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Vanille ist Balsam für die Seele

Nur ein kleiner Teil der Vanille gelangt als schrumpelige, schwarz glänzende Schote auf den Markt. Häufig ist natürliche Vanille bereits zu Paste oder Pulver verarbeitet oder mit Zucker vermischt. Meist stammt der verführerische Duft jedoch in Form von Vanillin aus dem Labor. Obschon Vanillin aus kostengünstigen Rohstoffen und von Bakterien produziert wird, darf dieses als «natürliches Aroma» gekennzeichnet werden.

Der süssliche Geschmack der Vanille ist überall präsent. Trotzdem kennen nur wenige, die täglich mit Vanille arbeiten, die Geheimnisse, welche in echten Schoten der «Königin der Gewürze» stecken.

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Gabriel Tinguely

BILDER

Adobe-Stock, Keystone-SDA

Jede einzelne der knapp einen Tag geöffneten Blüten muss von Hand bestäubt werden.

V

anille ist eine der bekanntesten Geschmacksrichtungen der Welt. Kaum eine Praline, ein Feingebäck oder Glace kommt ohne sie aus. In Kerzen, Ölen und Parfüms beduftet Vanille Räume und sorgt für ein behagliches Wohlgefühl. Selbst in der Cola-Rezeptur darf sie nicht fehlen. Die US-amerikanischen Süssgetränkehersteller Coca-Cola und Pepsi-Cola sind die weltgrössten Abnehmer von Vanille.

Im Jahr 2020 wurden 7523 Tonnen Vanille produziert. Die grössten Produzenten sind Madagaskar und die benachbarte, zu Frankreich gehörende kleine Insel La Réunion. Früher hiess diese «Île Bourbon» und gab der Bourbon-Vanille ihren Namen. Zusammen produzieren sie rund 2975 Tonnen Vanille. Auf Platz zwei und drei folgen Indonesien mit 2306 Tonnen und Mexiko mit 589 Tonnen.

Ewige Liebe: Vanille und Kakao

Im Ursprungsland Mexiko wurde Vanille bereits lange vor der Ankunft der Europäer im Jahr 1517 geschätzt. So sollen die Azteken ein Getränk aus Vanille und dem ebenfalls aus Zentralamerika stammenden Kakao gemixt haben, welches Vanille bis heute mit Schokolade verbindet.

Die spanischen Eroberer hüteten das Vanille-Monopol und verkauften die Leckerei an die Reichen Europas. Ein Apotheker im Dienste Elizabeths I., Königin von England, Hugh Morgan, kreierte 1602 erstmals Vanillegebäck ohne Schokolade. Dieses fand grossen Anklang und ebnete den Weg für die heutige Popularität der Vanille. Der amerikanische Minister Thomas Jefferson lebte 1780 in Paris und war begeistert von der damals neu aufgekommenen Vanille-Rahm-Glace. Später, als dritter amerikanischer Präsident, liess er Vanilleglace an jedem Staatsbankett servieren.

Erst nach Mexikos Unabhängigkeit im Jahr 1810 gelangten Stecklinge der Vanille-Pflanze in die botanischen Gärten von Antwerpen und Paris. 1819 began- →

Die grün-gelben Kapselfrüchte, die wir als Schoten bezeichnen, schmecken krautig. Ihr begehrtes Aroma entwickeln sie während der Fermentation.

Gut zu wissen:

Nur ein Prozent der in Lebensmitteln oder aromatisierten Produkten vorkommenden Vanille stammt von echten Vanilleschoten. Im Jahr 1874 gelang den Chemikern Wilhelm Haarmann und Ferdinand Tiemann in Holzminden (DE) die synthetische Herstellung von Vanillin. Der erste Grundsto war Coniferin, den Bakterien in Vanillin umwandelten. Heute stehen biotechnologische Methoden zur Verfügung und Vanillin wird aus kostengünstigem Guajacol synthetisiert oder aus Lignin, einem Bestandteil von Holz, gewonnen. Industriell synthetisiertes Vanillin darf als «natürliches Aroma» de klariert werden. Trotz günstigem Vanillin blieb natürliche Vanille sehr begehrt. Denn neben Vanillin enthält natürliche Vanille über 250 weitere Geschmacks komponenten. nen die Niederländer damit, die Pfl anze in ihren Kolonien auf Java zu kultivieren. 1822 brachten die Franzosen sie nach La Réunion. Doch es verstrichen einige Jahre, bis in den neuen Anbauländern Vanilleschoten geerntet werden konnten. Denn dort fehlten die in Mexiko beheimateten natürlichen Bestäuber wie die MeliponaBiene oder der Kolibri. Jede der nur einen Tag geöff neten Vanilleblüten musste von Hand bestäubt werden. Kein einfaches Unterfangen. 1841 entwickelte Edmond Albius, ein Sklavenarbeiter auf La Réunion, die effi ziente Methode der Bestäubung von Hand. In der Folge wurde Vanille auch für weniger begüterte Familien erschwinglich.

Handarbeit hat ihren Preis

Der Vanille-Markt ist sehr komplex und nicht nur die händische Bestäubung von Millionen von Blüten bestimmt den stark schwankenden Preis. «Steigt der Mindestpreis, vergrössern die Bauern ihre Anbaufl ächen», sagt André Willimann, Verkaufsleiter bei der J. C. Fridlin Gewürze AG in Hünenberg/LU. «Doch höhere Preise haben immer auch eine Verminderung der Nachfrage zur Folge. Bei hohen Preisen besteht zudem das Risiko, dass die Schoten zu früh geerntet werden, weil die Bauern Angst vor Diebstählen haben.» Einen grossen Einfl uss auf die Ernte hat auch das Wetter. Anfang Februar 2022 fegte ein Zyklon über Madagaskar, der einen grossen Teil der Vanillepfl anzen zerstörte.

Im Idealfall werden die geschmacklosen Schoten kurz vor der optimalen Reife geerntet. Auch da ist Handarbeit gefragt. Auf die Behandlung mit heissem Wasser oder Wasserdampf folgt die Fermentation in luftdichten Behältern. Während diesem, bis zu vier Wochen dauernden Vorgang entwickelt die Vanille ihren Geschmack. Anschliessend gilt es, die schwarzgebräunten Schoten zu trocknen, zu sortieren und für den Versand zu verpacken. In den Handel kommen nur einwandfreie Schoten. Handelsübliche Vanilleschoten haben eine Länge von 14 bis 15 Zentimetern. Der Preis beträgt je nach Anbieter bis zu 1400 Franken pro Kilo. Abgebrochene oder gespaltene Schoten werden industriell zu Vanillezucker verarbeitet.

Vanille-Schoten haben mehrere Leben

Beste Vanilleschoten der Sorte Planifolia bietet The Vanilla Manufaktur in Schlieren/ZH an. Stephan Stemminger, Privatkoch und Mitglied beim Schweizer Kochverband, importiert qualitativ hochstehende Vanille direkt von Pfl anzern aus Indonesien und verabeitet diese in der Schweiz zu Paste, Pulver und Vanillezucker. Die von ihm angebotenen Schoten der günstigeren Qualität sind 20 bis 21 Zentimeter lang. Die der höchsten Qualität haben eine Extra-Länge von 21 bis 23 Zentimetern. Neben der Länge spielt der Vanillingehalt eine wichtige Rolle. Dieser liegt bei Stemmingers Vanille zwischen 2,3 und 2,6 Prozent. Werte über zwei Prozent wurden vom Labor Veritas letztmals im Jahr 2010 gemessen.

Schoten der Länge nach halbieren und die öligen Samen herauskratzen. So steht es in vielen Rezepten. Häufi g wird dies damit ergänzt, dass die Schote für eine Creme oder Sauce mitgekocht werden kann. «Das Vanille-Aroma ist in Wasser,

Vanille zählt zu den Orchideen. Von rund 120 Arten der Gattung Vanilla liefern 15 aromatische Kapseln. Doch nur drei Arten werden kommerziell angebaut: • Gewürzvanille (Vanilla planifolia) ist die wichtigste. Sie stammt ursprünglich aus Mexiko und Mittelamerika, wird heute aber überwiegend auf Madagaskar,

La Réunion (früher Île Bourbon genannt) und Indonesien sowie anderen Inseln des Indischen Ozeans angebaut. Ge würz vanille wird im Handel unter den Bezeichnungen Bourbon-Vanille und mexikanische Vanille angeboten.

Ihr Anteil an der weltweiten Vanille-

Produktion beträgt 95 Prozent. • Tahiti-Vanille (Vanilla tahitensis) wird im südpazifi schen Raum angebaut.

Die Tahiti-Vanille enthält weniger Vanillin, jedoch höhere Gehalte an anderen aromatischen Substanzen, die den

Schoten ein blumiges Aroma verleihen.

Sie wird vor allem in der gehobenen

Gastronomie verwendet.

• Guadeloupe-Vanille (Vanilla pompona) ist auch von kommerzieller Bedeutung, stammt aus Mittel- und Südamerika und wird heute auf den Westindischen Inseln angebaut. Sie besitzt ähnliche aromatische Eigenschaften wie die Tahiti-Vanille und wird vorrangig für die Herstellung von Parfüm verwendet.

Fett – also Milch oder Rahm – und Alkohol löslich», sagt André Willimann. Doch damit ist deren Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft. Abgewaschene und getrocknete Schoten können mehrfach verwendet werden. Zum Beispiel zum Aromatisieren von Zucker. Dazu reicht es, die Schote mit Zucker einige Wochen in einem luft-

Schwarzgebräunte Vanille-Schoten werden nach ihrer Länge sortiert und konfektioniert.

dicht verschlossenen Glas aufzubewahren und regelmässig zu schütteln.

Vanille ist jedoch nicht nur das Gewürz für Süsses. Sie vermag Bitterkeit auszugleichen und verleiht Gerichten eine cremige Konsistenz. «Genial ist mit Vanille gewürzte Beurre blanc in Kombination mit rosa gebratenem Lachs, glasigem Zander oder Krustentieren», sagt Privatkoch und Vanille-Importeur Stephan Stemminger. «Als Vanille-Salz verleiht sie hellem Fleisch und sogar Grilladen eine delikate Note.» •

KONTAKT

The Vanilla Manufaktur Zürcherstrasse 118 8952 Schlieren/ZH the-vanilla.ch

J. C. Fridlin Gewürze AG Bösch 61 6331 Hünenberg/LU fridlin.ch

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