Klipp November/Dezember 2021

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POLITIK

Fotos: Heimo Ruschitz

Teilen das Schicksal: Siegfried Nagl und Mario Eustacchio

I

m Oktober sorgte „Kleine-Zeitung“-Journalist Bernd Hecke mit Enthüllungen über geheime Extragagen aus der FPÖ-Klubförderung, sprich Steuergelder, an den Grazer Parteichef Mario Eustacchio und seinen Klubobmann Armin Sippel für helle Aufregung im Funktionärskader und in der Landespartei. Reflex der beiden: Man sei Opfer einer rufschädigenden Kampagne. Rücktritte wurden ausgeschlossen. Man werde die Sache intern aufklären und damit basta. Doch FPÖ-Landeschef Mario Kunasek wusste um die Brisanz solcher „Spesenenthüllungen“, die auch Heinz-Christian Strache letztendlich zu Fall brachten. Er ordnet daher eine Prüfung der Grazer FP-Finanzen durch Rechnungsprüfer an und informiert die Medien. Als dann am 31. Oktober auch andere Medien nachstoßen und von „Zahlungen der Grazer FPÖ an ihre Burschenschaften aus dem Steuertopf“ berichten, ist der Rücktritt der Grazer FPÖ-Doppelspitze Eustacchio/Sippel besiegelt. Einen

Gab‘s noch nie

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Tag später weitete sich die Affäre aus. FPÖ-Finanzreferent Matthias Eder gab zu, im Laufe der letzten Jahre rund 500.000 Euro aus der Klubkassa für persönliche Zwecke abgezweigt zu haben. Seine stärkste Phase hatte Mario Eustacchio als Oppositionspolitiker und mit seinen Attacken auf Bürgermeister Siegfried Nagl. 2009 hatten ihn, den Banker und Quereinsteiger, die FPÖ-Kameraden mit 93 Prozent zum Grazer FPÖ-Obmann gewählt. Weil seine Vorgängerin Susanne Winter mit ihrer Islam-Hetze im Wahlkampf 2008 bundesweit für Aufregung und Schlagzeilen gesorgt hatte. Bei der Wahl 2012 konnte er 15.733 Grazer (13,75 Prozent) für die FPÖ gewinnen, im Jahre 2017 waren es sogar knapp 20.000 Stimmen (15,86 Prozent). Nach der Wahl kam es zu einer Koalition mit Nagl und der „Agenda 22“ als Programm. Es sollte der Anfang vom Ende für beide sein. Vor zwei Monaten bei der Gemeinderatswahl schaffte er dann den Sitz in der Stadtregierung nur noch hauchdünn. Siegfried Nagl wurde bekanntlich auch am 26. September 2021 als Nummer 1 abgewählt, von Neo-Bürgermeisterin Elke Kahr entzaubert. In einer einsamen Entscheidung hatte er – ohne Notwendigkeit – die für das Jahr 2022 planmäßige Wahl vorverlegt und sich damit selbst zu Fall gebracht.

KAGes-Chef Tscheliessnigg „wurde zurückgetreten“

Keine offenen, klaren Worte von LH Schützenhöfer

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as Geschehen ist an Peinlichkeit kaum noch zu überbieten. Da war den Verantwortlichen seit Wochen, ja Monaten, bekannt, dass KAGesChef Karlheinz Tscheliessnigg nicht geimpft war. Und sie haben das akzeptiert. Auch wenn er sich selbst nie direkt dazu geäußert hat, wie die meisten der Chefitäten in der KAGes und ihren Spitälern. Diese plädieren ja, dass nur noch Mitarbeiter ihren Dienst versehen dürfen, welche die 2G-Regel erfüllen – also Genesene oder Geimpfte. Nur Getestete müssen damit zu Hause bleiben und fürchten den Verlust ihres Jobs. Der Druck auf diese Gruppe von Mitarbeitern ist so groß, dass sich diese „zwangsweise impfen“ lassen. KAGes-Chef Karlheinz Tscheliessnigg ist diese Form der Nötigung erspart geblieben. Durch eine Indiskretion kam seine Impf-Verweigerung an die Öffentlichkeit. Nicht, dass er nicht an die Gefährlichkeit von Corona glaube, er persönlich hatte als erfahrener Herz-Chirurg nur Zweifel, dass die Impfstoffe für ihn die beste Lösung und damit der beste Schutz wären. Er wartete also noch zu auf den schon viel zitierten Tot-Impfstoff, der bei älteren Menschen mit Vorerkrankungen angeblich noch weniger Risiko in sich trage als Pfizer und Co. Es ist enttäuschend, dass LandesFoto: Werner Stieber

Sich selbst zu Fall gebracht

hauptmann Hermann Schützenhöfer kein klares, offenes Wort zum auch durch ihn erzwungenen Rückzug von Karlheinz Tscheliessnigg gefunden hat. Schon wieder ein Beispiel dafür, dass die ehrliche, offene Information und Kommunikation in Corona-Sachen nicht gegeben ist. Was wäre dabei, wenn Hermann Schützenhöfer den Steirern die „volle Wahrheit“ über den blitzartigen Rücktritt zugemutet hätte? So aber klingt seine Formulierung irgendwie verlogen, wenn er sagt: „Karlheinz Tscheliessnigg war die BESTE Wahl für die Führung der KAGes. Als Vorstandsvorsitzender seit März 2013 hat er in den fast neun Jahren seiner Tätigkeit UNGLAUBLICH VIEL geleistet. Karlheinz Tscheliessnigg wird im Dezember 75. Ich nehme seinen Rückzug mit Respekt vor seiner Lebensleistung und mit meinem Dank für die FRUCHTBRINGENDE ZUSAMMENARBEIT zur Kenntnis.“ Diese „fruchtbringende Zusammenarbeit“ – es gab sie auch seit Beginn von Corona im Jahr 2020, also schon vor knapp zwei Jahren – führte nun dazu, dass der nie pflegeleichte Mediziner von einer Stunde auf die andere „zurückgetreten wurde“. Aber, wie passt dieser „Rauswurf“ mit Tscheliessniggs gewürdigter Lebensleistung zusammen?

Grazer Bürgermeisterin verzichtet auf großen Teil ihres Gehalts

4.300 Euro brutto im Monat stehen – und das 14 Mal im Jahr – einem Grazer Bürgermeister als Gage zu. Mit der neuen Bürgermeisterin Elke Kahr wird sich diese gesetzliche Bestimmung nicht verändern. Doch Elke Kahr setzt auch als Bürgermeisterin ein Zeichen. Sie hat

schon als Stadträtin einen Teil ihres Monatseinkommens in einen Sozialfonds eingezahlt. Diesen gibt es in der KPÖ seit 20 Jahren und bisher wurden zwei Millionen in diesen Topf von den KPÖ-Funktionären einbezahlt. Elke Kahr begnügte sich als Stadträtin mit 1.950 Euro netto.

Künftig wird sie, so hat sie angekündigt, im Monat 2.200 Euro netto für sich behalten. Der Rest ihrer Bürgermeister-Brutto-Monatsgage von 14.300 Euro wandert in den von der KPÖ verwalteten Sozialfonds.

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