Beton- und Stahlbetonbau 1/2021

Page 50

DOI: 10.1002/best.202000044

AUFSATZ

Alexandra Spilker, Ludwig Stelzner, Frank Weise, Marko Wieland

Analyse der thermischen Dehnung von Fahrbahndeckenbetonen aus dem BAB-Netz Die Kenntnis von Materialeigenschaften spielt bei der Entwicklung oder Optimierung von Betonen und Bauweisen für den Straßenbau sowie der Qualitätssicherung eine bedeutende Rolle. Gleichermaßen bilden physikalische Materialkennwerte die Grundlage für die rechnerische Dimensionierung und die Restsubstanzbewertung von Betonfahrbahndecken. Eine relevante Kenngröße bei der Untersuchung thermisch induzierter Spannungs- und Verformungszustände stellt der thermische Ausdehnungskoeffizient dar. Im Zuge der systematischen Weiterentwicklung der rechnerischen Dimensionierung, aber auch im Zusammenhang mit der gezielten Verbesserung der Gebrauchseigenschaften von Betonfahrbahndecken gilt es zu hinterfragen, ob lastunabhängige Formänderungseigenschaften der verwendeten Betone aktuell ausreichend Beachtung finden, ob allgemeine Literaturwerte für die heutigen Fahrbahn­ deckenbetone stets Gültigkeit besitzen und ob deren Implementierung in numerische Modelle zu realitätsnahen Vorher­ sagen führt. Für eine empirische Herangehensweise ist die Verfügbarkeit adäquater Prüfverfahren von entscheidender Bedeutung. In Deutschland existiert aktuell jedoch kein standardisiertes oder genormtes Verfahren für die prüftechnische Bestimmung des thermischen Ausdehnungskoeffizienten von Beton. Daher wurden unter Beachtung straßenbauspezifischer Gesichtspunkte zwei Prüfansätze entwickelt, die in diesem Beitrag vorgestellt sowie hinsichtlich möglicher Messunsicher­ heiten und Messungenauigkeiten diskutiert werden. Außerdem werden ausgewählte Ergebnisse aus Analysen an Bestands­ betonen aus dem BAB-Netz dargestellt. Im Ergebnis sollen die Untersuchungen einen Beitrag zur Schaffung der prüftechnischen Voraussetzungen für eine abgesicherte Quantifzierung der thermischen Dehnung von Fahrbahndeckenbetonen leisten.

Analysis of the thermal expansion of pavement concrete from the German motorway network Knowledge of material properties plays a key role in the development or optimization of concretes and construction methods for road construction as well as for quality assurance processes. Similarly, physical material properties form the basis for the mathematical dimensioning and residual substance assessment of concrete pavements. The coefficient of thermal expansion of concrete represents a relevant characteristic value in the investigation of thermally induced stress and deformation conditions. In the course of the systematic further development of mathematical dimensioning, but also in conjunction with the targeted improvement of the performance properties of road pavements, it must be questioned whether load-independent deformation properties of the concretes applied, currently ­receive sufficient attention, whether general literature values for today’s pavement concretes are always appropriate and whether their implementation in modern mathematical models leads to valid results. For an empirical approach, the availability of adequate test procedures is of crucial importance. In Germany, however, there is currently no standardized procedure for the determination of the coefficient of thermal expansion of concrete. For this reason, two test approaches have been ­developed with regard to road construction aspects, and are presented in this article and discussed with regard to possible measurement uncertainties and measurement inaccuracies. In addition, selected results from the analyses of existing concretes from the federal autobahn network are presented. As a result, the investigations shall contribute to the creation of the test prerequisites for a verified quantification of the thermal ­expansion of concrete pavements.

Stichworte  Betonfahrbahndecken; Materialkennwerte; thermischer Ausdehnungskoeffizient; Prüfverfahren

Keywords  concrete pavements; material characteristics; coefficient of thermal expansion; test methods

1 Einleitung

der labortechnischen Bestimmung seit Einführung des Mechanistic Empirical Pavement Design Guide (MEPDG) eine höhere Bedeutung zugeschrieben. Im Rahmen von Sensitivitätsanalysen mittels MEPDG wurde festgestellt, dass αcT einen maßgebenden Materialparameter im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit von Betonfahrbahndecken darstellt. So besitzt αcT einen signifikanten Einfluss auf Stufenbildung, Rissbildung und die Ebenheit bei Decken in Plattenbauweise sowie auf das Auftreten von punch outs (spezielle Form von Oberflächenausbrüchen), die Rissbreite und die Ebenheit bei durchgehend bewehrten Fahrbahndecken (z. B. [2‒4]). Im Ergebnis wird z. B. in Kalifornien αcT im Rahmen der Qualitätssicherung während der Bauausführung experimentell bestimmt. In

Der thermische Ausdehnungskoeffizient αcT von Beton besitzt hinsichtlich der Analyse thermisch induzierter Spannungs- und Verformungszustände von Fahrbahnplatten einen hohen Stellenwert. So beeinflusst diese Kenngröße maßgeblich das Längsdehnungsverhalten des Deckensystems sowie das Ausmaß von Plattenkrümmungen und Fugenbewegungen bei den in Deutschland konventionell hergestellten Decken in Plattenbauweise (Bild 1). Bei der rechnerischen Dimensionierung [1] findet in Deutschland nur eine pauschale Berücksichtigung über allgemeine Tabellenwerte statt. Hingegen wird in den USA dem thermischen Ausdehnungsverhalten sowie 26

© 2020 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau 116 (2021), Heft 1

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