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Bezirk Affoltern

Freitag, 15. Oktober 2021

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Geistliches und Geistreiches Beliebte Vortragsreihe des Zuger Forums Kirche und Wirtschaft in Kappel Vor zwölf Jahren hat der frühere Buchhändler Christoph Balmer die Vortragsreihe «Wirtschaft und Werte» des Zuger Forums «Kirche und Wirtschaft» nach Kappel gebracht. Sie wurde ein Publikumserfolg. Nun tritt Balmer altersbedingt kürzer. Im Interview zieht er Bilanz.

auch einen spirituellen Auftakt und abschliessenden Gedankenaustausch ermöglicht. Mit dem Kloster und Gemeindesaal Kappel fand ich den idealen Ort dazu. Dass er ausserhalb des Kantons Zug liegt, ist kein Nachteil, im Gegenteil, Kappel ist ein Markenzeichen für die Veranstaltungsreihe geworden. Welche Bedeutung hat Ihrer Ansicht nach die Religion in der heutigen Zeit noch? Religion ist ein wichtiger Bestandteil für die Menschen und die Gesellschaft, gerade in der heutigen Krisenzeit. Die Religion beeinflusst unsere Wertvorstellungen, prägt das menschliche Verhalten, Handeln, Denken und Fühlen, gleich welcher Konfession. Viele der wichtigsten moralischen und ethischen Errungenschaften basieren auf religiösen Grundsätzen und wurden als allgemeine Regeln übernommen.

Im Internetzeitalter haben es physische Vortragsreihen – zumal mit religiösem Hintergrund – nicht leicht gegen die technisch aufgerüstete, atemlose Youtube-, Streaming-, TV- und Kinokonkurrenz. Mit einem Faible für zeitgemässe Themen und einem guten Händchen für prominente und pointierte Rednerinnen und Redner hat es Christoph Balmer dennoch geschafft, über die letzten zwölf Jahre in Kappel eine Vortragsreihe zu etablieren, die regelmässig den Gemeindesaal mit Publikum füllte. Am 1. Juni hat der 68-jährige Zuger nun die Leitung in die Hände seines zehn Jahre jüngeren Nachfolgers Thomas Hausheer gelegt und wird bald ins zweite Glied zurücktreten. Am Mittwoch, 20. Oktober, steht in Kappel die letzte Gesprächsrunde als Organisationsmitglied auf dem Programm. Zeit für eine Rückschau mit Bilanz. «Anzeiger»: Wie ist es zur Gründung der Fachstelle gekommen, wer gab den Ausschlag und was war der Grund dafür? Christoph Balmer: Entstanden ist die Fachstelle aus der Arbeit einer Konzeptgruppe aus Vertretern der katholischen Kirche Zug, der Zuger Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Sie waren der Auffassung, dass das Zusammenwirken zwischen Kirche und Wirtschaft in Zukunft an Bedeutung gewinnen würde. Zentral war die Verunsicherung, welche die Finanzkrise 2008 ausgelöst hatte. Die Kirche mit ihrer wirtschafts- und sozialethischen Kompetenz sollte in Bezug auf Werte und Normen vermehrt zu einem Ansprechpartner der Wirtschaftswelt werden. Die Kernidee des «Forums Kirche und Wirtschaft» war und ist also die Vernetzung und der Dialog. Die Fachstelle, welche von der katholischen Kirche Zug getragen und der reformierten Kirche Zug unterstützt wird, wurde zum 1. August 2009 neu geschaffen. Wie sind Sie zu dieser Stelle gekommen? Nach drei Jahrzehnten strategischer und operativer Führung der familieneigenen Buchhandlungen und Verlagsauslieferung Bücher Balmer habe ich mich 2008 aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen. Das gab mir die Gelegenheit zu einer Neuorientierung. Als

Nach zwölf Jahren tritt Christoph Balmer altersbedingt kürzer. (Bild zvg.) Generalist und in Zug verwurzelter und vernetzter Unternehmer evaluierte ich verschiedene Möglichkeiten in verschiedenen Branchen. Unter einer Vielzahl von Bewerbern wurde mir schliesslich der Aufbau der neu geschaffenen Fachstelle übertragen. Wie ist die Idee der Vortragsreihe entstanden bzw. wer hatte die Idee dazu? Zu Beginn meiner Tätigkeit war ich sehr viel unterwegs, um die Bedürfnisse und Möglichkeiten für den Aufbau der Fachstelle zu klären. Der Besuch von Vorträgen, Tagungen und Podiumsveranstaltungen zeigte mir die verschiedenen Formen und Wege der Wissensvermittlung. Daraus entstand die Idee, ein Forum für Führungspersonen und Entscheidungsträger und allgemein Interessierte aus Wirtschaft, Verwaltung, Kirche und Politik zu schaffen. Hochkarätige Referierende und Podiumsteilnehmende sollten dazu eingeladen werden, aktuelle Wirtschafts-, sozialethische und unternehmerische Fragen aufzunehmen. Unter dem Titel «Wirtschaft und Werte»

schaffte ich dann die Vortragsreihe. Daneben entwickelte ich andere Schwerpunkte, u.a. «Wirtschaft Live»: Begegnungen zwischen örtlichen Unternehmungen und den Mitarbeitenden und Behördenmitgliedern der katholischen und reformierten Kirchen; eine «Gesprächsrunde» mit Frauen und Männern in Führungsfunktionen zu Themen wie Arbeit und Verantwortung, eigene Ressourcen, Kirche, Glaube; «24 Stunden Out of Office», eine Auszeit aus dem Alltag mit Meditation und viel Stille, oder auch werteorientierte Führungsseminare. Es ist zur Tradition geworden, die Vortragsreihe in der Klosterkirche Kappel besinnlich einzuleiten und den Vorträgen anschliessend im Kappeler Gemeindesaal beizuwohnen. Wie kam man auf diese Locations, in einer reformierten Institution auf einst feindlichem Gebiet, wo 1531 die Reformierten gegen die Katholiken kämpften? Ich suchte einen Ort mit einem speziellen Ambiente und einer optimalen Infrastruktur, der neben dem Inhalt

Wie haben die Podiumsgäste jeweils reagiert, wenn Sie sie für die Vortragsreihe angefragt haben? Waren sie erstaunt, wohlwollend oder eher ablehnend, dass ihre Expertise von einem kirchlichen Gremium angefragt wurde? Da habe ich eine durchwegs positive Erfahrung. Für die Podiumsgäste war der Dialog zwischen «Kirche und Wirtschaft» meist fremd, aber die Möglichkeit, sich mit Gesprächsteilnehmenden aus unterschiedlichen Sparten von Kirche, Wirtschaft und Wissenschaft auseinanderzusetzen, war ein besonderer Reiz. Aus diesem Grund ist es mir auch gelungen, sehr viele namhafte und hochkarätige Referierende zu engagieren. Wer gibt die Themen der Vorträge vor? Ich habe keine Vorgaben, sondern die Unterstützung einer sehr engagierten Begleitkommission. Die Themen fand und bestimmte ich in der Regel selbst, als ein Zeitgenosse, der mit offenen Augen das Weltgeschehen beobachtet und spürt, welche Themen zu welchem Zeitpunkt zur Diskussion zu stellen sind. Was sind Ihre drei persönlichen Favoriten in ihrer Schaffenszeit als Fachstellenleiter von 2009 bis 2021 und weshalb gerade diese? «Menschenrecht Wasser» am 13. September 2011 mit Nestlé Verwaltungspräsident Peter Brabeck und Philosoph Martin Kowarsch aus München. Da hatte ich zum ersten Mal einen internationalen Top Shot zu Gast, der sich auch nicht scheute, auf die kontradiktorischen Voten seines Gegenübers einzutreten. «Spitzenmedizin, Ökonomie und Ethik» am 30. Mai 2012 mit dem Herzchirurgen Thierry Carrel und Christian

Hess, dem damaligen Chefarzt im Spital Affoltern, eine Konfrontation des Hightech-Mediziners mit dem Grundversorger und «Menschenmediziner» unter dem Aspekt der damals neu eingeführten Fallkostenpauschale. «Glaube. Geld. Reputation. Wer verdient heute Vertrauen?» vom 22. Oktober 2013 mit Abt Martin Werlen, Banker Oswald Grübel und Reputationsmanager Bernhard Bauhofer. Das Thema und die Referierenden waren ein solcher Magnet, dass der Saal mit 270 Teilnehmenden völlig ausgebucht war. Die spannende und aufschlussreiche Diskussion hatte eine nachhaltige Wirkung. Wann und unter welchem Titel wird die nächste Veranstaltung sein? Am kommenden Mittwoch, 20. Oktober, zum Thema «Das ewige Dilemma – auch nach Corona?» Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie. Eine Veranstaltung, die ich coronabedingt zweimal verschieben musste und die letzte unter meiner Ägide sein wird. «Vereinbarkeit» ist ein Dauerthema, welches uns noch lange beschäftigen wird. Interessant ist, dass durch Corona neue Arbeitsmodelle entstanden sind, die vorher nicht denkbar gewesen sind. Man spricht von einer «Neuen Normalität» mit Homeoffice als neuem Standard, grösstmögliche Flexibilität sowie zukunftweisende Arbeitsformen, die teilweise schon umgesetzt sind. Darüber und über die daraus entstehenden Chancen spricht ein bunt zusammengesetztes Frauen-Podium. Fiel es Ihnen schwer, den Job ruhestandsbedingt an Thomas Hausheer weiterzugeben? Nein. Ich hatte während zwölf Jahren die Chance, eine neue Tätigkeit zu entwickeln, die mir nach meiner 30-jährigen Buchhandelstätigkeit völlig neue Perspektiven eröffnete. Dafür bin ich sehr dankbar. Mein Nachfolger Thomas Hausheer geniesst mein volles Vertrauen. Er war seit Beginn in meiner Begleitkommission und wird als früherer Zuger Reise-Unternehmer, als Kirchenrat der reformierten Kirche Zug auf der Grundlage seines breiten Interesses und Netzwerks sicherlich eine glückliche Hand haben. Werden Sie dem Forum weiterhin erhalten bleiben und wenn ja, in welcher Form? Zu Beginn noch als Berater meines Nachfolgers, dann als Pensionist gerne als Teilnehmer der Kappeler Veranstaltungen.

Interview: Martin Platter ANZEIGE

Humorvoll, witzig, aufgestellt Nachruf auf Albert Rüfenacht-Grunder, Hausen Alle gut zweihundert Karten und Briefe, welche bei der Familie meines Bruders in den letzten Wochen eingingen, liess ich kürzlich beim Lesen auf mich einwirken. Denn die meisten der Beileidsbezeugungen sind mit sehr persönlichen Texten ergänzt, welche den Verstorbenen als humorvoll, witzig und lustig schildern. Doch in erster Linie war Albert Rüfenacht in der Wesenmatt zwischen Hirzwangen und Sihlbrugg Zeit seines Lebens mit Leib und Seele Bauer. Als Marksteinsetzer im Nebenamt während vierzig Jahren für ein Ingenieurbüro aus Affoltern war er aber im ganzen Bezirk bekannt. Im Dörflein Ebertswil, das früher noch die Restaurants Bären und Schwanen, zwei Läden und eine Sennerei hatte, war er auch Feuerwehrkommandant. Wenn für die Bundesfeier oder die Viehschau in der Gemeinde ein

Albert Rüfenacht-Grunder. (Bild zvg.)

Wirt benötigt wurde, war Albert Rüfenacht zusammen mit seiner Frau selbstverständlich über Jahre zur Stelle. Er war auch Mitglied der Gesundheitskommission und SVP-Ortsparteipräsident. Als Militär-Motorfahrer erwarb er einen sogenannten Dienst-Jeep, der ausser in seiner RS und einigen WKs auf seinem Betrieb eingesetzt werden konnte. Mit seinen früheren Militärkameraden traf sich Gfr. Rüfenacht regelmässig. Doch besonders am Herzen lag ihm der Gesang. In dem vor gut zehn Jahren aufgelösten Gemischten Chor Ebertswil war er ein gutes halbes Jahrhundert Mitglied, davon über vierzig Jahre als Präsident. Gut zwanzig Jahre war er im Vorstand des Bezirksgesangvereins, vier Jahre als Präsident. Im Jodlerclub am Albis übernahm der Verstorbene bei den aufgeführten Theatern oft die Haupt-

rolle, längst war er dort Ehrenmitglied. Wenige Wochen vor seinem Tod hatte er daheim Besuch von Clubfreunden, die ihn mit Liedern erfreuten. Auch die Abdankung in der reformierten Kirche, welche zusätzlich in den Gemeindesaal übertragen wurde, war von Jodelvorträgen umrahmt. Albert Rüfenacht starb Ende Juli im 85. Altersjahr in seinem Heim, nachdem ihm die Gesundheit schon länger zu schaffen gemacht hatte. Seine Familie lag ihm immer sehr am Herzen. Er hinterlässt seine Frau Alice, mit der er über sechzig Jahre verheiratet war. Auch ein Sohn und zwei Töchter, acht Enkel- und fünf Urenkelkinder trauern um den stets aufgestellten Bauer, Marksteinsetzer, Sänger und Witzerzähler. Erich Rüfenacht

WEIL MIR EINE EHRLICHE BERATUNG AM HERZEN LIEGT.

Dani Bühlmann, Kaminfeger


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