Jürgen Lehner
Der Brenn Nessel Mann. von
Und dessen späte Liebe zu einer spröden Schönheit. Sie führt ihn bis nach Nepal.
Verlag erlag
Für Adrian, der seinen Namen schon lesen kann, das Buch jedoch noch nicht
Die Natur ist dein Freund
Dein Opa
Idee und Konzeption: KLIPP Zeitschriften GmbH & Co KG, 8020 Graz, Mohsgasse 10, www.klippmagazin.at
von Jürgen Lehner
Der Brenn Nessel Mann.
Und dessen späte Liebe zu einer spröden Schönheit. Sie führt ihn bis nach Nepal.
Idee und Konzeption: KLIPP Zeitschriften GmbH & Co KG, 8020 Graz, Mohsgasse 10, www.klippmagazin.at
Buchtitel: Der BrennNesselMann.
Autor: Jürgen Lehner
Erscheinungsjahr: 2024, KLIPP Verlag
Cover: Gerald Brettschuh (Bild der Kopriva), Gerald Hartwig (Illustration)
Lektorat: Rosalia Mailand
Illustrationen: Gerald Hartwig
Comics (Märchen): Alfred Raschl
Design/Gestaltung/Layout: Gerald Hartwig, Isabella Hasewend, Jürgen Lehner
Satz, Koordination (Produktionsleitung): Isabella Hasewend
Text-Beiträge (alphabetisch): Heinz P. Binder, Gerald Brettschuh, Ursula Brosch, Grgur Raič, Christian Sturmbauer, Isabella Wuthe, Harald Wuthe
Fotos, wenn nicht anders angegeben: Sovendra Thapa, Božo Raič, Alfred Ninaus, Taymour Lehner
Alle anderen Bildnachweise: Seite 156
Druck: Dorrong, Graz
Papier: Juwel Offset (PEFC Zertifizierung)
Hinweis für die Leser: Alle Angaben in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt und nach bestem Wissen erarbeitet. Dennoch erfolgen sie ohne Gewähr. Der Autor und Verlag übernehmen keinerlei Haftung für etwaige Nachteile oder Schäden, die sich aus dem Gebrauch der in diesem Buch vorgestellten Informationen ergeben können.
Recht über die Vervielfältigung und Veröffentlichung von Teilen dieses Buches: ohne Zustimmung des Verlags nicht erlaubt
Einleitung
14 Urtica – Wer kann dich leiden
15 Der Humor einer Botanikerin
16 Unser Fußabdruck wird immer deutlicher
18 Kopriva – Die Brennende – Der Koprivnik
20 „Du kannst nicht von heut‘ auf morgen Bauer werden“
22 Der Römerhof
24 Damals und heute
28 „Namaste“ – Willkommen!
30 Gewohnt zu helfen
32 „Eiligster“ und heiligste Gipfel
34 Für einen Maßanzug auf die Reeperbahn
36 Aufspielen für eine spröde Schönheit
38 Brennnessel-Schnaps, wie geht das?
40 Weltweit erkannt
41 Wie geht Brennnessel-Suppe?
44 ZWEI, die verpöntes Unkraut schätzen
46 Wenn uns Menschen Staunen erfasst
48 Galerie in der Natur
50 Der Natur zuhören
52 Ein Paradies für Schmetterlinge
54 Guten Appetit mit Harrys Brennnesselküche
68 Was auch den Opa freut
70 Märchen für Adrian
78 In Nepal, einem Land ohne Eisenbahn
80 Überleben im mächtigsten Gebirgsmassiv
82 Auf der Suche nach den Händlern und den Webereien
86 Knapp vor dem Scheitern des großen Ziels
88 „Cheskam, ready for landing, Cheskam, ready for landing ...!“
90 „Namaste“: am Ziel in 3.000 Meter Höhe
93 Bringt Geld ins Haus
94 Chancen für Frauen
99 Der Crash! Glück im Unglück
101 Vom Himalaya auf den Laufsteg
104 Brennnessel-Poesie und Fakten
106 Spröde Schönheit und botanisches Wunder
108 Leckerli für Kamele
110 Für Gartenfreunde
111 Das Gute wächst so nah
113 Wenn ich zurückblicke, ...
117 Eine Auto-frisierte Biografie
118 365 Tage im Jahr einsatzbereit
Zu Gast in Nepal
122 Die Faszination Nepal
126 Nur für Touristen ein Paradies
132 Friedliches Miteinander
134 Ausblick in die Zukunft
135 Vom ewigen Eis zum Reis und Kaffee
138 Ein „Prinz“ als Botschafter
140 Ein Visionär für Nepal mit Wurzeln in Österreich
146 Happy Bottle Home
150 Bei den Kirati, einem Bogenvolk im Himalaya
152 Zu guter Letzt: „Omas Kaffee“ bei Birgit
156 Quellen, Bildnachweise, Danksagung
„Ich
denke, daher tue ich“
„Ja, das wär‘ interessant und klass“, sagt er zu meinem Vorschlag. Franz Wuthe wollte dorthin, woher der handgewebte Stoff für seinen Brennnessel-Anzug kam, den er sich in St. Pauli in Hamburg schneidern hat lassen. Als wir im Vorjahr in Kathmandu in Nepal aus dem Flugzeug stiegen, fühlte er sich gleichsam am Ziel einer langen Reise.
Wer wissen will, wie die Erkenntnis des französischen Philosophen René Descartes (1596–1650) „Cogito ergo sum“ – „ich denke, also bin ich“ – unser Leben lenkt, unser Dasein auf der Erde bestimmt, natürlich für jeden von uns anders, der kann dies am Protagonisten dieses Buchs erleben. Es ist Franz Wuthe. Es handelt von Abläufen im Leben, die zeigen, dass dieses nicht wirklich planbar ist, sondern wir uns auf irgendeine geheimnisvolle Weise von Tag zu Tag hanteln. Auch wenn viel Erlebtes im Nachhinein sich wie auf einer Perlenkette aneinander reihen lässt. Mit der gleichen Logik wie wir für uns Menschen das Geräusch der Wecker-Uhr als „tick, tack“ interpretieren, so tun wir das auch mit unserem Leben.
Naturreligionen ordnen jeden Menschen, je nach dem Zeitpunkt seiner Geburt, einem Tier oder einer Pflanze zu (und nicht umgekehrt). Für Franz Wuthe ist das offensichtlich die Familie der BrennnesselGewächse. Bei uns heute als Unkraut verpönt, in ihrer Jahrtausende alten Geschichte – schon der legendär gewordene Ötzi hatte seine Speerspitze mit Brennnessel-Fasern befestigt – gilt sie als „Königin der Wildkräuter“, als Tausendsassa, botanisches Wunderwerk. Im heutigen speech ist sie gar ein super food und damit praktisch für und gegen alles einsetzbar. Und Franz Wuthe ist von seinem Typ, seiner Persönlichkeit und seinem Charakter mit der Brennnessel verwandt, ohne dass ihm das bewusst ist oder war. Weil er sich mit seinem Motto „Ich denke, also bin ich“ und „Tue“ in seinem schon längeren Leben für alles interessiert, überall mehr oder weniger hineinschnuppert.
Gelernt hat er auf Drängen seines Vaters den Beruf des Kfz-Mechanikers. Dieser Beruf sei mit einer sicheren Zukunft verbunden, meinte der Vater. Nachdem Franz so gar und gar nicht ins Gymnasium und dann studieren wollte. Er wäre lieber Kaufmann gewor-
den und hätte sich noch intensiver dem Fußball gewidmet. Der Vater: „Ladlschupfer ist nichts.“ Doch zu seiner Zeit gab es mit 1,65 Meter noch keinen Lionel Messi als Idol.
Vielleicht, weil ihm der Himmelvater nur diese bescheidene Größe gab, wollte er sich schon immer von anderen abheben, auch über sie hinausragen oder wachsen. Daher machte er sich gegen das Veto seines Vaters selbstständig, verließ das abgesicherte Nest des sozialen Arbeitnehmers und tat das bereits 1973 – als 26-Jähriger. Mit seiner Kfz-Werkstätte ging er ebenfalls seinen eigenen Weg. Er hält sie praktisch seit 40 Jahren täglich 24 Stunden offen, ist also ein Weltmeister im Offenhalten und lernte dann nicht zuletzt Gott und die Welt kennen. Und er konnte seine Neugier und seine Interessen damit ausleben. Er wollte überall dabei sein, möglichst viel kennenlernen, ganz egal, in welchen Bereichen des Lebens.
Das Auto mit all seinem Rundherum ist für ihn der beste Kontakt zur Welt, gleichsam das Öl. Ob im Kontakt und Gespräch mit seinen tausenden Kunden, ob als Mitglied in der Interessensvertretung der Wirtschaftskammer, ob als Fan des Fußballklubs Sturm Graz. Seine Kunden kamen aus der Politik, der Wirtschaft, der Medizin, der Gesundheitsbranche, der Landwirtschaft, der Jagd, dem Sport, der Kunst und Kultur, dem Rotlichtmilieu, der Reisewelt und alles, was es so rund um uns gibt. Ganz nach dem Motto: „Ich denke, also tue ich auch etwas.“
Vieles hat sich in seinem Leben angesammelt. Als Familienmensch, Vater, Großvater, Unternehmer, Kaufmann, Firmenchef, als Jäger, Kfz-Sachverständiger, Mechanikermeister, als Opernfreund, „Baumeister“, Nebenerwerbsbauer, Fernreisen-Liebhaber, Handwerker. So erleben ihn seine Freunde und seine Umwelt. Daher war sein Wunsch ein Buch über seine späte Liebe zur Brennnessel nur ein weiteres Puzzle in seinem ereignisreichen Leben.
Jürgen Lehner
Alles begann mit einem Scherz
„Du bist jetzt Besitzer einer Brennnessel-Plantage.“ Damit scherzte ein langjähriger Freund von Franz Wuthe, als sich dieser erstmals am Anwesen seines Freundes an der Römerstraße 9 in Eggersdorf bei Graz umsah. Überall Brennnesseln. Selbst die unbewohnte, heruntergekommene Keusch‘n, die dort noch stand, war von Brennnesseln „umrahmt“.
Was Hermann Mittereggers Aussage – er ist leider schon verstorben – in den folgenden 20 Jahren damit auslösen sollte, darum geht es in diesem Buch. Die Aktivitäten, die Interessen, Neugier, viel Leidenschaft, Herausforderungen und Hürden. Es gab auch viele Irrungen und Wirrungen.
Das kraftvolle Motiv auf dem Cover des Buches ist auf BrennnesselStoff aus Nepal gemalt. Gestaltet hat es der in der Südsteiermark in Arnfels lebende international anerkannte steirische Maler Gerald Brettschuh. Ich erzählte ihm vom geplanten Brennnessel-Buch und Franz Wuthe, der sich bereits 2017 in Hamburg einen Anzug aus Brennnessel-Stoff schneidern ließ. Heute gibt es im Hause Brettschuh bereits zwei stolze Träger von – sogar in der Steiermark –maßgeschneiderten Sakkos. Die Brennnessel nennt man im Slowenischen „Kopriva“. Die Schlussfolgerung von Brettschuh: Der Franz ist daher ein Koprivnik – zu deutsch sinngemäß ein Brennnessler. „Mir fällt dazu immer sofort Bettnässer ein“, versucht er es tapfer mit Humor zu nehmen.
Aller Anfang ist schwer
Keiner ahnte Anfang der 2000er-Jahre, „natürlich auch ich nicht“, so Franz Wuthe, dass es allein Jahre dauern würde, bis er auch im Grundbuch als Eigentümer der „Brennnessel-Plantage“, der alten bäuerlichen Liegenschaft in Eggersdorf, genannt werden würde. So manches „Unkraut“ war auch bewusst nicht aus dem Weg geräumt worden, um den Zuwanderer aus Graz daran zu hindern,
sich an der Römerstraße 9 dauerhaft niederzulassen und sich dort wohlzufühlen.
Aber je schwieriger und holpriger der Weg wurde, desto mehr begann Franz Wuthe die Brennnessel zu seiner Lieblingspflanze zu machen, wuchs die Brennnessel – das Unkraut – ihm förmlich ans Herz. Und so wurde er ein Suchender der verborgenen Schönheiten und Fähigkeiten.
Die Welturaufführung der Sinfonia urtica („Brennnessel-Sinfonie“) auf der Naturbühne am „R9“ vor zwei Jahren war dann so etwas wie eine Sternstunde. Urheber und Regisseur für das Kunstprojekt „Sol lucet, umbra docet – Die Sonne scheint, der Schatten lehrt“ war der Kunst-Philosoph Božo Raič. Es war ein besonderer Moment für die jahrelangen Arbeiten, den Fleiß, den Einsatz. Der Römerhof ist seit damals ein Kraftplatz, eine KULT-UR-STÄTTE. Wie vieles im Leben – nicht geplant, aber eine Bereicherung. Mehr noch, ein Glücksfall. Dieses Buch spannt den Bogen von Franz Wuthes Erinnerungen an den Umgang mit der Brennnessel im Elternhaus über seinen späteren Weg bis zum Brennnessel-Bauer. Es ist daher eine Mischung aus persönlich Erlebtem, Sachbuch, Erfahrungen und Erinnerungen, erweitert mit Hintergrund-Wissen.
Ein neues Zuhause
Es war ein bleibender Eindruck für Franz Wuthe: „Als ich zum ersten Mal die kleine Keuschn an der Römerstraße betreten habe, sah ich nur allerlei Gerümpel und Klomuscheln. Die Zufahrt war kaum befahrbar. Aber als ich dann um mich geschaut habe, die freie Sicht zum Schöckl wahrgenommen habe – da habe ich gespürt, dass das ein Platz ist, wo es mir gefallen wird. Es war Blütezeit und entlang der Römerstraße daher ein schöner, naturbelassener An- und Ausblick. Und an diesem Gefühl hat sich bis heute nichts geändert.“
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Der Humor einer Botanikerin ...
Der Humor
... urtica dioica – Wer kann dich leiden?
Die Botanikerin Dr. Ursula Brosch sollte für die Dokumentation des kunstwissenschaftlichen Projekts der Universität Graz „Die Sonne scheint – der Schatten lehrt“ im Naturraum „R9“ am Grundbesitz von Franz Wuthe einen Beitrag verfassen. Was war dann aber der Auslöser für das Gedicht?
Meine Suche bei Pflanzen richtet sich auf Besonderheiten, spannende Fakten, kurz, knapp und mit etwas Humor aufs Papier zu bringen. Mit einem Artikel gelingt das nicht. Daher kam für mich nur das Gedicht in Frage. Um mit wenigen Worten, möglichst punktgenau, die Faszination der Pflanze zu erkennen. Die gehasst, gefürchtet, missachtet wird. Und dazu muss man von Makro auf Mikro umschalten, bevor man das Urteil „nutzloses Unkraut“ fällt. Dieser Prozess hat rund zwei Wochen bei mir gedauert. Ich hab’ mir einige Schwerpunkte gesetzt und dann versucht, die Verse zu schmieden. Das mache ich meist bei den Spaziergängen mit dem Hund. Da kommen immer ein paar Zeilen und Stichworte zustande, die ich dann zu Hause bearbeite und zusammenbastle. Das macht mir Spaß.
Franz Wuthe in seinem fertigtenhandge-Brennnessel-Anzug
Präsentiert von der Autorin beim Kunstprojekt der Uni Graz „Sol lucet, umbra docet“ in Eggers- dorf im Sommer 2022.
Unser Fußabdruck wird immer deutlicher
Dr. Christian Sturmbauer, Universitätsprofessor für Zoologie und Evolutionsbiologie an der Karl- Franzens-Universität
Das Lebendige in all seinen Facetten ist wohl das faszinierendste Geheimnis, das der Mensch zu ergründen hat.
Die entscheidende Einsicht: Wir sind Teil des großen Ganzen und können uns nicht von diesem abkoppeln. Wie alle Lebewesen greifen wir in ein Gefüge von Wechselwirkungen ein, agieren in unserem Umfeld, um uns das (Über-)Leben bestmöglich zu sichern.
Als denkende Wesen entwickeln wir immer effektivere Mittel und Wege der Nutzung, weshalb unser Fußabdruck im Gesamtsystem immer deutlicher ausfällt. War der menschliche Fußabdruck über hunderttausende Jahre lang kaum zu bemerken, ist er inzwischen überall in einem Ausmaß zu erkennen, dass das natürliche Netz so von unserer Präsenz überdeckt ist, dass es kaum mehr durchscheint, ja zu ersticken droht. Immer mehr Arten bleiben bei diesem unausgesprochenen Wettlauf um die verfügbaren Ressourcen auf der Strecke.
Natürliches Netz droht zu ersticken
Laut dem Biodiversitätsbericht der UNO befinden wir uns im sechsten großen Artensterben der Erdgeschichte. Von den geschätzten acht bis zehn Millionen Tier- und Pflanzenarten ist eine Million vom Aussterben bedroht. Schuld daran trägt, wie bei der Klimakrise, wohl der Mensch durch seine Übernutzung des Ökosystems Erde. Wir leben auf Pump, in Österreich wie auch weltweit. Das Artensterben ist also kein Problem ferner Länder, es ist auch bei uns sehr real: Wir haben beispielsweise in den letzten 20 Jahren 40 Prozent der Brutvogelbestände verloren und 75 Prozent der Insektenbiomasse.
Was sind genau die Ursachen für die zunehmende Gefährdung und Ausrottung von Arten? Klar ist, dass es ein Zusammenspiel
vieler direkter und indirekter Faktoren ist. Bewusst und unbewusst eingebrachte Umweltgifte, die als Insektizide bzw. Biozide wirken, sind ein Faktor. Ein maßgebliches Problem in Österreich ist die intensive Landnutzung. Diese zeigt sich einerseits in ungebrochen voranschreitenden Flurbereinigungen, wo auch die Sumpfwiesen, Hecken und Waldinseln weiträumigen Feldern weichen müssen, andererseits im enormen Baulandverbrauch, wo immer noch 20 Fußballfelder täglich verbaut und zubetoniert werden.
Der Verlust der Artenvielfalt ist eng vernetzt mit dem Klimawandel. Nur intakte Ökosysteme bieten einen ausreichenden Puffer gegen Extremereignisse und sichern langfristig unsere Lebensmittelversorgung. Wir müssen also dringend wieder sensibel werden für den schleichenden Prozess des Naturverlustes.
Unsere ungerechtfertigte Ordnungswut
Wir drücken der Natur immer härter unseren Stempel auf, haben Sinn und Gespür für das Wilde, Ungezähmte verloren. In einer ungerechtfertigten Ordnungswut gestalten wir unsere unmittelbare Umgebung immer artifizieller und technisierter. Wir empfinden es als unerträglich, wenn sich Brennnessel-bewachsene Unkrautflecken mit sonstigem Wildwuchs in unsere so ordentlich aufgeräumte Parklandschaft einschleichen. Wir können auch keine Blumen- und totholzreichen Heckenstreifen inmitten unserer geometrisch aufgeräumten Feldlinien tolerieren!
In der Tat, wir tun uns zunehmend schwer mit dem Kontrollverlust und jener Unordnung, die mit der Entscheidung einhergeht, der Natur ihren Raum zu lassen. Eine nicht genutzte Heidelandschaft ist nicht ordentlich, ja geradezu unerträglich unordentlich! Und dennoch eine der artenreichsten in unserem Land. Wenn Sie „Trockenrasen und Artenzahl“ in Google eingeben, finden Sie umgehend neben der hohen Zahl oft seltener Pflanzenarten beeindruckende 460 Arten spezialisierter Käfer, 900 Schmetterlinge, 47 Heuschrecken, davon 23 von der Roten Liste, neben 65 Spinnenarten. Denken Sie jetzt an Ihren Robo-getrimmten Gartenrasen mit seinen vier Gänseblümchen und 10 Löwenzähnen als letztes Aufkeimen der grünen Revolution.
Erinnern wir uns also dringend an die entscheidende Einsicht: Wir sind Teil des großen Ganzen, müssen also irgendwann die immer massiveren Konsequenzen unseres Handelns auf dieses dynamische Gleichgewicht tragen, und letztlich auch verantworten. Klimaund Biodiversitätskrise müssen endlich in unseren Köpfen ankommen. Wir selbst, und nicht nur die Politik, müssen endlich vom Reden ins Tun kommen. Bezogen auf das Projekt „Sol lucet, umbra
docet“ müssen wir also die Kepler’sche Idee einer Weltharmonie grundlegend neu interpretieren. Die autopoetische Schlüssigkeit der Harmonie mit der Natur ist in unserem ästhetischen Empfinden weiterhin allgegenwärtig, uns aber im täglichen Leben abhanden gekommen. Ein Leben im Einklang mit der Natur ist harte Arbeit geworden, heute bedeutet es eine radikale Kehrtwende in allen Bereichen, wo wir mit „Natur“ interagieren.
Kopriva – Die Brennende – Der Koprivnik
Anno 1988 traf ich in Ljubljana/Laibach auf das Wort KOPRIVA, Brennnessel auf Deutsch. Die Brennnessel, die Schöne, Altbekannte, auf den Beinen, Armen, überall so schön, so wohl lustig brennend. Das erfuhr ich als Kind, wie alle Landkinder in der Welt, sehr früh.
Brennnessel (Spinat) und vieles andere, was zur Koprivica/Ljubljanica gehört und was der Eros mit ihr, der Kopriva zu tun hat. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ich, Gerald Brettschuh, habe eine Liebesbeziehung zu dieser Nessel. Diese Beziehung bringt dieses Buch „zutage“. Seit ich erfuhr, dass auch Stoff aus Brennnesseln erzeugt wird, war ich froh. Als Lehners Freund Franz Wuthe in „his suit of Brennnessel-Stoff“ in Arnfels auftauchte, war ich als Brennnessler baff about this stuff.
Bald danach fertigte mir und meinem Sohn eine Schneiderin aus Gleisdorf zwei Jacken aus einem Stoff-Ballen. Dieser war ein Geburtstagsgeschenk der Exilarnfelser rund um Gunther Hasewend zu meinem 80er – im letzten Abdruck direkt aus Nepal per Luftfracht gekommen. Mein Sohn Paul und ich haben große Freude an unseren Jacken.
Steirerinnen und Steirer, baut Brennnessel an. Solange diese, unsere Welt, noch steht, brauchen wir den Stoff. Denn: Brennt die Welt, ist die KOPRIVA unser Symbol. „Burning Canada“ wird bald auch statt des Ahornblattes ein Brennnesselblatt als Wappen haben. Gerne werden wir es dem ehemaligen Homeland der Huronen und anderen zur Verfügung stellen. Die modernen Indianer:innen tragen dann Leggings aus diesem edlen Material. Eine weitere unserer Lieblingsideen ist: weltweite Clubs der Freunde der Brennnessel zu gründen.
Die „Brennende, die zur Zeit nur in der südöstlichen Steiermark Beachtung findet, wird im Himalaya-Land Nepal bereits bis zu drei Meter hoch. Bei fortschreitendem Anstieg der Temperaturen
ist mit einer künftigen Höhe von vier bis fünf Metern zu rechnen.
Zurück zur Nessel, zu Franz und Jürgen. Die beiden Adonisse kamen spät zu mir. Und weil mir alles über die Chemie passiert, passiert jetzt diese Kopriviza.
Gerald Brettschuh und Jugendfreund Gunther Hasewend bei der Anprobe mit der Schneidermeisterin
Wer nie die süße Last einer Kopriva-Jacke auf seinen Schultern trug, hat viel versäumt. Als Maler male ich manchmal auf Kopriva-Gewebe.
Ja, in der Welt nichts Neues mehr unter der Sonne. Aber in Styria brennen die Buchen, Lärchen, Eichen, Eschen und Fichten, Gestrüpp, Gräser und Moos, Hirschgras und Stauden und alles andere bald auch.
Klipp-Magazin-Mann Lehner, der alte Fuchs, alt an Jahren, alt am Erfahren, will wohl seinem Freund, dem Vierschrötigen zu einem guten Anfang ins Abenteuer der Schönen, der Stacheligen, noch nicht prostituierten Kopriva verhelfen. Wem gefällt es nicht, anzufangen.
„The older you get, the more interests you the Anfang“, sage ich lebenslanger Leser von Büchern in unserem Haus. Mein Schiff sinkt fast unter dieser Bücher-Last. Bücher sind Brot und Leben. Brennnessel-Papier tut Not.
Kopriva, Kopriviza lass’ deinen Schatz herunter. Sieben Frauen sahen mich im Anzug der Brennenden, nesselten an mir herum. „I owa nix.“
PS: Join Burning Kopriva’s Society: Trage die Nessel!
Zeitgenössische Künstler setzen weniger auf die Symbolik der Pflanze, sondern ganz konkret auf die wahrnehmungsstärkende Wirkung und das transformative Potential. Das tut auch Gerald Brettschuh. Das farbenprächtige Cover des Buchs ist sein Werk.
„Du kannst nicht von heut‘ auf morgen Bauer werden“
In Eggersdorf war Franz Wuthe ab dem Jahr 2000 als Pächter beschäftigt. „Ich hab‘ einem guten Bekannten für fünf Jahre Geld geliehen und dem gehörte der Römerhof. Besser gesagt die Keuschn dort.“ 2004 kamen die beiden dann überein, einen Kaufvertrag zu erstellen. „Er war an Eggersdorf nicht mehr wirklich interessiert, ich aber sehr wohl. Obwohl dort alles verludert war und die Keuschn in einem erbärmlichen Zustand.“
Und auch der Satz mit der Brennnessel-Plantage blieb in seinem Kopf. Als dann festgestanden ist, dass er Eggersdorf kaufen werde, sprach Franz Wuthe (Foto) auch mit seinem langjährigen Freund Roland Stix darüber. „Er ist für mich auf die Universität, hat in der Bibliothek gestöbert und mir dann über die Brennnessel und deren Bedeutung und Verwendung erzählt.“
Schon als Pächter hatte er damit begonnen, das Anwesen, die Zufahrten und vieles andere wieder in Schuss zu bringen. Doch als der Kaufvertrag praktisch bereits unterschriftsreif war – plötzlich die Hiobsbotschaft:
„Ich habe dann auf der Gemeinde gehört, dass nur ein Bauer, ein Landwirt dieses Anwesen kaufen kann, weil es ja eine kleine Landwirtschaft war.“ Also eine entscheidende Hürde für den Kauf. Franz Wuthe musste daher „zum Bauer werden“. Alle möglichen Gedanken gingen ihm da durch den Kopf – Schafbauer, Gemüsebauer, Kräuterbauer. Was aber davon war realistisch und machbar? Ein weiteres Kriterium für den Verkauf war auch die Größe des Anwesens. Das, was er für sein künftiges Bauernsein mit seiner Landwirtschaft erarbeitete, musste so viel sein, dass er davon zumindest auch als Nebenerwerbsbauer leben konnte. „Und daher habe ich zu den fünf Hektar, die ich schon hatte, noch weitere acht Hektar Grund im benachbarten Kainbach dazu gepachtet. Es war ein aufwendiger Prozess und sehr langwierig. Mit all den Nachweisen, dass ich von der Tätigkeit als Bauer leben hab‘ können. Wobei aber für mich von Anfang an klar war, dass ich nur ein Nebenerwerbsbauer sein will.“
Alles Gute vom Wuthe
Begonnen hat dann alles mit dem Anbau von Lavendel. „Ich hab‘ mit meinen Leuten auf meinem Anwesen dort ein Feld beackert und Lavendel-Pflanzen eingesetzt.“ Ein Bekannter von ihm hat dann Bienenstöcke dort in der Nachbarschaft aufgestellt. „Wir haben begonnen, Honig zu schleudern. Und das tun wir bis heute so.“ Seit damals gibt es unter dem Motto „Alles Gute vom Wuthe“ in Eggers-
dorf geschleuderten Honig, und der Lohn für die Mühe sind mehrere Goldmedaillen für die ansprechende Qualität. In dieser Anfangsphase als Nebenerwerbsbauer wurde so manches ausprobiert und mit vielen Dingen experimentiert. Beim Lavendel stellten Wuthe und seine Berater aber fest, dass der Boden dort nicht wirklich der beste ist, und auch der Knoblauch-Anbau funktionierte nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte.
Und damit rückten die Brennnessel-Idee und die Idee der Verwertung wieder in den Mittelpunkt des Interesses. „Ich hab‘ beobachten können, dass sich die Brennnessel von selbst die Fläche aussucht, wo sie am besten gedeiht. Und das ist bei mir in Eggersdorf dort, wo der Boden sehr stickstoffhältig ist, wo es Kalk, Bauschutt und andere Dinge eben vorher gegeben hat.“
„Wir mähen die Brennnessel, und wenn man einigermaßen konsequent die Dinge macht, so hat man zumindest zwei Ernten im Jahr. Ganz wichtig ist dabei der Samen, denn der ist dann als Gewürz verwendbar. Die Blätter der Brennnessel – aus denen kann man zum Beispiel Tee machen. Sie werden getrocknet. Und es gibt natürlich unterschiedliche Größen bei den Brennnesseln. Bei mir wachsen sie so bis rund 1,50 Meter. Die geernteten Samen gibt man dann auf den Salat oder auch in die Suppe. Wir haben sogar schon versucht, den Samen zum Honig dazuzugeben.“ Er wisse heute vieles über die Brennnessel, habe mit seinen Leuten in den Jahren selbst viel ausprobiert und sich sagen lassen. „Ich bin aber noch kein Experte, lerne jeden Tag dazu und staune, was die Natur alles zustande bringt.“
Der Römerhof ... vulgo
Trattner
Klingt alles ungemein historisch, bedeutsam –„Römerstraße 9“, die Adresse von Franz Wuthes Anwesen in Eggersdorf. Der Wahrheit geschuldet: Bis zum Ende des vorigen Jahrtausend hieß es dort schlicht „vulgo Trattner, Eggersdorf 38“. In ihrer Verlängerung führt die heutige Römerstraße bis auf die Ries hinauf. So mancher Besucher sieht vor der riesigen Wiese und dem Haus schon ein kleines, versunkenes Amphitheater. Ein solches hat es aber nur in Gleisdorf gegeben, wie der Historiker Robert F. Hausmann in seinem Buch „Gleisdorf – Zur Geschichte einer oststeirischen Kleinregion“ herausgefunden hat. Gleisdorf war tatsächlich eine Römersiedlung. „Vicus Gleisdorf“ lag eine Tagesstrecke von Flavia Solva, der bekanntesten steirischen Fundstätte aus der Römerzeit, entfernt und auf dem Handelsweg nach Pannonien, in Richtung Osten und Ungarn. Und Hausmann fügt in einer persönlichen Anmerkung ein wenig süffisant hinzu: Wenn man keinen anderen Namen mehr zur Verfügung hatte, dann hätten eben die Römer herhalten müssen. Na gut, aber so weit liegt Gleisdorf ja nicht weg. Und dass der römische Handelsweg Eggersdorf „gestreift“ hat, so dürfte es wohl gewesen sein. Zumal in der Kirche ein eingemauerter Römerstein als Besonderheit vermerkt wird. Und auch einen römischen Meilenstein in Präbach gibt es. Dieser soll jedoch erst in der k.u.k.-Zeit „römisiert“ worden sein, so der Historiker Hausmann. Dass in der Römerzeit ein Handelsweg über die Ries Richtung Mur führte – dafür gibt es keine Hinweise. Wohl aber, dass schon zur Zeit der Römer der Obst- und Weinbau und die Handelstätigkeit die Region um Gleisdorf wohlhabend gemacht haben. Bis heute.
„Eggersdorf 38, vulgo Trattner“ war die Adresse, bevor daraus die Römerstraße 9 wurde.
Damals und heute
Für die Eltern kein Unkraut
Natürlich führt die Beschäftigung mit der Brennnessel dazu, dass man dann auch an seine Jugendzeit zurückdenkt. „Ich bin ein Nachkriegskind.“ Franz Wuthe ist im Jahr 1947 geboren. „Und damals waren die Brennnesseln für meine Eltern (Foto) wichtig im Haushalt. Sie haben sie häufig verwendet. Es gab bei uns eine Brennnessel-Suppe, sie wurden auch beim Salat verwendet oder als Gewürz und Zugabe, wenn es bei uns Knödel oder Teigwaren gegeben hat.“
Für seine Eltern Erna und Franz Wuthe war die Brennnessel kein Unkraut. „Meine Mutter hat sie im warmen Wasser aufgeweicht und dann abgeseiht. Und sie hat das Wasser dann zum Fensterputzen verwendet, mit Zeitungspapier gereinigt. So war das damals. Der Vater wiederum hat das Zeitungspapier getrocknet und dann als Heizmaterial verwendet. Oder zu Ostern haben wir mit der Brennnessel Eier gefärbt. Meine Mutter hat mir dann, als ich noch Kind war, mit Brennnessel-Saft die Haare gewaschen. Der Vater hat jeden Tag Brennnessel-Tee gegen Blasenleiden oder gegen Prostata-Leiden getrunken. Ich habe das, was logisch ist, damals überhaupt nicht geschätzt und für mich war das nicht wichtig.“
Und an noch etwas erinnert er sich: „Für meinen Bruder und mich waren die Brennnesseln natürlich kein kulinarisches Highlight. Aber nach dem Krieg gab’s einfach nicht so viel. Meine Eltern hatten einen kleinen Garten. Dass wir Kinder beim Ernten von Brennnes-
seln einen Ausschlag bekommen haben, hat dieses Unkraut nicht zu unserer Lieblingsspeise gemacht.“
Bruder, Tochter und Enkerl tun auch mit
Alles wird heute anders gesehen. „Meine Tochter Isabella ist über die Kräuterkunde auch auf den Geschmack dieser Vitaminbombe oder des Wundermittels gekommen, und mein kleiner Enkelsohn Adrian weiß schon ein wenig Bescheid darüber. Auch meinen Bruder, der früher ein Haubenrestaurant hatte, habe ich schon für die Brennnessel begeistern können. Er hat schon bei einigen Anlässen in Eggersdorf auf der Römerstraße 9 für unsere Gäste aufgekocht.“
Bei der Brennnessel lässt sich alles verwerten. Er kenne kaum etwas so Vielseitiges wie dieses Kraut. Die Brennnessel werde als Heilmittel eingesetzt, bei Menschen, aber auch in der Kosmetik –ist also ein wahres Wunderkraut. Und Bruder Harald, Gastronom, ergänzt als gelernter Koch: „Heute ist die Brennnessel, aber auch der Samen, aus der Küche – egal ob warm oder kalt, vegan oder vegetarisch – gar nicht mehr wegzudenken. Damit haben wir auch in Eggersdorf schon vieles gemacht – Suppe, Brennnessel-Spinat, Pesto, Lasagne mit Brennnessel, Pizza und eine Quiche. Dann haben wir auch noch Weckerl gebacken und Käse mit Brennnesseln versehen. Um nur einige Beispiele zu nennen.“
„Und ganz speziell sind eben die Samen“, betont Harald Wuthe. „Die kleinen Nüsse können ab Mai, Juni, bis in den Herbst geerntet werden, und als Kräftigungsmittel sind sie nahezu unumstritten und sind auch ein gutes Gewürz.“
Eher aufwendig, so Franz Wuthe, sei das Trocknen der Brennnesseln. „Die Pflanzen werden zu Büscheln zusammengebunden und verkehrt aufgehängt. Werden die Blätter zum Kochen oder für Tee verwendet, dann sollten sie einzeln getrocknet werden, damit sie grün bleiben und die Wirkstoffe im Blatt. Denn sonst ziehen sich diese in den Stängel zurück.“
Man sollte darauf achten, die Brennnesseln nicht in der Sonne zu trocknen, also ohne direkte Bestrahlung. „Ich habe in Eggersdorf
Die beiden Brüder Harald und Franz bei den Vorbereitungen zum Aufkochen für die Gäste
einen eigenen Trockenstadl, wo das gut gelingt.“ Vor dem Trocknen sollte man sie aber nicht waschen. Zum Trocknen und Sammeln des Brennnessel-Samens legt man am besten unter der Pflanze ein Tuch. Am nährstoffreichsten sind bei den großen Brennnesseln die weiblichen Blüten. Sie unterscheiden sich von den männlichen durch die Farbe. Die weiblichen sind unscheinbarer und weiß, die männlichen gelb.
„Vorsicht beim Pflücken!“
Ihm macht es mittlerweile nichts mehr aus, die Brennnessel, wenn welche in der Küche gebraucht werden, zu pflücken. Sein Tipp: Man muss die Pflanze unten angreifen und fest zudrücken – dann brennt sie meistens gar nicht. Und das geschieht, indem man die Brennhaare an der Blattunterseite von unten beim Stängel bis zur Blattspitze streicht. Dann lassen sich die kleinen Härchen leicht abstreifen. Wer empfindlicher ist, kann sie auch mit einem Nudelwalker ausrollen.
Auf eines sollte man achten: Die Brennnessel an Stellen zu pflücken, wo keine Hunde hin kommen. Denn dann muss das Kraut nicht gewaschen werden und es bleibt beim Kochen auch ganz bissfest. Ein alter Hausfrauen-Tipp von Franz Wuthes Mutter: Zum Frischhalten habe sie frische Brennnessel-Blätter um die Butter gewickelt, aber auch um Fleisch oder Fisch. So konnte sie diese länger frisch halten.
Und eine weitere Erinnerung an seine Kindheit: „Bei uns hat‘s die Brennnessel meistens wie Spinat mit Kartoffeln und manchmal auch mit Spiegelei gegeben. Das war ausgiebig und hat uns alle satt gemacht.“
„Es klingt komisch, aber erst in Eggersdorf habe ich erkannt, wie nützlich diese Pflanze ist.“
Der Römerstadl und seine fleißigen Bienenvölker. Unten: Der Blick auf die Waldbühne und ein lauschiges Platzerl davor.
Mehr geht nicht mehr: Der Römerhof mit dem Römerstadl an der Römerstraße.
„Namaste“ – Willkommen!
Mit Guide Sovendra und der traditionellen Blumenkette – „Maala“
Ankunft am Tribhuvan International Airport Kathmandu, Nepal. Es ist der 26. März vor einem Jahr. Der Air-India-Flug 215 landet nach zweistündigem Flug von Neu Delhi kommend um drei Uhr Nachmittag bei Sonnenschein und warmen Wetter. Der SiebenStunden-Flug von Wien nach Neu Delhi und die sechs Stunden Wartezeit haben Spuren hinterlassen. Aber es ist der vorläufige Höhepunkt für Franz Wuthe und seine langjährige Leidenschaft für die Brennnessel. 2017 ließ er sich einen Anzug aus BrennnesselStoff schneidern. Den Stoff dafür
besorgte der Schneider Max Pötzelberger aus Nepal.
Franz Wuthe war von meiner Idee sofort angetan, das vor Ort mitzuerleben. Es sind, bei uns würde man sagen, Kleinkeuschler, die fernab in unzugänglichen Gebieten auf rund 3.000 Metern Höhe in Bergregionen leben, dort die Brennnessel wild ernten und diese seit Generationen zu Stoffen weben. Im Land des Himalaya, einem Gebirgszug über hunderte Kilometer lang, dem mächtigsten auf unserem Planeten. Mit seinen unzähligen 7.000ern und dem 8.848 Meter hohen Mount Everest als höchsten Berg der Welt. „Bis zu einer Höhe von 4.000 Metern reden wir bei uns von Hügeln“, so unser Guide Sovendra, der uns am Flughafen empfängt.
Er hat uns mit Auto und Chauffeur Dipak in der Abholzone erwartet. Sovendra wird uns die nächste Woche in Nepal Tag und Nacht zur Seite stehen. „Namaste – willkommen“, schmückt er unseren Hals mit der traditionellen, geflochtenen Blumenkette. Sein gutes
Tribhuvan International Airport in Kathmandu: Tribhuvan war der letzte König des seinerzeitigen Königreichs Nepal.
Deutsch hat er sich am Goethe Zentrum in Kathmandu angeeignet. Die nächste Überraschung: „Ich war bei meinem nicht lange zurückliegenden Aufenthalt in der Steiermark im Hotel Koralmblick untergebracht und euer Land ist so rein und schön“, zeigt er sich beeindruckt. „Reisen und mir die Welt anschauen, Neues sehen, erfahren, tue ich seit jungen Jahren“, so der Brennnessel-Nebenerwerbsbauer voll Erwartung zu unserem Guide.
Die Vorbereitungen für diese „Expeditionsreise“ waren umfangreich. Corona kam dazwischen und verzögerte so manches. Viele Kontakte mussten aufgebaut und Termine vereinbart werden.
Praktische Hilfe kam auch vom Österreichischen AußenwirtschaftsCenter in Neu Delhi. Österreich unterhält ja in Nepal nur ein Honorarkonsulat. Und so klein ist die Welt: In Neu Delhi „stationiert“ ist Bernd Andersson. Er kommt aus Graz, ist der Enkelsohn des seinerzeitigen Landesbaudirektors Helfried Andersson und „übersiedelt“ beruflich bald nach Slowenien. Die vom AußenwirtschaftsCenter übermittelten Adressen von Firmen und Organisationen halfen bei der Recherche in der Millionen-Stadt Kathmandu.
Waisenhaus-Projekt für Straßenkinder in Kathmandu: das „Bottle House“Schulprojekt in der Erdbeben-Region Hile. Nur zu Fuß erreichbar.
Gewohnt zu helfen
Der Grazer Christian Hlade ist mit seinem Reiseunternehmen Weltweitwandern (www.weltweitwandern.at) auch ein jahrzehntelanger Nepal-Kenner. KLIPP war mit ihm schon bei Touren in Nordafrika und Europa unterwegs. „Ja, natürlich bin ich da behilflich“, reagierte er spontan auf unsere Idee und stellte den Kontakt zu seinem Partner Sudama Kaki in Kathmandu her. Die beiden verbindet nicht nur ihr Beruf, sie sind auch die Initiatoren und Träger eines einzigartigen Waisenhaus-Projekts für Straßenkinder in Kathmandu: das „Bottle House“, wie es genannt wird, weil es mit Hilfe von gesammelten Flaschen erbaut wurde – ziemlich selten auf unserem Planeten. Verknüpft ist damit auch eine Schule in der Nachbarschaft. „Ich habe selbst eine schwere Kindheit gehabt und will einfach helfen“, so Sudama, der auch viele Jahre auf der Straße gelebt hat und dann am Goethe Zentrum in Kathmandu Deutsch lernen konnte. Apropos Goethe: Auch Dr. Thomas Prinz, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, unser „Nachbar“, war uns bei der Recherche im Zusammenhang mit dem Brennnessel-Thema, Fairtrade und Nachhaltigkeit, behilflich.
Himalaya-Staat Nepal
Amtssprache: Nepali
Hauptstadt: Kathmandu (2,5 Millionen Einwohner)
Fläche: 147.516 km²
Einwohner: 29,2 Millionen (Volkszählung 2021), 50 % jünger als 30 Jahre
Staats- und Regierungsform: Parlamentarische Republik (Vielfältige Parteienlandschaft, ca. 100)
Bevölkerungsdichte: 197,9 Einwohner pro km²
Währung: Nepalesische Rupie
bis 2005 ein Königreich
Seit Juni 2023 Öffnung der Ehe für alle Menschen
Religion: 81 Prozent Hindus, 10 Prozent Buddhisten
Es gibt Schulpflicht. Junge Nepalesinnen in Schuluniform: in ihrer Freizeit in einem Straßen-Bistro in der Königsstadt Bhaktapur.
„Eiligster“ und heiligste Gipfel
Mt. Everest – zu viele wollen hinauf.
In der mächtigsten Gebirgskette der Welt, dem Himalaya, gibt es hunderte Gipfel, brechen Jahr für Jahr tausende Bergsteiger aus aller Welt dorthin auf, um zumindest auf einem dieser Eisriesen am Gipfel zu stehen. Mit der Vergabe von Lizenzen dafür kassiert Nepal für seine Staatskasse Zigmillionen Dollar. Der begehrteste ist der Mount Everest (8.848 m) als höchster Berg der Welt. Beim Kampf um den Gipfelsieg bilden sich an den gefährlichsten Passagen Warteschlangen, spielen sich Tragödien ab und sorgen damit weltweit für Schlagzeilen. Unser Trekking-Guide Sovendra: „Einige der Bergriesen, wie der Fishtail, Kantega und Kailash, sind aber heilig, bleiben den Göttern vorbehalten.“
Um das Denken und Handeln der Himalaya-Völker zu verstehen, gilt es daher, den Geheim-
nissen nachzuspüren, die sich hinter ihren Legenden, Glaubensformen – vorrangig bei den Buddhisten und Hindus – bis auf den heutigen Tag widerspiegeln. Ohne diese religiösen Hintergründe und Zusammenhänge fällt es schwer, die Lebensform dieser Menschen, vor allem aber ihre Feste und ihre Riten, zu verstehen.
Die Brennnessel „rettet“ magischen Dichter und Guru Milarepa
Man kann ihn mit Vergil oder Dante vergleichen. Der berühmteste Dichter und Guru im Himalaya, Milarepa, lebte und meditierte vor 1000 Jahren in Höhlen des Kailash. Er hatte als Nahrung über lange Zeit nur die dort wachsende Brennnessel, sodass sich seine Haut grün färbte. Keiner machte den Himalaya so erlebbar wie er. Er vermochte die Körperwärme durch seinen Willen so zu steigern, dass sie ein umgelegtes eisiges Tuch zum Dampfen brachte und trocknete. Und er sich so aus der Scheinwelt unseres Daseins lösen konnte. Es bereitete ihm keine Schwierigkeiten mehr, so der Mythos, seinen
Tödlicher Stau vor dem Gipfel sorgt weltweit für Schlagzeilen. Massentourismus am Mount Everest, dem höchsten Berg der Welt
Der „weiße Dom“ Kailash – besteigen verboten!
Körper vom Boden zu lösen und im Zustand der Schwerelosigkeit durch die Luft zu schweben. So gelangte er als einziger Guru im Wettstreit im Nu und ohne Mühe auf den Gipfel und wurde damit für den Himalaya unsterblich.
Milarepa stammte aus einer wohlhabenden Familie. Sein Vater starb früh. Dieser übergab sein gesamtes Eigentum in die Obhut seines Bruders und seiner Schwester. Doch der Onkel und die Tante teilten das Vermögen unter sich auf. Milarepa und seine Mutter und seine Schwester wurden aus dem Haus vertrieben und lebten unter schwierigsten Bedingungen weiter. Um sich an den Verwandten zu rächen, schickte Milarepas Mutter ihren Sohn zu einem berühmten Lehrer der schwarzen Magie und Milarepa rächte sich. Viele Verwandte starben dadurch. Der Zauberer lobte ihn, und seine Mutter hatte grausame Freude daran. Er aber bedauerte zutiefst seine Taten und entschloss sich, die schwarze Magie, aufzugeben. Die Suche nach der wahren Lehre und spirituellen Vollkommenheit, mit schwierigsten Prüfungen, die Befreiung von seinem negativen Karma, in einen Zustand der Freude, führte ihn in die Höhlen am Fuße des Kailash. Durch seine Meditation erreichte er einen Zustand der Freude, der seine Seele umgab und niemals mehr aufhörte. Um dort in den kalten Höhlen zu überleben, ernährte er sich von Brennnesseln.
Auch heilig: Fishtail in Nepal, 6.993 m
Der 6.638 Meter hohe Kailash – der „weiße Dom“ – in Tibet
Auf den Thangkas – das sind gezeichnete Bilder – und buddhistischen Ikonen wird der tantrische Yogi und Dichter daher noch immer grün dargestellt. Durch die Brennnessel-Diät soll Milarepa unnatürliche Kräfte, sogenannte Siddhis, erlangt haben und konnte zum Beispiel wie eine Wolke vom Berg herunter schweben. Zurück in der Zivilisation lehnte er ab, etwas anderes als Brennnessel zu essen.
Für die gläubigen Hindus und Buddhisten spielt daher die Brennnessel, genannt Sishnu oder Allo, eine wichtige Rolle als Nahrungs- und Heilmittel. Welche Pflanze kann das von sich sagen – Heilmittel, Liebesdroge, Schönheitsmittel und für Gläubige sogar „Vorbote der Erleuchtung“ und „Wegweiser zum Himmel“ zu sein.
Bis zu drei Mal umrunden Pilger den heiligsten Berg und ernähren sich von Brennnesseln, die dort wachsen. Wie vor 1.000 Jahren Guru Milarepa (unten).
Für einen Maßanzug auf die Reeperbahn
Bei der
Bei der Beschäftigung mit der Brennnessel und damit, wo sie überall verwendet wird, erfuhr Franz Wuthe auch, dass bereits im Ersten Weltkrieg für Soldaten aus Mangel an Baumwolle Uniformen aus Brennnessel-Stoff gefertigt wurden. Damit war für ihn die Idee geboren, sich einen Anzug aus Brennnessel-Stoff schneidern zu lassen.
Dafür war aber eine Reise nach Hamburg notwendig. „Ich hab’ hier bei uns keinen Schneider gefunden, der Erfahrung mit der Verarbeitung von Brennnessel-Stoff gehabt hat.“ Daraufhin bat Franz Wuthe seinen langjährigen Freund Roland Stix, ein ehemaliger Lehrer, im Internet zu recherchieren. Und dieser wurde fündig. Ein Kontakt mit dem Meister der Nadel – er heißt Max Pötzelberger – in St. Pauli war schnell hergestellt. Vorab schickte er dem Schneidermeister seine Maße und ein Sakko. Beim Besuch dann in Hamburg kam es zur Anprobe und zur Feinabstimmung. Während seines mehrtägigen Aufenthalts in Hamburg war Franz Wuthe sozusagen live bei der Endfertigung dabei. „Das war schon ein besonderes Gefühl zu wissen, dass ich in Österreich wahrscheinlich der Einzige war, der zu diesem Zeitpunkt einen Brennnessel-Anzug sich schneidern hat lassen.“
BrennnesselStoff kam per Post aus Nepal.
Aufspielen für eine spröde Schönheit
öde Schönheit
Patrick Hahn als Komponist und Taktgeber in Eggersdorf bei Uraufführung
Ja, den Brennnessel-Marsch gibt es wirklich. Der Komponist dazu heißt Patrick Hahn und ist ein aufstrebender Jungstar am Dirigenten-Pult – zur Zeit in Wuppertal in Deutschland Generalmusikdirektor an der dortigen Oper. Der Zufall will es, dass Patrick Hahn ein gebürtiger Eggersdorfer ist und just zu dieser Zeit in Hamburg engagiert war, als auch Franz Wuthe
dort seinen Anzug machen ließ. Bei dieser Gelegenheit kam die Idee, Patrick Hahn mit der Komposition eines BrennnesselMarsches für die Musikkapelle Eggersdorf zu beauftragen.
Gelegenheit kam ennnesselagen. ufspielen auffüh“ dirigieORF-Ka-
Es ist der 30. April 2019. Ein großer Tag für Eggersdorf. Bei Bilderbuchwetter ist die Musikkapelle bereit für das Aufspielen mit dem Gastdirigenten Patrick Hahn. Er wird die Uraufführung des von ihm komponierten „Brennnesselmarsch“ dirigieren. Und das alles unter der Regie eines vielköpfigen ORF-Kamerateams.
„Leicht ist er nicht zu spielen“, meint Vizebürgermeister und Kulturreferent Johann Zaunschirm. Er selbst bläst im Musikverein das Saxophon. Applaus für die Darbietung gab es nach der Uraufführung nicht nur von den Zaungästen beim ORF-Dreh, sondern auch vom Filmteam selbst. Patrick Hahns Auftritt in seiner Geburts- und Heimatgemeinde ist Teil eines Porträts, das über den jungen Ausnahmekönner im Frühjahr 2020 gesendet worden ist.
Maturiert hat Patrick Hahn 2013 in Gleisdorf. Seine musikalische Ausbildung machte der heute 28-Jährige an der Musikuni Graz. Den Abschluss bildete der „Master of Arts“ im Orchesterdirigieren und als Korrepetitor. Patrick Hahn hat sich als Chansonier und Kabarettist in Deutschland und Österreich schon einen Namen gemacht. Auch die Eggersdorfer feierten ihn bei seinem „Gastspiel“ gemeinsam mit Kurt Rydl, international bekannter Bassist. „Ich weiß, dass man da gutes Geld verdienen kann“, sagt Hahn, erklärt aber auch gleich sein künstlerisches Ziel: „Ich möchte vor allem dirigieren –und das mit großen Orchestern.“
Und dass er das kann, stellte er etwa auf seiner Japan-Tournee unter Beweis. Dort dirigierte er zehn Konzerte mit japanischem Orchester und europäischer klassischer Musik. Seit 2021 ist er Generalmusikdirektor in Wuppertal. Das höchste Lob für Patrick Hahn:
Bild rechts oben: Patrick Hahn bei der Uraufführung mit Vize-Bürger- meister Johann Zaunschirm und bei einem Gastauftritt in Eggersdorf mit Kammersänger Kurt Rydl (unten.).
Der ist sowas von natürlich geblieben. Als Musiker mit so viel Talent und Können aufwartend trägt Franz Wuthe dazu bei, dass er – so es sein Terminkalender zulässt – zu Gastauftritten nach Eggersdorf kommt.
Brennnessel-Schnaps, wie geht das?
Florian Taucher am Kohlbauer-Hof in Eggersdorf experimentiert damit
Die beiden kennen einander seit Jahren sehr gut. Franz Wuthe hat Florian Taucher an einem gemütlichen Abend herausgefordert: „Versuch‘ doch einmal einen Brennnessel-Schnaps zu machen.“ „In der Familie brennen wir seit Generationen“, erzählt Florian Taucher uns beim Gespräch im Brennraum am Bauernhof in Präbach. „Wir dürfen und tun das noch nach dem alten Maria-Theresien-Brennrecht.“
In einem ersten Schritt versucht es Florian Taucher mit einem Kaltansatz. Er versetzt einen Apfel-Schnaps mit 70 g Brennnessel-Blättern, die 70 Tage in der Flasche bleiben. „Beim Trinken spürst du ein Prickeln auf der Zunge – nicht unangenehm. Man nimmt wahr, dass da etwas anderes dabei ist.“
Der nächste Versuch: Die Brennnessel-Blätter werden blanchiert, auf 70 Grad erhitzt und dann wieder angesetzt. „Das Prickeln ist nicht so stark, aber man riecht das Grüne heraus.“
Und beim dritten Versuch sind wir live dabei. „Zu unserem Frühapfel, dem Elstar, geben wir zu 100 kg einmal 7 kg frische Brennnesseln dazu. Die werden vermahlen, mitvergoren, und nach der Gärung wird das Ganze in die Schnapsbrennerei geschickt. Und da bin ich jetzt schon gespannt, was da herauskommen wird. Weil, soweit ich weiß, hat das noch keiner versucht. Denn es gibt nur die eine Möglichkeit, dass ich mit der Brennnessel einen Schnaps mache, wenn ich das vergären kann. Denn in der Pflanze allein gibt es nicht so viel Stärke, sprich Zucker, damit eine Gärung zustande kommt.“ Bis alles in
die Brennphase kommt, dauert es noch: „Aber das Ganze riecht schon sehr vielversprechend. Wer den Brennnessel-Spinat kennt und weiß, wie er schmeckt, der hat jetzt schon eine Vorstellung davon. Ich denke, mit dem werden wir ordentlich zuprosten können.“
Florian Tauchers Vater, der im Vorjahr verstorben ist, hat im Laufe der Jahre viele Sorten von Schnäpsen gebrannt –Vogelbeere, Holunder, Johannisbeere, Erdbeere. „Für uns ist das Schnapsbrennen eine tolle Ergänzung. Es ist ideal, weil wir das alles selbst haben und das Obst bei uns reifen kann. Wir waren damit sogar im Salon der Weine vertreten mit einem Traubenbrand.
Da haben die Weinbauern schon geschaut, dass wir das in unserer Region überhaupt schaffen.“
Weltweit erkannt
Brennnessel, ein wahrer Tausendsassa
Die Brennnessel ist als Nährstofflieferant fast überall auf der Welt verbreitet. Außer in den Tropen. Die in Mitteleuropa bekanntesten Brennnessel-Arten sind die Große Brennnessel (lat. urtica dioica) und die Kleine Brennnessel (lat. urtica urens). Wobei die Kleine Brennnessel wesentlich intensiveres Brennen verursacht. Brennnesseln - auch Heilpflanze des Jahres 2022 – haben einen hohen Gehalt an Mineralstoffen und enthalten Beta-Carotin, Vitamin C, Kalzium, Kalium, Magnesium und Eisen. Brennnesseln haben eine heilkräftige Wirkung – ob Blätter, Stängel, Blüten oder Wurzeln. Beim Ernten sollte man darauf achten: Blatt für Blatt – das schützt ebenso vor Hautreizungen –, nie die ganze Pflanze einfach ausreißen oder abbrechen. In den Monaten März bis Juli sammelt man vor der Blüte die jungen Sprossen und Blätter. Die Samen im Sommer und die Wurzeln werden im Herbst geerntet. Brennnesseln können sowohl frisch wie auch getrocknet verwendet werden. Für den Hausgebrauch ist es zu empfehlen, die Brennnessel in einer Gartenecke oder entlang des Gartenzauns anzupflanzen. Da ja nicht jeder einen Garten hat, aber vielleicht einen Balkon? Die Brennnessel lässt sich nämlich auch gut in einem Pflanzenkasten ziehen. Durch häufiges Abschneiden bekommt man bis in den Spätherbst hinein wertvolles Kraut für Tees und Küche. Therapeutisch genutzt werden die Brennnessel-Blätter, das Kraut, die Wurzeln
und die Früchte der weiblichen Pflanze. Anwendung finden sie als Tee, Extrakt oder Tinktur. Das Brennnessel-Kraut kann mit folgenden Inhaltsstoffen punkten: Ungesättigte Fettsäuren, Flavonoide, Caffeoyl, Kalium, Kalzium, Magnesium, Eisen, Kieselsäure und Chlorophyll. Extrakte aus dem Kraut zeigen eine entzündungshemmende, immunmodulierende Wirkung. Eine Internet-Recherche zeigt, wie zahllos die Produkt-Angebote sind. Vom Norden Finnlands in Europa bis nach Asien.
2022 – Heilpflanze des Jahres
In der Pflanzenheilkunde empfiehlt man Brennnessel-Saft, vermischt mit Honig, gegen asthmatische Beschwerden. Brennnessel-Blätter regen den Körperstoffwechsel an. Sie sind Bestandteil vieler Teemischungen, besonders gegen Rheuma und Gicht. Sie helfen auch bei Leberbeschwerden, Magen- und Darmproblemen und bei Frühjahrs- und Herbstkuren. Bei Frühjahrsmüdigkeit ist nach dem Aufstehen ein kleines Glas frisch gepresster Saft aus jungen Brennnessel-Pflanzen zu empfehlen.
Gemischt mit verschiedenen Frühjahrsgemüsen und frischen Kräutern sind junge Brennnesseln wegen ihres hohen Gehalts an Vitamin C eine hochwertige Zutat. Die jungen Blätter sind wegen des geringen Säuregehalts auch für Rheuma-, Gicht- und Arthritis-Kranke gut verträglich und werden wie Spinat zubereitet.
Aufkochen mit der Brennnessel – von Eggersdorf ...
... bis in die Hotelküche in Nepal
Wie geht Brennnessel-Suppe?
Medizin-Professor in Nepal lässt uns seine Leibspeise zubereiten
„Ich hab’ schon tausende Gäste aus aller Herren Länder hier bei uns als Gäste begrüßt, ihr zwei, Jürgen und Franz, seid aber die Ersten, die nicht wegen der Berge, sondern der Brennnessel wegen hier seid“, bricht Ram Shrestha in herzliches Lachen aus. Ihn treffen wir in Dhulikhel, zwei Fahrstunden außerhalb von Kathmandu. Er ist einer der angesehensten Ärzte in Nepal mit „österreichischen Wurzeln“. Im Telegramm-Stil: Ram studierte mit einem Stipendium in Wien Medizin und arbeitete als Arzt in Österreich (siehe auch
Reportage auf Seite 140). „Ich wollte meinem Land etwas zurückgeben“, ging er zurück in seine Heimat und gründete ein Krankenhaus mit einem Mitstreiter. Heute gibt es dort 1.300 Mitarbeiter und mehr als 100 Ärzte. Über weitere 18 kleine Zentren und Außenstellen in der Region werden drei Millionen Menschen, wenn nötig mit Flugrettung, medizinisch und gesundheitlich versorgt.
Und auch uns versorgt der Herr Professor. Ihn amüsiert sichtlich,
... vonbegeistert der Kochkunst
was ihm Franz von seinen „Experimenten“ erzählt, wo überall er die Brennnesseln und den Samen in der Küche beim Kochen verwenden lässt. Und Ram Shrestha zeigt sich begeistert. „Weil ich selbst schon von Jugend an immer wieder Brennnessel-Speisen esse.“ Er lässt spontan einen Mitarbeiter durch seine Assistentin rufen. Dieser möge in der Umgebung des Spitals sich nach Brennnesseln umsehen und bringen. „Sie wachsen bei uns überall. Man findet sie leicht.“ Der Mitarbeiter reagiert leicht verunsichert, weiß nicht, ob der Auftrag ernst gemeint ist. Dem Herrn Professor kommt daher eine andere Idee. Am nächsten Tag lässt uns Ram in der Dhulikhel Lodge, seinem „Stammtisch-Hotel“, seine Leibspeise nach eigenem Rezept kochen. „Das ist meine Brennnessel-Suppe, so wie ich sie von zu Hause gewöhnt bin.“
Die Jungköche wollten es anfangs gar nicht glauben, als ihnen der Küchenchef des Hotels am Vormittag den Auftrag gab, eine Brennnessel-Suppe als Delikatesse zuzubereiten. Natürlich kennt jeder Nepalese die Brennnessel als Nahrungsmittel. Sie ist dort aber mehr oder minder eine Mahlzeit für die armen Leute und keineswegs eine Liebhaber-Speise. Doch wenn Dr. Ram Shrestha eine solche extra beim Chefkoch bestellt, dann muss das schon
ein besonderer Anlass sein. Und ein solcher ist es dann auch, als wir zu Tisch gebeten werden. Bei dieser Gelegenheit erinnert uns unser Guide Sovendra – von ihm sind die appetitmachenden Fotos –, dass Nepalesen aus religiösen Gründen zumindest einmal in ihrem Leben zum heiligsten „Brennnessel-Berg“ pilgern, dem Kailash.
Wiewohl die Brennnessel nicht zu meinen Leibspeisen zählt –selbst ich habe nicht nur aus Höflichkeit oder Hunger zwei Teller davon probiert.
Es ist serviert. Guten Appetit!
ZWEI, die verpöntes Unkraut schätzen
Uni Graz entdeckt – R9 –
Römerhof als Naturraum
Wie das Leben so spielt. Ein Kulturphilosoph, im vorliegenden Fall Božo Raič, ein gebürtiger Kroate, der in Graz studiert hat, befasst sich seit Jahren intensiv mit dem Zusammenspiel von Natur, Kunst und Wissenschaft (natura – ars – scientia).
Ein Kfz-Mechaniker-Meister, der Grazer Franz Wuthe, beschäftigt sich als Nebenerwerbsbauer seit Jahren intensiv mit der als Unkraut „verpönten“ Brennnessel, brennt aber auch für die Musik von Richard Wagner. Beide, Wuthe und Raič, wussten nichts voneinander. Bis ein Zufall die beiden bekannt machte. „Seine Idee hat mir sofort gefallen“, sagt Franz Wuthe, der sich in Eggersdorf bei Graz an der Römerstraße 9 mit der gering geschätzten Brennnessel, dem Lavendel und Honig beschäftigt. Kulturphilosoph Božo Raič: „Herr Wuthe hat gleich gespürt, was wir in und mit der Natur gestalten wollen.“
Geworden ist daraus am Römerhof 9 ein spannendes, einmaliges wissenschaftliches Projekt an der Kunstuniversität Graz.
Kulturphilosoph Božo Raič: „Herr Wuthe hat sofort gespürt, was wir in der Natur gestalten wollen.“
Die Erkenntnis des kosmischen Poeten Johannes Kepler an der Universität in Graz: Die Sonne scheint, der Schatten lehrt Sol lucet, umbra docet
9
Wenn uns Menschen Staunen erfasst
Auf den Spuren des Kosmischen Poeten Johannes Kepler
Der Aufwand für das auf nur neun Stunden angesetzte Hör- und Schauspiel in der Natur war gewaltig. Es mussten am Römerhof in tagelanger Arbeit Wege und Ornamente ins hohe Gras gemäht werden, um Staffeleien und die von Projektleiter Božo Raič vorgesehene Sonnenuhr platzieren zu können. Leitungen mussten verlegt und an Bäumen Seile für das Aufhängen von Bildern gespannt werden.
Mit der von ihm eigens installierten Sonnenuhr auf der riesigen Wiese des R9 veranschaulicht Božo Raič den Verlauf der Zeit und die Genialität der Gedankenwelt von Johannes Kepler (1571 – 1630).
„Die Sonne scheint, der Schatten lehrt“
Die „Sonnenbeobachtung“ (sol lucet) hat das Staunen des jungen Keplers entfacht. Als er Mathematik in Graz unterrichtete, kam er im „Schatten“ (umbra docet) des Klassenraumes auf die Idee, dass
Erst die Sonnenuhr und ihr Schatten zeigen uns, wie die Zeit vergeht. der Aufbau unseres Sonnensystems auf der Platonischen 5-KörperGeometrie basiert. Der „kosmische“ Poet hat in Graz, nur unweit von Eggersdorf, gelehrt, bevor er nach Prag berufen wurde. Sein Werk „Das Weltgeheimnis“ hat unser Wissen über den Himmel für immer verändert. Erst durch den Schatten erkennt und erlebt der Mensch die Zeit, wie sie „vergeht“. Ohne Sonne gäbe es daher auch keinen Schatten im Naturraum „R9“ – steht für Römerstraße 9 –, am Grundbesitz von Franz Wuthe.
Božo Raič (im Gruppenfoto ganz rechts): „Es geht um die Verknüpfung, um die Übergänge, die es prinzipiell zwischen Natur, Kunst und Wissenschaft gibt und uns Menschen beschäftigen.“ Rund 40 Werke von international bekannten Künstlern aus Polen, Tschechi-
der Natur
en und Kroatien wurden dort in die „Natur-Galerie“ gestellt und gehängt: Bartosz Fraczek, Wlodzimierz Karankiewicz, Jaroslav Kweclich, Mateusz Pawelczyk, Justyna Talik, Niko Jeronim Raič, Pavol Rusko, Piotr Dlubak, Robert Puczynski, THESEUS: Aleksandra Cupial und Szymon Parafiniak.
Künstlerin Barbara Raič beim Rundgang mit Kollegin. Live-Performance im Brennnessel-Trockenstadl (unten).
Man muss sich mit der Gedankenwelt, der Philosophie befassen, sich bemühen hineinzudenken, um mit dem Begriff Symphonia urtica (Brennnessel-Sinfonie) etwas anfangen zu können.
Bei der Uraufführung des Musik-Gebildes am R9 geht es um das musikalische Ausmalen der vorgefundenen Klänge in der Natur. Also um keine Musik im herkömmlichen Sinn. Allerdings auch be-
gleitet von einem Musiker. „Auf der Waldbühne am Römerhof im freien Naturraum kommt es“, so der Kunstphilosoph Božo Raič, „zu einer freundschaftlichen Beziehung zwischen den Brennnesseln und Schmetterlingen.“ Diese sind auch die Hauptdarsteller in der Brennnessel-Sinfonie. Das Brennnessel-Blatt selbst ist ein schwingender Klanggegenstand in der Natur und wird so zur Bühne für
Der Natur zuhören
Uraufführung der Symphonia urtica
Das Musik-Gebilde Symphonia urtica ist unter dem Begriff „Symphonia urtica“ auf Youtube aufrufbar.
den Schmetterling. Während an der Oberseite der BrennnesselBlätter der Admiral und andere Schmetterlinge flattern, werden an der geschützten Unterseite die Eier abgelegt. Die Raupen entwickeln sich im Laufe der Zeit. Ein lebhafter Klang ertönt an der Unterseite nur dann, wenn die Haut den Raupen zu eng wird und diese platzt. Symbolisch versetzt sie die Brennnessel-Bühne in eine
„Umkleidekabine“ für ihren neuen Auftritt und tritt als Schmetterling auf der Brennnessel-Oberbühne auf. Kreiert hat das Musik-Gebilde Grgur Raič. Dieser ist ein unabhängiger Musiker, Produzent, Songwriter, Mixing- und Mastering-Ingenieur, Grafik-Designer und Videografie-Experte.
Die Botanikerin Ursula Brosch erklärt das Warum. Die Brennnessel ist eine Pflanze, die kaum zu übertreffen ist, was ihre Bedeutung und Nutzen betrifft. Sie ist eine Superpflanze –nämlich Heilpflanze, Nahrungspflanze, Faserpflanze, Färberpflanze, Düngepflanze. Und was macht sie für Schmetterlinge, Insekten so wichtig? Viele Schmetterlingsarten sind auf die Brennnessel
als Futterpflanze angewiesen.
Ich nenne nur einige: der Admiral, das Tagpfauenauge, der Kleine Fuchs (auch als Nesselfalter bekannt), die Silbergraue Nessel-Höckereule, Dunkelgraue Nessel-Höckereule, Brennnessel-Zünslereule oder das Landkärtchen. Was bedeutet der lateinische Name Urtica Dioica? Urtica bedeutet die Brennende, dioica zweihäusig. Es gibt sowohl rein weibliche als auch rein männliche Pflanzen. Im Deutschen bedeutet das Wort Nessel Netz. Eine besondere Funktion haben bei Pflanzen immer die Blüten. Natürlich auch bei der Brennnessel. Diese sind windblütig, diözisch, unscheinbar, in hängenden Rispen. Die vier Staubgefäße sind in der Knospe nach innen gekrümmt und stehen unter Spannung. Wenn sich die Blütenhülle öffnet (bei Wärme und Trockenheit) schnellen ihre Staubblätter hervor. Dabei wird explosionsartig eine Pollen-Wolke in die Luft geschleudert.
Ein Paradies für Schmetterlinge
Diese brauchen die Brennnessel zum Leben
Die Pollen werden dann durch den Wind vertragen und von den weiblichen Pflanzen aufgenommen. Wer es schon beobachten hat können – ein sehenswertes Schauspiel der Natur. Jeder von uns hat mindestens ein Mal schon die Wirkung der Brennhaare zu spüren bekommen. Diese sind der Schutzmechanismus gegen Fraßfeinde und daher überwiegend auf der Blattoberseite vorhanden. Sie sind damit auch ein Schutz für die Raupen der Schmetterlinge an der Unterseite. Es sind lange einzellige Röhren, deren Wände im oberen Teil durch eingelagerte Kieselsäure hart und spröde wie Glas sind. Das untere, flexiblere Ende ist stark angeschwollen, mit Brennflüssigkeit gefüllt und in das Blattgewebe eingesenkt. Die Spitze besteht aus einem seitwärts gerichteten Köpfchen, unter dem durch die hier sehr dünne Wand eine Art Sollbruchstelle vorhanden ist. Dies führt dazu, dass das Köpfchen schon bei einer leichten Berührung abbricht und eine schräge, scharfe Bruchstelle hinterlässt. Ähnlich der einer medizinischen Spritzenkanüle. Bei Kontakt sticht das Härchen in die Haut des Opfers und sein ameisensäurehaltiger Inhalt spritzt mit Druck in die Wunde und verursacht sofort einen kurzen, brennenden Schmerz und dann Quaddeln mit Brennen und Juckreiz. Und was muss ich tun, um mich nicht an der Brennnessel zu verbrennen? Brennnesseln lassen sich relativ gefahrlos anfassen, wenn man sie von unten nach oben überstreicht, da fast alle Brennhaare nach oben gerichtet sind. Wenn man sie frisch verwenden will, kann man die Brennhaare durch Klopfen mit einem Hammer zerstören.
Spinat
Zutaten für 4 Portionen
1.000 g Brennnesselblätter (junge)
2 Stk. Zwiebel (mittelgroß)
1 Zehe Knoblauch
4 EL Butter
4 EL Schlagobers
Pesto
Zutaten für 4 Portionen:
300 g Brennnesselblätter
2 TL Brennnesselsamen
100 g Walnusskerne, grob gehackt
1 Knoblauchzehe geschält
Abgeriebene Schale von ½ Zitrone
Salz
200 ml Olivenöl
Zubereitung
Brennnesselblätter, Salz und Knoblauch in einen Blitzhacker geben und fein zerkleinern. 200 ml Olivenöl nach und nach zugießen und die Masse gut durchmixen. Geriebene Zitronenschale und Walnusskerne zugeben und fein zerkleinern. Zum Schluss noch die Brennnesselsamen unterrühren. Zum Aufbewahren das Pesto in 1-2 saubere Gläser füllen, die Oberfläche mit Olivenöl bedecken und abgedeckt in den Kühlschrank stellen. Dort hält sich das verschlossene Pesto für einige Wochen. Geöffnet bis zu 3 Wochen.
(oder Rama Creme fine zum Kochen)
Salz und Pfeffer
Zubereitung
Guten Appetit!
Für den Brennnesselspinat die Brennnesseln mit kochendem Wasser übergießen, damit die Blätter nicht mehr brennen. Die Zwiebel würfelig schneiden und in der zerlassenen Butter glasig andünsten. Die Brennnesseln fein schneiden und zur Zwiebel geben. Salzen und pfeffern und ca.
10 Minuten unter ständigem Rühren dünsten. Die Brennnesseln gemeinsam mit dem Schlagobers pürieren und mit Bratkartoffeln und Spiegelei servieren.
... Harrys
Brennnesselküche*
Risotto
Zutaten für 4 Personen
1,5 l Gemüsebrühe
1 EL Olivenöl
1 Zwiebel
350 g Rundkornreis
150 ml Weißwein
50 ml Olivenöl
100 g Parmesan gerieben
150 g Brennnesseln
1 kleines Stück Butter
Zubereitung
Zwiebel schälen und kleinwürfelig schneiden. 1 EL Olivenöl in einem großen Topf erhitzen und die Zwiebel anrösten. Den Reis dazugeben und unter ständigem Rühren glasig dünsten. Mit Weißwein ablöschen und diesen verdampfen lassen. Etwas von der Gemüsebrühe zugießen und weiter rühren, bis der Reis die Flüssigkeit aufgenommen hat. Diesen Vorgang so lange wiederholen, bis die Reiskörner kernig weich sind (ca. 20 Minuten). Mit Salz, Pfeffer und geriebenem Parmesan abschmecken. 50 ml Olivenöl einarbeiten, damit das Risotto schön cremig wird. Einige Brennnessel-Blätter kurz frittieren. Den Rest fein nudelig schneiden, in heißer Butter zusammenfallen lassen und unter das Risotto mischen. Risotto mit den frittierten Brennnessel-Blättern servieren.
Frischkäse
Zutaten für 1 Portion
100 g junge Brennnessel
200 g Doppelrahmfrischkäse
2 Knoblauchzehen
Zitronensaft
Salz und Pfeffer
Zubereitung
Die Brennnesseln in einem Sieb kurz in kochendes Wasser tauchen, gut abtropfen lassen und fein hacken. Den Knoblauch schälen und durch eine Presse drücken.
Den Frischkäse mit dem Knoblauch und den Brennnesseln verrühren und mit Zitronensaft, Salz und Pfeffer abschmecken.
*Harald Wuthe, gelernter Koch, führt in Salzburg einen Gastronomiebetrieb. Er ist der jüngere Bruder von Franz Wuthe.
Kartoffelrösti Kartoff
Zutaten für 4 Portionen
3 kg Kartoffeln
50 Blätter Brennnesseln, junge
1 Bund Frühlingszwiebeln
1 Ei
1 TL Salz
1 EL Pfeffer, schwarz
Pflanzenöl zum Braten
Für die Sauce
1 kg Tomaten, reife
1 Zwiebel
1 Bund Petersilie
1 EL Paprikamark
1 EL Tomatenmark
1 Prise Salz und Pfeffer
1 Zitrone
Olivenöl
Zubereitung
Die Kartoffeln schälen, mit kaltem Wasser bedecken und kochen, bis man sie zu Brei stampfen kann. Währenddessen in einem kleinen Topf Wasser zum Sieden bringen, die Brennnesselblätter blanchieren und klein hacken. Die Frühlingszwiebeln ebenfalls klein hacken. Wenn die Kartoffeln gar sind, alles zusammengeben, Salz, Pfeffer und Ei dazugeben und das Ganze stampfen und gleichzeitig mischen. Wenn die Masse einigermaßen abgekühlt ist, kleine Kartoffelpuffer formen (etwa 5 cm Durchmesser und 1 cm Dicke). Die Kartoffelpuffer auf beiden Seiten in Pflanzenöl scharf anbraten, die Kruste muss goldbraun sein.
Die Sauce zubereiten, während die Kartoffeln kochen. Dafür die Tomaten mit der groben Reibe in eine Schüssel reiben. Die Zwiebel schälen und ebenfalls reiben. Die Petersilie klein hacken und mit dem Paprika- und dem Tomatenmark untermengen. Nach Belieben Salz, Pfeffer, Zitronensaft und Olivenöl zufügen.
Tomatensalat
Zutaten für 4 Personen
400 g Brennnesseln
4 kleine rote Zwiebeln
8 Tomaten
12 halbe Walnusskerne
4 EL Weißwein-Essig oder Apfelessig
4 EL Kürbiskernöl
Salz und Pfeffer
Zubereitung
Brennnesseln waschen, Blätter von den Stielen zupfen. Zwiebeln schälen und in feine Ringe schneiden. Tomaten waschen, trocknen, halbieren, Kerne entfernen. Fruchtfleisch in kleine Würfel schneiden, die Walnüsse grob hacken. Essig, 1 Esslöffel Wasser und Öl verrühren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Alles vermengen und auf einem Teller anrichten.
Frittaten
Zutaten für 4 Personen
50 g Mehl
1 Ei
1/8 Liter Milch
30 g Brennnesseln
Salz, Öl
Zubereitung
Die Brennnesseln blanchieren, fein hacken und mit den restlichen Zutaten zu einem Teig verarbeiten. Etwas ruhen lassen. Den Teig in eine Pfanne mit heißem Öl portionsweise eingießen und Palatschinken backen. Diese überkühlen lassen, einrollen und feinnudelig schneiden. In Teller geben und mit heißer Rind- oder Hühnersuppe servieren.
Kartoff
Kartoffelsuppe
Zutaten für 4 Personen
500 g Kartoffeln
2 Zwiebeln
30 g Butter
1 lt. Gemüsebrühe
75 g Brennnesselblätter frisch
2 TL Zitronensaft
Salz
Pfeffer
50 g Mandeln gehackt
200 g Sahne
Zubereitung
Zwiebeln, Kartoffeln würfeln und in Butter andünsten, dann mit Gemüsebrühe auffüllen und 10 Minuten garen. Brennnesselblätter klein hacken, dazugeben und 5 Minuten weiter kochen lassen, dann pürieren. Sahne dazugeben und mit Zitronensaft, Pfeffer und Salz abschmecken. Gehackte Mandeln ohne Fett rösten. Suppe mit den gehackten Mandeln anrichten.
Knödel
Zutaten für 4 Portionen
400 g Brennnesseln
6 Stk. Semmeln (vom Vortag)
3 Zehen Knoblauch (geschnitten)
50 g Bergkäse (würfelig geschnitten)
50 g Parmesan (gerieben)
2 Stk. Eier
Mehl
Salz
Pfeffer
Zubereitung
Für die Brennnesselspinatknödel die Brennnesseln kurz blanchieren, im Eiswasser abschrecken, damit die Farbe erhalten bleibt. Danach mit wenig Kochwasser im Mixer fein pürieren, soll eher dickflüssig bleiben. Zu den geschnittenen Semmelwürfeln geben, kleingeschnittenen Knoblauch, Eier dazugeben, gut vermengen. 1-2 Std. ziehen lassen, Käse untermengen, würzen, mit wenig Mehl zu einer weichen Knödelmasse formen. Die Knödel im Salzwasser ca. 15-20 Min. ziehen lassen, nicht kochen. Anschließend beliebig servieren.
Nudeln
NZutaten für 4 Personen
40 g junge hellgrüne Brennnesselblätter
400 g Mehl
60 g Hartweizengrieß
4 Eier
Salz und Pfeffer
2 EL Walnussöl
Zubereitung
Brennnesseln in kaltes Wasser legen, kurz durchmengen und sofort abtropfen lassen. 2 Liter Wasser zum Kochen bringen und die Brennnesseln ins kochende Wasser geben. Einmal durchrühren und sofort durch ein Sieb schütten. 100 ml von der Kochflüssigkeit aufheben. Blätter alle auf ein Tuch oder Küchenpapier legen und die Blätter ordentlich ausdrücken. Die gut getrockneten Blätter in einen hohen Behälter geben, Salz und Eier dazu geben und mit dem Pürierstab mixen. Nun aus Mehl, Grieß, den restlichen Eiern, dem Öl
Zubereitung
Die Brennnesseln mit Handschuhen pflücken. Dabei nur die Blätter verwenden, die Stiele abzupfen. Die Blätter dann waschen, trocken schütteln und in einem Mixer sehr klein hacken. Alle Zutaten, bis auf das Wasser, in eine Schüssel geben. Dann so viel Wasser zugeben,
und den gemixten Brennnesseln einen elastischen Teig herstellen, nach Bedarf noch mit Salz und Pfeffer abschmecken. Nun sollte der Teig in einen Plastikbeutel gelegt werden und für mindestens 12 Std. in den Kühlschrank gelegt werden. Danach wird der Teig ausgerollt und nach Lust und Laune die Nudeln geschnitten. Wer eine Nudelmaschine hat, kann diese dafür benutzen. Nun könnt ihr die fertigen Nudeln trocknen oder selbstverständlich auch gleich essen, indem ihr sie wie gewohnt in Salzwasser gar kocht.
Spätzle
Zutaten für 4 Personen
1 Handvoll Brennnesselblätter
375 g Mehl (Typ 405)
2 Eier Salz
Wasser
bis ein weicher, elastischer Teig entsteht. Diesen sollte man schon etwa 5 Minuten mit dem Handrührgerät (Knethaken) bearbeiten. Den Teig 30 Minuten ruhen lassen. Etwa 3 Liter Wasser in einem Topf heiß werden lassen, dann salzen. Mit einem Spätzlehobel oder einer Spätzlepresse den Teig in das heiße Wasser hobeln, so dass typische Spätzle entstehen.
Stangerl
Zutaten für 4 Personen
1 Dinkelblätterteig
4 kleine Zwiebeln
4 Handvoll Brennnesselblätter
1 Bund Schnittlauch
250 g Topfen
150 g Bergkäse
3 Eier Salz und Pfeffer
Zubereitung
Fein gehackte Zwiebeln in Butter andünsten. In der Zwischenzeit junge Brennnesselblätter und Schnittlauch fein schneiden und mit den Zwiebeln anschwitzen. In einer Schüssel den Topfen, den geriebenen Käse mit den Eiern verrühren, salzen und pfeffern. Nun alle Zutaten miteinander vermengen. Auf eine Blätterteigplatte streichen. Mit der zweiten Blätterteigplatte bedecken, Streifen schneiden und zu Spiralen drehen. Bei 200° C knusprig und goldgelb backen.
Energiebällchen Ener
Zutaten für ca. 20 Bällchen
150 g Mandeln
185 g entsteinte Datteln
2 EL Orangensaft
2 EL abgeriebene und fein geschnittene Orangenschalen
1-2 Handvoll Brennnesselblätter, junge
4 EL Brennnesselsamen
1 Prise Meersalz
Mark von 1/4 Vanilleschote reines Kakaopulver
Zubereitung
Zunächst die Mandeln im Mixer zerkleinern. Dann die klein geschnittenen Brennnesselblätter hinzugeben und nochmals mixen. Jetzt alle weiteren Zutaten, außer den Brennnesselsamen dazugeben und im Mixer zu einer geschmeidigen Masse verarbeiten. Zur Probe kann man einen kleinen Teil der Masse zwischen die Finger nehmen. Wenn sich daraus Kugeln formen lassen, hat sie die richtige Konsistenz. Die Masse klebt durch die Datteln kräftig, das ist normal. Wenn die Masse die richtige Beschaffenheit hat, noch die Brennnesselsamen gleichmäßig unterheben, mit einem Löffel kleine Portionen abstechen und Bällchen daraus formen. Zum Schluss in dem Kakaopulver wälzen. Die Bällchen halten sich im Kühlschrank ca. 2 Wochen und im Gefrierschrank bis zu 2 Monate.
Speck-Spinat
Speck
(Rezept aus der Nachkriegszeit)
Zutaten für 4 Portionen
1,5 kg Brennnesseln, Spitzen
50 g Speck, geräuchert
1 Zwiebel
Salz und Pfeffer
Wasser etwas Mehl
saure Sahne
Zubereitung
Die frisch gesammelten Brennnesselspitzen waschen und blanchieren. Dann die Brennnesseln mit Wasser ansetzen, sowie würzen mit Salz und Pfeffer, wie Spinat, dann weich kochen. Von dem Speck und der Zwiebel, sowie dem Mehl, wird eine Zwiebel-Speckschmelze hergestellt, und diese gibt man zum Gemüse und kocht es auf.
Tee
Te
Zutaten für 1 Liter
1 unbehandelte Zitrone
2 Handvoll Brennnesseln
4 Gewürznelken
Zubereitung
Zitrone heiß waschen, trocken reiben und Schale abschälen. Brennnesseln waschen und trocken schütteln. Brennnesseln, Gewürznelken, Zitronenschale in einem Gefäß mit 1 Liter kochendem Wasser übergießen und ca. 5 Minuten ziehen lassen. Tee durch ein Sieb gießen und servieren
Quiche
Zutaten für 4 Personen
3 Handvoll Brennnesselblätter
1 Bündel Bärlauch
1 kleine Zwiebel
1 Paprikaschote rot
1 kleine Peperoni
100 g Feta-Käse
250 g Dinkelvollkornmehl
40 g Butter
125 ml Buttermilch
20 g Hefe, frisch
4 Eier
½ TL Salz
1 Prise Zucker
100 g Edamer Käse, gerieben
2 Schuss Öl, zum Braten
Margarine, zum Einfetten der Form Semmelmehl, zum Einstäuben der Form Tomatenmark, gewürzt nach Bedarf
Zubereitung
Das Mehl in eine Schüssel geben, eine Mulde hineindrücken in der man die frische Hefe mit der zimmerwarmen Buttermilch vermischt. Die angewärmte Butter und das Ei zugeben. Gebt
Salz und die Prise Zucker dazu und vermengt alles gut, indem ihr den Teig ca. 5 Min. durchknetet. Den Teig dann in der Schüssel lassen und mit einem Geschirrtuch abdecken und an einem warmen Ort ca. 30 Min. gehen lassen. In der Zeit bereitet man den Belag zu, indem man die Brennnesseln, den Bärlauch und auch andere Kräuter wäscht und kleinhackt. Zwischendurch wird die Zwiebel geschält und in kleine Würfel geschnitten und in Öl in der Pfanne angeschwitzt. Die Paprikaschote und Peproni gewaschen, entkernt und in kleine Stücke geschnitten. Den Feta aus der Lake nehmen und in Würfel schneiden. Partytomaten halbieren und untermischen. Danach wird alles in einer Schüssel vermischt und mit 2-3 Eiern zur Bindung gemischt. Es kann auch noch eine kleine mehlige Kartoffel in ganz dünnen Scheiben oder Raspeln als Bindung verwendet werden. Nach den 30 Min. schauen wir nach unserem Teig, welcher gegangen ist, kneten ihn kurz noch einmal durch und verteilen
ihn auf einer runden Form, welche vorher mit Margarine eingerieben wurde und mit Semmelmehl bestäubt wurde. Den Teig, wenn ausgerollt, mit einer Gabel mehrmals anstechen und mit Tomatenmark, gewürzt mit Salz und Pfeffer, bestreichen. Jetzt kann die Füllmasse auf den Boden gebracht werden, und oben darauf kommen dann die Käsestreusel. Bei 180° C 30–45 Min. backen. Als Garnierung kann oben darauf noch eine Brennesselspitze gelegt werden.
Zutaten für 4 Portionen
200 g Mehl
100 ml Wasser
100 g Zucchini
1 Handvoll Brennnesseln, junge Salz und Pfeffer
Kräutersalz
1 Stiel Rosmarin
Zubereitung
Aus Mehl und Wasser einen festen Teig kneten, wenn er zu weich ist, noch etwas Mehl hinzufügen. Etwa eine Stunde ruhen lassen. In der Zwischenzeit die Zucchini und die Brennnesseln waschen. Die brennenden Härchen werden beim Waschen weggespült. Mit einer Küchenmaschine alles zerkleinern, bis es eine einheitliche Masse gibt. In ein Küchenhandtuch füllen und auspressen bis kein Wasser mehr kommt. Den Teig dünn auf einer gut bemehlten Fläche ausrollen und mit einem Messer 5x5 cm große Quadrate schneiden. Mit einem kleinen Löffel auf einer Hälfte in der Nähe der Mitte etwas von der Füllung platzieren, dann das Viereck Ecke auf Ecke zuklappen. Wie viel an Masse eingefüllt werden kann, damit sich die Tortellini noch ordentlich falten lassen, muss man ausprobieren. Die Tortellini formen, in dem man die nicht geklappten Seiten ordentlich fest drückt. Dann an den beiden Ecken, in denen die Faltung liegt, anfassen und um den Finger wickeln, sodass die typische Tortelliniform entsteht. Die fertigen Tortelli-
Tortellini mit Zucchini Füllung
ni nebeneinander auf einer bemehlten Fläche ablegen und derweil einen ausreichend großen Topf mit Wasser zum Kochen bringen. Wenn das Wasser kocht, Salz hinzugeben. Die Tortellini hineingeben und abwarten, bis alle an der Oberfläche schwimmen. Dann noch ein klein wenig weiterkochen lassen und anschließend abgießen. Die Tortellini können beliebig mit Soße oder in Brühe serviert werden. Sehr gut schmecken sie mit einer einfachen Sahnesoße aus Mehlschwitze, Sahne, Salz und Pfeffer.
Zutaten für 4 Portionen
Für den Teig:
300 g Mehl (glatt)
125 ml Wasser
1 TL Salz
Für die Fülle
500 g Brennnesselblätter
100 g Walnüsse
4 Knoblauchzehen
1 EL Öl
1 Msp. Muskatnuss
Pfeffer
Strudel Smoothie
Zubereitung
Für den Brennnesselstrudel Mehl mit Wasser und Salz zu einem glatten, sich von der Teigschüssel lösenden Teig kneten und 15 Minuten ruhen lassen. Brennnesseln grob schneiden und in einem Topf in etwas nicht zu heißem Olivenöl zusammenfallen lassen. Schafkäse grob mit den Fingern zerbröseln und mit den Brennnesseln mischen. Walnüsse grob hacken und zur Fülle geben. Mit Muskatnuss, Pfeffer, Olivenöl und Salz würzen. Mit zerdrückten Knoblauchzehen abschmecken. Auf eine bemehlte Arbeitsfläche den Teig so dünn wie möglich ausrollen. Die Brennnesselfülle gleichmäßig aufstreichen, an den Seiten einschlagen und einrollen. Den Brennnesselstrudel mit Öl einpinseln und im vorgeheizten Backrohr bei 200°C hellbraun backen.
Zutaten
1 Handvoll Brennnesselblätter
1 Banane
1 Apfel
1 Handvoll Feldsalat
1/8 Liter Wasser
Zubereitung
Für den Brennnessel-Smoothie zunächst mit dem Nudelholz ein paar Mal sorgfältig über die Brennnesselblätter rollen. Das sorgt dafür, dass die Brennhaare kaputt gehen und es bei der Berührung nicht mehr brennt. Die Banane schälen, den Apfel entkernen und alle Zutaten in den Standmixer geben. Gut püriert ist der Brennnessel-Smoothie schon fertig zum Anrichten.
Erdbeer Marmelade dbeer
Zutaten
1 kg Erdbeeren
500 g Gelierzucker 2:1
15 g Brennnesselblätter, ca. 15 größere Spitzen
2 EL Zitronensaft
1 Pkg. Vanillezucker
Zubereitung
Die Erdbeeren waschen, entstielen und klein schneiden. Mit dem Gelierzucker mischen und stehen lassen. Inzwischen die Brennnesselblätter waschen und mit dem Kochmesser sehr klein hacken. Die Erdbeeren pürieren, Vanillezucker, Zitronensaft und die gehackten Brennnesselblätter dazugeben und gut vermischen. Alles 4 Min. kochen lassen, die Gelierprobe machen. Nun für die Gelierprobe 1-2 TL heiße Marmelade auf einen kleinen Teller geben. Wird die Fruchtmasse nach 1-2 Minuten Abkühlzeit dicklich bis fest, wird das Eingemachte später nach dem Erkalten ausreichend fest sein. Ist die Festigkeit nicht ausreichend, die Fruchtmasse länger kochen lassen und die Gelierprobe wiederholen. Marmelade sofort in saubere Gläser füllen, verschließen und auskühlen lassen.
Zutaten für die Muffins
100 g Brennnesseln
200 g Butter
150 g Zucker
250 g Mehl
3 Eier
1 Pkg. Vanillezucker
1 Pkg. Zitronensäure
2 Teelöffel Backpulver
Salz
Für die Buttercreme
100 g Butter
250 g Puderzucker
Zubereitung
Zuerst werden die Brennnesseln in einer Schüssel mit kochendem Wasser übergossen. Die Blätter für ca. 5 Min. im Wasser ziehen lassen. Nun die weiche Butter und den Zucker in einem Mixer auf hoher Stufe verrühren. Es soll eine cremige, fluffige Masse entstehen. Dazu gibt man nun die Eier, das Mehl und die restlichen Zutaten. Den Ofen auf ca. 170 Grad vorheizen und den Teig in Muffinförmchen füllen und im Ofen für 20-25 Minuten backen. Danach die Muffins komplett auskühlen lassen. Für die Buttercreme wird Butter mit Zucker gemixt und damit dann die Muffins verziert.
Nicecream Eisdessert
Zutaten für 4 Personen
30g Brennnesselblätter
4 Stk Bananen
10g Zitronensaft
Zitronenschale gerieben von einer Bio Zitrone
50g Kokosmilch
Mandeln
Zubereitung
Die Brennnesseln ernten und danach gut mit Wasser abspülen. Die Brennnesseln fein hacken, anschließend die Bananen in Scheiben schneiden. Von einer Bio Zitrone die Schale mit der Raspel abreiben und 10 Gramm Zitronensaft auspressen. Alles zusammen mit der Kokosmilch in einem Gefäß in den Tiefkühler stellen. Am besten stellt man die Zutaten über Nacht rein. Die Mandeln in Stifte schneiden und in einer Bratpfanne kurz anrösten. Die gefrorenen Zutaten in einem Mixer zu Nicecream verarbeiten. Die Nicecream ist fertig, wenn beim Mixen im Behälter eine „Mix-Blume“ zu erkennen ist.
Brennnessel-Eis
N Br
Zutaten für ca. 8 Personen
2 Handvoll Brennnesselblätter
100g Sahne
200g Milch
5 EL Honig
1 Ei
Zubereitung
Die Brennnesselblätter etwas kleiner schneiden und in die Milch geben. Nun mit einem Stabmixer zu einer homogenen Masse pürieren. Wenn die Brennnessel – Masse nach dem pürieren noch nicht fein genug ist, dann streicht man alles noch durch ein feines Sieb. Die Sahne und das Ei kommen vorerst in eine separate Schüssel und werden mit dem Mixer vermengt. Jetzt wird die Sahne -Ei -Masse zum Brennnessel -Püree gegeben und gut vermengt. Zum Schluss kommt noch der Honig (Menge nach Geschmack) zur Eisgrundmasse. Einfach austesten, wie man es am liebsten hat. Wenn die Masse geschmacklich in Ordnung ist, diese in eine Eismaschine füllen, wenn man eine besitzt und dann in ca. 30 Minuten (Eismaschinen abhängig) ist das Brennnessel-Eis fertig. Ohne Eismaschine kommt die Masse in ein Tiefkühl-geeignetes Gefäß und sollte dann für ca. 5 Stunden im Tiefkühler bleiben.
Tipp: Ca. alle 30 Minuten die Masse kräftig umrühren, um die Eiskristalle zu zerkleinern. Dann wird das Eis wunderbar cremig.
Brennnessel-Kuchen Br
Zutaten
Für den Teig
250 g Mehl
125 g Zucker
125 g Butter
½ Päckchen Backpulver
1 Ei
1 Prise Salz
Für die Füllung
250 g Blätter vom Spitz – oder Breitwegerich
250 g Blätter von der Brennnessel
100 g gemahlene Haselnüsse
30 g brauner Zucker
4 Esslöffel Honig
4 Eier
1 Eiweiß
1/8 l Milch
Zubereitung
Das Mehl mit dem Backpulver vermischen und fein sieben. Dann werden die Butterflocken darauf verteilt und zum Schluss kommt ein Ei, Salz und Zucker hinzu. Dann den Teig glatt kneten, in eine Klarsichtfolie einwickeln und für 20 Minuten an einen kühlen Ort stellen. Danach wird der Teig in einen kleinen und in einen großen Teil geteilt. Mit dem großen Teil werden die Kuchenform und der Rand ausgelegt. Nun die gemahlenen Haselnüsse großzügig auf den Boden verteilen. Danach werden die Blätter vom Wegerich und der Brennnessel für ca. 1 Minute in kochendem Wasser blanchiert. Die Blätter raus nehmen und ausdrücken. Kurz abkühlen lassen. Nun wird der Honig in einem Topf erwärmt. In der Zeit die restlichen Eier mit der Milch und dem erwärmten Honig mischen. Zum Schluss noch die Blätter des Wegerich und der Brennnessel untermischen und alles schön auf dem Teig verteilen. Der Backofen sollte bei ca. 180 °C vorgeheizt werden. Bei einem Umluft-Backofen ein bisschen niedriger. Es wird nun die andere Teighälfte ausgerollt, in etwa auf die Größe vom Teigboden und auf den Kuchen aufgelegt. Den Rand andrücken. Er wird mit dem Eiweiß eingepinselt und mit braunem Zucker bestreut. Den Kuchen dann für 45 Minuten in den Backofen geben.
Was auch den Opa freut
Auf ihre Art, ganz anders als ihr Papa, aber nicht weniger nachhaltig, macht Isabella Wuthe, Adrians Mutter, ihre Erfahrungen mit der Pflanzenwelt und Natur in Eggersdorf. Aus Erzählungen und Diskussionen mit dem Vater weiß sie natürlich, wie vielfältig die Brennnessel in seiner Jugendzeit zu Hause von ihren Großeltern verwendet wurde.
Mittlerweile ist für sie und ihren heute fün ährigen Sohn Adrian Eggersdorf, der Römerhof, am Wochenende zu einem besonderen Aufenthaltsort geworden. Daran hat der „Opa“ auch seinen Anteil. Schon früh, als der Knirps halbwegs, sich an Opas Hand festhaltend, laufen konnte, versuchte dieser seinen Enkelsohn mit den Pflanzen, der Natur und dem Garten – auch mit dem einen oder anderen Werkzeug, das man dafür braucht – vertraut zu machen.
Und die Brennnessel sollte für Adrian schon als Baby in seinem Leben eine besondere Rolle spielen. Diese Erfahrung machte seine Mutter beim Stillen ihres Kindes. Nicht, weil man ihr das in der Mütterberatung geraten hatte oder im Spital, auch nicht ihr Vater, sondern: „Ich hab‘ es durch Zufall erfahren. Ich habe aus jungen, kurz getrockneten Blättern Brennnessel-Tee gemacht und diesen getrunken. Das waren damals allerdings noch keine selbst gepflückten. Und schon eine Tasse zeigte enorme Wirkung“, staunt sie noch heute.
Aus der Volksmedizin weiß man: Wer auch während der Stillzeit Brennnessel-Saft und/oder BrennnesselTee trinkt, fördert den Milchfluss und reichert seine Muttermilch mit gesunden Stoffen an, die dem Kind zugute kommen. In der Schwangerschaft kann die Brennnessel zum Geschenk werden. Sollte doch eine vitalstoffreiche Ernährung im Vordergrund stehen, damit sowohl das Ungeborene wie auch die Mutter nicht zu kurz kommen. Auf-
grund ihrer Nährstoffdichte stellt die Brennnessel für Schwangere eine Art von Multivitamin- und Multi-Mineralstoff-Präparat dar. Außerdem stärken Brennnessel-Produkte die Funktion der Nieren, die gegen Ende der Schwangerschaft 150 Prozent der normalen Blutmenge reinigen müssen. Es ist eine gute Idee, täglich eisenreichen Brennnessel-Tee zu trinken, da das Eisen aus der Brennnessel besonders gut bioverfügbar ist.
Am Römerhof in Eggersdorf hat sich Isabella Wuthe in den letzten Jahren bei ihren Waldrunden mit Adrian viel Wissen über die Pflanze und Kräuter angeeignet, die dort wachsen. „Wenn wir verkühlt sind, gibt‘s selbstgemachte Tee- und Kräutermischungen mit Hagebutten oder Holunder.“
Im vergangenen Sommer lernte sie bei einem Brennnessel-Seminar in Oberösterreich auch viel Praktisches. „Ich hab‘ dort meinen eigenen Brennnessel-Faden gemacht – geht alles nicht immer einfach.“ Aber heute fertigt sie ganz gern Geschenkbänder aus Brennnessel-Fäden an.
In den frühen Jahren in Eggersdorf pflanzte der Vater auch 500 Lavendel-Sträucher. „Und um die kümmere ich mich auch, denn sie müssen ja zwei Mal im Jahr zurecht gestutzt werden.“ Mittlerweile produziert sie mit einer kleinen Destillier-Anlage schon ihr eigenes Lavendel-Destillat und schwört auf die besondere Wirkung des Öls. „Selbst bei schweren Schnittverletzungen ist der Heilungsprozess unglaublich“, erzählt sie aus Erfahrungen, die sie bereits gemacht hat. Abgesehen davon, dass Lavendel-Öl gegen Kopfschmerzen, Zecken und Gelsen hilft.
Noch einmal zurück zu den Brennnesseln. „Die Samen davon – die tut der Adrian gern in seinen Porridge.“ V währ und/ f M k Sch
Tochter Isabella und Vater im Brennnessel-Outfit.
Ein Märchen für Adrian
Er heißt Adrian und ist Franz Wuthes Enkelsohn. Der Fün ährige geht noch nicht in die Schule und verbringt viel Zeit am Römerhof, ist nicht in die erbringt ömerhof, weil er dort gerne ist und sogar ein eigenes Häuschen hat. Genauer gesagt ein Baumhäuschen, das ihm der Opa gebaut hat. Und wo er gerne spielt. Irgendwie bekommt Adrian mit, dass seine Mama und der Opa oft über eine grüne Pflanze reden und er
wird sich daran erinnern, was es damit auf sich hat, wenn der Opa sagt: „Pass auf, dass du dich nicht brennst.“ Obwohl er gar kein Feuer gesehen hat. Und was ihm der Opa und die Mama darüber erzählt haben. Aber wie kann man
einem Fün ährigen verständlich machen, was eine Brennnessel ist? Auch beim Opa war es so, dass erst viele Jahre später er sich wieder erinnert hat, was es mit der Brennnessel so auf sich hat. Heute weiß er es wieder, dazwischen war das Wissen über die Brennnessel, die wie ein Zauberkraut, ein Tausendsassa ist, aber verschwunden. Vom Zeichner Alfred Raschl kommen Text und Bilder des Märchens.
Ein Land ohne Eisenbahn
Schwierig. Gelebtes Chaos auf den Straßen. Aber mit Selbstverantwortung.
Der Verkehr in Kathmandu läuft wie von einem anderen Stern. Uns Europäer ergreift eine leichte Panik. Natürlich gibt es eine Verkehrsordnung mit Überholverboten, Sperrlinien, Ampeln, Fußgängerübergängen, Abbiegeverboten und jede Menge Verkehrspolizisten. Aber die einzige Regel, das ungeschriebene, oberste Gebot, das über dem täglichen Verkehrssmog schwebt, heißt: Rücksicht nehmen und Selbstverantwortung. Neben den Heerscharen von Rollern und Motorradfahrern sind natürlich auch zigtausende LKW,
PKW, Taxis, Privatautos, Busse randvoll mit Fahrgästen unterwegs. Bei uns unvorstellbar: viele Zweiradfahrer sind zu dritt mit Kind, Sack und Pack auf der Straße. Man darf praktisch alles, muss auf sich selbst schauen, dass man vorankommt. Weil er die Abfahrt in eine Seitengasse übersehen hat – es gilt, wie oft in Asien auch in Nepal Linksverkehr –, muss unser Fahrer Dibak umdrehen. Das tut er dann mitten auf der sechsspurigen Hauptstraße, wie selbstverständlich. Allerdings: Dabei nicht rücksichtslos und aggressiv gegenüber anderen. Die Polizei ist da und sichtbar, doch sie greift so wenig wie möglich ein. Nur so kann der Verkehr überhaupt irgendwie fließen. Sich selbst nicht einschüchtern lassen, aber den anderen dennoch respektieren, nicht gefährden. Permanent wird überholt, kommt einer auf der Gegenseite entgegen. Da hätte es bei uns schon zigmal gekracht. Da gestikuliert niemand wild. Da schimpft keiner, deutet mit den Händen oder zeigt dir sogar den Stinkefinger. Gehupt wird als Zeichen für: „Achtung, ich komme. Pass bitte auf!“ Und in den engsten Gassen sind Fußgänger auf der Straße und machen mit sanften Handbewegungen auf sich aufmerksam. Bevor es brenzlig wird, drosselt unser Fahrer die Geschwindigkeit, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.
Selbst in den Abendstunden, bei keiner oder schlechter Straßenbeleuchtung werden alle Regeln widerlegt, von denen wir glauben, dass nur durch sie Verkehr funktionieren kann.
Viel Smog und Staub, aber keine Aggressivität
Und wir sind jeden Tag mitten drin und wundern uns auf den Hintersitzen unseres Taxis, dass sich das alles auch ausgeht, was sich da vor uns auf der Straße abspielt. Zugegeben, alles läuft sehr viel langsamer ab als bei uns, durch den zähen Verkehr. Da liegt zwar viel Staub in der Luft, aber keine Aggressivität. Da staunt man, wie gelassen die vielen Polizisten – ihr Gesicht mit Mundmasken vor dem Smog schützend – als Obrigkeit und Autorität auftreten. Sie greifen kaum ein, wenn aus einem Kleinauto sich sieben oder acht Personen heraus zwängen oder hinein wollen. Wenn auf einem Roller Vater, Mutter, Baby, mit Kleinkind oder Jugendlichem zu viert
Täglicher Stau. Kolonnen von LKW und Bussen bringen alles ins Land und aus dem Land.
oder zu dritt unterwegs sind und links und rechts vorne, seitlich auf einer eigenen Konstruktion Taschen oder kleine Koffer pendeln. Kleinkinder in einem Rucksack auf dem Rücken oder in einem Behältnis vorne bei einem Motorrad auf dem Tank liegend schlafen und sich auch bei Überlandfahrten von den unzähligen, oft knöcheltiefen Schlaglöchern nicht aus ihrer „Ruhe“ bringen lassen.
Der Verkehr in Nepal ist der Beweis, dass der Mensch das Chaos durchleben muss, um eine neue Ordnung zu schaffen. Wenn die Straße der einzige Verkehrsweg ist, denn Eisenbahnnetz gibt es in Nepal keines. Die 30 Millionen Nepalesen haben das in ihrem 147.180 Quadratkilometer großen Land geschafft. In Nepal leben 100 verschiedene Volksgruppen friedlich miteinander. Die Nachbarn sind im Norden China und im Süden Indien. Praktisch alle Waren, die es im Land nicht gibt, müssen auf der Straße ins Land geliefert werden. Eine gewaltige Herausforderung für die Menschen.
Fußgänger: auch ohne Ampel sicher über die Straße. Auf zwei Rädern kommt man in Kathmandu am schnellsten ans Ziel.
Überleben im mächtigsten Gebirgsmassiv
Allo – die Brennnessel ist eine der wichtigsten Quellen
Das wohl mächtigste Gebirgsmassiv unseres Planeten, der 900 Kilometer lang gestreckte Himalaya, fasziniert weltweit mit seiner Schönheit und den Mythen die Menschen. Nicht nur Bergsteiger bestaunen dieses Wunder der Natur.
Auf sich allein gestellt
Weit weniger bekannt ist die Handwerkskunst der Nepalesen, mit der sie Schönheit und Nützlichkeit verbinden. Die über Jahrhunderte und Generationen in den Familien weitergegeben wird. Die Menschen sind auf sich allein gestellt. In den entlegenen, abgeschotteten Bergdörfern, in denen ein Überleben überhaupt nur durch Selbstversorgung möglich wird.
Neben dem Bambus ist in den nördlichen Regionen Nepals einer der am meist geschätzten Rohstoffe – die Brennnessel, dort „allo“ genannt. Eine geniale, inspirierende und raffinierte Pflanze, wie sie die Natur hervorgebracht hat (aus: The Nettle in Nepal, 1984). Für die Bergvölker eine Quelle für Nahrung, Futter für die Tiere, Bekleidung und als Allheilmittel – so gesehen eine Alleskönnerin. Sie wächst bis auf 3.000 Meter Höhe wild, an steilen Hängen, im Unterholz, mit weit verzweigten Wurzeln, ist aber als Kultur- und Marktpflanze unbrauchbar.
Und um das alles vor Ort live mitzuerleben – dafür sind wir nach Nepal gereist. Die Ernte der Brennnesseln ist mühsam und erfolgt vor allem durch Frauen. Nach Ende des Monsun bis in den November. In den meisten Dörfern werden bestimmte Flächen, die der Regierung gehören, aber wo jeder Nepalese Zutritt hat, genützt. Die
Wälder liegen oft Stunden von den Dörfern entfernt und die Erntetrupps bleiben dort von zwei bis zu vier Tagen. In dieser Zeit ernähren sich die jungen Frauen und Männer auch von den Blättern der Brennnessel. Ein Mann trägt in seinem Korb bis zu 37 Kilogramm Stängel. Geerntet werden nur die reifen, dicken Allo-Pflanzen. Mit dem traditionellen Kukri-Messer schneidet man die dicken Stängel 15 cm über dem Boden ab. Frauen benutzen zum Abstreifen der Blätter und Stängel eine Handsichel – sie heißt Hasia. Vor den Dornen und Blättern schützen sich die Erntetrupps mit Handschuhen.
Im Dorf verarbeiten die Familien – in den Regionen unterschiedlich – dann die getrockneten Fasern zu Stoffen für Bekleidung, auf selbst gefertigten Webstühlen aus Bambus. Auch Matten, Taschen, Seile, Teppiche sind nützliche, handgemachte Dinge für den Alltag.
Schwierig zu finden: die Händler und Produzenten
Eine Fundgrube ....
Auf der Suche nach den Händlern und den Webereien
Nahezu in jedem Haus in Kathmandu gibt es im Parterre ein Geschäft. Und wenn man nur Kaugummi, Süßigkeiten oder sonst irgendeinen Krimskrams findet – jeder Hausbesitzer ist auch Händler und Kaufmann. Auch draußen in den Dörfern ist das so. Mit den auch bei uns bekannten typischen Rollbalken aus Blech schützen sich die Eigentümer nach Geschäftsschluss vor ungebetenen Gästen. Unser Guide Sovendra und unser Fahrer Dipak sind die Garanten dafür, dass wir auf der Suche nach den Händlern beim Abklappern der Adressen überhaupt erst fündig werden. Sie spüren den Zutritt zu kleinen, oft von wenig Licht durchfluteten Produktionsstätten in Hinterhöfen auf, wo Brennnessel-Fasern verwebt werden. Nicht nur diese, sondern auch Hanf, Leinen und Baumwolle. In Schuppen, die bei uns ein absolutes No-Go wären, aber dort lärmüberflutet zum Alltag gehören.
Mobiltelefone und GPS
Ohne diese elektronischen Helfer wäre Nepal noch um Jahrzehnte in seiner Erreichbarkeit und Kommunikation hinter unserer Welt
zurück. So aber gibt es praktisch in jedem größeren Geschäft, in jedem Büro, Lokal W-LAN und damit kannst du über WhatsApp oder andere Dienste mit der Welt oder auch Europa in Verbindung bleiben. Vor Ort ist es deshalb hilfreich, weil damit auch die kleinsten Händler, die irgendwo versteckt in einer Seitengasse ihr Geschäft betreiben, von unseren Guides gefunden werden. Und das oft ohne Hausnummern oder Straßennamen.
Sechs-Tage-Woche
Rund 150 Euro sind der Durchschnittslohn, so heißt es offiziell und sechs Tage die Woche (48 Stunden) wird gearbeitet, wenn man einen guten Job hat. Für Europäer ist das Land ein Anreiz, viele Dinge zu Preisen zu erstehen, die es bei uns so nicht mehr gibt. Um auf die Brennnessel zurückzukommen, sind es in Europa 50 bis 70 Euro, die man für einen Meter Stoff auf den Tisch legen muss, so sind das in Nepal, dem Hersteller-Land, 10 bis 15 Euro
In der Näherei bei Mahaguthi
Mahaguthi – ein Fairtrade-Pionier
Wir sind unterwegs im dichten Morgenverkehr. Alle haben es eilig, wollen ins Büro, zur Arbeit. Es geht auf neun Uhr zu und da beginnen alle. Unser Ziel heißt Mahaguthi.Gemeinnützige Organisationen haben die Aufgabe, für die Bauern und Produzenten die Waren zu sammeln und zu besseren Preisen in Kathmandu zu verkaufen. Natürlich sind die Qualitäten stark unterschiedlich. Über die Händler erfuhren wir auch, aus welchen Regionen sie ihre Ware beziehen und wie die Qualitäten der einzelnen Fasern zustande kommen. Mahaguthi ist (seit 1984) einer der Pioniere für Fairtrade in Nepal, damit auch für Brennnessel-Produkte. Den Kontakt zum General Manager Sunil Chitrakar hat uns das Honorarkonsulat Österreichs in Kathmandu vermittelt. Bereits seit den frühen 1980er Jahren arbeitet Mahaguthi mit den Familien in den Dörfern in Ost-Nepal zusammen – damals noch eine völlig neue Sache, heute schon etwas wie Mainstream. Wir sind gespannt, was uns da erwartet.
In unseren Breiten ist das so: Biegt man von der Hauptstraße ab, erkennt man sofort, was einem da erwartet. Nicht so in Kathmandu. Da gibt’s heruntergekommene, desolate Häuser und Hütten, Menschen, die praktisch auf der Straße leben. Aber nur wenige Kurven weiter plötzlich ein geändertes Bild, ein anderer Siedlungscharakter, fast mit einer Atmosphäre wie am Dorf. Wir bleiben vor einem Anwesen stehen, das sich hinter einem großen Eisentor und Mauern gleichsam versteckt. Ein Torwächter öffnet uns. In der Morgensonne tut sich dahinter ein kleiner, schmucker Hinterhof auf. „Mahaguthi?“, fragt unser Guide Sovendra. Der ältere Mann faltet die Hände zum Gruß und deutet uns an, ins Haus zu kommen. Dieses wirkt wie ein Familienhaus. Im hinteren Teil erkennen wir Werkstätten in jedem der vier Stockwerke. Von diesen Betrieben gibt es tausende in Nepals Hauptstadt. Sie sind so etwas wie das wirtschaftliche Rückgrat des Landes. Frauen an Nähmaschinen und Zuschneidetischen tun ihre Arbeit. Mahaguthi ist einer dieser fleißigen, versteckten Betriebe.
Eine Vielzahl an handgemachten Stofffiguren
Stolz auf ihren Rucksack aus Nepal
Die Werkstätten sind einfach, aber lichtdurchflutet. Wir werden freundlich begrüßt. „Mahaguthi Craft With Conscience“, Handwerk mit Gewissen, nennt sich die Fairtrade-Organisation, die nepalesisches Kunsthandwerk produziert, vermarktet und exportiert. Rund 120 Beschäftigte habe man zurzeit, erfahren wir von Sunil. Es gibt Aufträge mit Lohnarbeit, aber auch eine eigene Modelinie, die sich Kalpa nennt – Mode für junge Leute, mit zeitgenössischen Designs, darunter Kleidung aus Stoffen, die hauptsächlich mit Handwebstühlen hergestellt werden.
Mahaguthi-Manager
Sunil Chitrakar war auch in Österreich
Jeder Einkauf bei Mahaguthi hilft direkt Familien in den Bergdörfern, weil diese an jedem Schritt der Lieferkette beteiligt sind. Knapp 70 Prozent der Erlöse aus Lohnarbeit und Verkaufsgeschäften an die Kunden gehen an die „Handwerker“, die die Produkte liefern. Und da sind es vor allem die Familien aus den Bergregionen, von wo die Rohstoffe herkommen. Sunil, der General Manager: „Wir unterstützen benachteiligte Zielgruppen, insbesondere Frauen, denen wir unsere technischen, sozialen und finanziellen Dienstleistungen anbieten und deren Produkte wir auf nationalen und internationalen Märkten vermarkten.“ In Kathmandu selbst betreibt Mahaguthi zwei Geschäfte im Zentrum. Craft exportiert.
Man zeigt uns im Besprechungsraum, was da alles an Handwerksarbeiten gefertigt wird. Uns interessieren natürlich besonders die Brennnessel-Stoffe. Wie lange dauert die Anfertigung einer solchen schicken, ärmellosen Jacke? - erkundigen wir uns bei der mitteilsamen jungen Schneidermeisterin. „Nicht mehr als vier Tage“, kommt die rasche Antwort. Wie? „Ja“, kommt nochmals die Bestätigung und schon kurze Zeit später nimmt sie Maß bei Franz. Auf dem Bildschirm zeigt sie dann die unterschiedlichen Modelle und schon bald darauf ist der 120-Euro-Auftrag perfekt. Erste Anprobe nach zwei Tagen.
In dieser Zeit will sich General Manager Sunil bemühen, für uns eine Vorführung in einem Bergdorf zu organisieren, wo das Brennnessel-Garn von Frauen hergestellt und dann auf den Webstühlen im Ort zu Stoff verarbeitet, gewebt wird. Dabei erfahren wir von ihm, dass er erst Wochen vorher in Deutschland und Österreich war, um weitere Geschäftspartner zu finden. Gestärkt durch köstlichen nepalesischen Tee und mit der Freude über das gelungene Meeting brechen wir zu unserem nächsten Termin auf, der uns wieder ins Zentrum von Kathmandu zurückführt. Jetzt zeigt sich, wie wichtig die aufwendigen Recherchen zuhause und die Suche nach der „Brennnessel-Branche“ in Nepal war.
Knapp vor dem Scheitern des großen Ziels
Über die kleinen Händler und Hersteller erfahren wir auch, woher, aus welchen Regionen, sie ihren Brennnessel-Stoff für ihre Produkte beziehen. Bei unserer Erkundungstour im Kathmandu-Tal saugen wir förmlich jedes Detail auf. Rund 200 Kilometer Entfernung klingen im ersten Augenblick nicht dramatisch – etwa die Entfernung Graz-Wien. Als uns Sovendra, unser Guide, jedoch die Strapazen schildert, eine 20-stündige, anstrengende, nicht ungefährliche und „lähmende“ Autofahrt, mit tausenden Kurven, Schlaglöchern, jede Menge Staub und fraglich, ob überhaupt alles passierbar ist, weil es in schwer erreichbare, kleine Täler und bis auf 3.000 Meter hoch geht, schlucken wir schon gehörig. Ein Fall von völliger Fehleinschätzung bei unserer zeitlichen Planung. „Unter drei bis vier Tagen ist ein Besuch dort bei den Familien, die den Stoff herstellen, nicht zu schaffen“, so Sovendra bedauernd. Das kann zu knapp werden bis zu unserem geplanten Rückflug nach Europa. Was tun, wenn wir irgendwo hängen bleiben? Ganz abgesehen von den Strapazen.
Wir mussten also eine schnelle Entscheidung treffen. An der letzten „Bergetappe“ ins Himalaya-Gebiet „zu scheitern“, so knapp vor dem Ziel, nicht mit eigenen Augen vor Ort erleben zu können, wie der Brennnessel-Stoff in Jahrhunderte alter, traditioneller Methode entsteht. Doch aufgeben tut man bekanntlich nur einen Brief. Meine Überlegungen daher, als wir in der Hotel-Lobby am frühen
Abend darüber diskutieren: Noch einmal zur Erntezeit im November für eine Woche nach Nepal zu fliegen – oder: Die einzige Chance, an einem Tag in die Himalaya-Region zu kommen und wieder zurück, wäre mit einem Hubschrauber. Wie es die Bergsteiger oder Trekking-Touristen auch tun. Bei uns vorausgesetzt nur dann, wenn wir da draußen im Niemandsland in den Bergen irgendwo halbwegs sicher landen können. Es ist mittlerweile schon am frühen Abend. Ich bespreche das noch einmal mit Franz und auch er sagt: „Ja, versuchen wir es.“
Die Erlösung per Handy: „Ja, es wird morgen gehen.“
Sovendra greift zum Handy und startet mit dem Projekt Cheskam. So hieß der Ort, wo wir am nächsten Vormittag hin wollen. Voraussetzung: Die Wettervorhersage bleibt so. Als Trekking-Guide ist er oft zu den Basecamps im Himalaya unterwegs und weiß, wie so etwas zu schaffen ist. Über das gut ausgebaute Handynetz und W-Lan erreicht er die Familien, deren Telefonnummern wir von den Händlern anvertraut bekommen haben. Zum Glück funktioniert das Mobilnetz bis in Höhen von 6.000 Meter. Und nach langen Telefonaten erfreute er uns mit der Nachricht: „Ja, wir können morgen fliegen. Bei Tageslicht hin und zurück – das ist zu schaffen.“ Und der Hubschrauber wird reserviert. Ein fliegender Bote aus der Agentur steht kurze Zeit später in der Lobby – in der Hand den mobilen Bankomat. Klar, alles nur auf Vorauskasse möglich. Für den Preis wäre sich locker ein mehrwöchiger Riviera-Urlaub ausgegangen.
Die Wetterprognose bleibt gut. Es soll am nächsten Morgen sonniges Wetter geben. Und damit sollte unserem Ausflug in die Region Solukhumbu in den Nordosten Nepals, dort, wo auch der mit 8.848 Meter höchste Berg der Welt liegt, der Mount Everest, nichts im Wege stehen. Die Nepalesen nennen ihn „Sagarmatha“. Die einzige Unbekannte bleibt aber der Wind. Für Hubschrauber-Flüge oft die größte Hürde.
Die beiden gaben uns den entscheidenden Tipp für den Hubschrauber-Flug.
Ein Hubschrauberflug
ist unsere einzige Chance
„Cheskam, ready for landing, Cheskam, ready for landing ...!“
Bei starkem Wind von Kathmandu in die Himalaya-Region
Am Binnenflughafen in Kathmandu drängen sich am Vormittag die Fluggäste an den Sicherheitsschleusen. In der Abflughalle bittet uns ein Mitarbeiter von „Heli Everest – Pride of Himalayas“ auf die Waage. Da wir nur zu dritt sind – fünf hätten Platz –, gibt’s keine Gefahr von Übergewicht. Wegen Turbulenzen verzögert sich unser Abflug um rund eine Stunde. Es ist bereits Mittag. Destination „Cheskam“ steht auf unseren Boarding-Pässen. So bleibt mir Zeit, die Sicherheitsinformationen zu studieren. Dass man beim Nähern zum Hubschrauber ständig Blickkontakt mit dem Piloten halten soll und sich nur im Bereich der grünen Zonen wegen des Rotors dem Hubschrauber nähern darf. Ein absoluter No-go-Bereich ist der
schwarze und kleine Rotor des Hubschraubers. Alles muss festgehalten werden, was vom Rotor aufgewirbelt werden könnte. Sich gebeugt dem Fluggerät nähern.
Und dann ist es endlich soweit. Ein Kleinbus bringt uns hinaus an den Rand des Airports, dort, wo die Hubschrauber stationiert sind. „It is very windy and bumpy. We will see“, begrüßt uns eine junge Pilotin. So nebenbei erfahren wir, dass sie die einzige weibliche Hubschrauberpilotin Nepals ist.
Ein Hubschrauberflug ist klarerweise ganz was anderes, als sich
Fliegt mit uns: einzige weibliche HubschrauberPilotin
in einer Passagiermaschine anzuschnallen und im Sitz bequem zu machen. Bei voller Rundsicht fühlt man sich fast so wie in freier Natur. Als wir in einer Schleife abhebend Kathmandu unter uns im leichten Morgensmog verschwinden sehen, spüren wir sehr rasch den Wind und die Turbulenzen. Wie beim Segeln steuert, so scheint es mir, die Pilotin ordentlich dagegen an. Unsere Flughöhe beträgt zwischen 2.500 und 3.000 Meter. Auf den unter uns liegenden Bergrücken stechen die blau gedeckten Häuser hervor. Typisch für die Region in Nepal. Unwillkürlich kommt mir ein Bild in den Kopf: Die Hügel- und Bergrücken bei uns im Weinland – aber das Ganze nur zehn Mal so hoch.
Nach knapp einer Stunde Flug deutet die Pilotin mit der Hand nach unten und über den Kopfhörer sagt sie: „Cheskam.“ Nach einer Erkundungsschleife setzen wir dann unterhalb der Polizeistation (wie wir später erfahren) zur Landung an. Unter uns sehen wir Menschen, die uns zuwinken, darunter Kinder, selbst einige der heiligen Kühe scheinen sich für das, was da aus dem Himmel kommt, zu interessieren. Der Wolkenhimmel über Cheskam sieht gar nicht freundlich aus. Leichte Nervosität kommt bei uns auf. „Cheskam, ready for landing, Cheskam, ready for landing“, ersucht die Pilotin vom Tower in Kathmandu um Landeerlaubnis. Es gibt grünes Licht für sie. Werden wir genügend Zeit am Boden haben oder müssen wir überstürzt wieder den Rückflug antreten? Es dauert, bis das Rotorblatt stillsteht und die Pilotin die Cockpit-Tür öffnet.
„Namaste“: am Ziel in 3.000 Meter Höhe
Nach dem eiligen Begrüßungsszenario mit dem traditionellen „Namasté“ und Händefalten vor der Brust geht es sofort mit dem jungen Stellvertreter des Dorfältesten und dem Dorfpolizisten, begleitet von Kindern und Neugierigen, sogleich zum Lokalaugenschein zu Fuß weiter. Frauen haben bereits alles für die
Vorführung vorbereitet. Und sie werden uns zeigen, wie sie die zweieinhalb bis drei Meter groß werdende und wild wachsende Himalaya-
Brennnessel verarbeiten. Die Ernte beginnt nach dem Monsun im August und geht bis November.
Wer oder was sind Sishnu und Allo?
Die Nepalesen unterscheiden bei den Brennnessel-Gewächsen zwischen Sishnu und Allo. Die niedrigere Sishnu ist vergleichbar mit der Brennnessel, so wie wir sie auch bei uns kennen und wird als Nahrungsmittel (Suppe) und Heilmittel (Tee) verwertet. Die Allo (Himalaya-Brennnessel) ist eine faserliefernde, selbsterhaltende Staude und wächst auf bis zu 3.500 Meter im Hochland Nepals. Sie wird für die Herstellung von Stoffen, Taschen, Westen, (Wand-) Teppichen, Schals, Tüchern, Seilen, Stricken, Umhängen verwendet. Die Qualität der Garne hängt auch von der Erfahrung der jeweiligen Frauen ab, die diese spinnen.
Spinnen mit dem Mund
Gespannt warten wir auf den Beginn der Vorführung im Freien. Die Frauen nehmen die getrockneten Allo-Fasern – sie sind gebündelt – von der Stange. Die Fasern werden auf den Boden gelegt und dort mit Holzasche und einer eigenen Erde vermischt und so weich gemacht. Zusätzlich benützen die Frauen auch noch einen Holzschlegel. Dann geben sie die Faserbündel in einen großen Topf, wo diese im Normalfall rund drei Stunden am offenen Feuer gekocht werden. Danach werden sie wieder zum Trocknen an einem Stangengerüst aufgehängt. Sind diese dann trocken, nehmen die Frauen die Fasern in den Mund und trennen diese von der übrig gebliebenen Holzrinde. Sie haben sich dafür ein Bündel von Fasern um die Hüften geschlungen. Mit einer Kordel in der einen Hand beginnen sie langsam das Garn zu spinnen. Diese Arbeit verrichten sie beim Kinderschauen, die Kordel in der Hand drehend bei der Tierhaltung oder anderen Haushaltstätigkeiten.
Nach dem Schneiden wird die trockene Rinde abgeschält und die Faser durch Kochen, Waschen und Schlagen extrahiert. Allo-Fasern haben Eigenschaften, die besser für Textilarbeiten geeignet sind als andere häufig verwendete Fasern.
Bringt Geld ins
Haus
Unsere Gastgeber führen uns dann in ihre Häuser, wo im Erd- und Obergeschoß ein Mann und eine Frau beim Verweben des Garns sind. An Holzwebstühlen, wie sie seit Generationen verwendet werden. Begonnen wurde dort in Cheskam und den umliegenden Orten vor 40 Jahren. Als der Gemeindevorsteher, heute ein alter Mann, die Idee dazu hatte. 18 Tage dauerte allein der Transport des Holzes für die Webstühle aus dem Tal bis ins Dorf, so erzählt er. Heute gibt es einen Weg ins Dorf, damals nur einen Fußweg.
Mittlerweile arbeitet im Dorf ein knappes Dutzend Familien an den Webstühlen und sie haben damit ein zusätzliches Einkommen. Wie die auch in Gold glänzende Armbanduhr einer Frau zeigt, die eine Expertin in Sachen Brennnessel ist. Schmuck ist ein Wohlstandsmerkmal in vielen Teilen der Welt – so auch im Himalaya-Gebiet.
Immer öfter kommt es vor, dass diese Garne dann auch gefärbt werden – mit dem Saft von Naturpflanzen, die diese Farben sehr beständig machen. Wegen ihres roten Farbstoffs verwendet wird die Rubia cordifolia. Sie wird auch als Heilpflanze in der tibetischen Medizin verwendet.
Chancen für Frauen
Lernen Nähen, Schneidern, Weben
Bereits seit 2009 fördert die OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) und andere internationale Hilfsorganisationen Projekte in Nepal, um das Leben der Menschen zu verbessern. Im Fokus stehen vor allem Frauen, um deren finanzielle Unabhängigkeit zu entwickeln. Traditionell sind in Nepal Frauen für alle Stufen der Verarbeitung von Brennnessel (Allo-Fasern) verantwortlich.
Allo hat in etlichen Bergregionen sogar noch einen hohen kulturellen und religiösen Wert. Dort wird das aus Allo hergestellte Tuch bis heute den Göttern bei besonderen religiösen Veranstaltungen geopfert und den Bräuten während der Hochzeitszeremonie von ihren Eltern überreicht. Somit bietet Allo die Chance, Frauen wirtschaftlich unabhängiger zu machen. Frauen werden ermuntert, unterstützt und motiviert, ihre Fähigkeiten und die lokalen Lebensgrundlagen zu verbessern. Sie werden im Nähen, Schneidern und Weben geschult. Parallel dazu lernen sie, wie sie Beziehungen und Vertrauen zu den Herstellern und Händlern entwickeln. Dadurch sind auch die Männer langsam bereit, Frauen sogar außerhalb ihres Hauses das Arbeiten zu erlauben und Geld für sich selbst zu verdienen. Damit werden wieder Bedürfnisse der Familie befriedigt.
Eine Reihe von Verbesserungen wurde in die Techniken der Allo-Ernte, also in die Verarbeitung und Wertschöpfung eingeführt. So zeigt sich, dass die Praxis, das Garn aus frischer, grüner Rinde herzustellen – im Gegensatz zur traditionellen Art aus getrockneter –, die Qualität erheblich verbessert. Auch die Verwendung von Asche anstelle von Ätznatron für die Extraktion reduziert negative gesundheitliche Auswirkungen, wie Allergie, Husten und Gastritis. Und was dazu kommt: Früher wurden die Natronlauge und andere Chemikalien in nahegelegene Flüsse gespült. Damit verschmutzte das Wasser. Das Asche-Verfahren hingegen ist ein organisches Produkt und nachhaltig.
Gesünder und naturschonender verarbeiten
Weiters sparen sogenannte Raketenöfen (Heißbrennöfen mit Brennholz) gegenüber herkömmlichen, alten Öfen jede Menge Holz. Für das Kochen von 30 kg Brennnessel-Rinde reduziert sich diese von 240 kg auf 80 kg. Damit braucht es kein Fällen mehr von dicken Bäumen, die übermäßige Rauchentwicklung und Luftverschmutzung in Innenräumen bleibt aus. Pro Charge verkürzt sich die Kochzeit um 45 Minuten. Mit den Erlösen können Kosten für allgemeine Haushaltsgegenstände, wie Seife, Butter und Zucker (3.000 bis 5.000 nepalesische Rupien - 21 bis 35 Euro) gedeckt werden.
Auch Österreich hat die Studien in Nepal gefördert. Nicht zuletzt, weil die Industrie weltweit nach alternativen Quellen für Naturfasern sucht, um die Abhängigkeit von Baumwolle und Seide zu reduzieren, deren Produktion jede Menge Wasser verbraucht.
Indien hat das Potenzial der natürlich vorhandenen Brennnessel bereits erkannt und begonnen, diese mit Bio-Baumwolle oder Bambus zu mischen.
Chinesen gieren nach einem Pilz
Ein Raupenpilz mit dem Namen Yarshagumba ist zu einem begehrten Stück geworden. Dieser hochwertige Heilpilz wächst auf alpinen und subalpinen Weiden im Himalaya und in Tibet auf rund 4.000 Meter Höhe. Er ist besonders bei Chinesen als „Wundermittel“ gefragt. Verarbeitet wird er zu Pulver und zu Tee. Männer, Frauen und Kinder aus den Himalaya-Dörfern riskieren ihr Leben, um diesen Schatz der Natur zu sammeln. Wer ihn sammelt, muss dafür auch Steuern an die Regierung abliefern.
Unauffällig, aber doch: Das Auge des Gesetzes beobachtete unseren Besuch bis zum Abschied aufmerksam.
Wer live in Cheskam die Vorführung miterleben will, der kann sich in unsere Videos hineinklicken:
Das Mandala ist ein figurales oder in der Form des Yantra aufgebautes geometrisches Schaubild, das im Hinduismus und Buddhismus in der Kultpraxis eine magische oder religiöse Bedeutung besitzt. Ein Mandala ist meist quadratisch oder kreisrund und stets auf einen Mittelpunkt orientiert. In seiner einfachsten Ausführung kann es ein Dreieck zeigen, das eine Trinität (Trimurti) symbolisiert, in seiner größten Ausgestaltung bis in den Grundplan eines sakralen Gebäudes gesteigert verkörpert das Mandala das gesamte Universum mit Himmel, Erde und Unterwelt. Es dient als visuelles Hilfsmittel, um durch die Darstellung von Göttern, Landschaften oder Zeichen komplexe religiöse Zusammenhänge verinnerlichen zu können.
Der Crash! Glück im Unglück
Unser Guide Sovendra versteht unsere Neugier, übersetzt geduldig unsere Fragen. Er zeigt aber auch in Richtung Himmel. Die Wolken dort sind mehr geworden und dunkler. Um keine Zeit zu verlieren, organisieren unsere Gastgeber sogar einen Geländewagen, der uns zum Helikopter zurückbringt. Dort erhalten wir für den Rückflug den traditionellen weißen Reiseschal. Auch unsere Pilotin.
Wieder verfolgen die Familien mit ihren Kindern uns zuwinkend das Abheben des Helikopters – wohl die größte Überraschung der letzten Monate, wenn nicht sogar des Jahres. Rechts von uns im Norden vom Himalaya her eine drohende Wolkenfront. Da und dort schon Tropfen auf dem Gehäuse. Doch als wir uns Kathmandu nähern, kommt da und dort die Sonne durch die Wolken.
wir das übersetzt haben: Strobl am Wolfgangsee.
Glück im Unglück: Nur wenige Tage später drückt plötzlich eine heftige Windböe nach dem Abheben von einem Basecamp im Dhaulagiri-Gebiet unsere Pilotin zu Boden. Sie stürzt ab. Kein Eigenfehler. Der Helikopter wird total zerstört. Sie überlebt und wird nach Kathmandu in ein Spital geflogen. Von ihrem Mann erfahren wir, dass es ihr mittlerweile gut geht und sie auch in Zukunft wieder fliegen wird.
Nach der Landung sind wir alle erleichtert, selbst die Pilotin. Und von ihr erfahren wir dann, womit wir nie und nimmer rechnen konnten: Sie sei mit einem Salzburger Hubschrauber-Piloten verheiratet. Diesen habe sie bei einem Ausbildungsprogramm kennengelernt. Sie fliege seit 17 Jahren und arbeite während der Reisesaison in Nepal. Ihren Wohnsitz hätte das Ehepaar in „Ssstrobl“, wie wir erfahren. Es dauert, bis
Fotoshootings: Claudia Frühwald
Vom Himalaya auf den Laufsteg
Angehende Designerinnen aus Graz zeigen:
„Brennnessel“, von wegen Mauerblümchen ...
Zoe, Shawina, Laura und Katharina. So heißen die jungen, angehenden Designerinnen der Modeschule Graz, die uns zeigen, wie aus dem „Mauerblümchen Brennnessel“ am Laufsteg coole und lässige Mode wird. Noch tragen sie nicht ihre eigenen Kreationen, sondern alles handgemacht aus einer Himalaya-Region in Nepal: Westen, Jäckchen, Schals, Schirmkappe, Laptop- und Umhängetasche. Nur der blaue Rucksack kommt aus Österreich.
Ihr Kommentar: „Cool und angenehm zu tragen und passend zu jedem Anlass.“
Das, was die jungen Models hier präsentieren, hat nicht nur in Nepal lange Tradition. Seit der Antike waren die Nesselfasern einer der billigsten Naturstoffe, überall leicht zu bekommen. Hergestellt wurden grobe Gewebe, wie Segel und Taue für die Schifffahrt. Die Faser ist reißfest und extrem wasserbeständig, hat einen schönen Glanz, ist leicht färbbar, elastisch und atmungsaktiv.
In der Literatur liest man immer wieder, dass daraus auch feinste Gewebe wie hauchdünne Batiste oder Musseline gefertigt wurden. Die Nessel hatte bis ins 18. Jahrhundert
große Bedeutung. So gab es in verschiedenen Regionen Mitteleuropas Werkstätten und Manufakturen, die von der Herstellung der Nesselgewebe lebten, u.a. in Süddeutschland, der Schweiz und Frankreich. Nach dem kurzzeitigen Wiederaufleben der Fasernutzung in den beiden Weltkriegen kam das Aus für die Nesselfaser, weil der Aufwand für die Fasergewinnung zu hoch war.
Sie wurde durch Baumwolle ersetzt. Die Fasergewinnung ist im Vergleich zu Hanf oder Flachs schwieriger. Die Fasern liegen nicht wie beim Flachs in Bündeln unter der Epidermis, sondern einzeln an den Ecken des vierkantigen Stängels. Der Faseranteil beträgt nur etwa 8 Prozent der getrockneten Pflanze. Das macht Brennnessel-Mode so besonders.
Handgemacht in Nepal
Chic und nachhaltig.
Brennnessel-Poesie
Br
und M
Mythen, Sagen, Märchen und Fakten
Wo anfangen, wo aufhören? Und es sprengt den Rahmen dieses Buches. Es ist schlichtweg eine Herausforderung, wenn es darum geht, sich in die Mythen und Märchen und Poesie der Brennnessel zu vertiefen. Ohne Übertreibung – sie könnten umfangreicher nicht sein. Zu einer historischen Sensation: ein Fund in einem etwa 2.800 Jahre alten Grab eines Fürsten auf der dänischen Insel Fünen. Eine Urne enthielt einen feinen Nesselstoff (16 Fäden pro cm2). Dieser stammt aus unserem Nachbarland Kärnten. Auch der im Eis der Ötztaler Alpen gefundene Ötzi hatte Nesselfäden in seiner Ausrüstung.
Erstaunliches in Mythen, Zaubersprüchen und Erzählungen
Bei den Kelten wurde die Brennnessel sowohl dem männlichen Prinzip zugeordnet wie dem weiblichen. Der mächtige, wilde, auch zerstörerische Gott Thor, Odin oder Donar war auch der Gott des Bierbrauens und die Brennnessel ein wichtiger Bestandteil des kultischen Getränks. Thor trank selbst viel Bier. Sein starker Harndrang wurde als fruchtbarkeitsbringender Regen gesehen, der bei Blitz und Donner auf die Erde prasselte. Die sanftere, frucht-
barkeitsbringende Göttin Freya Ostara oder Holle der Kelten und Germanen brachte alles zum Wachsen und Blühen. Sie war außerdem die Göttin des Spinnens und Webens. Neben ihrer Funktion als nährende Pflanze für Menschen und Tiere war die Brennnessel auch eine wichtige Faserpflanze.
In alten Versionen der Märchen von Dornröschen und Rumpelstilzchen kommen Schicksalsgöttinnen als Spinnerinnen vor.
Die Brennnessel als Liebesdroge
Bei den Germanen war die Brennnessel Donar geweiht, dem Donnergott sowie Herrscher über Fruchtbarkeit und Potenz. An bestimmten Festtagen aßen daher die Germanen ein BrennnesselGericht zur Steigerung von Potenz und Fruchtbarkeit. Ein verliebter Jüngling streute seiner Angebeteten Brennnessel-Samen ins Haar, um ihre Gunst zu gewinnen. Mädchen, die von ihrem Auserwählten verschmäht wurden, besprengten seine Türschwelle mit einem Tee aus Brennnessel-Samen.
verschmäht wur
Brennnessel
Die Br
Die Brennnessel galt in früheren Zeiten als sicheres Liebes- und Potenzmittel. Kein Wunder, dass in mittelalterlichen Klöstern Brennnessel-Samen einem strikten Verbot unterlagen. Schon die Ärzte der Antike hatten verkündet, dass der Brennnessel-Samen die Liebe feurig mache. Bekam in vergangenen Jahrhunderten ein junges Mädchen einen Strauß mit einer Brennnessel darin, so sollte diese Geheimsprache sagen: „Ich fühle brennende Liebe in meinem Herzen.“
Vor 3.000 Jahren: Ötzi verwendete Brennnesselfasern
Um das Haus vor Blitzschlag zu schützen, wurde sie bei einem herannahenden Gewitter ins Herdfeuer geworfen. In der Nacht der Sommersonnenwende wurden Brennnesseln an Fenster und Türen gehängt, um Vieh und Menschen zu beschützen. Das Peitschen mit Brennnesseln soll gegen „Nixen-Zauber“ und andere „Elbische Einflüsse“ helfen. Und in der Umgebung der Brennnessel sollen sich vermehrt Erdmännlein, Zwerge und andere Heinzelmännchen-artige Wesen befinden.
Potenzmittel. K mittelalter
Auch der in der Jungsteinzeit lebende, heute legendär gewordene, Ötzi, ge- funden 1991 in den Ötztaler Alpen, hatte Nesselfäden in seiner Ausrüstung. ver- wendet hatte er diese an den Pfeilen.
lagen. Schon
Schon die Dichter der Antike betrachteten die Brennnessel als Aphrodisiakum. Der römische Dichter Ovid empfahl in seinem berühmten Buch Ars Amandi („Liebeskunst“) einen Liebestrank, dessen wesentlicher Bestandteil Brennnessel-Samen sind.
Die Brennnessel vereint auch eine Vielzahl an Ritualen und Zaubersprüchen. So ließ man Brennnesseln um Haus und Hof wachsen, sie sollten schlechte Gedanken wie Missgunst und Neid abwehren.
In anderen Märchen wird die Brennnessel auch als Sternenblume bezeichnet. Ihr kommt als Zauberkraut eine besondere Bedeutung zu. Es geht um Königsfamilien, böse Schwiegermütter, leidende Väter, verwunschene Prinzen und verstoßene Prinzessinnen. Aus Prinzen werden Schwäne, die nur dadurch verwandelt werden können, wenn die Schwester, eine Prinzessin, im Wald gefangen, für sie in mühsamer Arbeit Nesselhemdchen spinnt, ohne mit jemandem zu sprechen. Dies dauert Jahre. Sie soll auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Da fliegen die Schwäne im letzten Augenblick herbei. Sie wirft ihnen die Nesselhemdchen zu. Und aus den Schwänen werden wieder Prinzen. Nur bei einem reicht das Hemdchen nicht ganz und der linke Arm bleibt ein Flügel.
Immer wieder spielt der Faden der Brennnessel eine wichtige Rolle in diesen Märchen. Einmal, um für die Bösen ein Totenhemd zu spinnen. Im anderen Fall, um ein Brautkleid daraus zu machen.
Spröde Schönheit und botanisches Wunder
... und doch ein Mauerblümchen
So schrieb der Frankfurter Arzt und Verfasser des Struwwelpeter Dr. Heinrich Hoffmann vor etwa 150 Jahren ein Gedicht, in dem er den Nutzen und die heilsamen Kräfte des Unkrauts erkannte.
Brennessel, verkanntes Kräutlein, Dich muß ich preisen, Dein herrlich Grün in bester Form baut Eisen, Kalk, Kali, Phosphor, alle hohen Werte, Entsprießend aus dem Schoß der Mutter Erde, Nach ihnen nur brauchst Du Dich hinzubücken, Die Sprossen für des Leibes Wohl zu pflücken, Als Saft, Gemüse oder Tee sie zu genießen, Das, was umsonst gedeiht in Wald, auf Pfad und Wiesen, Selbst in noch dürft´ger Großstadt nahe Dir am Wegesrande, Nimms hin, was rein und unverfälscht die gütige Natur Dir heilsam liebend schenkt auf ihrer Segensspur!
Laut Volkskunde schützt die wehrhafte Brennnessel mit ihren Brennhaaren vor Dämonen, Hexen, Hagel, Blitz und Donner schützen. In der Walpurgisnacht wurde ein Neunkräuterkranz gebunden, der an die Stalltür oder ans Scheunendach gewunden, das Vieh vor Schäden schützt.
Alte Kräuterbücher
Bereits in der Antike hielt Hippokrates die Brennnessel für ein eröffnendes und ausleitendes Kraut. „Die Blätter erweichen den Bauch, vertreiben Blähungen und vermehren den Harn“, wusste auch der griechische Arzt Dioskurides.
Im „Lorscher Arzneibuch“ (um 785) wurden Brennnessel zur Behandlung von Erfrierungen genannt: „Reib’ eine Brennnessel, lege sie auf und mache einen Verband. Tu dies zwei Mal täglich und der Patient wird am fünften Tag gesund.“ Auch gegen die Gicht und zur Heilung der Gelenke wurde sie gepriesen. Brennnesseln galten als das pflanzliche Viagra des einfachen Volkes, das damit Impotenz und Frigidität behandelte. Bei chronischem Husten wurde der Samen von Brennnesseln als harntreibendes Mittel verordnet und mit Honig gemischt und in Wein eingelegt. Die Altvorderen und Gene-
rationen vor uns nutzten die Brennnessel bei Gelenkentzündungen, einfach die ganzen Zweige als Gichtrute, rieben die Gelenke ein oder peitschten die Zweige auf die entzündeten Hautstellen. „Urtication“ nannte man das Peitschen und es galt zu früheren Zeiten als das beste Mittel gegen viele Arten von Fieber, Schlaganfällen und Rheumatismus. Mehr und Genaueres darüber findet man im Buch von Claudia Ritter „Heimische Nahrungspflanzen als Heilmittel“ (erschienen im Nikol Verlag).
Kleine Samen, fein wie Puderzucker
Wer die Brennnessel bis jetzt wegen ihrer Stacheligkeit am Wegrand achtlos stehen hat lassen, der sollte umdenken. Sie, ein Mauerblümchen in der Pflanzenwelt, wurde wegen ihrer Vielseitigkeit in Sachen Gesundheit zur Heilpflanze des Jahres 2022 gekürt. Ein Super-Nahrungsmittel – direkt vor unserer Haustür in großen Mengen vorhanden und, was wichtig ist, leicht zu verarbeiten. Geringschätzig wird sie bei uns auch noch immer als Unkraut genannt. Obwohl sie bei den Kennern als die Königin der Beikräuter angesehen ist.
„Hochzeit der Brennnessel“
Dazu gehört ein Moment der Natur, den die Brennnessel-Kennerin Barbara Simonsohn in ihrem Buch als „Hochzeit der Brennnessel“ beschreibt. Sie hat diesen Ausdruck wiederum von ihrer Großmutter. In der Nähe ihres Hauses gab es einen großen Brennnessel-Horst. Plötzlich nahmen sie dort eine Bewegung wahr. Eine „Wolke“ wie aus Seide bewegte sich und trieb über die Wiese. Die winzig kleinen Samen der männlichen Brennnessel, fein wie Puderzucker, hatten sich mit einem Windhauch und durch den Windhauch auf den Weg gemacht zu den weiblichen Nesseln, um sich mit ihnen zu vereinen.
Wie ein Mauerblümchen wartet die Brennnessel praktisch vor der Gartentür, um, wie früher einmal der Löwenzahn und Sauerampfer, als Kulturpflanze von uns wahrgenommen und aufgenommen zu werden. Für Barbara Simonsohn symbolisiert sie Fülle und Versorgtsein. Sie ist gespickt mit wertvollen Nährstoffen und dien-
lich für die vielseitigsten medizinischen Anwendungen. Sie kostet nichts – in unserer heutigen Welt etwas ganz Rares. Sie hat ein breit gefächertes Spektrum an wertvollen Inhaltsstoffen. Durchschnittlich etwa das Zehnfache unseres degenerierten und verzüchteten Kulturgemüses, wie Barbara Simonsohn feststellt.
Die Brennnessel besteht zum Beispiel zu mehr als 30 Prozent aus Proteinen. Beachtlich ist auch ihr hoher Anteil an Vitaminen, wie Carotinoiden. Sie enthält das Zwanzigfache an Provitamin A wie Kopfsalat. Besonders als junge Pflanze weist die Brennnessel einen sehr hohen Gehalt an Vitamin C auf – etwa 25 Milligramm pro 100 Gramm. Das ist etwa das Dreißigfache des Kopfsalats.
Der Vitamin-E-Gehalt der Brennnessel ist ebenso beachtlich. Es beugt auch Krebs und Herzkrankheiten vor und hält die Haut straff und elastisch. Herausragend sind auch die Mengen an Vitamin B2 für die Zellatmung, Vitamin B5 für Stoffwechsel und Hormonbildung sowie das seltenere Vitamin K, sonst vor allem im Gerstengras zu finden, für Blutgerinnung und gesunde Knochen.
Auch ihre Palette an Mineralstoffen und Spurenelementen, vor allem Eisen, Kalzium, Magnesium, Kalium, Phosphor und Silizium, macht sie zu einer wirklichen Heilpflanze. Sie enthält das 25fache an Magnesium, das 14fache an Kalzium und das 50fache an Eisen des Kopfsalats. Beeindruckend hoch sind auch die Eisenwerte der Brennnessel. Damit kann sich nicht nur das Blutbild verbessern, sondern das Energieniveau und auch das Durchsetzungsvermögen.
Sie ist eine hervorragende Eisenquelle, weil das in der Brennnessel enthaltene Vitamin C die Eisenaufnahme begünstigt. Besonders Frauen in der Schwangerschaft, während der Menstruation und in den Wechseljahren haben einen erhöhten Eisenbedarf. Brennnessel führen im Gegensatz zu vielen Eisenpräparaten nicht zur Verstopfung.
Der Kalzium-Gehalt in der Wurzel der Brennnessel hilft besonders bei der Regeneration von Knochen und Zähnen. Auch Magnesium findet sich reichlich in der Brennnessel. Dieses wichtige Antioxidans wird auch als Anti-Stress-Mineral bezeichnet. Auch Bananen, vor allem die aus Bio-Anbau, enthalten viel Magnesium und es empfiehlt sich ein Brennnessel-Salat mit einer Soße aus zerdrückter Banane mit Avocado, mit Tamari- oder Kräutersalz gewürzt und, wer mag, mit Bärlauch oder Knoblauch abgeschmeckt.
Bei Diabetikern kann der Gehalt von Glukokinine in der Brennnessel, ähnlich wie das Insulin, den Blutzuckerspiegel senken. Kinine sind Gewebshormone, die stark gefäßerweiternd wirken. Bei Diabetes wird Brennnessel-Tee empfohlen, am besten ein Liter täglich. Die Brennnessel enthält Saturnine, kohlenhydrathaltige Pflanzeninhaltsstoffe, welche die Drüsenaktivität erhöhen und damit blutreinigend wirken.
Wer Einschlafprobleme hat, kann es mit einem Kräuterkissen aus getrockneten Brennnessel-Blättern versuchen. Neurodermitis und Heuschnupfen bei Kindern verschwinden oft, wenn täglich ein Liter Brennnessel-Tee getrunken wird.
Die verstorbene Maria Treben schreibt: „Niemals kann sich Bösartiges bilden, wenn wir unsere gute Brennnessel nicht nur ehren, sondern in regelmäßigen Abständen uns ihre wunderbare Kraft in Form von Tee einverleiben.“
Leckerli für Kamele
Das ist keine Fabel, die auf irgendeine Weise aus dem Orient zu uns gekommen ist, sondern die Geschichte passiert in „Pechmanns Alte Ölmühle“ in der Südoststeiermark. Dort hält ja die Familie Schober zum Staunen ihrer Besucher seit Jahren eine rund 20-köpfige Kamelherde. Diese stolzen Tiere, deren zu Hause sonst in den Ländern Afrikas und Asiens ist, brauchen in unseren Breiten dann und wann auch eine besondere Obsorge. „Das sind manchmal Probleme mit dem Verdauungstrakt“, sagt Junior Thomas Schober.
Weil die nicht gerade billigen Antibiotika aus der Pharma-Welt nicht den gewünschten Erfolg brachten, suchte der Findige natürlich nach Alternativen. Für seine jüngsten Schützlinge in der Herde – die dreijährigen Sarabi und Narabi. Am Mundgeruch der jungen Kameldamen äußerte sich das Problem mit der Verdauung. „Ich hab’ dann im Internet recherchiert und dort erfahren, dass Brennnessel dagegen helfen sollen.“
Thomas Schober mobilisierte daraufhin die Familie und Freunde, Brennnesseln zu sammeln und diese zu trocknen. Diese wurden dann von ihm ganz fein geschnitten und den jungen Kamelen ins Futter gegeben. „Die Wirkung war unglaublich. Der Mundgeruch und damit die Verdauungsprobleme waren weg“, erzählt Irmi Schober beim Fototermin. Für die jungen Kamele sind die fein geschnittenen Brennnesseln jetzt so etwas wie Leckerli. Sie fressen sie gerne aus der Hand. Und der Mundgeruch war „gestern“.
Für Gartenfreunde
Die Brennnessel:
eine echte
Zeigerpflanze
Denn dort, wo sie wild wächst, gibt es stickstoffhaltige Böden. Und mit ihrem feinen Wurzelwerk lockert sie den Boden, die abgestorbenen Blätter und Stängel ergeben einen guten Humusboden.
Hat man Brennnessel im Garten, so gedeihen in ihrer Nachbarschaft Pflanzen besonders gut, schreibt Mechtilde Frintrup in ihrem Werk „Das Brennnessel-Buch“. Wohl der umfassendste Ratgeber zu diesem Thema. Brennnessel-Jauche stärkt das Immunsystem von Pflanzen, hält Schädlinge in Schach. Man braucht einen größeren Behälter, eine Regentonne. Geben Sie die Brennnessel in diese Tonne, mit anderen Wildkräutern, die Sie eben beim Gartenarbeiten ausgerissen haben. Schütten Sie dort Wasser hinein, bis die Pflanzenteile gut bedeckt sind. Stellen Sie das Ganze in die Sonne, weil Wärme den Gärungsprozess fördert. Dann gibt man Gesteins- oder Alpenmehl dazu, rührt mehrmals um und nach zwei Wochen ist die Jauche fertig. Sie riecht nicht besonders intensiv und das Aufbringen der Jauche ist im Verhältnis von 1:10 mit Wasser. Im Herbst ist sie auch so etwas wie ein Langzeit-Gartendünger. Die BrennnesselJauche tötet Schädlinge, wie Läuse und Schnecken. Um die Tomaten herum wird die Tomatenfäule verhindert. Bei den Kartoffeln werden die Kartoffelkäfer in die Flucht geschlagen. Die Erdbeeren wachsen mit verdünnter Brennnessel-Jauche versetzt besser an. Nicht nur Gemüsebeete, sondern auch Obstbäume und Obststräucher kann man mit Brennnessel-Jauche düngen, die Rosen sowieso im Garten und der Rasen mag auch die Brennnessel-Jauche, da er gute Nährstoffe braucht. Und selbst die Zimmerpflanzen kann man mit der Kraft der Brennnessel-Jauche stärken und düngen. Einmal im Monat, nein, nicht mit Jauche, sondern mit einem Brennnessel-Tee.
Wenn man Obst geerntet hat, kann man das auch zusammen mit Brennnessel-Blättern lagern. Das verhindert die Entstehung von Pilzen. Brennnesseln sind ein Gesund-Elixier für den Garten. Sie lassen den Boden und die Pflanzen gesunden und halten Fressfeinde in Schach. Heil- und Würzpflanzen entwickeln mehr ätherische Öle, wenn neben ihnen Brennnesseln wachsen. Und auch in der Wohnung hilft die Brennnessel: Wer sich gegen Fliegenplage schützen will, der hängt einfach ein Büschel frischer BrennnesselZweige ins Zimmer. Und wer Blattläuse an seinen Pflanzen entdeckt: Brennnessel-Jauche ist ideal in einer Sprühflasche zur Bekämpfung von Blattläusen. Wer keine Jauche hat, der kann auch einen starken Brennnessel-Tee kochen.
Das Gute wächst so nah
Immer wieder kann es passieren, dass man das Wichtige übersieht, wie wertvoll sich manches Naheliegende und Alltägliche zu erweisen im Stande ist. Diese Lebensweisheit kommt vom erfahrenen und in unseren Breiten bekannten Kräuterpfarrer Benedikt und trifft bei den Heilpflanzen auch für die Brennnessel zu. Seit Jahrhunderten – wenn nicht sogar bereits seit Jahrtausenden – verwendet man die grünen Pflanzenteile der Brennnesseln, um allerlei daraus zu kochen und anzusetzen. Dabei verweist Kräuterpfarrer Benedikt in seinen Büchern und seinen Kolumnen (Kronen Zeitung) vor allem auf den Tee, der aus getrockneten und zerkleinerten Blättern aufgesetzt werden kann. Dieser tut dem Blut, der Haut und den Haaren in gleicher Weise gut.
Viel weniger ist es aber Kräuterfreunden bewusst, dass man auch die Wurzeln und Samen des als Unkraut in Verruf stehenden Heilgewächses verwenden darf, um die Gesundheit zu unterstützen. Und je mehr sich das Jahr dem Herbst zuneigt, so schreibt Kräuterpfarrer Benedikt, sollte man das Augenmerk auf diese gern übersehenen Pflanzenteile richten. Vor allem die Samen der Brennnesseln lassen sich ganz leicht und ohne große „Verbrennungsgefahr“ ernten. Wer es noch nicht ausprobiert hat, soll sich ruhig drüber trauen, ein paar Samenstände zu pflücken und im Mund langsam zu beißen und zu kauen. Der gute, nussartige Geschmack, der dabei festgestellt werden kann, überrascht die meisten. Vitamin E und pflanzliche Mineral- sowie Hormonstoffe zählen zu den Inhalten.
Brennnessel-Samenkörner, die von den ausgewachsenen Trieben des Krautes abgepflückt werden, hat man schnell zur Hand. Getrocknet und gut gelagert sind sie vielseitig einsetzbar. Als Tee bei Kindern, wenn diese vorübergehend an Durchfall leiden. Der Tee hilft mit, Magen und Darm wieder zu beruhigen. Als Gewürz steigern die Samen die allgemeine Vitalität. Man kann sie aber auch nach eigenem Ermessen über Speisen und Desserts streuen, sowie unter Salate mischen. Oder einfach teelöffelweise kann man sie auch zu sich nehmen. Und dabei ein wenig Wasser nachtrinken. Wer sich auch der Wurzeln „bemächtigt“ und diese ausgräbt, der kann daraus sogar nach einem Rezept von Kräuterpfarrer Benedikt die Kopfhaut stärken und damit einem verfrühten Haarausfall vorbeugen.
Apotheke aus der Natur
Im Kräuterpfarrer-Zentrum in Karlstein an der Thaya tankt man Gesundheit für Körper und Seele. In der Tradition der Kräuterpfarrer wird hier das Wissen um eine Heilkraft gepflegt, die schon im Mittelalter der Arzt und Philosoph Paracelsus verstand: „Gott hat für jede Krankheit eine Pflanze wachsen lassen. Sehet Euch um in der Natur und schöpft aus seiner Apotheke.”
Es gehört zur Tradition, dass sich in Klöstern viel Wissen über die Heilkräuter und damit auch über die Brennnessel über Jahrhunderte hinweg angesammelt hat. „Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen“, heißt es. Bei der Brennnessel kann man ja sagen: Dieses Kraut hilft bei so gut wie jeder Krankheit. Und ohne Übertreibung kann gesagt werden, dass sie für medizinische Zwecke schon im alten Ägypten, bei den alten Griechen und Römern einen hohen Wert als Heilpflanze hatte. Im Nine Herbs Charm, dem auf Altenglisch verfassten Neun-Kräuter-Segen wird sie als Pflanze bezeichnet, „die das Elend vertreibt“, mächtig ist gegen Vergiftung, mächtig ist gegen Infektionen.
Auch der legendäre Sebastian Kneipp war voll des Lobes. Die wohl bekannte Maria Treben und ihre Familie tranken täglich BrennnesselTee als Gesundheitsvorsorge. Und ebenso der französische Pflanzenheilkundler Maurice Mességué (1921-2017) schwärmte von der Brennnessel: „Wenn man mir sagen würde, ich dürfe nur eine einzige Heilpflanze sammeln, dann wäre es zweifellos die Brennnessel.“
Auf Brennnessel-Stoff gemalt von Neva Ogri- sek. Sponsor ist Franz Wuthe, der den Stoff aus Nepal mitbrachte (Ausstellung im Grand Café Kaiserfeld in Graz, April 2024).
Wenn ich zurückblicke
„... Kfz-Mechaniker hat eine gute Zukunft.“
... so der Vater bestimmend
An seine Kindheit denkt er gerne zurück. ‚„Denn es war eine aufregende Zeit. In den Ferien sind wir mit dem Kinderland nach Kärnten gefahren und ich erinnere mich gut an diese Zeit.“
Franz war kein schlechter Schüler, besuchte damals die Hauptschule und wollte Verkäufer werden. Der Vater wiederum wollte, dass er ins Gymnasium geht. „Mein Kopf war aber beim Fußball.“ Er sprach dann ein Machtwort: „Du gehst in die Schule oder wirst Kfz-Lehrling.“ Sein Wunsch – „ich will Kaufmann werden“ – blieb unerhört. Der Vater: „Ein Handwerksberuf ist eine sichere Sache.“
Nach der Kfz-Lehre ist er dann zu Steyr Daimler Puch in Graz-Thondorf gekommen und hat dort in der Vertriebsabteilung beginnen dürfen. Dann konnte er in die Versuchsabteilung bei Steyr Daimler Puch wechseln. „Das war für mich eine tolle Zeit und ich hab‘ dort
sieben Jahre begeistert gearbeitet. Aber irgendwie hat es mich doch immer zur Selbstständigkeit gezogen.“ Daher war der Vater auch nicht begeistert, als Sohn Franz seinen guten, sicheren Arbeitsplatz bei Steyr Daimler Puch aufgab, nur um sich selbstständig zu machen. „Warum riskierst du das, warnte er mich davor“, so Franz Wuthe. Wiewohl es in der Familie nicht ganz fremd war. Der Vater seines Vaters, also sein Großvater, hatte eine Schlosserei gehabt und seine Großmutter mütterlicherseits wiederum hatte ein kleines Antiquitätengeschäft.
Mit 25 Jahren machte er sich dann selbstständig und pachtete eine Tankstelle in der Heinrichstraße in Graz. Der Bruder eines SturmJugendtrainers war Regionalleiter für das Elan-Tankstellennetz in der Steiermark. Dieser hatte von den Plänen des 26-jährigen Franz Wuthe, sich selbstständig zu machen, erfahren und informierte
ihn schon bald darauf: „Du, wir suchen da für eine Tankstelle in der Heinrichstraße einen Pächter und da könnte man auch mit einer Kfz-Werkstätte etwas anfangen. Das wäre für dich das Richtige.“
„Ich hab‘ keinen Groschen Kapital gehabt“
„Damals von der Firma Elan, das war im Jahr 1973.“ Dafür musste er einen Kredit aufnehmen, wobei ihm sein Bruder half. „Begonnen habe ich dort meine Laufbahn als selbstständiger Unternehmer am 1. Oktober 1973“, so Franz Wuthe. „Ich habe ja keinen Groschen Kapital gehabt, kein Geld auf der Bank, kein Grundstück oder ein Haus, das ich bei der Bank als Sicherheit verpfänden hätte können.“
Er pilgerte dann zur CA in die Herrengasse und machte dem Referenten dort einen überzeugenden Vorschlag. Franz Wuthe werde die Tageslosung jede Nacht beim Banktresor einwerfen und damit würde man sofort sehen, wie gut oder schlecht das Geschäft läuft. Die Treibstofffirma Elan ersuchte er, ihm die kleinstmögliche Menge an Treibstoff zu liefern – das waren 3.000 Liter. Denn nur so viel konnte er vorfinanzieren. Die Bank stieg auf Wuthes Vorschlag ein. „Meine andere Finanzierung war, dass ich fünf Leute gebeten habe, mir jeweils 2.000 Schilling für jeweils zwei Monate zu borgen. Meinen Vater getraute ich mich darauf nicht anzusprechen. Ich habe
rechts: stolz auf seinen Fiat 850 Spezial
links: der kleine Franz mit der Großmutter.
Der im Jahr 2023 verstorbene Vinzi-Pfarrer Wolfgang Pucher erteilt den El- tern den Segen anlässlich der Goldenen Hochzeit. Neben dem Pfarrer: Franz Wuthes Bruder Harald, seine damalige Frau mit Tochter Isabella und er. Der Vater verstarb im Jahr 1979, die Mutter ein Jahr vorher. „Zu Hause, ich war bei ihr.“ Die Eltern waren 60 Jahre verheiratet. „Mein Vater ist am Vortag seines Todes noch bei mir gewesen, hat mich besucht. Er ist dann mit dem Fahrrad heimgefahren und ist am nächsten Tag von seiner Haushälterin aufgefunden worden.“
Erste Station als Selbstständiger in der Heinrichstraße (Foto Mitte). Und so sah es am Anfang in der Triester- straße aus (oben).
Über Jahre unzertrennliches Duo: als Jäger mit seinem Dackel Oskar (unten).
Immer Vollgas!
Eine Auto-frisierte Biografie
Der liebe Himmelvater will immer gerecht sein. Daher hat er geschaut, dass „sein Franzi“ nicht in den Himmel wächst. Aber in seine 1,65 Meter hat er so viel PS an Lebensgeist und Lebenskraft hineingestopft, dass er nie zum Stillstand kommt, sondern immer mit Vollgas unterwegs ist.
77 Jahre Lebensalter
62 Jahre Kfz-Techniker
51 Jahre Unternehmer
43 Jahre Sachverständiger
42 Jahre Abschlepp- und Bergetransport
42 Jahre Handel mit Waren aller Art
17 Jahre Nebenerwerbsbauer
Zeitpunkt: Mai 2024
das Geld dann zurückbezahlt und in der ersten Zeit immer wieder andere gefunden, die mir Geld geborgt haben.“
Ehrgeizig, wie er in seinem Beruf war, war er mittlerweile auch KfzMeister geworden. Und es sprach sich in Mariatrost herum, dass seine Tankstelle, die auch eine Werkstätte war, praktisch von 6 Uhr in der Früh bis 24 Uhr geöffnet hatte. Auch am Samstag und Sonntag. „Und daher haben wir schon in der Anfangsphase ein gutes Geschäft gemacht und viele Kunden gehabt.“ Worauf er besonders stolz ist: „Seit 1978 ist mein Betrieb keinen einzigen Tag geschlossen
gewesen.“ Mittlerweile sind das mehr als 16.800 Tage!
Die Konzessionsprüfung für den Abschleppdienst war ein weiteres Standbein, das Franz Wuthe sich aufbaute. „Ich konnte damals eben Fahrzeuge in die eigene Werkstätte abschleppen und sie dort reparieren. Unsere Kunden sollten damit wissen, dass nicht nur die Autofahrerklubs die Autos und Motorräder abschleppen, sondern auch wir.“ In dieser Phase bildete er sich auch als KfzSachverständiger aus. „Mit der Prüfung war ich damals einer der jüngsten Gutachter in Österreich.“
365 Tage im Jahr einsatzbereit
... und das 24 Stunden. Stadtwappen für KFZ Wuthe.
Reparaturwerkstatt, 24 Stunden Pannendienst, Abschlepphilfe, Pickerl-Überprüfung, Nachtnotdienst, Ersatzteillager ... Mit seinem großen Angebot hat sich KFZ Wuthe einen renommierten Namen gemacht. Gegründet am 1. Oktober 1973 als Einmannbetrieb in der Heinrichstraße, wuchs das Unternehmen, das fünf Jahre später an seinen jetzigen Standort in der Triester Straße 25 übersiedelte, zu einer Instanz am KFZ-Sektor heran, die nicht mehr aus Graz wegzudenken ist. Die Firma, geführt von Mag. Alexandra Trimmel – die „rechte Hand des Chefs“ –, zählt mittlerweile 25 Mitarbeiter:innen und 22 Einsatzfahrzeuge, drei Fahrer sind jeweils rund um die Uhr im Dienst.
„KFZ Wuthe (mit dem ATSW 24 h Service) ist ein Unternehmen, das großartige Arbeit leistet“, betonte Bürgermeisterin Elke Kahr bei der Verleihung des Stadtwappens im Grazer Rathaus. Als langjährige Kundin:
„Ihr wart immer in der Lage, den Fehler zu finden - und habt aber auch ehrlich gesagt, wenn nichts mehr zu machen war. Hier stimmt einfach das handwerkliche Können mit den menschlichen Qualitäten überein!“
Kulturressort fällt, gleich doppelt.
„Die Führung des Stadtwappens ist mir eine große Ehre, doch ohne meine tollen Mitarbeiter wäre das nicht möglich gewesen! 80 Prozent haben bei mir gelernt, ein Großteil ist im Betrieb geblieben. Manche sind schon seit mehr als 40 Jahren
Und Stadtrat Günter Riegler ergänzte: „Als Stadt sind wir sehr bemüht, lang bestehende, wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen vor den Vorhang zu holen und durch das Stadtwappen auszuzeichnen.“ Dass sich der Firmenchef zudem kulturell in der Richard-Wagner-Gesellschaft Graz engagiert, freute Riegler, in dessen Agenden auch das
Verleihung des Stadtwappens: Stadtrat Günter Riegler (li.). Franz Wuthe (Mitte), Lebensgefährtin Gerti Trimmel mit Tochter Alexandra (GF ATSW 24 h Service) und langjährige Mitarbeiter und Bgm. Elke Kahr (ganz re.).
dabei, wir haben sogar Mitarbeiter in der dritten Generation“, streute Wuthe seinem Team Rosen. Denn dieses habe es oft nicht leicht, sei doch der Job des Fahrers eines Abschleppunternehmens nicht gerade einfach. „Wir werden nicht selten beschimpft und bedroht, einmal hat jemand Kaffee über unser Pult geschüttet“, erzählt der Firmenchef, auch Initiator des VBA Österreich (Verband der Bergungs- und Abschleppunternehmen). „Bei vielen sind wir die Bösen. Wir handeln jedoch im Auftrag der Stadt und helfen Behinderten oder denen, deren Einfahrt durch Falschparker verstellt ist.“ Auch Bürgermeisterin Kahr und Altbürgermeister Nagl hätten schon einmal ihr Fahrzeug bei KFZ Wuthe abholen müssen, verriet der Firmengründer schmunzelnd.
ZuGastinNepal
Die Faszination Nepal
Es macht mit dir als Tourist (oder Besucher) etwas, wenn du einen nepalesischen Fremdenführer hast, der auch die Steiermark und Österreich aus eigener Erfahrung kennt und weiß, wie wir hier leben. Das verändert den Blick für das Gehörte und Gezeigte.
Natürlich werden im Narrativ für die Gäste die 8000er des Himalaya mit den Gipfeln des Annapurna („der schwierigste vom Bergsteigerischen her“), Dhaulaghiri („vom Wetter her extrem“) und der
Unser Guide Sovendra freut sich schon auf das nepalesische Nationalgericht Dal Bhat. Es besteht aus Linsensoße (Dal) und Reis (Bhat), welches oftmals mit einer scharf gewürzten Gemüsebeilage (Takari) und ggf. mit Fleisch oder Fisch serviert wird. Die meisten Nepalesen essen Dal Bhat zwei Mal täglich
Ein Land mit unglaublicher Vielfalt
8.848 Meter hohe Mount Everest (Sagarmatha) vorangestellt. Weit mehr Bedeutung für die gläubigen und religiösen Nepalesen haben hingegen die heiligen Berge: der 6.993 Meter hohe Fishtail (Machhapuchchhre) und der Kantega. Der Kailash – er heißt auch „weißer Dom“ – als heiligster liegt in Tibet/China. Alle drei Gipfel bleiben unbezwungen, sind den Göttern reserviert. Eines der wichtigsten religiösen Pilgerziele in Nepal ist der Stupa im Altstadtviertel Boudhanath in Kathmandu.
Dichtes Gedränge
Wir steigen dort aus dem Auto. Die Gehsteige sind voll mit Menschen. Wir sind nur zu dritt, müssen aber achtgeben, damit wir uns im Gedränge der engen Gassen nicht verlieren. Und am Ende wird der Blick plötzlich frei: Vor uns liegt der riesige buddhistische Stupa, als wäre er dort gerade aus dem Himmel herab kommend gelandet. Lautsprecher-Stimmen übertönen das Stimmengewirr mit Anweisungen und Informationen für die Pilgerschlangen, die sich im Uhrzeigersinn langsam vorwärts kommend ihren Weg suchen. Wie ein Schutzgürtel umschließt ein Häusermeer die heilige Stätte. Aber mit so viel Abstand, dass die tausenden noch genügend Platz finden, ihn zu umkreisen. Und dabei im Ritual die an der Außenmauer angebrachten Gebetsmühlen drehen.
Es ist laut. Man tut sich schwer, einander zu verstehen in diesem zum Glück dennoch unaufgeregten, nicht hektischen Gedränge. Auch wir haben uns eingereiht in die Menschenschlange, darauf achtend, zusammen zu bleiben. Dazwischen, am äußeren Rand zu den Häusern hin, kleine Inseln bildend, buddhistische Mönche und Pilger in Kreisen am Boden hockend, betend, singend und ihre Opfergaben darbietend. Darunter auch viel Geld, das die Mönche dankend annehmen. Auch wir bewegen uns im Rhythmus der Pilger langsam vorwärts. Den Gedanken an TV-Bilder, die Panik zeigen nach einem Anschlag verfeindeter, religiöser Gruppen, muss man schnellstens verdrängen. Erst als wir auf der Terrasse eines der unzähligen Restaurants hoch über dem Platz liegend das Geschehen unter uns beobachten und dabei auf unser Abendessen warten, kann ich das einigermaßen entspannt tun.
Diesen Anblick vergisst man nicht
Der Stupa in Boudhanath
Das labyrinthartige Altstadtviertel ist ein Besucher-Hotspot von Kathmandu. Es beherbergt zahlreiche buddhistische und hinduistische Schreine. Im Kathmandu-Tal liegen der buddhistische Tempel Swayambhunath mit einer eigenen Affen-Population, der hinduistische Pashupatinath-Tempel mit Verbrennungsstätten. Ein Touristenziel ist auch die ehemalige Königsstadt Bhaktapur, heute mit Kathmandu praktisch zusammengewachsen. Fotos: Nepalesische Pfadfinder beim Eintreffen in Bhaktapur. Die Männer mit der traditionellen Kopfbedeckung Dhaka Topi, auch bei der Arbeit getragen.
Die Tempelanlage Pashupatinath ist das hinduistische Gesicht von Kathmandu. Sie ist eine der wichtigsten Pilgerstätten des Hinduismus. Gott Shiva wird hier als „Gott des Lebens“ verehrt. Und so verwundert es nicht, dass das Betreten des eigentlichen Tempels den Hindus vorbehalten ist. SadhuPriester (Bild li.) sind die heiligen Männer, die sich einem religiösen, teilweise streng asketischen Leben verschrieben haben. Am Fluss Bagmati, der die Tempelanlage durchläuft, ist die Luft erfüllt von den zahlreich gesprochenen Gebeten der Gläubigen, zu denen sich gelegentlich der süßliche Geruch von rituell verbrannten Toten gesellt (Bild re.).
Nur für Touristen ein Paradies
Jeden Tag fliegen 1.500 junge Nepalesen ins Ausland
„Ich arbeite im Winter in Tirol“, überrascht uns eine junge Nepalesin, als wir uns im kleinen Textilladen umsehend uns als Österreicher zu erkennen geben. Sie verdiene dort im Winter gutes Geld für die Familie.
Mit einem Schlag werden uns das Drängen und Schieben, die Warteschlangen an den Flugschaltern am Tribhuvan Airport in Kathmandu, die Menschen mit ihren riesigen Gepäckstücken, klar, die uns schon bei unserer Ankunft überraschten. Unser Guide Sovendra, der mit uns ist und das hört, erklärt die Situation: „Vor Corona sind täglich rund 1.500 junge Nepalesen ins Ausland zum Arbeiten geflogen. Bald wird das auch wieder so sein, werden diese Zahlen erreicht“, kommt Sovendra auf die schwierige wirtschaftliche Lage in Nepal zu sprechen. „Gute, einträgliche Arbeitsplätze
haben Seltenheitswert, weil es auch keine großen Industrien gibt. Aus meinem Bekannten- und Freundeskreis sind viele in Korea, Dubai, Malaysia, Katar, aber auch in Neuseeland, Australien und in anderen Ländern zum Arbeiten.“
Nach offiziellen Angaben sind insgesamt rund 5 Millionen junge Nepalesen als Gastarbeiter:innen weltweit unterwegs. Rund 50 Prozent der 30 Millionen Bevölkerung des Landes sind jünger als 30 Jahre. Aufgrund ihrer mangelnden Berufsausbildung die meisten aber in Hilfsarbeiter-Jobs. So vor allem auch in den Winter-Monaten in Tourismusregionen in Europa. Österreich ist da ein begehrtes Land. Sie arbeiten dort – nur unterbrochen von Heimaturlauben –ein, zwei Jahre und schicken in dieser Zeit einen großen Teil ihres Einkommens zur Unterstützung ihrer Familien nach Nepal. Der größte Teil des Staatsbudgets, so liest man in Medien, komme aus solchen Geldtransfers.
Noch klein, aber zunehmend ist die Zahl jener jungen Gastarbeiter, die nach Australien, Neuseeland, Indien, Kanada für ein Studium das Land verlassen. Unser Fremdenführer hat den Bachelor im Management an der Universität in Kathmandu gemacht und ist mit seiner Tätigkeit im Tourismus zufrieden. „Ich habe nicht vor, ins Ausland zu gehen.“ Wiewohl es leichter ist zu sparen, mit einem Einkommen im Ausland. In einem guten Job gibt‘s 200 bis 300 Euro im Monat, doch ein Roller oder kleines Motorrad kostet bereits mehr als 1.000 Dollar. Dazu kommen noch Steuern. Und jeder braucht ein Fahrzeug, damit er überhaupt an seinen Arbeitsplatz kommt. „Es ist nicht leicht“, formuliert unser Guide Sovendra zurückhaltend.
Bild li: Pflasterer am Pottery Square (Töpfer-Platz in Bhaktapur). Bild re.: „Seifenblasen für die Zukunft“, von der die Mutter nicht weiß, wie sie verlaufen wird.
Beim Sightseeing im Kathmandu-Tal, in der Region Nagarkot, etwa 30 Kilometer entfernt von der Hauptstadt. Junge Paare verbringen dort am Wochenende ihre Freizeit. Eher ungewöhnlich ist auch die Bauweise in der hügeligen Landschaft. Sajan Prajapati ist einer der kreativen Töpfer in Bhaktapur am Pottery Square, gut vernetzt bis nach Deutschland und in die Schweiz. Er bietet für Touristen eigene Workshops an. Seine Familie ist seit Generationen dort angesiedelt.
Im Namo Buddha Kloster: Mönche, Pilger und Gebets- mühlen
Im Namo Buddha Kloster haben wir Pilgerinnen getroffen (Bild li.). Das Thrangu Tashi Yangtse Kloster oder Namo Buddha Kloster ist ein tibetisch-buddhistisches Kloster etwa 40 km südöstlich von Nepals Hauptstadt Kathmandu und 2,3 km von Manegaun, einem Tamang-Dorf, entfernt. Zum Schluss unserer Sightseeing-Tour: Der folgende Tipp steht in keinem Reiseführer, er lässt einen – mich auch – auf jeden Fall ruhiger schlafen. Im Kathmandu-Tal leben zigtausend Straßenhunde. Am Tag „hört“ man sie nicht. Die sonst ruhige Nacht wird aber ständig durch andauerndes Hundegebell irgendwo in der Nachbarschaft oder auch weiter weg gestört. Und wer am frühen Morgen in der alten Königsstadt Bhaktapur über Lautsprecher den Muezzin zu hören glaubt, der täuscht sich. Es ist der Fahrer des Müllautos, der durch die Straßen fährt und die Bewohner auffordert, ihren gesammelten Plastikmüll zu bringen. Daher: „Bitte, auf jeden Fall Ohrstöpsel einpacken!“ Um am nächsten Tag ausgeschlafen zu sein ...
Der buddhistische Tempel Swayambhunath
Die 34 Meter hohe Nyatapola-Pagode am Taumadhi-Platz überstand das Erdbeben im Jahr 2015 unbeschadet
Friedliches Miteinander
Nepal ist mehr als ein touristisches Erlebnis. Vorausgesetzt, man will das Andere annehmen und sich vorbehaltlos damit auseinandersetzen. Nirgendwo auf dieser Erde bestehen stärkere Kontraste. Die Schönheit der Berge, die unermessliche Weite lässt nichts von den Gefahren ahnen, die sich dort drohend verbergen.
*
Himalaya-Gipfel waren so etwas wie Kristallpaläste, unerreichbare Götter-Wohnungen – bis heute? Weil sie sich mit Wolken ständig verschleiern und so das Gefühl des Lebendigen vermitteln, mögen sie den Einheimischen zur Suggestion ihrer Vergöttlichung beigetragen haben.
*
... der Religionen
der Mensch, wenn er deutlich machen will, dass er kein Moslem ist. Die Westler sind Gipfelstürmer, die Gläubigen sind Gipfelverehrer. *
ihrer
haben ein
Die Menschen in den Bergregionen haben ein anderes Verhältnis zur Umwelt als wir. Alles ist spärlich zum Leben, außer Kälte, Steine und Sand. So bleibt als wichtigste Erfahrung im Himalaya die Feststellung der anhaltenden Kraft der Religion als Lebensfundament für die meisten hier lebenden Menschen. Wer Berge nur als Berge sieht, ist blind für die Wirklichkeit, heißt es.
*
Kälte, Steine und Sand. Himalaya die darüber
In den extremen Höhen der Himalaya-Region kommt es nach wie vor zu Himmelsbestattungen. Leichenträger bringen den zu Embryo-Form zusammen gebundenen Leichnam auf ein Felsplateau, zerhacken ihn dort in kleine Teile. Kaum ist das geschehen, stürzen sich Adler und Geier herab und tun ihr Werk. Übrig bleiben nur die Knochen, die dann in der Sonne bleichen. Den Vorwurf der Pietätlosigkeit von Himmelsbestattungen begegnen die Mönche und Gläubigen mit dem Hinweis, dass der menschliche Körper nach seinem Tod nur noch eine Hülle sei. Und dieser längst wieder unterwegs ist zu seiner nächsten Wiedergeburt. Das Karma ist entscheidend – jenes Bündel von Taten, Wünschen, Gedanken und Träumen, als das man sich das fast „Unsterbliche“ des Menschen vorstellt. Das nur im Nirvana den Zustand ohne Wiedergeburt Erlösung finden kann. *
sigkeit von Himmelsbesta
n
enschen nicht
mit der Gesamtheit des Glaubens, dann ist das Bestandteil, der das orstellungsunserer ohl allfahrgeklärter“
Der Europäer, der im Lamaismus das religiöse Treiben beobachtet, mag darüber lächeln, so Helmut Uhlig in seinem Buch „Himalaya“. Alte Rituale sind für uns aufgeklärte Menschen nicht mehr als der Ausdruck eines naiven Aberglaubens. Sieht man es im Zusammenhang mit der Gesamtheit der religiösen Symbolik des Glaubens, dann ist das allerdings ein organischer Bestandteil, der das Leben als ganze und deutende Vorstellungswelt vom Menschsein umfasst. Die in unserer westlichen Welt und in unseren Lebenszielen nicht existieren könnte. Wiewohl auch bei uns die Rituale von Pilgern bei Wallfahrten nicht viel „aufgeklärter“ erscheinen mögen. *
Heilige Berge gibt es in vielen Teilen der Welt – nicht nur in Asien. Man begreift sie als Throne der Götter oder verehrt sie oft selbst als Gottheit. „Ich bin Buddhist oder Hindu“, sagt
längst wieder unterw
Taten, W ha beruht nach
beherrschte Welt. D
Göttin Bhairavi, die Furchterregende
So sehr Kathmandu sich verändert hat, das Selbstverständnis der Menschen beruht nach wie vor auf dem Gefühl ihres Eingefügtseins in eine von Göttern und Geistern beherrschte Welt. Dabei spielt es keine entscheidende Rolle, ob man sich zum Buddhismus oder zum Hinduismus bekennt, der heute in Nepal als Staatsreligion die Oberhand hat. Nur dem Christentum begegnet man nach wie vor mit Misstrauen. Warum? Das wurde in einer Frage erkennbar, die ein jüngerer Nepalese an uns richtete. „Wie kann euer Christengott verlangen, dass man alle anderen Götter verleugnen soll? Werden die Götter für solche Missachtung nicht schreckliche Rache nehmen?“
mus bekennt, der Oberhand ha nach wie vor in einer Fr tengott Götter nehmen
*
Um zahlreiche hinduistische Götter
Um zahlreiche hinduistische Götter gibt es Legenden und Wirklichkeiten. Eine davon ist Kumari. Die einzig lebende Göttin, die man auf dem Balkon eines traditionellen Kathmandu-Hauses sehen kann, wenn man etwas Glück hat.
Diese lebende Göttin, ein Mädchen, das im frühen Kindesalter aus den Töchtern der Goldschmiede-Kaste ausgewählt wird und Göttin bleibt, bis sie zum ersten Mal blutet, ist ein Symbol für die lebendige Verbindung der Menschen Nepals mit ihren Göttern. Sie ist ein Symbol dafür, dass Religion in Nepal nicht Teil des Lebens ist, sondern für die Gläubigen das Leben selbst. Ist doch Nepal im wahrsten Sinne des Wortes ein Land zwischen Urwald und Eis, dem götterreichen und geisterbeherrschten Himalaya und den extremen Lebensbedingungen dort, denen sich die Menschen ausgesetzt sehen.
*
Im Süden des Landes, an der Grenze nach Indien, ist jener große Lehrer geboren, dessen Weisheit nach seinem Tode Religion wurde – Buddha. Sein Geburtsort Lumbini, im Dschungel Süd-Nepals, ist eine Wallfahrtsstätte für die Buddhisten, die aus aller Welt kommen. Die kargen Bergregionen Nepals sind aber genau das Gegenteil zu seiner Tropenheimat. Dorthin haben sich vor vielen Jahrhunderten die verfolgten Buddhisten zurückgezogen, um ungestört ihre traditionellen Bräuche leben zu können. *
schungel
epals
t. Dorthin haben olgten traditionellen
Das Mandala als kosmisches Symbol ist im Buddhismus das Tor zur Selbsterkenntnis und schließlich zur Erleuchtung für Gläubige. In plastischer Gestaltung, ist das Mandala in jedem Kloster, in jedem Tempel viel gestaltig gegenwärtig. Aber auch für fremde Besucher enthält es etwas Tiefwirkendes, Geheimnisvolles, dessen nachhaltigem Eindruck sich wohl kein aufmerksamer Betrachter entziehen kann. Weil auch bei uns jedes aus Kreisen oder Kugeln aufgebaute Kunstwerk, ja selbst jede Werbegrafik, jedes Plakat mit Kreisformen oder Kugel-Effekten eine besondere Wirkung auf den Beschauer ausübt. Kreisförmige Darstellungen haben etwas Ansaugendes, das von ihrer Mitte ausgeht, gleichgültig, ob diese deutlich markiert oder nur durch farbliche Differenzierung suggeriert wird.
*
ohl kein
gebaute Kunstlakat mit eine besondere eisförmige
, ob diese arbliche
So hat das buddhistische Mandala – die ältesten Malereien sind mehr als 1.000 Jahre alt – seinen unmittelbaren Ursprung im Grabhügel des Buddha, dem Stupa, in dem ein Kästchen mit Aschenresten des Vollendeten aufbewahrt
worden ist. Der Stupa ist in seiner heutigen Form ein Nachfolge-Bau jenes Stupa aus dem ersten Jahrhundert nach Buddhas Tod. Dieser geht wiederum auf die steinzeitlichen Rundgräber, die sogenannten Tumuli, zurück.
*
Die Bedeutung: lamaistische Kunstwerke, Bilder, die man eigentlich als Kultwerke bezeichnen sollte, unterscheiden sich völlig vom christlichen Kunstwerk. In der christlichen Kunst geht es um Erinnerung und Besinnung, die anbetende Geste vor dem gekreuzigten Christus ist zugleich Dank für sein Opfer und die dadurch nach christlichem Glauben möglich gewordene Erlösung des Menschen. Die Distanz zwischen Gott und Mensch bleibt, selbst vor dem Bild.
Das lamaistische Bild dagegen ist weder Gottesdarstellung noch Anbetungs- oder Verehrungsobjekt. Es ist ein heiliges Hilfsmittel zur Selbsterkenntnis und zur Selbstverwirklichung.
Das lamaistische Bild dagegen wirklichung.
Ganesha, Gott des Glücks
*
Das Wort bedeutet so sich im Kultformen
Symbole – in man nicht mehr
Das Wort Tantra stammt aus dem Sanskrit und bedeutet soviel wie Gewebe. Tatsächlich sieht man sich im Buddhismus durch die Fülle tantrischer Kultformen – nämlich ihre Texte, Zeichen und Symbole – in ein Gewebe eingesponnen, dem man nicht mehr entrinnen kann, ohne an Geist und Seele Schaden zu nehmen. Mit Hilfe der Tantras, geheimer Texte, die 1.000 und mehr Jahre alt sind, vertieft sich der Mönch mehr und mehr in eine meditative Lebensform, die ihn für den weltlichen Beobachter kontaktarm, weltfremd, skurril, vielleicht sogar in einigen Fällen geistesgestört erscheinen lässt.
Tantras, geheimer Jahre alt sind, und mehr ihn für den weltfremd, skurril, Buddhisten nander verw Entspr
*
Am lebendigsten ist der Tantrismus heute noch in Nepal, wo er sowohl von Hindus als auch von Buddhisten praktiziert wird. Wobei sich gerade in Nepal zeigt, wie eng die beiden Religionen miteinander verwoben sind. So hat jedes hinduistische Heiligtum seine buddhistische Entsprechung und umgekehrt. Buddhisten besuchen Hindu-Tempel, und Hindus wallfahren im Gegensatz zu ihren indischen Glaubensgenossen auch zu buddhistischen Heiligtümern. Dabei ist es das kosmische Element des Tantrismus, das sie verbindet.
Hindus wallfahr
Ausblick in die Zukunft
Eine kleine Sensation gab es jüngst bei der Budget-Rede des nepalesischen Finanzministers Pun. Im Parlament in Kathmandu. Dieser trat mit einer Tasche aus Brennnessel-Stoff auf, statt eines Business-Koffers. Seine Begründung: Die Regierung unterstützt die Initiative des privaten Sektors „Make In Nepal“. Eine für uns unfassbare Zahl: Das Budget beträgt 1,86 Trillionen nepalesische Rupien. Ein Euro sind umgerechnet 140 Rupien.
„Nepals Wirtschaft ist kleinteilig. Es gibt praktisch keine großen Industrien, schlimme Arbeitsverhältnisse und Kinderarbeit, am privaten Sektor keine Pensionszahlungen. Die Menschen leben von der Hand in den Mund. Wenn man hier alt ist und nicht mehr arbeiten kann, dann ist man absolut von der Unterstützung der Familie abhängig“, bestätigt unser Guide Sovendra im Gespräch.
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„Meist haben die Bewohner in den Dörfern keine Krankenversicherung. Was tun, wenn die nächste Krankenversorgungsstation zwei, drei Tagesreisen entfernt ist und der Kranke einen Transport braucht. Auch der Arzt muss bezahlt werden. Möglicherweise auch ein Aufenthalt im Spital. Die Betroffenen wenden sich dann eben an diejenigen, die im Dorf das Sagen haben. Das sind dann einflussreiche Politiker oder Landbesitzer. Nepal ist noch stark feudal strukturiert. Derjenige, für den sie bei der Wahl gestimmt haben, von dem erwarten sie dann die Unterstützung und er gewährt diese dann auch.“
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Große Hoffnungen setzt Nepal im Energiesektor auf die gewaltigen Ressourcen, die es in der Wasserkraft hat. Viele der großen internationalen, darunter auch die europäischen Player und Konzerne, arbeiten im Land an Projekten mit. Entscheidend ist dabei die Übermittlung der Energie, sprich die Transportwege dafür.
Fakten zu Nepal ... 1.860.000.000.000.000.000 Rupien
Der Export von Energie nach Indien und Bangladesch könnte für Nepal ein Geschäftsmodell sein. Außerdem braucht es reine Energie im Kathmandu Tal, um wegzukommen von den fossilen Brennstoffen. Hier wird immer noch weitgehend mit fossilen Brennstoffen (Gas) oder Holz gekocht. Und der Verkehrssmog ist weltweit am schlimmsten, so heißt es.
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Die Geografie des Landes ist gegeben. China und Indien werden immer die großen Nachbarn sein. Sie müssen sich also mit beiden gut stellen.
„Was wir als Europäer wollen“, so der deutsche Botschafter: „Möglichkeiten aufzeigen, wo auch Europa eine Rolle spielen kann. Und wir wollen, dass Nepal in der Lage ist, eigene Entscheidungen zu treffen. Dass es eben nicht erpressbar wird durch einen der Nachbarn. Wir wollen nicht, dass Nepal in Abhängigkeit gerät durch große Infrastruktur-Projekte, wie das eben in anderen Ländern der Welt der Fall ist.“
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So stimmte Nepal zu, bei der neuen Seidenstraßen-Initiative Chinas dabei zu sein. Allerdings unter der Voraussetzung eines hohen Mitbestimmungsrechts bei den einzelnen Projekten. So will es vermeiden, in eine Schuldenfalle zu tappen und damit in eine große Abhängigkeit. Dass zum Beispiel chinesische Firmen bei Projekten ohne Ausschreibung das Sagen haben.
ARBEIT
Durchschnittsverdienst: 125 Euro (Hilfsarbeiter), 200 Euro (ausgebildete Arbeitskräfte), 300 bis 400 Euro (Hochschulund Universitätsabsolventen)
Arbeitszeit: 6 Tage/ 8 Stunden
Bezahlter Krankenstand: 18 Tage/Jahr.
Urlaub: 18 Tage, mit den Feiertagen sind es 50 Tage im Jahr. WOHNEN (KATHMANDU)
Kleines Zimmer, zusätzlich Energie, Wasser (muss gekauft werden in Flaschen), Internet, 50 bis 60 Euro Wohnung, Küche, zwei Schlafzimmer: 60 bis 150 Euro, gute
Lagen: ab 500 Euro MOBILITÄT
Motorrad-Roller (125 cm³):
1.500 Euro, Steuern und Versicherung/Jahr: 35 bis 40 Euro
Neues Auto: 15.000 Euro BILDUNG
Öffentliche Schulen (10 Jahre Pflicht) gratis, Weiterbildung: 2 Jahre Hochschule, dann Bachelor-Studium GESUNDHEITSVERSORGUNG
Patient muss selbst bezahlen von 700 Rupien (5 Euro) pro Tag im öffentlichen Spital, bis zu 300 Dollar in der Privatklinik. Arztbesuch: 6 Euro. günstige Medikamente aus Indien.
Frühstück mit imposanter Aussicht: die Annapurna-Kette und der 8.000 Meter hohe Manaslu
Vom ewigen
Eis zum Reis und Kaffee
Bei einer Zweitagestour zu einer Kaffeeplantage – ja, auch Kaffee wird in Nepal mehr und mehr angebaut – und vorbei an Reisfeldern nächtigten wir in 1.000 Metern Seehöhe im Hotel Mountain View Resort in Bhandipur. Bei unserer Ankunft war es nach unzähligen Kehren stockdunkel und wir müde und geschafft. „Bei sonnigem Wetter
werden wir morgen einen herrlichen Ausblick erleben“, tröstete uns Sovendra. Beim Frühstück auf der Holzveranda des Hotels war es dann auch so.
Wow – der Himalaya!
Beim ersten Hinschauen sah ich über den grünen 5.000ern vermeintlich nur ein weißes Wolkenband. Unser Auge ist ja daran gewöhnt, bei einigermaßen guter Sicht am Horizont schneebedeckte Berge oder Spitzen zwischen den Wolken zu erspähen. Da heißt es in Nepal umdenken. „Du musst von dort nach oben schauen“, fordert uns Sovendra auf. Sozusagen den Blick einige Stockwerke, wie bei einem Wolkenkratzer, nach oben richten. Und fast ungläubig sehe ich plötzlich diese weiße Pracht, eine förmlich bis in den Himmel ragende Gebirgskette von schneebedeckten Sieben- bis Achttausender-Gipfeln. Mächtig, beeindruckend, ein Bild, das sich ins Gedächtnis einprägt. Für wahr, mit einer solchen Kulisse vor Augen auf der Veranda zu frühstücken, war ein Privileg.
... Reis und Kaffee gleich nebenan
Nach zehnstündiger Autofahrt – nicht wenig davon auf rallyeähnlichen Sonderprüfungsabschnitten, nur ungleich langsamer – erreichen wir, begleitet von unseren Gastgebern Raj und Bijaya, unser Ziel: ihre Kaffeeplantage in Gorkha, 130 Kilometer westlich von Kathmandu. Ein Fairtrade-Projekt, betrieben von einer DorfGenossenschaft, vorwiegend Frauen. Beim halbstündigen Fußweg zur etwas höher gelegenen Plantage geht es an herrlichen Reisfeldern vorbei – für uns Europäer eine ungewohnte, inspirierende Landschaft.
Kaffee(-Bohnen) erntet man in unseren Köpfen irgendwo in tropischen Gegenden Asiens und Afrikas und Reis auf Feldern im südöstlichen Asien. Und es ist nicht falsch. In Nepal aber wachsen und gedeihen die beiden „gleich nebenan“. Von der Fläche her nicht einmal zwei Mal so groß wie Österreich. Nirgendwo auf dieser Erde bestehen stärkere Kontraste. Nur rund eine Flugstunde, 200 Kilometer entfernt vom ewigen Eis und Schnee gedeihen dazu auch noch Zuckerrohr und Bambus. Beides wird in den Tiefebenen von Händlern am Straßenrand angeboten.
Im traditionellen Tee-Land Nepal kommt man mehr und mehr auf den Geschmack des Kaffees und er wird auch bereits exportiert. Die in knalligem Rot leuchtenden Bohnen auf den dicht nebeneinander gesetzten Kaffeebäumen auf den Hügeln rundherum sind der Preis für den schweißtreibenden Anmarsch. Aber der frisch gebraute Kaffee war dann gleichsam die Belohnung dafür. Und das, bequem sitzend und zuhörend, was unsere Gastgeber alles über ihre Erfahrungen und Erlebnisse im „coffee business“ zu erzählen wussten.
Wenige Tage später, zurück in Kathmandu, stehen wir in ihrer kleinen Rösterei. Der Raum ist voll vom Duft des frisch gemahlenen Himalaya-Kaffees. In den Geschoßen oberhalb der Rösterei, die im Erdgeschoß liegt, betreiben die zwei jungen Männer ein hippes Café und Restaurant für ein jüngeres Publikum. Direkt an der belebten Hauptverkehrsader gelegen und daher auch stark frequentiert. Mit ihrem exquisiten Kaffee-Verkauf betreiben sie auch den Vertrieb von hochwertigen aus Italien importierten Kaffeemaschinen. „Es läuft nach Corona wieder gut“, so die beiden jungen Geschäftspartner. Parallel zum Kaffeegeschäft züchten sie auf ihrer Plantage in kleinen Glashäusern auch Champignons als zusätzliche Einnahmequelle für die Frauen in der Dorf-Genossenschaft und natürlich auch für sich.
Ein „Prinz“ als Botschafter
Bei unseren Vorbereitungen für die Nepal-Reise war uns auch der deutsche Botschafter Dr. Thomas Prinz behilflich. Gerne lud er uns zu einem Gespräch in die Botschaft.
Weltweit sind diplomatische Vertretungen durch hohe Mauern und strenge Zugangskontrollen gesichert. Auch in Kathmandu. Unser einziges Privileg im Vorfeld: Aufgrund unseres Termins mit dem Herrn Botschafter blieb uns das Warten in der Besucherschlange vor der Botschaft erspart. Seine Büroleiterin empfängt uns nach den Sicherheitschecks und führt uns in den Bürotrakt des Botschafters.
„Ich war vor Kathmandu Leiter des Deutschen Instituts in Taipeh“, gibt sich Botschafter Dr. Prinz sofort als Kenner dieser Regionen unseres Planeten zu erkennen. „Das funktioniert so ähnlich wie eine Botschaft, weil wir ja zu Taiwan keine direkten diplomatischen Beziehungen haben. Und davor war ich Botschafter in Bangladesch.“
Das Land war rückständig
bereits zwei Mal Wahlen und die liefen vorbildlich ab, mit wenigen Zwischenfällen.“ Die Wahlen, so der Botschafter, seien fair und frei gewesen und die Unterlegenen gestanden ihre Niederlage ein. So funktionierte auch die Übergabe der Macht und Regierungsgeschäfte gut. Insofern seien alle Beobachter mit der demokratischen Entwicklung des Landes zufrieden.
Und dann kommt Dr. Prinz auch sofort zur Sache: „Das 30 Millionen Einwohner zählende Nepal war bis vor nicht allzu langer Zeit ein vom Rest der Welt abgeschottetes Land mit einer feudalen Gesellschaft sowie einer besonderen Geografie. Die Täler sind ja heute noch extrem schwierig zu erreichen. Nepal war ein Königreich, es gab einen zehnjährigen Bürgerkrieg, der erst 2006 beendet werden konnte.“ Und erst seit 2008 sei im Land eine hoffnungsvolle demokratische Entwicklung feststellbar.
Seit dem Jahr 2015 hat Nepal eine Verfassung. Der deutsche Botschafter: „Sie ist ähnlich der unseren, sehr föderal, mit einer Zentralregierung, Provinzen und Gemeinden. Seit damals gab es
100 politische Parteien aktiv. Frauen im Vormarsch.
Wo es hapere, sei die wirtschaftliche Entwicklung. Dazu bräuchte es mehr Kontinuität. „Die Regierungen überleben im Durchschnitt ein Jahr.“ Es fehle eben eine längerfristige Stabilität, die für eine wirtschaftliche Entwicklung notwendig wäre. Auf Regierungsebene gäbe es vier größere und drei Regionalparteien, die die Geschicke des Landes leiten. Landesweit sind aber rund 100 politische Parteien aktiv.
„Vorbildlich ist die Verfassung, was das Verhältnis von Frauen und Männern im öffentlichen Leben angeht. So ist festgeschrieben,
dass ein Drittel der Mandatsträger Frauen sein müssen. Außerdem gilt, dass auf den Listen der politischen Parteien im Falle, dass der Spitzenkandidat ein Mann ist, die Nummer Zwei auf jeden Fall eine Frau sein muss.“ Dies führe dazu, dass es in Nepal auf regionaler Ebene sehr viele Vizebürgermeisterinnen gibt. „Diese Tatsache hat das Land schon weit nach vorne gebracht.“
Viel Arbeit liegt vor den nepalesischen Verantwortlichen noch im Gesundheitsbereich. Die Kindersterblichkeit sei noch sehr hoch. „Viele Kinder sind fehlernährt oder auch unterernährt.“ Auch die Müttersterblichkeit sei noch zu hoch. Es mangle hier an gut ausgebildetem Personal. Wie überhaupt die Berufsausbildung – selbst in einfachen Berufen, wie Maurer, Elektriker, Installateure – erst in den Anfangsstadien stecke. Es gäbe zwar viele Projekte, aber es werde noch dauern, bis sich das in der Fläche bemerkbar mache.
Mindestens fünf Millionen Nepalesen arbeiten im Ausland
Das sei bei einer Bevölkerung von 30 Millionen gewaltig viel, hebt der Botschafter hervor. „Wenn Sie durch die Dörfer reisen, dann sehen Sie kaum junge Männer. Die sind alle weg. Das hat wirtschaftliche Aspekte. Die größte Einnahmequelle für den Staat sind die Überweisungen aus dem Ausland. Ein Viertel der Staatseinnahmen kommt aus den Überweisungen der Gastarbeiter. Das ist ein noch wichtigerer Faktor als der Tourismus in Nepal.“ Leider seien die meisten ungeschult und daher müsste die Regierung mehr für den Bereich Berufsausbildung tun.
Rückschlag durch Erdbeben-Katastrophe 2015
Nahezu die gesamte Gesundheitsversorgung wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. Derzeit läuft noch immer der Wiederaufbau mit neuen Strukturen, weg vom Patriarchen-System.
1.000 Kilometer auf dem Fahrrad nach Bangladesch
Es bleibt noch Zeit für ein wenig privaten Smalltalk. Was macht Botschafter Dr. Prinz in seiner Freizeit? Und da überrascht er mit einem nicht alltäglichen Ausflug: „Ich bin vor Weihnachten hier auf mein Fahrrad gestiegen, neun Tage lang dann Fahrrad gefahren und an der Deutschen Botschaft in Dhaka in Bangladesch wieder abgestiegen. Das waren 1.025 Kilometer in neun Tagen.“
Ist das nicht eine selbstmörderische Aktion gewesen? Der deut-
sche Botschafter lacht laut auf. „Das Fahrradfahren und diese langen Strecken – das mache ich seit vielen Jahren. Es ist ein Hobby von mir. Nach Dhaka fuhr ich deswegen, weil ich ja eben aus meiner Zeit als Botschafter dort noch viele Freunde hab‘. Es war eine schöne Tour und ich bin völlig allein unterwegs gewesen.“
„Am Abend bin ich meistens in Städten gewesen, wo ich ein Hotel gefunden habe. Ich hatte aber auch Gepäck, einen Schlafsack dabei – für den Fall, dass ich einmal auch draußen übernachten muss. Ich habe keinen einzigen Reifenschaden, überhaupt keine Probleme mit dem Fahrrad gehabt.“
Seine „Tourbegleitung“ war eine Fahrrad-App. Er war teilweise auf sehr kleinen Straßen durch die Dörfer unterwegs, die natürlich nicht befestigt waren. „Zum Teil habe ich auf den Dämmen von Reisfeldern das Fahrrad geschoben. Aber wenn man Kilometer machen muss – und ich habe ja eine zeitliche Frist gehabt –, dann muss man auf größere, befestigte Straßen ausweichen. Ich bin so um 7 Uhr in der Früh weg, etwa 100 Kilometer am Tag gefahren. Und nach Weihnachten bin ich dann wieder zurück mit dem Fahrrad –allerdings als Gepäckstück im Flugzeug.“
Zum Abschied zeigt uns Botschafter Dr. Prinz auch einen Bericht in einer nepalesischen Zeitung, die ihn als „Sportheld“ feiert.
Ein Visionär für Nepal
auch
Prof. Ram Shrestha hat in Wien Medizin studiert. Er ist ein Glücksfall für sein Land. ... der
die Brennnessel schätzt
„Ja, wir kennen den Herrn Professor und arbeiten natürlich mit ihm zusammen. Er ist ein Glücksfall für sein Land“, äußert sich bei unserem Treffen in der Botschaft in Kathmandu der Deutsche Botschafter Dr. Thomas Prinz, als er erfährt, dass wir danach nach Dhulikhel unterwegs sind. Nur 30 Kilometer von der Hauptstadt entfernt,
die Fahrzeit beträgt allerdings rund eineinhalb Stunden.
Vor unserer Reise nach Dhulikhel hatten wir mehrmals telefoniert und es freute ihn der ungewöhnliche Grund. In Nepal habe die Brennnessel als Nahrung lange Tradition und sein BrennnesselSuppen-Rezept sei ganz eigen und besonders.
Und da sitzen wir nun in seinem einfach, aber gemütlich eingerichteten Besprechungsraum. Und schon bei der Begrüßung spüren wir förmlich die Energie von Prof. Ram Shrestha, die er hat, seine einnehmende Art: „Ich habe schon viele, viele Gäste hier begrüßt, aber ihr seid die Ersten, die nur wegen der Brennnessel nach Nepal kommen“, lacht er (siehe auch Seite 41). „Wenn man, so wie ihr, Jürgen und Franz, etwas von Herzen macht, dann wird das gut“, findet Ram Shrestha den passenden Übergang zu SEINER unglaublichen Lebensgeschichte.
„Ich wollte meinem Land etwas zurückgeben“
Ohne Stipendium, aber als einer der fünf besten Maturanten des Landes bekam er die Chance, in Wien zu studieren. Ram Shrestha schaffte sein Studium in der kürzest möglichen Zeit, wiewohl er zu Beginn kein Wort deutsch konnte. Der junge Student sprach in den Wiener Parks ältere Menschen an und bat sie, mit ihm deutsch zu sprechen, um sich darin zu verbessern. „Du musst genau wissen, was du willst, dann sind die Österreicher sehr hilfsbereit“, sagt er. „Ich habe alles bekommen, was ich mir gewünscht habe. Ich habe die beste Ausbildung.
Wenn ich gut bin, dann sind die Leute auch zu mir gut. Ich komme aus einer großen Familie und die hat immer für die Menschen rundherum gesorgt, die weniger haben.“ Er war 18 Jahre, als er in Österreich ankam, in eine völlig andere Welt als bei ihm zu Hause.
In den Ferien verdiente er als Bar-Mann in Zürich sein Geld fürs Studium. „Auch da habe ich viel gelernt. Wenn man die Menschen mag, dann lernt man sein Leben lang.“
Selbst der ORF wurde auf den jungen nepalesischen Mediziner aufmerksam. In der Serie „Land der Berge“ aus dem Jahr 1996 beschäftigt er sich mit dem Werdegang des Visionärs. Beseelt davon, seinem Land etwas zurückgeben zu wollen, kehrte der junge Arzt nach insgesamt 15 Jahren in Österreich – mit seiner Frau, einer Kärntnerin – nach Nepal zurück. „Das war vor rund 25 Jahren. Gemeinsam mit einem Kollegen hatte ich die Vision, eine Institution zu schaffen, mit dem Ziel, allen Nepalesen – egal, ob arm oder reich – eine qualitätsvolle Gesundheitsversorgung zu ermöglichen.“ Beide bauten in Dhulikhel auf Brachland eine ambulante 24-Stunden-Notfall-Station mit einem stationären Dienst auf und so begann ihre Mission mit zwei Krankenschwestern Wirklichkeit zu werden.
Heute steht dort eine kleine Stadt, ähnlich dem LKH Graz: das Dhulikhel Hospital der Universität Kathmandu. Ein unabhängiges, gemeinnütziges, nicht staatliches Krankenhaus mit 1.350 Beschäf-
tigten – darunter 200 Ärzte – und bis zu 2.000 Patienten täglich in den Ambulanzen. Es ist DAS Vorzeigeprojekt zeitgemäßer Gesundheitsversorgung in Nepal. Bei unserem Rundgang, Lokalaugenschein, wähnten wir uns in einem heimischen Spital. In den Anfangsjahren erhielt Ram Shrestha auch Unterstützung aus Österreich, um die er sich selbst bemühte und organisierte.
... mit seiner Erfahrung als Spitalsarzt in Österreich seinen Traum verwirklicht.
„Tue mir leicht, im Leben sinnvoll zu handeln“
„Es gibt für mich nichts Schöneres, als Menschen zu helfen.“ Und: „Wenn du eine Vision ernst nimmst, dann musst du versuchen, der Beste zu sein. Und das gelingt nur, wenn du mehrere Partner für deine Ideen gewinnen kannst. Sei es privat, sei es public oder auch im In- und Ausland. Erst mit der Partnerschaft kommt auch die Stärke“, so der erfahrene Teamplayer. „Es ist wie bei uns Menschen – wenn das Herz gut funktioniert, dann funktioniert auch die Leber und die Galle. Du musst alles ganzheitlich betrachten. Dann kannst du auch den Ärmsten Dinge auf höchstem Niveau anbieten, bekommen sie die Chance auf die gleiche Ausbildung und Behandlung.“
Ram Shresthas Grundverständnis wirkt überzeugend: „Ich kenne beim Menschen keinen Unterschied, woher er auch kommt. Dessen Herz, Lunge, Leber – alle sind gleich. Ganz egal, ob das ein Weißer, ein Schwarzer, ein Hindu oder sonst jemand ist. Und daher
„Wir versorgen 2,7 Millionen Menschen“
Von Dhulikhel aus werden 2,7 Millionen Menschen versorgt. „Wir tun das über unsere 18 Stützpunkte, sogenannte Out Reach Zentren. Auch mit dem Einsatz von Hubschraubern.“ Damit haben viele abgelegene, ländliche Gebiete und unterprivilegierte Nepalesen erstmals rund um die Uhr Zugang zu einer qualitätsvollen Gesundheitsversorgung, die den Lebensstandard der Menschen verbessern soll. Da gibt es Erste-Hilfe-Schulungen, Hygiene- und Sanitärunterricht für Schulkinder, Aufklärungsprogramme für Frauen zu den Themen wie Gebärmutterhalskrebs, Brustkrebs, Gebärmuttervorfall und Aufklärungsprogramme zur psychischen Gesundheit für Frauen und Schulkinder. Aufgrund gesellschaftlicher Einschränkungen sprechen viele Frauen in ländlichen Gebieten nicht über ihre Probleme. Das Department für Gemeinschaftsprogramme schärft daher außerdem das Bewusstsein für Teenager-Schwangerschaften, Familienplanung und sexuell übertragbare Infektionen sowie Menstruationshygiene und Tuberkulose. Die Schulgesundheitsprogramme konzentrieren sich auf die Förderung der Aufklärung zu Themen wie Hygiene, Toilettenbenutzung und Erste Hilfe. Verschiedene NGOs unterstützen diese Aktivitäten.
Neu sind dabei auch Pflanzungs- und Ernährungsprogramme rund um Schulen und Dörfer. Dabei werden auch Schulgesundheitsklubs eingerichtet. Landwirte in Nepal sind aufgrund ihres starken Einsatzes von Pestiziden im Ackerbau ernsthaften Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Die Familien werden über den richtigen Einsatz von Pestiziden aufgeklärt.
Hygiene ist in Nepal nicht selbstverständlich
Aber dafür braucht es viel Geld? „Geld allein ist nicht alles“, sagt Ram Shrestha. „Du brauchst fließendes Wasser, Bildung und die richtige Gedankenwelt, das Bewusstsein dafür.“ Er macht klar, dass man nur mit einem gemeinsamen Tun visionäre Dinge umsetzen kann. „Und meine Aufgabe ist es, mit meiner Überzeugungskraft die Menschen dabei mitzunehmen.“ Auf sein nächstes großes Projekt angesprochen, sagt er: „Die Kinder brauchen mehr Platz bei uns und wir haben keinen Raum mehr. Es ist alles vollgestopft, weil wir ihnen eine gute Behandlung bieten. Die Kinderstationen sind im Krankenhaus zu klein geworden. Und daher wollen wir ein größeres Kinderkrankenhaus bauen.“
Dr. Anish Joshi, Bindhya Sharma und Anjila Shrestha von der Neugeborenen- und Kinder- intensivstation des Dhulikhel-Krankenhauses absolvierten im Jahr 2022 ein dreiwöchiges Hospitationstraining an der Pädiatrischen Intensivmedizin der Medizinischen Universität Graz (Bild oben). Unten: Kostenloses „Camp“ für Zahngesundheit
Dieses Foto hängt im Stiegenhaus des Universitätsspitals in Dhulikhel. Es zeigt Ram Shrestha und seinen Kollegen – im „Niemandsland“ – vor dem Baube- ginn der ersten 24-Stunden-Notfall-Abmulanz in Nepal mit kleiner Betten-Station.
tue ich mir leicht, im Leben sinnvoll zu handeln. Den Studenten sage ich immer wieder: Wenn du Träume hast, dann musst du dir deine Träume erhalten, damit du die jungen Menschen überzeugen kannst. Und das ist nur möglich, wenn du sie gut ausbildest. Denn dann bekommt man auch die Qualität.“
In Österreich kommen die Menschen, die medizinische Hilfe brauchen, ins Krankenhaus oder zum Arzt. In Nepal ist das aufgrund der Geografie des Landes anders. „Wir können nicht warten, bis die Menschen zu uns kommen. Wir müssen hin, die Studenten so ausbilden, dass sie zu den Menschen gehen und ihnen dort helfen können, wo sie leben.“
Kritischste Momente im Leben: Erdbeben und Covid
Eine einschneidende Erfahrung war das schwere Erdbeben in Nepal im Jahr 2015 für ihn. „Da habe ich gedacht: Ui, Mensch Maier, was
kann ich tun? Der Gott kann auch nichts tun. Die Erde bebt, vieles ist kaputt geworden, viele sind verletzt und wir waren das einzige Krankenhaus für Millionen Menschen. Wenn du siehst, dass du Menschenleben retten kannst, du aber auch erkennst, wie relativ wenigen Menschen du helfen kannst, dann wirst du stärker. Und dann kam die Pandemie – sie war noch viel schlimmer als das Erdbeben 2015. Wir haben Angst gehabt, haben uns gesagt: Entweder Covid gewinnt über uns oder wir gewinnen gegen Covid. Zigtausend Menschen sind gestorben an Covid“, hält der Mediziner aber auch nicht mit den fürchterlichen Wahrheiten hinter den Berg.
Aber wie kam das Virus überhaupt in die Täler und entlegenen Schluchten, wo die Menschen wohnen? „Zu Fuß“, die lapidare Antwort. „Allein die beengte Wohnsituation und die sanitären Voraussetzungen machten es Covid leicht, sich zu verbreiten. Viele Mitarbeiter sind krank geworden, aber wir haben keine verloren, denn wir haben schon sehr früh alles getan, damit wir uns schützen können. Am Anfang haben wir geglaubt, viel zu wissen, aber haben in Wirklichkeit gar nichts gewusst“, sagt Ram Shrestha und fügt hinzu: „Heute lächeln wir darüber. So ist das Leben.“
Beratung beim Anbau von Nahrungsmitteln
Übergabe von Sauerstoffgeräten durch Ram Shrestha an Verantwortliche der Stadt Dhulikhel während der Covid-Pandemie.
200 Ärzte betreuen bis zu 2.000 Patienten täglich in den Ambulanzen
Beeindruckend – die verwirklichte Vision von Prof. Ram Shrestha heute:
der riesige Komplex des Dhulikhel Hospital der Universität Kathmandu
Happy Bottle Home
... alles begann mit Straßenkindern
„Gehen wir ins Bottle House.“ Diese Aufforderung löst bei jedem trinkfreudigen Genießer im Kopf angenehme Bilder über einige Glaserl Bier oder Wein aus – fröhliche Stimmung inbegriffen. Doch in unserem Fall ist das anders.
Unser Bottle House, das wir besuchen, steht in Sundarijal am Rande von Kathmandu in ländlicher Umgebung. Es ist Teil eines wohl einmaligen Sozialprojekts für Waisen und Kinder aus Familien, die in extremer Armut leben. Diese – etwa 50 – finden dort erstmals wieder ein Dach über dem Kopf. Es wird zu ihrem Zuhause, dem „Happy Home“ – mit Internat. Und die Schule befindet sich gleich in der Nachbarschaft.
Und warum der Name Bottle House? Einige Wände der zwei Wohnhäuser, aber auch der Schule für die jungen Mädchen und Burschen sind mit aus dem Müll gesammelten leeren Glasflaschen gemauert. „Das spart teure Ziegel, Fenster und bringt gleichzeitig Licht in die Räume“, erklärt uns beim Besuch Sudama Karki (Bild li.), der Initiator und Leiter des gesamten Sozialprojekts.
sind gerade Ferien, daher sind die meisten Kinder auf Besuch bei Verwandten. Gerne werden wir durch die Aufenthalts- und Schlafräume geführt. Auffällig natürlich die einzelnen Wände mit den nach außen eingemauerten Flaschen. Durch sie dringt das Licht der Mittagssonne in die Zimmer und sorgt für eigenwillige Lichteffekte.
Gemeinsam große Bildungsprojekte realisieren
2004 nahm er bei sich in der Familie das erste Straßenkind zur Pflege auf. Sudama durchlebte selbst eine schwere Kindheit, war auch auf der Straße, schaffte es aber, als Helfer bei Himalaya-Expeditionen dabei zu sein. Durch seinen Fleiß und seine Einsatzbereitschaft stieg er in der „Hierarchie der Sherpas“ auf. Er erhielt eine Ausbildung, lernte Englisch und später am Goethe Institut in Kathmandu Deutsch. Im Jahre 2015 zerstörte das verheerende Erdbeben in Nepal auch sein Bottle-House-Projekt. Uns begrüßt Dali Sherpa (Bild li.) im Speisesaal. Sie war jenes Mädchen, das Sudama als erstes Kind nach Kathmandu mitgenommen hat. Heute leitet sie das Bottle House. An den Wänden im Speisesaal finden sich in farbenfrohen Buchstaben die Regeln für das Zusammenleben geschrieben. In der Woche unseres Besuchs
Christian Hlade veranstaltet mit seinem Reiseunternehmen Weltweitwandern schon seit 1999 Trekking-Reisen in den Himalaya. „Im Herbst 1983 habe ich mit 19 Jahren schon wenige Monate nach meiner HTL-Matura Nepal das erste Mal besucht.“ Sudama lernte er 2005 in Kathmandu kennen. „Er hat mich damals mit seinem tiefen Wissen über den Buddhismus, dargebracht in perfektem Deutsch, begeistert. Er ist unser idealer Nepal-Partner, denn er kennt alle Aspekte des Trekking-Geschäfts aus eigener Erfahrung und zusammen haben wir schon Marokko bereist und waren in den Alpen bergwandern. Was uns auch verbindet, ist die Arbeit für Bildungsund Sozialprojekte. Sudama hat ab dem Jahr 2000 Waisenkinder bei sich zu Hause aufgenommen. Gerade in der Zeit des damaligen Bürgerkrieges haben viele Kinder ihre Eltern verloren und waren auf der Straße. Daraus entwickelte sich ein kleines Kinderheim, das wir von Weltweitwandern finanziell unterstützten“, so Christian Hlade. „2015 wurden alle unsere bisherigen Gebäude vom Erdbeben zerstört. Durch die große Hilfsbereitschaft unserer Gäste konnten wir mit dem Verein Weltweitwandern Wirkt! das Kinderheim nicht
nur rasch wieder aufbauen, sondern auch um die benachbarte Kundalinee School erweitern.“ Und die beiden tun zur Zeit einen weiteren großen Schritt für ihre Schützlinge, damit diese nach ihrer Schulausbildung auf eigenen Beinen stehen und sich ein unabhängiges Leben aufbauen können. Dank einer Projektförderung von FairStyria und der großartigen Unterstützung ihrer Spender wird das Projekt „Pathways to Self-Dependence“ umgesetzt. Eigens konzipierte, praktische Ausbildungen zur/zum Barista, IT- oder Medienprofi und ein begleitendes „Life Skills“ Training für die Teilnehmer aller drei Lehrgänge stehen nicht nur den Jugendlichen aus dem Kinderheim offen, sondern weiters den Absolventen der Kundalinee School sowie, sofern es noch freie Plätze gibt, auch den Abgängern der Colleges in der Umgebung. Zeitgemäße Berufsausbildung ist in Nepal schwierig zu erhalten. Christian Hlade und Sudama Karki: „Bis zu 45 Jugendliche ab 16 Jahren werden pro Jahr die Möglichkeit erhalten, einen der drei Lehrgänge zu absolvieren.“
Weltweitwandern Wirkt!
Spenden Sie über unser Spendenkonto: Kontowortlaut: Weltweitwandern Wirkt
IBAN: AT48 2081 5000 4251 3499
BIC: STSPAT2GXXX www.Weltweitwandernwirkt.org
Die Schüler kommen nicht nur aus dem Internat, sondern auch aus der näheren Umgebung. Maßgebliche Förderer und Unterstützer des von Sudama Karki gegründeten Projekts sind Christian Hlade mit Weltweitwandern Wirkt! und auch österreichische Lions-Gruppen.
Bild rechts oben: Im Speisesaal an der Wand: Regeln für das Zusammenleben
Rechts unten: eigenwillige Licht-Effekte durch Flaschenwand in der Kundalinee School (oben) und im Internat
Volksschule für 60 Kinder gibt Hoffnung
Hile liegt rund sieben Busstunden und eine dreiviertel Stunde Fußmarsch nordöstlich von Kathmandu, in Dolakha – eine Region, die von den verheerenden Erdbeben im Frühling 2015 besonders betroffen war. Das Projekt entstand aus einer Begegnung zwischen Sonam Sherpa, einem für Weltweitwandern tätigen und aus Hile stammenden Fremdenführer und Sarah Höfler in den Wochen unmittelbar vor den Erdbeben. Sonam war immer schon erfüllt von der Idee, die Bedingungen der Volksschule, die er selbst besucht hatte, zu verbessern und so die gesamte Dorfgemeinschaft zu stärken. Seither koordinieren Sonam Sherpa, das lokale Schulkomitee und Sarah Höfler nicht nur den Wiederaufbau, sondern engagieren sich auch für die Hebung der Qualität des Schulunterrichts. Schritt für Schritt konnten hier schon deutliche Verbesserungen erreicht werden. Unter anderem wurden zwei junge Lehrerinnen aus der Region angestellt und weitergebildet, sowie diverse neue Lehrmittel eingeführt. Die ersten Ergebnisse der für alle Kinder am Ende der fünften Schulstufe in Nepal verpflichtenden Prüfungen geben Anlass zu großer Hoffnung.
Wichtige Verpflegung: auf dem Weg nach Hile (u.)
kam ich das erste Mal mit dem Volk der Kirati in Berührung. Bei meinen schamanischen Studienreisen, wo ich Gast von Mohan Rai, dem Oberhaupt der Chamling Rai, war, zeigte er mir unter anderem auch, welche Naturmate-
rialien beim traditionellen Bogenbau in Nepal Verwendung finden: Bambus und Brennnessel. Der Bogenbau bei den Kirati ist eine alte Kunstform, die von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Mohan Rai erzählte mir, dass der Bambus sorgfältig ausgewählt, Vor fünfzehn Jahren
Bei den Kirati, einem Bogenvolk im Himalaya
geerntet und meist über dem Herdfeuer getrocknet wird, um sicherzustellen, dass er die idealen Eigenschaften für einen gebrauchsfähigen, guten Bogen besitzt. Die Brennnessel wird für die Herstellung der Bogensehnen und als Griffwicklung verwendet - da die Brennnesselfasern erstaunlich stark und haltbar sind. Während meiner Aufenthalte hatte ich mehrmals die Gelegenheit, den gesamten Herstellungsprozess eines traditionellen Bambusbogens mitzuerleben und selbst auch einen zu bauen.
Ich erinnere mich noch an die Stunden, die ich mit Mohan Rai verbrachte, wo er Geschichten und Lieder über die Jagd und das Leben der Ahnen erzählte. Diese Traditionen, die in den Bögen aus Bambus und Brennnessel weiterleben, sind ein bedeutender Teil der kulturellen Identität der Kirati, die einen animistischen Glauben praktizieren, der die Verehrung der Vorfahren und der Natur umfasst.
Mohan Rai wies mich auch in Rituale ein, wo Pfeil und Bogen verwendet werden und in denen die prähistorische Jägergottheit Shikari vorkommt. Er ist ein tief in Trance Versunkener, der Menschen anregt, mit Ausdauer und Sinnesschärfe in ihr Inneres zu schauen und es auszuloten. Noch heute wird er von visionären Bergbewohnern gesichtet - Pfeil und Bogen in den Händen haltend:
Den sich nach oben schlängelnden, von Bergziegen genutzten Pfad folgend, geht es den Hang hinauf, immer weiter hinauf, die immer steiler aufragenden Felsformationen umgehend, Mantren vor sich hin murmelnd betritt der einsame Wanderer ein Bergplateau, das von schroffen Felstürmen eingerahmt, fürs erste kein Weiterkommen zu erlauben scheint. Er glaubt schon umkehren zu müssen, als er, ein von Blätter- und Astwerk halb verdecktes Felstor erblickt. Dieses durchschreitend, findet er sich in einem kleinen Talkessel wieder. Und als er sich umblickt, fällt sein Blick auf eine am Talkboden, sitzende Gestalt – Shikari, seinen Bogen über die im Lotussitz verschränkten Beine liegend, in tiefster Entrücktheit verharrend.
Nach einiger Zeit nimmt Shikari seinen mit unzähligen Seiten bespannten Bogen in die Hand. Wie er nun den Bogen in die Höhe hebt, fährt der Wind in die gespannten Sehnenseiten und es ertönt eine Melodie, die zur Reise nach Innen einladend, über die Berge klingt.
Dieser Einladung folgend - wird Pfeil und Bogen - bei der von mir entwickelten Methode des Therapiegestützten Meditativen Bogenschießens, als Instrument zur Selbsterkenntnis und inneren Heilung genutzt.
Heinz Binder
Zu guter Letzt: „Omas Kaffee“ bei Birgit
Im Tee-Land Nepal. Die Tirolerin wollte einfach in die Welt hinaus.
Wir sind einige Male um den Gebäudeblock gekurvt. Da, wo wir es uns jetzt gemütlich gemacht haben, das könnte auch irgendwo in einer europäischen Stadt sein. Wir sitzen im zweiten Stock auf einer Gang-Galerie mit Blick auf den Innenhof eines ehemaligen Schulgebäudes. Es ist am Nachmittag. Die Sonne wärmt. Nach längerem Suchen haben wir Birgits Café „kar.ma“ im Stadtteil Lalitpur – das Künstlerviertel von Kathmandu – doch gefunden. Eine ungewöhnliche, aber schicke Location würde man das bei uns nennen.
„Ich komm’ aus Tirol, in der Nähe vom Arlberg bei Imst“, beginnt sie zu erzählen. „2003 habe ich beschlossen, ich muss raus in die Welt und bin so in Nepal gelandet. Studiert habe ich Völkerkunde mit Schwerpunkt Nachhaltiger Tourismus und bin dann über einen Vertrag mit dem Deutschen Entwicklungsdienst hierher gekommen.“
Nepal war in keinem Fall ihr Wunschziel. „Ich wollte nach Afrika oder Südamerika, Asien war so gar nicht auf meinem Radar.“ Erst eine Recherche im Internet hatte ihr klargemacht, wo Nepal überhaupt liegt. „Ich habe mich vom ersten Tag in das Land verliebt und bin aus den Bergen in die Berge.“
Ihre Arbeit für die Deutschen sollte ein Jahr sein. „Ich habe es von Anfang an super gefunden, habe nie wieder meinen Rucksack gepackt und bin gleichsam geblieben.“
Und wie das Leben so spielt. Birgit Lienhart lernte ihren späteren Mann kennen. Dieser hatte eine Reise- und Trekking-Agentur geführt. „Er ist aber ein bisschen ein Rebell, eigentlich so wie ein Tiroler. Er nimmt sich kein Blatt vor den Mund und ist so etwas wie der inoffizielle Tourismus-Berater des Tourismus Board von Nepal. Mit Leib und Seele ist er jemand, der Nepal den Leuten näherbringen will. Aber von der anderen Seite. Nicht nur touristisch, sondern eben auch die anderen Dinge, wie das Land funktioniert und wie die Leute sind.“
Nach dem Jahr mit dem Deutschen Entwicklungsteam erhielt Birgit ein tolles Angebot von den Holländern und sie ging gemeinsam mit ihrem Mann für drei Jahre nach Ghana in Afrika. Und dort merkte sie, dass die Entwicklungsarbeit irgendwie illusorisch ist. „Ich wollte ja immer irgendwo die Welt verbessern und habe festgestellt – das geht einfach nicht in einer so großen Organisation, wo das ganze Geld praktisch in der Administration bleibt. Also mehr oder weniger nicht da ankommt, wo es ankommen soll.“ Das Augen-Öffnen hat sie frustriert und da wusste sie: „Das werde ich nicht mein Leben lang machen. Das macht mich nicht glücklich.“ Und daher ging‘s zurück nach Nepal.
Da waren sie dann schon zu dritt. „Unsere Tochter war auf die Welt gekommen.“ Wieder in Nepal rieten ihr Freunde, doch einmal auf eine Kaffeefarm in Nepal zu gehen. Sie: „Was? Da gibt’s Kaffeefarmen in Nepal?“ Und das war gleichsam der Einstieg, wie sich herausstellen sollte, für ihre heutige Leidenschaft – den Kaffee. Dort hat sie zum ersten Mal festgestellt, wie überhaupt Kaffee entsteht und wie viel Arbeit das ist. „Damals habe ich mir gedacht: Hm, das ist spannend. Da kann man sicher etwas daraus machen.“
Birgit arbeitete so nebenbei als Tourismus-Beraterin, was sie aber
nicht wirklich ausgefüllt hat. Ihr Büro hatte sie in dem Haus, wo sie auch heute noch arbeitet. Es gehört einem nepalesischen Freund. Dieser sagte: „Bring’ einen Kaffee, bring’ einige Tassen, kauf’ die und wir geben jedem, der da vorbei kommt, im Haus einen Kaffee – gratis.“ Zu dieser Zeit war Tee in Nepal die Hauptsache. Wer also vorbeikam, dem wurde ein Kaffee angeboten. Die Leute waren natürlich verwundert.
Im Stockwerk darüber gab es ein Jazz-Institut, dazu noch eine Galerie im Haus, das Büro vom Besitzer und eine Agentur, die sich mit Outdoor-Aktivitäten beschäftigt. Sonst war das Haus leer. Es
war früher einmal eine Schule. Der Besitzer hatte die Vision, dass daraus irgendwann einmal ein alternatives Lernzentrum werden sollte. Und er sagte: „Du machst Kaffee.“ Und alle, die vorbei kamen, fanden das toll, dass man plötzlich einen Platz hatte, wo man miteinander reden konnte.
Zu dieser Zeit mietete sie dann einen Raum und das war ein großes Risiko. Denn in der Umgebung selbst gab es keine Cafés, keine Restaurants, nichts. „Aber ich habe es gemacht und es hat irrsinnig viel Spaß gemacht“, erzählt Birgit. Die paar hundert Rupien, die sie dort verdient hat, haben sie glücklicher gemacht als das große
Gehalt als Entwicklungshelferin. Parallel dazu begann sie nachzuforschen, welche Produkte man aus der Kaffeebohne machen kann. Heute bietet sie Kaffeepapier an, Seife, Filter – also alles rundherum um den Kaffee.
Eines kam dann zum anderen. Sie begann mit kleinen Produzenten zu arbeiten, die Kaffee herstellten, mit Künstlern und sie dachte: „Jetzt habe ich meinen Job gefunden.“ 1.000 Kleinbauern sind es heute, mit denen sie zusammenarbeitet. Zu den Farmern kommen 30 Produzenten von Kaffee und es ist ein tolles Netzwerk. Birgit betreibt noch ein zweites Café im Stadtteil Bhouda in der Nähe der größten Tempelanlage. Damit gestaltet Birgit den Raum, den sie verändern kann und so verändert sie auch die Welt in Nepal. Die gesamte Abwicklung läuft über sie und mittlerweile sind es elf Tonnen Kaffee, die sie im Jahr unter die Kunden bringt. Und das Schöne für sie ist: Sie ist an einem versteckten Ort und trotzdem geht ihr Kaffee bereits an 30 Länder weltweit. Und irgendwann kommt ja jeder einmal nach Nepal, der das Land kennenlernen will und die nehmen dann auch den Kaffee von ihr mit, schicken Fotos – und so entsteht eine schöne Community.
Jedes Dorf, mit dem sie in Nepal zusammenarbeitet, besucht
sie persönlich und sucht sich dort vor Ort einen Partner, der dann die Qualität, die Prozesse, wie das Geschäft abgewickelt wird, übernimmt.
Dort, wo wir plauschen und uns unterhalten, fühlt man sich wie in einem Gebäude oder in einer Umgebung in Wien, London oder auch sonst wo. Es ist die Atmosphäre eines Innenhofs mit offenen Gängen auf den Stockwerken und im zweiten Stock befindet sich eben das Café. „Wir können hier alles benützen. Unsere Nachbarn, die da eingemietet sind, beschweren sich nicht. Auch sie finden es toll, dass wir das Café auf dem Gang erweitert haben.“ Mittlerweile hat sie etliche Freunde, die ihre Produkte in ihren Geschäften, ihren Cafés verkaufen.
„Kaffee hat es in Nepal immer schon gegeben“, sagt Birgit. „Aber alles ist exportiert worden. Jetzt kann man praktisch die gesamte Ernte in Kathmandu verkaufen. Aber der nepalesische Kaffee ist extrem teuer. Dieser Kaffee, wie er dort serviert wird, wird in Handarbeit hergestellt. Das, was ich mache, ist ein Spezialitäten-Kaffee.“
Birgit betreibt ihr Kaffeegeschäft von Anfang an ohne Kaffeemaschinen. Zu Beginn hat es auch noch keinen Strom hier gegeben.
„Zu den schlimmsten Zeiten haben wir zwei, drei, bis vier Stunden maximal am Tag Strom gehabt. Und da habe ich mir gedacht: Ich muss mir was einfallen lassen. Wir haben begonnen, den Kaffee selber zu machen, selber zu brühen, wie das früher die Oma gemacht hat.“
Und das ist auch schon das Stichwort für Birgit aufzubrechen. „Ich bin nämlich zu einer Radiosendung eingeladen, wo ich über Kaffee plaudern soll“, muss sich die umtriebige Tirolerin auf den Weg machen und ermuntert uns dazu, uns in der Zwischenzeit in ihrem Verkaufsraum umzusehen und dort die Düfte ihrer handgemachten Produkte aufzunehmen und bei uns zu Hause zu verbreiten.
QUELLEN
Susi Dunsmore „The Nettle in Nepal: Tradition and Innovation“, first published in 1986 by L. R. D. C. Land Resources Development Center, printed by Surrey Litho Limited ISBN 0-9552900-0-7
Transforming the Lives of Mountain Women Through the Himalayan Nettle Value Chain: A Case Study From Darchula, Far West Nepal
Heinz P. Binder „Die Mitte bin ich. Die Philosophie des Bogenschießens“, Edition keiper, Graz, 2018 Božo Raič (Autor und Leiter des Projekts) „Sol lucet, umbra docet“, 2022, Katalog Helmut Uhlig „Himalaya. Menschen und Kulturen in der Heimat des Schnees“, Lizenzausgabe mit Genehmigung der Gustav Lübbe Verlag GmbH, Bergisch Gladbach für die Deutsche-Buchgemeinschaft, 1987 bei Gustav Lübbe Verlag GmbH, Bergisch Gladbach
Mechtilde Frintrup „Das Brennnessel-Buch – Die magische Nahrungs-, Heil- und Faserpflanze“, at Verlag Barbara Simonsohn „Brennnnessel. Das Wunderkraut für Gesundheit, Küche und Schönheit“, 1. Auflage April 2022, Mankau Verlag, D-82418 Murhau A. Staffelsee Grgur Raič mit seinem Musik-Gebilde Symphonia urtica (Brennnessel-Sinfonie), Seite 51 oder Youtube Kräuterpfarrer Benedikt „Heilkräuter aus dem Klostergarten“, ueberreuter
BILDNACHWEISE
Manuel Schaffernak (16), Weltweitwandern Wirkt! (30, 146-149), https://www.lavozdegalicia.es/noticia/deportes/2019/05/23/ atasco-mortal-everest/00031558600873188887130.htm (32, Screenshot), Max Pötzelberger (34, 35), Gemeinde Eggersdorf (36, 37), Dhulikhel Lodge Resort (43), Adobe Stock (54–66, 110, 111), Nadine Wuthe (67), Isabella Wuthe (68), TU Graz / CAMPUSonline (68, Foto von Isabella Wuthe), The Nettle in Nepal: Tradition and Innovation, Susi Dunsmore (80, 81), Mahaguthi (84, 85), Prof. Mag. Claudia Frühwald (101–103), https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Otzi_museo.jpg (105), Melissa Fuchs / Fine Art Wedding (108), Kfz Wuthe und Dokumentation „250 Jahre Wuthe“ und Klipp (24, 115-119), Stadt Graz / Foto Fischer (118, Gruppenfoto), https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Pashupatinath_Temple,_Kathmandu,_Nepal.jpg (125 oben), Kathmandu Post Screenshot (134), Dhulikhel Hospital (142-145), Heinz Binder (150-151)
DANKE zu sagen, gilt es bei diesem Projekt vielen Menschen. Logischerweise. Und ich möchte dabei mit jenen beginnen, die von mir schon in einer Frühphase kontaktiert wurden. Da ist GERALD BRETTSCHUH zu nennen und seine Frau CHRISTIANE. Er hat sich sofort bereit erklärt, für die Gestaltung der Titelseite ein Bild zu malen. Auf seinen Rat kontaktierte ich in der Folge GERALD HARTWIG als Illustrator, auch ein Ideengeber für die Gestaltung im Buch. Den Zeichner ALFRED RASCHL und seine Comics kannte ich aus einer Zusammenarbeit, die Jahre zurücklag und ihm verdanken wir dieses nette Märchen, für das er auch den Text verfasste. Ganz wichtig waren für
mich in der Entstehungsphase des Buchs die vielen Ansprechpartnerinnen und wirklichen BrennnesselExpertinnen, die bereitwillig über ihre Erfahrungen sprachen und ich so von einem zum anderen weiter gereicht wurde. Konkret möchte ich da anführen: KATHRIN WILD, MECHTILDE FRINTRUP, NADJA HILGRUBER (Kommunikation Feuervogel), INGRID GUMPELMAIER-GRANDL (FAIRytale Fair Fashion e.U.). Als es dann ernst wurde mit der Umsetzung zum Inhalt des Buchs, stellte uns der Filmproduzent ALFRED NINAUS bereitwillig sein Fotomaterial, das er gemeinsam mit Franz Wuthe für einen Film aufnahm, zur Verfügung. Auslöser war ein Bericht über
den Brennnessel-Bauer auf Servus TV. Ein Dankeschön geht auch an BOŽO RAIČ, der uns die Fotos von seinem Event „Sol lucet, umbra docet – die Sonne scheint, der Schatten lehrt“ zur Verfügung stellte. Dieses Kunstprojekt der Universität Graz gab es im Sommer 2022 auf dem Römerhof in Eggersdorf. Mit dabei war auch die Botanikerin URSULA BROSCH mit ihrem humorvollen Gedicht über die Urtica und ein Danke auch an CHRISTIAN STURMBAUER und die gesamte Runde der teilnehmenden Künstler. Als es dann darum ging, auch die Brennnessel-Tradition Nepals im Buch darzustellen, unterstützten uns CHRISTIAN HLADE von Weltweitwandern mit Information und stellte den Kontakt zu SUDAMA KARKI her, sein Geschäftspartner vor Ort in Kathmandu. Dieser wiederum stellte uns mit SOVENDRA THAPA einen Guide zur Verfügung, der uns in den Wochen in Nepal, aber auch in den Monaten darauf mit viel Informationen, vor allem mit seinen Fotos und Videos, maßgeblich geholfen hat. Ihnen allen ein herzliches Dankeschön. In Nepal selbst waren wir dann bestens aufgehoben, weil uns im Vorfeld der Deutsche Botschafter in Kathmandu Dr. THOMAS PRINZ mit seinem Team wichtige Studien-Quellen übermittelte. Das Österreichische AußenwirtschaftsCenter in Neu Delhi mit BERND ANDERSSON lieferte wichtige Kontaktadressen in Nepal. Auch eine Voraussetzung dafür, dass unsere Nepal-Reise und die Recherchen dort erfolgreich verliefen. Ein wichtiger Gesprächspartner und Brennnessel-Experte war auch Prof. RAM SHRESTHA vom Universitäts-Hospital Dhulikhel und dessen Gastfreundschaft. Fast wie bei einer Melange hierzulande fühlten wir uns dann in BIRGIT LIENHARTS stimmungsvollem Café „kar.ma“ in Lalitpur, die aus Tirol kommt und in die weite Welt wollte.
Zurück nach Österreich. Das, was wir aus Nepal an Brennnessel-Produkten mitbrachten, das setzte die MODESCHULE AM ORTWEINPLATZ in Graz mit viel Engagement bei den gelungenen Fotoshootings in Szene. Auch dafür herzlichen Dank. Meinem Enkelsohn TAYMOUR danke ich dafür, dass er für die Drohnen-Aufnahmen extra aus Wien nach Eggersdorf gekommen ist. Und der DRUCKEREI DORRONG für die geduldige Beratung bei der Druckabwicklung und deren Ergebnis – das vor Ihnen liegt. Es freut mich, dass sich Franz Wuthe als Initiator dieses Buches von vielen guten Ideen überzeugen ließ.
All diese „Zutaten“ sind für dieses gelungene Buch unentbehrlich gewesen. Aber dazu braucht es zu guter Letzt auch einen Koch. In unserem Fall sind es zwei weibliche Geschöpfe. Zum einen ist dies ISABELLA HASEWEND, die für alles und jedes verantwortlich war, was ins Buch kommen sollte und auch gekommen ist –ob Fotos, Texte, Zeichnungen, Illustrationen usw. Und jedes Buch braucht auch ein Lektorat, das umfassend und akribisch Fehler und inhaltliche Mängel aufzeigt und korrigiert. Dafür danke ich ganz besonders ROSALIA MAILAND, die den Luxus ihrer Anonymität damit gewahrt wissen will. Was ist bei so vielen kreativen Köpfen und deren Tun überhaupt noch für mich übrig geblieben? Eines auf jeden Fall: Noch einmal allen Beteiligten ein großes Dankeschön zuzurufen für das tolle Ergebnis ihrer Mitarbeit. JL
erlag
Alter Rätselspruch
Was brennt ums ganze Haus und‘s Haus doch nit?