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3.1 Ein Weg – Ein Abenteuer
Bei meiner theoretischen Untersuchung von textfreien Bildgeschichten habe ich die verschiedenen Aspekte, welche zusammenspielen, um eine Geschichte mit Bildern zu erzählen, einzeln untersucht. Zusammen vereint, ergibt sich daraus die Erzähltechnik, welche als Ausgangslage für Zeichnerinnen und Zeichner dient. Wie sie damit umgehen und inwiefern sich der unterschiedliche Umgang mit der Erzähltechnik auf die Geschichten auswirkt, werden die miteinander in Vergleich gesetzten Beispiele aufzeigen.
3.1 Ein Weg – ein Abenteuer
Bei den Comics, die ich gesammelt habe, welche eine durchgehende Geschichte (keine Kurzgeschichten) erzählen, begleitete und beobachte ich meistens einen oder mehrere Figuren auf dem Weg, den sie gehen oder die Geschehnisse, welche ihnen widerfahren. Im Grunde sind es einfachgestrickte und-dann-und-dann-und-dann Geschichten, die gerade, wenn sie nur über Bilder erzählen, auch nur über ihre Bewegung, Verständlichkeit erreichen. Alles zusätzliche, wie zum Beispiel Stil und Spannung, ist meiner Meinung nach für die Verständlichkeit nur wenig von Bedeutung.
Wenn wir einen Ausschnitt aus Der Ausflug von Julian Fiebach und Benjamin Gottwald (zusammen Bachwald) betrachten, sehen wir, dass die Geschichte von Anfang bis Ende mit engen Bildfolgen erzählt wird und diese in sich kaum ändernden zeitlichen Abständen voranschreiten. Wir betrachten ein Abenteuer, das einem durch ein Beschreiten des Weges erzählt wird, bei der eine extreme Situation nach der anderen überwältigt werden muss.

Abbildung Abbildung 11 (links) 12 (rechts)

Bachwald, Der Ausflug, 2017, S. 30. Ebd. S. 31.
Die Montage ist mehrheitlich gleichbehandelt, hält sich an ein Sechs-Quadrat-Raster und bricht dieses auch nicht, wenn der Dramaturgie zu liebe einige Bilder sich in ihrem Format verändern.
Alles in allem keine erzählerische Meisterleistung. Die aus meiner Sicht ziemlich gradlinig verfolgbare Handlung bildet aber auch nicht das tragende Element der Geschichte. In diesem Fall sind die humoristischen Wendungen und überzeichneten Gesten und die Mimik das ausschlaggebende Element, warum der Comic Anklang findet. Erst nach mehrfachem Durchlesen sind mir Kleinigkeiten aufgefallen, welche dann doch auf opulente Montagearbeiten zurückzuführen sind.31
31 Vergl. dazu Abb. 11-12 mit 13. Hierzu: Auf dieser Doppelseite zieht sich das Panel unten links inhaltlich bis nach oben rechts. Obwohl es sich nicht offensichtlich um das selbe Motiv handelt, kann die Form des Berges erahnt werden. Die Komposition der Doppelseite zeigt die Situation, die darin gesetzten Panels, die Handlung. Auch wenn solche Dinge nicht unmittelbar erkannt werden, sind sie für den Lesefluss und das Erlebnis des Blätterns auch in einem zeichnerisch einfach gehaltenen Comic von grosser Wichtigkeit. Beachte Abb. 13, S.31.

Vergleichbar einfach gezeichnet ist Mister O von Lewis Trodheim. Hier handelt es sich aber nicht um eine durchgehende Geschichte: Ein Kreis, eben Mister O, versucht über eine Klippe zu gelangen. Versuch nach Versuch will es aber nicht gelingen und es endet meistens darin, dass er in die Tiefe stürzt, also stirbt. Da diese Sammlung von Episoden oder eher Möglichkeiten, Seite für Seite, Versuch für Versuch, dieselbe Panelgrösse und dieselbe Montage haben, entsteht tatsächlich fast keine Dramaturgie. Nach den ersten drei bis vier Seiten weiss man, dass er die andere Seite nicht erreichen wird. Für die Betrachtenden von Mister O ist das aber auch nicht weiter schlimm, denn es geht nicht darum, die Geschichte einer Schluchtenüberquerung in allen Facetten spannend aufzubauen und zu einem grossen Finale mit Up and Downs zu vermitteln. Hier spielt die kreative Vielseitigkeit von Lewis Trondheim die Hauptrolle und verlangt nach keiner Dramaturgie, die das Lesen angenehmer und spannender machen würde.32
Ebenfalls vergleichbar in Erzähltechnik und Montage, arbeitet Marc Antonie Mathieu in Richtung. 33 Auch er behält die Montage durchgehend gleich, erschafft aber mit einem Wechsel von ruhigen Bildern zu wilden, seitenausfüllende Zeichnungen trotzdem eine angenehme, wechselhafte Dramaturgie. Wie es bei Mister O klar ist, dass er die Klippe nicht überqueren kann, weiss man auch bei Mathieu nach den ersten paar Seiten, dass er sich von den Pfeilen leiten lassen, und er immer wieder auf den nächsten Pfeil stossen wird. Auch hier spielen die kreativen Übergänge, wie die Pfeile, die in die Geschichte integriert sind, eine wichtige Rolle. Trotz dieser Analogie, könnten die beiden Comics inhaltlich unterschiedlicher nicht sein. Während Mister O und auch Der Ausflug einer humoristischen Richtung nachgeht, erzählt Marc Antoine Mathieu, trotz einer ähnlichen Erzähltechnik, eine philosophische Bildgeschichte, welche grössere Fragen aufwirft und allerlei Interpretationen Platz bietet.34
32 33 Betrachte hierzu Abb. 14, S. 33. Hierzu noch genaueres: Der eigentliche Titel ist nicht Richtung, sondern effektiv ein Pfeil. Es war aber nicht möglich mit so einem Titel in den Systemen der Verlage und Druckereien zu arbeiten und so musste das Werk leider doch eine wörtliche Bezeichnung erhalten. Richtung wäre also eigentlich ein Comic, der nicht einmal im Titel einen Text beinhaltet und stellt damit eine grosse Ausnahme dar, da er komplett ohne Sprache auskommt. Betrachte hierzu Abb. 15-18. S. 34f.


Abbildung Abbildung

15 (links) 16 (rechts) Marc-Antoine Mathieu, Richtung, 2014, S.152. Ebd. S. 153.

Abbildung Abbildung

17 (links) 18 (rechts) Marc-Antoine Mathieu, Richtung, 2014, S.154. Ebd. S. 155.