in ihre Heimat zurück.

Dass Ernst Seidl die Gastro im Blut hat, merkt man auch, wenn man nach seinem privaten Ausgleich fragt. Denn auch in seiner Freizeit geht er mit seiner Frau, mit der er vor 26 Jahren Seidl Catering gegründet hat, gerne aus, macht Städtetrips. „Ich bin gerne unter Menschen und sammle neue Eindrücke. Und wenn das Stresslevel nicht zu hoch wird, brauchst du auch nicht dringend Urlaub“, lacht er. Dazu kommt eine starke Familie – nicht nur privat. „Unsere große Tochter ist 23 Jahre alt. Sie hat in den letzten Jahren in Barcelona Tourismus studiert und kommt jetzt zurück und

Do it yourself. Die Discokugel mit 2,5 Metern Durchmesser ist ein kleines Herzensprojekt. Vom Seidl-Team selbst mit hunderten Spiegelplättchen beklebt. Sie wird in der Eventhalle über allem schweben. In elf Metern Höhe.

bringt ihr Wissen mit ins Firmament. Und die Kleine – ja, auch mit 21 Jahren wird sie immer die Kleine bleiben – ist klassisch im Bereich HR und macht das, was im Hintergrund stattfindet.“

Was Spaß macht. Großes Projekt, Corona, Stillstand im Catering ... kamen da im vergangenen Jahr nie Zweifel auf? „Das mag vielleicht blauäugig klingen, aber ich war mir immer sicher. Muss ich ja auch, sonst würde das gar nicht gehen. Ich weiß ja, dass ich eine Mannschaft hinter mir habe, auf die ich mich komplett verlassen kann. Und ich weiß, was wir können: Olympische Spiele auf der anderen Seite der Erde umsetzen oder bei der Gymnaestrada 13.000 Mittagessen auf Top-Niveau rausschicken. Es gibt nur eins, was wir nicht können: Das was keinen Spaß macht. Und sollte alles Pech dieser Welt über uns hereinbrechen, ist das Firmament in seiner Quintessenz ein stattliches Immobilienprojekt.“ Sabine Carotta

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