Bildliche Narration
Nicolas Mahler, welcher selber schon einige textfreie Comics veröffentlicht hat, geht klar davon aus, dass ein wesentliches Kriterium von textfreien Bildgeschichten deren narrative Autonomie13 ist. «Der Verzicht auf das geschriebene Wort verlangt von den Zeichnerinnen und Zeichnern eine besonders genaue Beherrschung comictypischer Formensprache. Unklarheiten im Ausdruck resultieren umgehend in Unlesbarkeit».14 2.5 Rezipientin – Rezipient Aufbauend auf die theoretische Betrachtung narrativer Bildfolgen, der Voraussetzung zur Zusammengehörigkeit, sowie deren autonomen Selbstständigkeit, können wir uns des Weiteren der Funktion der Rezipierenden annehmen. Sobald die Zusammengehörigkeit der Bildserie gewährleistet ist, wird die Existenz einer möglichen Geschichte erwartet, als eine Art Berechtigung, Bilder nacheinander als Folge zu präsentieren. «Was zusammen abgebildet ist, muss auch zusammengehören. Wo eine zusammenhängende Erzählung zu erwarten ist, werden die Lücken so aufgefüllt, dass ein Zusammenhang entsteht».15 Mit dieser Suche nach dem Sinn bildlicher Narration, beginnt die Zusammensetzung einer, im besten Falle natürlich der Geschichte. Die Art und Weise, wie diese Suche nach Zusammenhängen, sprich die Suche nach der Erzählung, aussieht, ist natürlich bei allen anders. Viele Faktoren spielen zusammen: Der kulturelle Hintergrund, oder auch das Alter der jeweiligen Betrachterinnen und Betrachter, beeinflusst einerseits deren generelles Interesse, sowie deren daraus entstehende Bereitschaft, sich auf dieses Medium einzulassen. Jeder Mensch erlebt etliche Dinge, sieht etliche Dinge. Seien es Bilder in Filmen, eigene Gedankenbilder oder die daraus entwickelten Assoziationen - jede Person, ob jung oder alt, sammelt sich mit seiner gesamten Lebenserfahrung ein eigenes Bildrepertoire, auf welches sie oder er zurückgreifen kann. Das Durchsuchen des eigenen Bildrepertoires und das Vergleichen mit dem aufgenommenen Bildmaterial, führt zum Erkennen von Ähnlichkeiten.16 Diese sind ausschlaggebend für die Intensivität, Qualität aber auch Geschwindigkeit des Rezipierten.
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Vgl. Grünewald 2014, in: Bild ist Text ist Bild, S. 25. Vgl. Mahler 2005, in: Mahler zum stummen Comic, S. 1. Vgl. Dittmar 2011, in Comic-Analyse, S. 124. Vgl. hierzu, Grünewald 2017, in: Text & Kritik, S. 304.
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