
29 minute read
Impaktsicherheit von Baukonstruktionen durch mineralisch gebundene Komposite: Materialebene
Iurie Curosu, Viktor Mechtcherine, Duy Minh Phuong Vo, Cornelia Sennewald, Chokri Cherif, Enrico Wölfel, Christina Scheffler, Ting Gong, Ali A. Heravi, Erik Tamsen, Daniel Balzani, Alaleh Shehni, Ulrich Häußler-Combe, Alexander Fuchs, Michael Kaliske, Christoph Scope, Edeltraud Günther
Im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs GRK 2250/1 „Impaktsicherheit von Baukonstruktionen durch mineralisch gebundene Komposite“ werden neuartige Verstärkungsmaterialien mit unterschiedlichen Faserbewehrungen entwickelt, die die Widerstandsfähigkeit bestehender Konstruktionen gegen kurzzeitdynamische Belastungen deutlich erhöhen sollen. Des Weiteren werden adäquate Prüfkonzepte und Messverfahren für eine grundlegende Charakterisierung und Beschreibung des dehnratenabhängigen Materialverhaltens geschaffen. Die experimentell erzielten Ergebnisse stellen eine wichtige Grundlage für die Formulierung numerischer Modelle zur Simulation von impaktbeanspruchten Kompositen sowie von verstärkten Betonstrukturen mit Kopplung unterschiedlicher Raum- und Zeitskalen dar. Schließlich werden im Rahmen des Projekts Methoden für die Analyse und Bewertung der Nachhaltigkeit und Resilienz von Verstärkungsmaßnahmen mit neuen Verbundwerkstoffen erarbeitet.
The Research Training Group GRK 2250/1 „Mineral-bonded composites for enhanced structural impact safety“ aims at the development of novel strengthening materials with various types of fiber reinforcement for enhancing the impact resistance of the critical infrastructure. Adequate testing methods and evaluation protocols are developed for a fundamental material characterization including the rate effects. The experimental results form an important basis for formulating numerical models for simulations of the composites, strengthening layers and concrete elements by linking different space and time scales. Finally, methods for evaluating the sustainability and resilience of the developed strengthening solutions and materials are developed.
Stichworte Impakt; Verstärkung; mineralisch gebundene Komposite; Textilbewehrung; Kurzfaserbewehrung; experimentelle Methoden; numerische Modellierung; Nachhaltigkeit Keywords impact; strengthening; mineral-bonded composites; textile reinforcement; short-fiber reinforcement; test methods; numerical modelling; sustainability
Bild 1 Impaktwiderstand eines Stahlbetonbauteils a) ohne und b) mit applizierter Verstärkungsschicht durch mineralisch gebundene Komposite Impact resistance of a reinforced concrete element a) without and b) with strengthening layers made of mineral-bonded composites
1 Einleitung
Die meisten heute existierenden sowie in Bau bzw. Planung befindlichen Gebäude und Bauwerke bestehen aus Beton oder Stahlbeton. Neben vielen Vorteilen dieser Bauweise weist sie auch einen bedeutenden Nachteil auf, und zwar einen relativ geringen Widerstand gegen kurzzeitdynamische Belastungen, wie z.B. Impakt, Detonation oder Erdbeben. Dies ist in erster Linie auf die Sprödigkeit des Werkstoffs Beton zurückzuführen. Angesichts der stets zunehmenden Gefahr des Eintretens solcher dynamischer Beanspruchungen, beispielsweise durch Naturkatastrophen oder Terroranschläge, besteht weltweit dringender Handlungsbedarf im Hinblick auf die Gewährleistung der Sicherheit der Menschen und der für ihr Leben wichtigen Infrastruktur.
Einem Impakt entgegenzustehen bedeutet, dessen kinetische Energie wirksam umzuwandeln. Hierfür müssen sich sowohl die Werkstoffe als auch die Konstruktion duktil verhalten und dabei eine ausreichende Restfestigkeit (Werkstoff) und Resttragfähigkeit (Konstruktion) aufweisen, wie in Bild 1 veranschaulicht. Darüber hinaus dürfen keine oder nur geringe Abplatzungen bzw. Frag-

Bild 2 15 mm dicke Textilbetonplatte mit zwei Lagen Carbontextilgelege, die zur Veranschaulichung nicht komplett im Mörtel eingebettet vorliegen 15 mm thick TRC slab with two layers of carbon textile, which are partly exposed for demonstration purpose Bild 3 Typisches Spannungs-Dehnungsverhalten von konventionellem Faserbeton und hochduktilem Beton; nach Mechtcherine [5] Typical stress-strain behavior of a conventional fiber reinforced concrete and SHCC; adopted from Mechtcherine [5]
mentierungen auftreten, die die Menschen gefährden oder sonstige Schäden im Bauwerksinneren verursachen könnten.
Vor diesem Hintergrund wurde an der TU Dresden ein multidisziplinäres Forschungsprojekt ins Leben gerufen, dessen Vision es ist, die oben geschilderte Problematik durch die Entwicklung neuartiger, mineralisch gebundener, duktiler Komposite zu lösen. Diese sollen als flächige dünnschichtige Verstärkungen auf die bestehenden Konstruktionselemente appliziert werden und dadurch deren Impaktresistenz drastisch erhöhen. Aufgrund erzielter Vorarbeiten, zusammengefasst in diesem Abschnitt und in Abschn. 2.1, wurden dafür Textilbeton (engl.: Textile Reinforced Concrete, TRC) und hochduktiler Kurzfaserbeton (engl.: Strain-Hardening Cement-based Composites, SHCC) als erfolgversprechende Ausgangsbasis identifiziert.
Textilbeton besteht aus feinkörniger zementgebundener Matrix und kontinuierlichen zweidimensionalen oder dreidimensionalen Textilgelegen aus Carbon, AR-Glas bzw. polymeren Multifilamentgarnen [1, 2], Bild 2. Er zeichnet sich durch ein quasiduktiles dehnungsverfestigendes Zugverhalten aus. Die Zugfestigkeit des TRC hängt von Fasermaterial, Art der Tränkung und dem Bewehrungsgrad ab, während das Ausmaß an multipler Rissbildung und die Rissbreiten durch die Textilgeometrie und -steifigkeit sowie den Garn-Matrix-Verbund bestimmt werden.
Herkömmliche Textilbewehrungen weisen hinsichtlich der Applikation als Verstärkungsschicht zur Erhöhung des Impaktwiderstands ein anisotropes Verhalten und eine relativ grobe Maschengröße auf und können daher die Mörtelabsprengungen bei hochdynamischen Beanspruchungen nicht effektiv hemmen. Die zusätzliche Einbettung disperser Kurzfaserbewehrung kann nicht nur mögliche Abspaltungen verhindern, sondern auch die Erstrissspannung und sogar die Zugfestigkeit von TRC erheblich steigern sowie die multiple Rissbildung fördern [3]. Solche Verbundwerkstoffe werden im Weiteren als Betone/Komposite mit hybrider Bewehrung bezeichnet. Ein Beispiel für kurzfaserbewehrte mineralisch gebundene Komposite sind hochduktile Betone [4, 5]. Dank der gezielten Auswahl von Hochleistungspolymerfasern mit extrem kleinem Durchmesser sowie der passenden Einstellung der Matrix- und Verbundeigenschaften zeichnen sich SHCC bei Zugbelastung durch ein dehnungsverfestigendes Verhalten mit ausgeprägter multipler Rissbildung und Bruchdehnungen von bis zu 5% aus, Bild 3. Im Vergleich zu TRC weisen SHCC zwar eine deutlich niedrigere Zugfestigkeit auf, deren hohe Duktilität qualifiziert das Material jedoch für die Bauteilverstärkung gegen energiereiche Impaktbelastungen.

Die Kombination von SHCC und Textilbewehrung verspricht die Vorteile der Verbindung beider Bewehrungskonzepte: hohe Zugfestigkeit und Bruchdehnung sowie hohe Steifigkeit im gerissenen Zustand und geringe Rissbreiten mit komplett verhinderter Fragmentierung bzw. Abspaltung. Diese Materialkombination lässt sich je nach Anwendungsfall durch verschiedene Verfahren aufbringen, wie z.B. Spritzen und Laminieren [6]. Die zudem nicht rostenden Bewehrungen aus Carbon oder Polymer begünstigen die Applikation in Form von dünnen (ca. 20 mm), aber sehr wirksamen Schichten mit geringem Eigengewicht [7].
Bereits vorhandene Erfahrungen mit SHCC und TRC sind für ihre adäquate Anwendung als Verstärkungsschichten gegen Impaktbelastungen nicht ausreichend. Die Komplexität der Komposite und der bei hochdynamischen Beanspruchungen der verstärkten Bauteile auftretenden Phänomene verlangen einen ganzheitlichen Ansatz. Dieser muss den gesamten Skalenbereich, ausgehend von den Werkstoffkomponenten bis hin zum Bauwerk, umfassen sowie unbedingt Nachhaltigkeitsaspekte einschließen. Ein solches Vorgehen kann nur durch die Bündelung der wissenschaftlichen Kompetenzen aus verschiedenen Fachgebieten erfolgen. Deswegen wurde ein auf neun Jahre ausgelegtes Graduiertenkolleg der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) initiiert; das GRK 2250 startete seine Arbeit im Mai 2017 [8]. Den Kern des Kollegs der ersten dreijährigen Phase bilden zwölf Promotionsprojekte, die jeweils einem der drei in Bild 4 farblich gekennzeichne-

Bild 4 Promotionsprojekte und Struktur der ersten dreijährigen Phase des GRK 2250 Doctoral projects and structure of the first three-years phase of the GRK 2250
Bild 5 Einfluss der Dehnrate auf das Zugverhalten von normalfestem SHCC mit a) PVA-Fasern und b) PE-Fasern; nach Curosu et al. [11] Influence of strain rate on the tensile behavior of normal-strength SHCC made with a) PVA-fibers and b) PE fibers; adopted from Curosu et al. [11]
ten Bereiche zugeordnet werden können: experimentell, numerisch und messtechnisch/empirisch.
Im vorliegenden Aufsatz sind die Ziele, Methoden und gewonnenen Ergebnisse auf Mikro- und Mesoskalen (Materialebene) zusammengefasst. Die wichtigsten experimentellen und numerischen Erkenntnisse auf Makroskala (Bauteilebene) werden in einem weiteren Aufsatz in dieser Ausgabe dargestellt [7].
2 Bewehrungen für mineralisch gebundene Komposite
2.1 Vorarbeiten zur gezielten Faserauswahl für hochduktile Betone
Das günstige mechanische Verhalten von SHCC wird durch eine gezielte Abstimmung der Eigenschaften der mineralisch gebundenen Matrix, der kurzen Bewehrungsfasern und der Interphase zwischen beiden Komponenten erreicht. „Mineralisch gebunden“ steht für verschiedene Arten von anorganischen Bindemitteln, wie Zement, reaktive Zusatzstoffe und Geopolymere. Um die Dehnungsverfestigung und multiple Rissbildung bei relativ geringen Fasergehalten von 1 bis 2 Vol.-% sicherzustellen, müssen die Fasern eine hohe Zugfestigkeit, einen kleinen Durchmesser und adäquate Oberflächeneigenschaften besitzen [9]. Beispiele hierfür sind Hochleistungsfasern aus Poly-Vinyl-Alkohol [10] und Polyethylen mit Ultra-Hoher Molekularer Masse (UHMWPE, kurz PE) [9]. Dichte und Festigkeit der Matrix werden in Abhängigkeit von Faserschlankheit und Hydrophilizität der Faseroberflächen angepasst.
Die für den quasistatischen Belastungsfall optimierte Kompositzusammensetzung ist jedoch meist nicht optimal im Hinblick auf den Impaktwiderstand des Komposits, da seine Komponenten – Polymerfasern, Matrix und Faser-Matrix-Verbund – unterschiedliche Dehnratensensitivitäten aufweisen [11]. Eine eingehende Charakterisierung des ratenabhängigen mechanischen Verhaltens der Komponenten bildet die Voraussetzung für das gezielte Werkstoffdesign impaktresistenter SHCC. Bild 5 zeigt als Beispiel das Spannungs-Dehnungsverhalten zweier SHCC, bewehrt mit 2 Vol.-% PVA- bzw. PE-Fasern unter quasistatischer (Dehnrate 0,001 s–1) und Impakt-Zugbeanspruchung (120 s–1). Dank dem ausgebildeten chemischen Verbund zwischen den hydrophilen PVA-Fasern und der normalfesten zementgebundenen Matrix weisen die PVASHCC unter quasistatischer Belastung im Vergleich zu PE-SHCC höhere Erstrissspannung und Zugfestigkeit sowie eine ähnliche Bruchdehnung auf. Unter hohen Dehnraten bringt die Mischung mit PVA-Fasern zwar eine Zunahme der Nachrisszugfestigkeit hervor, jedoch auch eine dramatische Abnahme von multipler Rissbildung und Bruchdehnung. Im Gegensatz zu den quasistatisch geprüften Probekörpern, die Faserversagen zeigten, wiesen die Bruchflächen des dynamisch geprüften PVASHCC einen vollständigen Faserauszug auf [11].
Für den SHCC mit hydrophoben PE-Fasern wird vergleichsweise eine ganz andere Entwicklung beobachtet. Der schwache Faser-Matrix-Verbund bedingt eine recht moderate Leistung dieser SHCC-Art unter quasistatischer

Belastung. Die dramatische Erhöhung der Dehnrate führt zu einer überproportionalen Steigerung der Festigkeit des Faser-Matrix-Verbunds im Vergleich zur Festigkeit von Fasern und Matrix und dadurch zu günstigeren mikromechanischen Verhältnissen. Auf der Kompositebene kann deswegen unter Impaktbeanspruchung eine erhebliche Steigerung von Zugfestigkeit, Bruchdehnung und Bruchenergie (hier: Fläche unter den Spannungs-Dehnungskurven) sowie eine ausgeprägtere multiple Rissbildung erzielt werden, Bild 5b).
2.2 Entwicklung und Erprobung nachhaltigerer Kurzfaserbewehrungskonzepte
Den Vorteilen der oben aufgeführten und anderen Hochleistungsfasern (z.B. aus Aramid oder PBO-Fasern [9]) stehen eine aufwendige und damit preisintensive Herstellung als Nachteile gegenüber. Deswegen werden im GRK 2250 Polypropylenfasern (PP-Fasern) als eine Alternative betrachtet. Sie zeigen zwar eine geringere mechanische Leistung, sind aber im Schmelzspinnverfahren sehr preiswert herstellbar, besitzen eine hohe chemische Beständigkeit, sind recyclingfähig und bieten damit ein großes Potenzial, zukünftig auch recycelte Rohstoffe für ihre Produktion einzusetzen. Darüber hinaus könnte der viskoplastische Charakter dieser Fasern deutlich verbesserte mechanische Eigenschaften bei höheren Dehnraten sichern. Im Rahmen des Graduiertenkollegs werden grundlegende Untersuchungen zu Einflüssen von Faserdurchmesser und -geometrie, Oberflächenstruktur sowie chemischer Oberflächenmodifizierung der PP-Fasern auf deren Zugverhalten und Faser-Matrix-Wechselwirkung durchgeführt. Die Verbundeigenschaften werden durch Einzelfaserauszugsversuche bei unterschiedlichen Dehnraten charakterisiert. Es zeigt sich dabei, dass die durch hohe Verstreckungsgrade im Spinnprozess erzeugten hohen Zugfestigkeiten und Elastizitätsmodule auch zu einer erhöhten Energieadsorption während des Faserauszugs führen (Bild 6) [12]. Zudem wird während des Verstreckens in großen Faserbereichen auch eine Strukturierung der Oberfläche beobachtet. Die Zunahme der Oberflächenrauigkeit führt bei Faserauszug zu einer verstärkten mechanischen Verhakung und wird als wesentlicher Mechanismus des Slip-Hardening-Effekts im Versagensprozess von SHCC identifiziert [13]. Chemische Modifikationen der Oberfläche zur Verbesserung der Benetzbarkeit und Anbindung führen nur bei niedrigen Dehnraten zu einer intensiveren Faser-Matrix-Wechselwirkung.
Vor diesem Hintergrund werden die Herstellung von Fasern mit erhöhter Oberflächenrauigkeit und die Charakterisierung dieser Fasern in Kompositproben unter quasistatischen und dynamischen Belastungen in weiteren Untersuchungen verfolgt.
2.3 Textilbewehrung
Als Betonbewehrung kamen bisher meist die für quasistatische Belastung optimierten 2D-Gelege aus hochfesten und steifen Materialien (Carbonfaser, Glasfaser) zum

Quelle: a), b) Steffi Preßler / Leibniz Institut für Polymerforschung (IPF) Dresden
Bild 6 REM-Aufnahmen der Oberflächen von PP-Fasern bei a) niedrigem und b) hohem Verstreckungsgrad sowie c), d) resultierende Kraft-Verschiebungskurven von Einzelfaser-Auszugsversuchen aus Betonmatrix Influence of the drawing ratio during PP-fiber spinning on surface roughness: SEM-images of PP-fiber surfaces produced with a) low and b) high drawing ratio with c), d) corresponding force-displacement curves of single fibers pullout out test of concrete matrix
Einsatz, die eine relativ geringe Dehnungskapazität besitzen. Im Rahmen des GRK 2250 werden innovative Textilien entwickelt, die die Energieabsorption impaktbelasteter Betonbauteile durch Ausnutzung vielseitiger Textileigenschaften effizient steigern können. Es werden hochduktile Werkstoffe (Stahl, PE) verwendet sowie technologische Lösungen für deren Verarbeitung erarbeitet. So wurden Gelege aus PE hergestellt und geprüft, die eine deutlich höhere inelastische Verformbarkeit der Komposite ermöglichen (vgl. Abschn. 3.1).
Neben 2D-Gelegestrukturen werden neuartige gewebte zellulare 3D-Bewehrungen geschaffen. Die räumliche Gestaltung als eine Art lasttragendes Mikrofachwerk ermöglicht ein effizientes Absorbieren der Impaktenergie [14]. Um ein tiefgreifendes Verständnis von Material-StrukturEigenschaftsbeziehungen sowie Methoden für anforderungsgerechte Systemauslegung hervorzubringen, werden die Verstärkungstopologien systematisch entwickelt [15] und deren Energieabsorption bezüglich Materialeigenschaften und Textilparametern theoretisch bewertet. Bild 7 stellt repräsentativ eine solche 3D-Bewehrungsstruktur dar, die eine gleichmäßige Kraftverteilung und geeignete Biege-, Druck- sowie Schubbelastbarkeiten sowie ein sehr hohes Energieabsorptionsvermögen aufweist.
Der günstige Impaktwiderstand der mit zellularen 3DDrahtstrukturen bewehrten Betonbauteile wurde durch hohe plastische Verformungen und gleichmäßige Rissbildung experimentell bestätigt. Für eine weitere Energieabsorptionssteigerung sind hybride 3D-Bewehrungen vorgesehen, bei denen verschiedene Materialien kombiniert werden.
In laufenden Untersuchungen werden 3D-Bewehrungen mit in Belastungsrichtung gradienten Eigenschaften entwickelt und mit textilbasierten, hochgradig strukturintegrierten Sensornetzwerken funktionalisiert.
3 Experimentelle Materialcharakterisierung
3.1 Quasistatische Referenzuntersuchungen
Die Referenzkennwerte der untersuchten Materialien werden in quasistatischen Versuchen an verschiedenen Betrachtungsebenen ermittelt. Es werden die mechanischen Eigenschaften der einzelnen Bestandteile der mineralisch gebundenen Komposite – Matrix, Kurzfaser, Garne und Textil – sowie deren Interaktionen bzw. Auszugsverhalten und schließlich das Verhalten der damit entwickelten Verbundwerkstoffe erfasst und beurteilt. Eine zentrale Fragestellung im Hinblick auf das Materialdesign bezieht sich auf die synergetische Zusammenwirkung der dispersen und kontinuierlichen Faserbewehrungen. Hierfür werden verschiedene Kombinationen von

Bild 7 Entwicklung gewebter Pyramidenstruktur als 3D-Bewehrung für Verstärkungsschichten Development of woven pyramidal structure as 3D-reinforcement for strengthening layers
Bild 8 a) Aufbau eines quasistatischen Zugversuchs; b) Zugtragverhalten eines hochfesten SHCC ohne Carbontextil sowie mit einer Lage Carbontextil und TRC und c) Rissbilder unmittelbar vor dem Bruch, gewonnen durch photogrammetrische Bildsequenzanalyse; nach Gong et al. [16] a) Quasi-static tension test setup for textile-reinforced specimens, b) curves of a high-strength SHCC without and with one layer of carbon textile and TRC; c) crack pattern provided by Digital Image Correlation; adopted from Gong et al. [16]

SHCC und Textilien untersucht [16]. Zum Einsatz kommen hochfeste zementgebundene Matrices, kurze Polymerfasern aus PE, PBO und PP sowie unterschiedliche Arten von Carbon- bzw. PE-Textilien sowie 3D-Strukturen aus Stahldrähten. Die Untersuchung von zahlreichen Materialvariationen soll eine wirtschaftliche und ökologische Optimierung dieser Komposite hinsichtlich Fasergehalt und -art ermöglichen, indem auch die Frischbetoneigenschaften mit Blick auf die Applikation dieser Materialien beleuchtet werden.
Bild 8 zeigt das Materialverhalten eines hochfesten SHCC mit 6 mm langen PE-Fasern mit einem Volumengehalt von 2%, ohne und mit Textilbewehrung (1 Lage Carbontextil SITgrid 040 von V.FRAAS, Bewehrungsgrad 0,75%). Die Textilbewehrung verbessert die multiple Rissbildung bei geringeren Rissbreiten und führt zu erheblich höherer Zugfestigkeit (Bild 8). Die angemessene Verbundfestigkeit zwischen polyacrylgetränkten Garnen und SHCC sorgt für eine Kompatibilität der Verformungen der Komponenten bis zum Versagen des Textils. TRC ohne Kurzfaserbewehrung zeigt dagegen nur wenige, sehr breite Risse sowie eine ausgeprägte Delamination der Matrix vom Textil.
Bei einer geringen Verbundfestigkeit zwischen Garn und SHCC, festgestellt bei Textilien mit Styrol-ButadienTränkung (TUDALIT-BZT2 von V. Fraas [17]), kann das Versagen des Textils durch die ununterbrochene Verformung und multiple Rissbildung in SHCC maskiert werden, wie die rote Kurve in Bild 9 zeigt. Zwar sinkt das Spannungsniveau mit dem Reißen des Carbontextils deutlich, jedoch erfolgt keine Versagenslokalisierung im hochfesten SHCC.
In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, wie anders sich das gleiche SHCC-Material in Kombination mit einer Lage Textil aus PE verhält, Bild 9. Zum unmittelbaren Vergleich wurde das Polymertextil analog dem Carbontextil TUDALIT-BZT2 mit denselben geometrischen Eigenschaften, einschließlich Filamentzahl und Tränkung, gefertigt. Gegenüber Carbonfasern weist die PE-Faser eine dreifache Dehnungskapazität bei nahezu gleicher Zugfestigkeit auf. Im Gegensatz zum mit Carbon verstärkten SHCC überschreitet die Verformbarkeit des Polymertextils das Verformungsvermögen des SHCC, was durch die vorzeitige Risslokalisierung trotz der weiteren Dehnungsverfestigung erkennbar ist. Der niedrigere E-Modul der PE-Filamente von ca. 80 GPa im Vergleich zum E-Modul der Carbonfasern (170 GPa) lässt zudem breitere Rissöffnungen zu, vgl. gestrichelte Kurven in Bild 9. Als Dehnung wird im Diagramm das Verhältnis zwischen der axialen Verformung im Messbereich zur ursprünglichen Länge angegeben. Die Kurvenabschnitte nach der Versagenslokalisierung wurden zur Veranschaulichung in den Diagrammen bewusst beibehalten, für sie gilt der Begriff Dehnung jedoch nicht.
Ob eine derart hohe Duktilität im Hinblick auf die Verstärkung gegenüber Impakt effektiv ausgenutzt werden kann, wird in weiteren experimentellen und numerischen Untersuchungen auf Bauteilebene geklärt werden [7]. Darüber hinaus wird weiterhin geprüft, ob solche Komposite auch als seitliche Schubverstärkung auf stoßbeanspruchten Stahlbetonträgern oder bei lokalen Impaktbeanspruchungen an der dem Impakt zugewandten Seite von Stahlbetonbauteilen – bei der die Schub- und Druckspannungen dominieren – die notwendige Schutzwirkung entfalten.
3.2 Materialcharakterisierung unter kurzzeitdynamischen Belastungen
Für quasiduktile Werkstoffe, die eine hohe Verformbarkeit durch multiple Rissbildung sowie heterogene und

Bild 9 Quasistatisches Zugverhalten von SHCC mit einer Lage Carbontextil bzw. PE-Textil; die gestrichelten Kurven stellen die verformungsabhängige Entwicklung der mittleren Rissbreiten dar Quasi-static tensile behavior of SHCC with one layer of textile made of carbon and PE, respectively; the dashed curves indicate the deformationdependent development of the average crack widths

Bild 10 a) Prinzip des neu entwickelten Split-Hopkinson-Tension-Bars, hier mit einer plattenförmigen textilbewehrten SHCC-Probe; b) zugehörige SpannungsDehnungskurve und c) photogrammetrisch ausgewertetes Rissbild kurz vor der Risslokalisierung; nach Heravi et al. [19] a) Split Hopkinson tension bar – setup for a planar SHCC specimen with textile reinforcement, b) corresponding stress-strain diagram and crack pattern prior to failure localization evaluated with Digital Image Correlation technique; adopted from Heravi et al. [19]
anisotrope Eigenschaften aufweisen, müssen geeignete dynamische Prüfmethoden zielführend entwickelt werden. Die Hopkinson-Bar-Prüfanlagen in verschiedenen Ausführungen werden für diese Materialprüfung am häufigsten verwendet [18]. Die Versuche und gebräuchlichen Auswertemethoden basieren auf der einaxialen Wellenausbreitung. Für quasiduktile Werkstoffe wie SHCC müssen sowohl die Belastungswelle als auch die Eingangs- und Ausgangsstäbe eine ausreichende Länge für die Ermittlung des Verlaufs der Belastungswelle und der Materialantwort in Form von Kraft-Verformungskurven ermöglichen. Außerdem müssen die Probenmaße einerseits zwecks Erreichen des dynamischen Spannungsgleichgewichts und Verringerung der Trägheitseffekte begrenzt werden und anderseits im Hinblick auf die Materialbeschaffenheit und das Bruchverhalten repräsentativ sein.
Während die Zugversuche an Beton und SHCC an zylindrischen Proben durchgeführt werden können, die den gleichen Durchmesser wie die Eingangs- und Ausgangsstäbe besitzen, stellen die Versuche an textilbewehrten Proben eine zusätzliche Herausforderung hinsichtlich des Versuchsaufbaus dar. Sie erfordern plattenförmige Probengeometrien, wodurch Adapter zu den runden Stäben notwendig werden, Bild 10. Ähnliche Anforderungen treten auch bei den Schubversuchen auf, bei denen spezielle Nachrüstungen/Gestelle zwischen die Eingangs- und Ausgangsstäbe eingebaut werden müssen, oder bei den Garnauszugversuchen, deren Proben abrupte geometrische, impedanzbezogene Diskontinuitäten aufweisen. In allen diesen Fällen wird die einaxiale Wellenausbreitung durch verschiedene eingebaute Teile gestört. Damit ist die ausschließlich wellenbasierte Auswertung nicht mehr zuverlässig [19]. Eine adäquate zusätzliche Messtechnik, wie die optischen Messungen mit Extensometer und High-Speed-Kameras, sind für die Erfassung der Probenverformung in Abhängigkeit von der übertragenen Kraft unabdingbar. Die High-Speed-Kamerasysteme ermöglichen außerdem eine detaillierte räumliche und zeitliche Auswertung der Rissentwicklung im Prüfkörper. Die Prüfung von textilbewehrten Proben stellt eine Herausforderung nicht nur durch ihre Geometrie, sondern auch durch die Inkompatibilität unter der Bedingung der kleinen Probenlänge dar. Die mangelnde Verankerung der Textilgarne in kurzen Proben ermöglicht keine optimale Ausnutzung der Textilbewehrung und folglich keine komplette Materialcharakterisierung.
Die wichtigsten Anforderungen an solche komplexen Versuchskonfigurationen sowie die grundlegenden Mechanismen und dynamischen Phänomene konnten in experimentell-numerischen Untersuchungen erschlossen werden. Bis zur Erarbeitung von experimentellen Lösungen für textilbewehrte Komposite unter Impaktbelastung kann die Abschätzung des Materialverhaltens mithilfe von numerischen Modellen genutzt werden, die die Eigenschaften und Dehnratenabhängigkeiten jeder Komponente (Matrix, SHCC, Garn und Garn-Matrix-Verbund) als Eingangsparameter verwenden.
4 Numerische Mehrskalen-Modellierung
Zentrales Ziel in der numerischen Simulation impaktbelasteter mineralisch gebundener Komposite ist es, die grundsätzliche Funktionsweise der Verbundwerkstoffe unter dynamischer Last besser zu verstehen, virtuell zu untersuchen und ein Werkzeug zur gezielten Materialoptimierung zu schaffen. Dazu werden auf verschiedenen Skalen und zudem skalenübergreifend numerische Ansätze entwickelt. Soll die Interaktion zwischen Fasern und zementgebundener Matrix modelliert werden, so ist dies auf mesoskopischer Ebene erforderlich. Hier wird zunächst unterschieden zwischen Gesteinskörnung, zementgebundener Matrix und, im Fall des SHCC, den Fasern. Die Anordnung von Kurzfasern ist zufällig. Neben diesen geometrischen Gegebenheiten sind die Material- bzw. Verbundeigenschaften der Komponenten zu berücksichtigen, insbesondere die Zugfestigkeit der zementgebundenen Matrix und das Verbundverhalten zwischen Matrix und Fasern. Ein Beispiel der gebräuchlichen Finite-

Bild 11 Mesoskopische 2D-Modellierung von faserbewehrtem Beton Mesoscopic 2D modelling of fiber reinforced concrete
Elemente-Modellierung für 2D ist schematisch in Bild 11 dargestellt.
Zugrunde liegt ein regelmäßiges Netz für das Kontinuum aus Zementmatrix und Gesteinskörnung, deren unterschiedliche Eigenschaften auf der Integrationspunktebene der Kontinuumselemente vertreten werden. Die Rissbildung in Elementen mit überwiegendem Anteil der zementgebundenen Matrix wird durch den Ansatz „strong discontinuity approach (SDA)“ in Abhängigkeit von der Belastungsgeschichte nachgebildet. Einzelne Fasern werden durch eine Reihe von Stabelementen modelliert, deren Knoten unabhängig von denen der Kontinuumselemente angeordnet werden. Die Kopplung erfolgt durch spezielle Verbundelemente, die ein nichtlineares Verbundverhalten in Faserlängsrichtung und Separierung in Querrichtung darstellen.
Dieser Ansatz wird auch für die numerische Simulation von SHCC-Prüfkörpern verwendet. Dabei wird einerseits die Gesteinskörnung vernachlässigt, da die Mischung ein Größtkorn unter 1 mm aufweist. Andererseits wird ein Fasergehalt von 2 Vol.-% zugrunde gelegt, was in typischen Datensätzen die Modellierung von ca. 105 Fasern und einen entsprechenden Rechenaufwand bedingt. Es zeigte sich, dass eine derartige Modellierung die numerische Simulation experimenteller Untersuchungen erlaubt [20, 21]. Damit ergeben sich die Grundlagen für weiterführende Parameterstudien zum besseren Verständnis des mechanischen Verhaltens von SHCC.
Zur Analyse des dynamischen Verhaltens von SHCC wird eine Mehrskalenmethode entwickelt, die die Berücksichtigung der Trägheitskräfte auf Mikroskala in Kopplung mit makroskopischen dynamischen Belastungszuständen zulässt. Die Methode basiert auf Homogenisierungsvorschriften, die aus einer erweiterten Formulierung der Hill-Mandel-Bedingung erhalten werden, auf deren konsistenten Linearisierungen [22] sowie auf ausgewählten Nebenbedingungen für die Verschiebungen auf der Mikroskala zur kinematischen Skalenkopplung. Sie wird durch die Simulation eines Metamaterials validiert, vgl. [23], welches durch spezielle Resonanzeigenschaften auf der Mikroskala frequenzabhängiges makroskopisches Verhalten aufweist. Die erarbeitete Mehrskalenmethode wird ferner zur virtuellen Untersuchung der dynamischen Eigenschaften von SHCC verwendet. Hierzu werden auf der Mikroskala bisherig vorhandene Modelle eingesetzt, welche ein grundsätzliches Reißen der Matrix sowie einen ratenabhängigen Faserauszug nur in stark vereinfachter Form abbilden können. Als Berechnungsbeispiel wird ein Split-Hopkinson-Bar-Versuch reproduziert, wie in Bild 12a) dargestellt. Durch die Homogenisierungsmethode können die verschiedenen dynamischen Einflüsse separat untersucht werden. Bild 12b) zeigt den zugehörigen Vergleich der dynamischen Simulation mit einer quasistatischen Rechnung. Außerdem werden der Einfluss der Belastungsfunktion (Bild 12c)), des ratenabhängigen Materials (Bild 12d)) und der Mikroträgheit (Bild 12e)) untersucht. Auch wenn die numerischen Ergebnisse noch nicht im Detail mit den experimentellen Messungen übereinstimmen, zeigt sich, dass die entwickelte Methode unter Berücksichtigung komplexerer mikromechanischer Modelle eine große Hilfe für die Interpretation der makroskopisch gemessenen Daten durch virtuelle Analyse auf der Mikroskala darstellen kann.
Diese Entwicklungen stellen einen wesentlichen Fortschritt im Vergleich zum State-of-the-Art der numerischen Modellierung dar und bieten neue Erkenntnisse zu den Materialparametern, die einen signifikanten Einfluss auf das Spannungs-Dehnungsverhalten von SHCC haben.
Zur Untersuchung der mesoskopischen Verbundmechanismen von TRC sowie zur Charakterisierung des effektiven Tragverhaltens auf Strukturebene wird ein numerisches FE-Modell eines entsprechenden representative volume element (RVE) entwickelt. Hierfür wird die Geometrie des RVE aus dem geschichteten und periodischen Aufbau der Mesostruktur abgeleitet. Weiterhin werden geeignete Materialmodelle zur Beschreibung der dominanten mechanischen Charakteristiken der Grundwerkstoffe formuliert. Hierbei werden die Textilgarne als transversal isotrop elastisch beschrieben. Für die Feinbetonmatrix wird das in [24] vorgestellte gradienten-erweiterte Microplane-Modell verwendet, welches das plastische sowie schädigungsmechanische Verhalten von Beton unter multiaxialer Beanspruchung gut abbildet. Die Verbundmechanismen an den Materialgrenzflächen werden durch eine geeignete Interfaceformulierung erfasst, welche Ablöse- und Reibungseffekte sowie Kontakt berücksichtigt. Die Parameter der konstitutiven Modelle werden anhand entsprechender Materialdatenblätter und experimenteller Ergebnisse kalibriert. Auf Grundlage des entwickelten TRC-RVE werden das Schädigungs- sowie Tragverhalten der Verbundstruktur mittels numerischer Materialtests analysiert. Hierfür wird das RVE durch das Aufbringen eines definierten makroskopischen Verzerrungszustands mittels periodischer Randbedingungen belastet. Die effektive Materialantwort wird daraufhin durch einen numerischen Homogenisierungsansatz in Form der makroskopischen Spannungs-Verzerrungsbeziehung be-

Bild 12 a) Skizze der zweiskaligen Finite-Elemente-Problemematik; Einfluss: b) der dynamischen Belastung; c) der Belastungsgeschwindigkeit; d) des dehnungsratenabhängigen Fasermodells und e) der Mikroträgheit; nach Tamsen et al. [22] a) Sketch of the two-scale finite element problem; the plots show the influence of: b) the dynamic loading, c) the loading rate, d) the strain ratedependent fiber model, and e) microscopic inertia effects; adopted from Tamsen et al. [22]
schrieben. Zudem ermöglicht die mesomechanische Analyse der Verbundstruktur einen tiefgreifenden Einblick in die Entwicklung lokaler Schädigungszonen und die einhergehende Kraftumverteilung. Die numerischen Materialtests bieten somit einen effizienten Ansatz zur skalenübergreifenden Strukturanalyse von TRC, wie sie in Bild 13 schematisch dargestellt ist und in [25] detailliert beschrieben wird. Durch die Verwendung geeigneter Materialmodelle wird der vorgestellte Ansatz zur Analyse hybrider Verstärkungsschichten und zu deren mesomechanischen Materialmodellierung unter multiaxialer und transienter Beanspruchung erweitert.
5 Nachhaltigkeitsbewertung
Neue Verbundwerkstoffe und Verstärkungskonzepte können erst zur breiten Anwendung gelangen, wenn sie technische, finanzielle, ökologische und gesellschaftliche Vorteile gegenüber bestehenden Materialien und Systemen vorweisen können. Eine ganzheitliche Analyse und Bewertung von Maßnahmen zur Erhöhung der Impaktsicherheit von Beton- und Stahlbetonbauwerken durch dünne Schichten aus faserbewehrten mineralisch gebundenen Materialen entlang aller Nachhaltigkeitsdimensionen errichtet hierzu die erforderliche Wissensbasis. Die erzielten Analyseergebnisse sollen einerseits in die Entwicklung dieser neuen Verstärkungssysteme frühestmöglich integriert werden und anderseits vorbereitend als eine wirtschaftswissenschaftliche Basis für die künftige Markteinführung dienen.
Auf der Basis wissenschaftlicher Modellierungsansätze und in enger Abstimmung mit den am GRK 2250 vertretenen Ingenieurdisziplinen wird ein Nachhaltigkeitsbewertungskonzept geschaffen, welches die Entwicklungsphase begleitet und mithilfe iterativer Feedbackprozesse zu nachhaltigeren Verbundwerkstoffen führt (Bild 14). Für die erforderliche Datenqualität wird im Rahmen der experimentellen Untersuchungen eruiert, wie methodisch mit Unsicherheiten und Datenlücken umgegangen werden kann.
Ausgangspunkt für die entwickelte Nachhaltigkeitsbewertung ist eine systematische Literaturrecherche zum Stand der Forschung hinsichtlich Sanierung, Verstärkung und Instandhaltung von Betonbauwerken. Es zeigte sich, dass die Mehrheit der identifizierten Studien eine substanzielle Einschränkung auf ökologische oder ökonomische Kriterien vornimmt und die soziale Nachhaltigkeitsdimension nicht oder nur qualitativ bewertet. Für eine eigene Pilotfallstudie zur Bewertung der ökologischen

Bild 13 Schematische Darstellung numerischer mesomechanischer Materialtests an Textilbeton; nach Fuchs et al. [25] Illustration of numerical mesomechanical material tests on TRC; adopted from Fuchs et al. [25]

Bild 14 Bewertungsprozess und Aggregationsebenen einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsbewertung in der Entwurfsphase; in Anlehnung an Finkbeiner et al. [26] und Lepech [27] Evaluation process and aggregation levels of a holistic sustainability assessment in the design phase; acc. to Finkbeiner et al. [26] and Lepech [27]
Nachhaltigkeit der entwickelten Verstärkungsmaterialien können einzelne Good Practices der Studien erkenntnisgewinnend Anwendung finden. Betrachtet wurden mit Kurzfasern und/oder Textilmaterialien bewehrte Probekörper. Zwischenergebnisse zeigen, dass damit eine Bewertung zur Materialauswahl in der Entwurfsphase ermöglicht werden kann (Bild 14). Eine besondere Rolle kommt hierbei der geeigneten Definition der funktionellen Einheit zu.
Diese Arbeiten werden weiter vertieft, indem die Methodik schrittweise auf alle Nachhaltigkeitsdimensionen erweitert und für möglichst viele der untersuchten Materialzusammensetzungen und Verstärkungsmaßnahmen
angewandt wird. Ferner soll zukünftig eine Resilienzbewertung komplementär zur Nachhaltigkeitsbewertung konzeptualisiert und in den Entwicklungsprozess integriert werden.
6 Zusammenfassung
Im DFG Graduiertenkolleg 2250 „Impaktsicherheit von Baukonstruktionen durch mineralisch gebundene Komposite“ wird eine neue Generation von mineralisch gebundenen Faserverbundwerkstoffen und darauf basierende konstruktive Lösungen einschließlich der theoretischnumerischen Modellbildung für die Verstärkung von impaktgefährdeten bestehenden Bauwerken entwickelt. Sie dient einer deutlichen Erhöhung der Sicherheit von Menschen und der wichtigen Infrastruktur unter Berücksichtigung wirtschaftlicher und ökologischer Gesichtspunkte. Der vorliegende Aufsatz fasst die in den letzten drei Jahren erzielten Ergebnisse auf der Materialebene zusammen. Die auf der Bauteilebene gewonnenen Erkenntnisse werden in einem komplementären Aufsatz dargestellt [7].
Zur In-situ-Messung und Auswertung von dynamischen Prozessen und Schädigungsmechanismen in impaktbelasteten Bauteilen werden in laufenden Untersuchungen gradiente 3D-Bewehrungen mit textilbasierten strukturintegrierten Sensornetzwerken geschaffen. In Bezug auf die Kurzfaserbewehrung wird die Grenzschicht von kurzen Polymerfasern im Hinblick auf Rissüberbrückungsverhalten und Nachhaltigkeit gezielt weiterentwickelt. Außerdem werden mineralisch gebundene Komposite mit reduziertem Klinkergehalt untersucht. Die Verstärkungsleistung dieser Komposite wird auch an der dem Impakt zugewandten Seite geprüft, indem speziell entworfene Prüfkonfigurationen für Schub- und Druckversuche unter Impakt konzipiert und angewandt werden.
Die bisher erarbeiteten numerischen Modelle werden für die Modellierung des Materialverhaltens und der Degradation hybrid verstärkter Betonverbundstrukturen unter Impaktbelastung erweitert. Die Simulation des Rissinitiierungs- und Rissfortschrittverhaltens auf Meso- und Makroebene wird mit gezielt hervorgebrachten Modellen im Rahmen der Erweiterten-Finite-Elemente-Methode untersucht.
Schließlich wird an einer multidimensionalen Bewertung der geschaffenen Verstärkungswerkstoffe und -systeme einschließlich der Formulierung eines Konzepts zur umfassenden Einschätzung der Resilienz gearbeitet.
Dank
Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Förderung des Graduiertenkollegs GRK 2250/1 – Projektnummer 287321140.
Literatur
[1] Lorenz, E.; Schütze, E.; Weiland, S. (2015) Textilbeton –
Eigenschaften des Verbundwerkstoffs in: Beton- und Stahlbetonbau 110, Supplement 1: Verstärken mit Textilbeton,
S. 29–41. https://doi.org/10.1002/best.201400114 [2] Erhard, E.; Weiland, S.; Lorenz, E.; Schladitz, F.; Beckmann, B.; Curbach, M. (2015) Anwendungsbeispiele für
Textilverstärkung in: Beton- und Stahlbetonbau 110, Supplement 1: Verstärken mit Textilbeton, S. 74–82. https:// doi.org/10.1002/best.201400124 [3] Barhum, R.; Mechtcherine, V. (2012) Effect of short, dispersed glass and carbon fibres on the behaviour of textilereinforced concrete under tensile loading in: Engineering
Fracture Mechanics 92, pp. 56–71. [4] Li, V. C. (2003) On engineered cementitious composites (ECC): A review of the material and its applications in:
Journal of Advanced Concrete Technology 3, pp. 215–230. [5] Mechtcherine, V. (2015) Hochduktiler Beton mit Kurzfaserbewehrung – Baustoffliche Grundlagen und bautechnische
Anwendungen in: Beton- und Stahlbetonbau 110, H. 1,
S. 50–58. https://doi.org/10.1002/best.201400046 [6] Mechtcherine, V. (2013) Novel cement-based composites for the strengthening and repair of concrete structures in:
Construction and Building Materials 41, pp. 365–373. [7] Hering, M.; Scheerer, S.; Curbach, M.; Vo, D. M. P.; Sennewald, C.; Cherif, C.; Liebold, F.; Maas, H.-G.; Qinami, A.;
Steinke, C.; Fuchs, A.; Kaliske, M.; Curosu, I.; Mechtcherine,
V. (2021) Impaktsicherheit von Baukonstruktionen durch mineralisch gebundene Komposite: Bauteilebene in: Beton-
und Stahlbetonbau 116, H. 1, S. 58–67. https://doi.org/ 10.1002/best.202000067 [8] Curosu, I.; Mechtcherine V.; Hering, M.; Curbach, M. (2019) Mineral-bonded composites for enhanced structural impact safety – overview of the format, goals and achievements of the Research Training Group GRK 2250 in: Pijaudier-Cabot et al. (Hrsg.) 10th International Conference on
Fracture Mechanics of Concrete and Concrete Structures
FraMCoS-X, Bayonne, Frankreich. [9] Curosu, I.; Liebscher, M.; Mechtcherine, V.; Bellmann, C.;
Michel, S. (2017) Tensile behavior of high-strength strainhardening cement-based composites (HS-SHCC) made with high-performance polyethylene, aramid and PBO fibers in:
Cement and Concrete Research, Nr. 98, pp. 71–81. [10] Curosu, I.; Liebscher, M.; Alsous, G.; Muja, E.; Li, H.;
Mechtcherine, V.; Drechsler, A.; Frenzel, R.; Synytska, A. (2020) Tailoring the crack bridging behavior of strain-hardening cement-based composites (SHCC) by chemical surface modification of poly(vinyl alcohol) (PVA) fibers in:
Cement and Concrete Composites 114, 103722. [11] Curosu, I.; Mechtcherine, V.; Forni, D.; Cadoni, E. (2017)
Performance of various strain-hardening cement-based composites (SHCC) subject to uniaxial impact tensile loading in: Cement and Concrete Research, Nr. 102, pp. 16–28. [12] Wölfel, E.; Scheffler, C.; Curosu, I.; Mechtcherine, V. (2018)
Single Fibre Pull-Out Tests of Polypropylene and Glass
Fibres in Cement-Based Matrices at High Loading Rates in:
Proceedings ECCM18 – 18th European Conference on
Composite Materials, 24.–28. Juni, Athen, Griechenland. [13] Wölfel, E.; Scheffler, C. (2019) Interphases in polypropylene and glass fiber reinforced cementitious model composites under dynamic loading in: Pijaudier-Cabot et al. (Hrsg.) 10th International Conference on Fracture Mechanics of
Concrete and Concrete Structures FraMCoS-X, Bayonne,
Frankreich. [14] Sennewald, C. (2016) Generative Struktur-, Technologie- und Webmaschinenentwicklung für unikale zellulare 3D
Strukturen in Leichtbauweise [Dissertation]. Technische
Universität Dresden. Dresden: TUDpress. [15] Vo, D. M. P.; Sennewald, C.; Hoffmann, G.; Cherif, C. (2018) Fiber-based 3D cellular reinforcing structures for mineral-bonded composites with enhanced structural impact tolerance in: International Journal of Civil and Environmental Engineering 12, Nr. 5, pp. 582–586. [16] Gong, T.; Ahmed, A. H.; Curosu, I.; Mechtcherine, V. (2020) Tensile behavior of hybrid fiber reinforced composites made of strain-hardening cement-based composites (SHCC) and carbon textile in: Construction and Building
Materials 262, 120913. [17] Deutsches Institut für Bautechnik (2016) Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung: Verfahren zur Verstärkung von
Stahlbeton mit TUDALIT (Textilbewehrter Beton). Berlin:
Deutsches Institut für Bautechnik. [18] Gama, B. A.; Lopatnikov, S. L.; Gillespie, J. W. (2004) Hopkinson bar experimental technique: A critical review in:
Appl. Mech. Rev. 57, Nr. 4, pp. 223–250. [19] Heravi, A. A.; Fuchs, A.; Gong, T.; Curosu, I.; Kaliske, M.;
Mechtcherine, V. (2020) Mechanical characterization of textile reinforced cementitious composites under impact tensile loading using the split Hopkinson tension bar in:
Cement and Concrete Composites 114, 103769. [20] Shehni, A.; Häussler-Combe, U.; Curosu, I.; Gong, T.;
Mechtcherine, V. (2019) Numerical simulation of HS-SHCC under quasi-static tensile loading in: Pijaudier-Cabot et al. (Hrsg.) 10th International Conference on Fracture Mechanics of Concrete and Concrete Structures FraMCoS-X,
Bayonne, Frankreich. [21] Häussler-Combe, U.; Shehni, A.; Chihadeh, A. (2020) Finite element modeling of fiber reinforced cement composites using strong discontinuity approach with explicit representation of fibers in: International Journal of Solids and Structures Bd. 200–201, pp. 213–230. [22] Tamsen, E.; Weber, W.; Balzani, D. (2018) First steps towards the direct micro-macro simulation of reinforced concrete under impact loading in: Proceedings of Applied
Mathematics and Mechanics 18, e201800181. [23] Liu, C.; Reina, C. (2018) Dynamic homogenization of resonant elatic metamaterials with spacetime modulation in:
Computational Mechanics 64, pp. 147–161. [24] Fuchs, A.; Kaliske, M. (2019) A gradient enhanced viscoplasticity-damage microplane model for concrete under static and transient loading in: Pijaudier-Cabot et al. (Hrsg.) 10th International Conference on Fracture Mechanics of
Concrete and Concrete Structures FraMCoS-X, Bayonne,
Frankreich. [25] Fuchs, A.; Kaliske, M. (2020) Numerical Mesoscale Analysis of Textile Reinforced Concrete in: Materials 13, 3944. [26] Finkbeiner, M.; Schau, E. M.; Lehmann, A.; Traverso, M. (2010) Towards Life Cycle Sus-tainability Assessment in:
Sustainability 2, Nr. 10, pp. 3309–3322. [27] Lepech, M. D. (2011) Durability, Economical, Ecological, and Social Aspects: Life-cycle Con-siderations in: Witmann, F.; van Zijl, G. (Hrsg.) Durability of Strain-Hardening
Fibre-Reinforced Cement-Based Composites (SHCC).
Dordrecht: Springer Netherlands, pp. 113–131. RILEM
State of the Art Reports. https://doi.org/10.1007/978-94007-0338-4_8
Autoren
Dr.-Ing. Iurie Curosu (Korrespondenzautor) iurie.curosu@tu-dresden.de Technische Universität Dresden Fakultät Bauingenieurwesen Institut für Baustoffe 01062 Dresden
Prof. Dr.-Ing. Viktor Mechtcherine mechtcherine@tu-dresden.de Technische Universität Dresden Fakultät Bauingenieurwesen Institut für Baustoffe 01062 Dresden
Duy M. P. Vo, M.Sc. duy.vo@tu-dresden.de Technische Universität Dresden Fakultät Maschinenwesen Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) 01062 Dresden
Dr.-Ing. Cornelia Sennewald cornelia.sennewald@tu-dresden.de Technische Universität Dresden Fakultät Maschinenwesen Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) 01062 Dresden Prof. Dr.-Ing. habil. Dipl.-Wirt. Ing. Chokri Cherif chokri.cherif@tu-dresden.de Technische Universität Dresden Fakultät Maschinenwesen Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) 01062 Dresden
Dipl.-Ing. Enrico Wölfel woelfel@ipfdd.de Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden. e. V. 01069 Dresden
Dr.-Ing. Christina Scheffler scheffler@ipfdd.de Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden. e. V. 01069 Dresden
Ting Gong, M.Sc ting.gong@tu-dresden.de Technische Universität Dresden Fakultät Bauingenieurwesen Institut für Baustoffe 01062 Dresden
Ali A. Heravi, M.Sc. ali.a.heravi@tu-dresden.de Technische Universität Dresden Fakultät Bauingenieurwesen Institut für Baustoffe 01062 Dresden
Dipl.-Ing. Erik Tamsen erik.tamsen@tu-dresden.de Technische Universität Dresden Fakultät Bauingenieurwesen Institut für Mechanik und Flächentragwerke 01062 Dresden
Prof. Dr.-Ing. habil. Daniel Balzani daniel.balzani@rub.de Ruhr-Universität Bochum Fakultät für Bau-/Umweltingenieurwissenschaften Lehrstuhl für Kontinuumsmechanik 44801 Bochum
Alaleh Shehni, M.Sc alaleh.shehni@tu-dresden.de Technische Universität Dresden Fakultät Bauingenieurwesen Institut für Massivbau 01062 Dresden
Prof. Dr.-Ing. habil. Ulrich Häußler-Combe ulrich.haeussler-combe@tu-dresden.de Technische Universität Dresden Fakultät Bauingenieurwesen Institut für Massivbau 01062 Dresden
Dipl.-Ing. Alexander Fuchs alexander.fuchs2@tu-dresden.de Technische Universität Dresden Fakultät Bauingenieurwesen Institut für Statik und Dynamik der Tragwerke (ISD) 01062 Dresden Prof. Dr.-Ing. habil. Michael Kaliske michael.kaliske@tu-dresden.de Technische Universität Dresden Fakultät Bauingenieurwesen Institut für Statik und Dynamik der Tragwerke (ISD) 01062 Dresden
Dipl.-Vw. Christoph Scope christoph.scope@tu-dresden.de Technische Universität Dresden Fakultät Wirtschaftswissenschaften Professur für Nachhaltigkeitsmanagement und Betriebliche Umweltökonomie 01062 Dresden
Prof. Dr. Edeltraud Günther guenther@unu.edu United Nations University UNU-FLORES 01067 Dresden
Zitieren Sie diesen Beitrag
Curosu, I.; Mechtcherine, V.; Vo, D. M. P.; Sennewald, C.; Cherif, C. ; Wölfel, E.; Scheffler, C.; Gong, T.; Heravi, A. A.; Tamsen, E.; Balzani, D.; Shehni, A.; Häußler-Combe, U.; Fuchs, A.; Kaliske, M.; Scope, C.; Günther, E. (2021) Impaktsicherheit von Baukonstruktionen durch mineralisch gebundene Komposite: Materialebene. Beton- und Stahlbetonbau 116, H. 1, S. 45–57. https://doi.org/10.1002/best.202000074 Dieser Aufsatz wurde in einem Peer-Review-Verfahren begutachtet. Eingereicht: 17. August 2020; angenommen: 5. November 2020.