8 minute read

HUMOR IST, WENN MAN TROTZDEM LACHT

Zu kaum einer Zeit hatte das Zitat von Otto Julius Bierbaum wohl mehr Gültigkeit. Verloren ist, wer den Humor verlor. Wolfgang Viertl-Strasser begegnet dem Begriff auf seine ganz eigene Art. Er ist Chemiker, war Senior Lecturer an der Uni Innsbruck, ist Schauspieler, Regisseur und bei den Roten Nasen Clowndoctors, Improvisationstalent und derzeit in Ausbildung zum Patentanwalt.

INTERVIEW: MARINA BERNARDI

Advertisement

Aufmerksam geworden sind wir auf Wolfgang Viertl-Strasser unter anderem durch sein Stück „Erika und die zweite Welle“, das sich in einer Mischung aus Theater, Liveexperimenten und Tanz mit der Biografie der Innsbrucker Chemieprofessorin Erika Cremer beschäftigt und in dem er unter anderem Regie führte. Wolfgang Viertl-Strasser ist einer, der scheinbar Unvereinbares in sich vereint, der in der Chemie pragmatisch-rational ebenso verankert ist wie künstlerisch-empathisch im Schauspiel und der Clownerie. Wir trafen im Gespräch auf einen klugen Mann mit wirklich feinem Humor.

ECO.NOVA: Schaut man sich Ihre Biografie an, trifft man darin die unterschiedlichsten Persönlichkeiten. Wie kam es zu dieser nüchtern-kreativen Kombination?

WOLFGANG VIERTL-STRASSER: Ich teile mein Leben grob in die zwei Bereiche des Technisch-Naturwissenschaftlichen und des Kreativ-Künstlerischen. Die technische Schiene ergab sich dabei völlig unspektakulär. Ich bin ins Gymnasium gegangen und anschließend an die HTL Fulpmes – eigentlich intendiert, weil ich die Tischlerei meines Vaters übernehmen hätte sollen, der Modellbauer für Industriebetriebe war. Da der Beruf als Selbständiger keine Zukunft hatte, habe ich den Betrieb nicht übernommen und bin in eine andere Richtung abgebogen. Auch der künstlerische Zugang entstammt der Unterstufenzeit und begann im Schultheater. Das Theater ist bald zu einem großen Lebensinhalt geworden und macht mittlerweile einen kreative Bereich im Vordergrund, tatsächlich ist es aber notwendig, auch an kreative Dinge mit einem gewissen Maß an Rationalität heranzugehen. Auf der anderen Seite ist auch in der Wissenschaft eine gewisse Form von Humor wichtig. Wenn man jahrelang an einem Projekt arbeitet und es nicht so recht funktionieren mag, dann ist ein künstlerischer Ansatz nicht der verkehrteste. Auch bei Präsentationen: Wenn man auf einem Kongress ist oder Vorträge hält, ist es absolut notwendig, dass man in der Lage ist, frei zu sprechen, auch vor einem größeren Publikum. So gesehen bedingen sich beide Bereiche zwar nicht unbedingt, aber sie ergänzen sich.

ebenso großen Teil meiner Persönlichkeit aus. Im Laufe der Zeit hat sich dieser Teil immer weiterentwickelt und ist dem Schultheater entwachsen. Ich kam zu anderen Theatergruppen, wurde Mitglied verschiedener Ensembles, vorrangig in Hall, wo ich gewohnt habe, sowie in Innsbruck. Aus dem heraus hat sich ein semiprofessioneller Zugang zum Thema entwickelt. Ich bin bei den Rote Nasen Clowndoctors gelandet, hab selbstständig Projekte umgesetzt und mich vom Theater ausgehend in alle möglichen literarischen und dramaturgischen Richtungen entfaltet.

Es gibt Menschen, die begegnen dem Leben eher mit dem Kopf, andere mit dem Bauch. Bei Ihnen scheint es gefühlt beides zu sein. Wo sind Sie eher zuhause?

Ich bin eher Kopfmensch, versuche aber, in den Bauch hinunterzugelangen.

Also eher Ratio als Emotio? Mhm … bei meiner Tätigkeit als Kunstschaffender, sprich als Darsteller oder Regisseur, steht eigentlich eher der emotionale, künstlerische und

In „Erika und die zweite Welle“, das letztes Jahr im Oktober Premiere feierte, haben Sie alle diese Elemente miteinander verbunden. Worum geht’s in dem Stück?

Das Stück habe ich letztes Jahr gemeinsam mit Eva Maria Kirschner und Martina Strasser auf die Bühne gebracht. Wir haben dafür eine Förderung vom Land Tirol bekommen

„Es lohnt sich, auch an kreative Dinge mit einem gewissen Maß an Rationalität heranzugehen. Auf der anderen Seite ist auch in der Wissenschaft eine gewisse Form von Humor wichtig.“

Multitalent Wolfgang ViertlStrasser 2018 bei den Haller Gassenspielen in Stefan Zweig’s „Volpone“.

und es bereits an mehreren Orten in Tirol zur Aufführung gebracht. Wir beschäftigen uns darin mit der Biografie der Chemieprofessorin Erika Cremer, die in den 1940er-Jahren in Innsbruck tätig und als Frau zu dieser Zeit allerhand Repressalien ausgesetzt war. Gegen Ende ihres Lebens und auch posthum hat sie doch noch jene Anerkennung erfahren, die ihr eigentlich schon zu Lebzeiten zugestanden hätte. Sie hätte sogar den Nobelpreis verdient, hat jedoch nie die Aufmerksamkeit bekommen, die sie dafür gebraucht hätte. Ihre Biografie haben wir künstlerisch erarbeitet und dargestellt, mit Chemieexperimenten kombiniert und dem Zuschauer damit ein chemisch-biografisches künstlerisches Darbietungspaket für die Füße gelegt. Das fand ich sehr lässig, denn ich mag es, wenn sich scheinbar konträre Dinge zu etwas Gemeinsamem zusammenfügen – wenn also These und Antithese zur Synthese werden.

Sie haben durch die Liveexperimente Theater auch zur Wissensvermittlung genutzt. Soll das Publikum aus Ihren Stücken generell etwas lernen bzw. soll Ihre Kunst über die reine Unterhaltung

hinausgehen? Auf jeden Fall. Schon vor besagtem Stück habe ich mich in der so genannten „Chemie-Clownerie“, ein Solokabarett ebenfalsl mit Liveexperimenten, dem Thema Wissensvermittlung genähert. Ich habe auch viel unterrichtet, war drei Jahre Senior Lecturer an der Uni und mehrere Jahre Lektor am MCI und habe unter anderem an der Volkshochschule Kurse für Kinder und Jugendliche gegeben. Ich würde sagen – und das ist eines der Talente, zu dem ich tatsächlich stehe –, dass ich Dinge gut erklären kann. So gesehen ist es ein wichtiger Aspekt bei allem, was ich tue. Es steht zwar nicht im Vordergrund, ich bin jedoch der Meinung, dass jeder etwas aus einer Vorlesung oder einem Theaterstück mitnehmen sollte, das er vorher noch nicht wusste.

Sie arbeiten mittlerweile Vollzeit in einer Kanzlei und lassen sich zum Patentanwalt ausbilden. Wie viel Zeit bleibt da noch

fürs Theater? Bis Dezember des letzten Jahres war ich hauptberuflich und professionell künstlerisch tätig. Meine Anstellung an der Uni ist regelkonform ausgelaufen, sodass ich Zeit hatte, mich voll auf das Erika-Biografietheater zu konzentrieren, außerdem habe ich gemeinsam mit der Arbeiterkammer eine Hörspielreihe begonnen. Jedes Monat kommen zwei Folgen von Winnie Ohnesorg heraus, eine liebevoll und schön geschriebene Geschichte von Armin Muigg für Kinder ab fünf Jahren, die ich vertone – also einspreche und mit Effekten und Atmosphären hinterlege. Es gab auch immer wieder kleinere Gigs und Improshows. Derzeit gilt mein berufliches Leben der Ausbildung zum Patentanwalt. Das Hörspiel läuft zwar noch und für den Sommer sind drei Auftritte geplant, aktuell widme ich mich jedoch eher wieder der technisch-naturwissenschaftlihen Seite meines Lebens.

Sie haben in der Vergangenheit viele unterschiedliche Ausbildungen in den verschiedensten Bereichen absolviert. Welche war die bisher schwierigste? Für mich persönlich war die wohl schwierigste Zeit jene an der HTL. Nicht wegen des Lernens allerdings. Ich war in der Unterstufe nie ein guter Schüler und immer knapp vorm Durchfallen, in der HTL hab ich plötzlich nur mehr

„Ich versuche, eine Rolle, die ich verkörpere, für mich persönlich so gut darzustellen, wie es mir möglich ist, und gleichzeitig im Kopf zu behalten, wie diese in Relation zu den anderen Figuren steht.“

WOLFGANG VIERTL - STRASSER

Einser bekommen. Der Grund war, dass ich im Stubaital im Internat war und da gab’s abseits der Schule nicht sonderlich viel zu tun. In dieser Zeit habe ich viel gelernt, in der Schule und bei mir selbst, und ich möchte die Zeit nicht missen, aber wiederholen auch nicht. Ich war mit meinen neuen Klassenkameraden nicht wirklich auf einer Wellenlänge und ziemlich isoliert. In Anbetracht dessen waren das echt schwierige fünf Jahre – weg von meinen Freunden, mit denen ich sehr eng war und immer noch bin, und weg vom Theater. Das war für mich derart schlimm, dass mich meine Mutter einmal die Woche abgeholt hat, sodass ich mittwochs zum Darstellenden Spiel an meine alte Schule durfte.

Sie stehen in Ihrem kreativen Leben sowohl auf der Bühne als auch davor – als Regisseur und Autor. Ist der Zugang zur Kreativität ein anderer, wenn man sie selbst darstellt oder sie von außen be-

trachtet? Ja, schon. Ich bin der Meinung, ein guter Darsteller versucht seinen eigenen Part als Teil des Ensembles zu sehen. Ich versuche, die Rolle, die ich verkörpere, für mich persönlich so gut darzustellen, wie es mir möglich ist, und gleichzeitig im Kopf zu behalten, wie diese in Relation zu den anderen Figuren steht. Oft gibt es bei Ensembles einen Schauspieler, der extrem heraussticht – dann ist alles beim Teufel, weil ein Stück ein homogenes Bild, ein Gesamtkunstwerk abgeben soll. Für viele Schauspieler ist es schwierig, nicht nur den eigenen Part gut zu machen, sondern sich auch in Beziehung zu anderen zu setzen. Als Regisseur und Projektleiter hat man, wenn man sich wie ich in der freien Szene bewegt, dafür andere Aufgaben, die auch über das Künstlerische hinausgehen. Ich habe beispielsweise keine Regieassistenz, kümmere mich um das Bühnenbild oder – wie im Fall der Erika Cremer, wo Chemikalien im Spiel waren – um Requisiten, man ist für die gesamte Abwicklung und Organisation zuständig. Als Darsteller hat man den „Luxus“, sich um nichts anderes kümmern zu müssen. Man arbeitet mit dem, was einem gegeben ist, um daraus dem Stück so gut wie möglich zu dienen. Als Regisseur hat man noch viele andere Dinge im Kopf, das ist ein gänzlich anderes Arbeiten mit anderen Herausforderungen. Auf der anderen Seite ist man damit emotional nicht so gefordert wie jemand, der sich voll auf seine Rolle einlässt.

Wo sehen Sie sich selbst in fünf Jahren?

Hätten Sie mir diese Frage vor einem Jahr gestellt, hätte ich sie wohl nicht so einfach beantworten können, im Moment weiß ich das in der Tat sehr genau. Ich mache meine Ausbildung zum europäischen Patentanwalt, die drei Jahre dauert, und danach noch eine zweijährige zum österreichischen. So gesehen sind meine nächsten fünf Jahre sehr genau geplant.

Jetzt Probe fahren

Der neue Tiguan Allspace

Verbrauch: 5,3 - 9,8 l/100 km. CO₂-Emission: 139 - 222 g/km. Symbolfoto. Stand 01/2022.

Zell amZiller,Zellbergeben 16 6277 Zellberg Telefon +4352822221 www.autohaus-huber.at

This article is from: