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LAUFENTAL L AUFEN

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«Ich verwandle mich in Wasser, in Gras …» Halyna Petrosanyak, ukrainische Dichterin, Übersetzerin und Literaturkritikerin, wohnt in Hofstetten. Sie bestritt am 21. Januar im Alte Schlachthuus einen Lyrikabend mit geschichtlichen Ausführungen. Thomas Brunnschweiler Angesichts der schwierigen Coronasituation kamen erstaunlich viele Zuhörerinnen und Zuhörer an diesen Lyrikabend. Linard Candreia stellte die Lyrikerin kurz vor. Sie gewann in der Ukraine wie auch in Deutschland mehrere Preise. 2007 erhielt sie den Hubert-Burda-Preis für osteuropäische Autoren in Deutschland. 2010 folgte der Iwan-Frankopreis der Stadt Iwano-Frankiwsk. Petrosanyak erzählte selbst über ihre Heimat Ostgalizien am Rande der Karpaten. Sie belegte die Fächer Russisch und Deutsch an der Universität Iwano-Frankiwsk, der Hauptstadt des Verwaltungsgebiets, in dem ihr Dorf lag. Sehr viele berühmte Autoren seien aus dem ukrainischen Teil Galiziens gekommen: Joseph Roth, Manès Sperber und Leopold von Sacher-Masoch, der Namensgeber des Masochismus. Der Wechsel vom Dorf in die Stadt sei während zehn Jahren Ursache für eine innere Zerrissenheit gewesen. In einem Gedicht aus «Im Rhythmus der Landschaft» heisst es: «Dorf in den Bergen, wo in meinen Schlaf sich flicht das Tosen des Baches, wo der Alltag schwer ist, wie Säcke voll Salz, die Feiertage aber trüb und leer,…». Am Ende des Gedichts macht sie eine Zeitreise zurück in ihr Dorf: «…und

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Donnerstag, 27. Januar 2022 Nr. 4

der wohlbekannte Weg führt, so wie früher, auch jetzt in Richtung eines späten Mittelalters.»

Zwei Peter präsentieren unterschiedliche Kunst

Subtiles in starker Sprache

Es sind starke, einprägsame Bilder, welche die Lyrikerin braucht. Ebenso eindrücklich ist ein Gedicht aus dem Zyklus «Monologe der Maria Forno» über die schwierige Balance zwischen Sprechen und Schweigen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion, die das Ukrainische stets als minderwertig darstellte, reiste sie nach Wien und in andere Städte. Diese Reisen hinterliessen auch Spuren in ihrem Schaffen. Das Gedicht «Florenz» beginnt anschaulich und sinnlich: «Eine Rose im Stein, / ein Schluck vom Ristretto…». Im Jahre 2018 erschien das von Iryna Pohribna sorgfältig illustrierte Bändchen «Liebesbotanik». Das Titelwort hat die Lyrikerin selbst erfunden, ohne wissen zu können, dass Molly Juchler «Liebesbotanik» in ihrer Erzählung «Pläuderli» am Anfang des 20. Jahrhunderts schon einmal erfunden hat. Im Gedicht «Hohes Alter» spielt Halyna Petrosanyak subtil mit der Redensart von der Nadel im Heuhaufen: «Vielleicht / funkelt / heute / die kostbare Nadel / der Wünsche / in einem / von hundert Heuschobern.» Das Motiv der Metamorphose und der Durchlässigkeit des lyrischen Ichs zur Natur spiegelt sich in «Morgengebet»: «Ich bleibe / in der Nähe des Flusses, / ich verwandle mich / in Wasser, / in Gras. // Hier ist die Türe / zur Ewigkeit — / spaltbreit geöffnet, / hier richte ich mich nur nach dir…». Am Ende ging Halyna Petrosanyak noch auf Fragen ein und las ein Gedicht auf Ukrainisch: eine wohlklingende, melodiöse und sanfte Sprache.

Beste Freunde: Peter Mösch (l.) und Peter Tschan zeigen gemeinsam in der Galerie Alts Schlachthuus ihre Werke.

Rund 40 Kunstinteressierte wohnten der Vernissage der beiden Künstler Peter Tschan und Peter Mösch bei. Die Ausstellung des Kulturforums Laufen bildet trotz unterschiedlicher Arbeitstechniken eine wohltuende Ausgewogenheit. Martin Staub

Lesung vor einem aufmerksamen Publikum: Halyna Petrosanyak las im Kulturzentrum Alts Schlachthuus in Laufen. FOTO: THOMAS BRUNNSCHWEILER

Der eine hat sich auf künstlerische, teils abstrakt wirkende Darstellungen von Natur spezialisiert. Peter Tschan arbeitet deshalb vorwiegend draussen, sucht in der natürlichen Umgebung Strukturen und Formen, die sich eignen, sich seinen Techniken unterzuordnen — die Frottage ist eine von Tschans Spezialitäten —, um

teils völlig abstrahiert, ein spannendes Bild abzugeben. Der andere, mittlerweile 80-jährig, zeigt sich als Sammler und Entdecker seiner Umgebung und versteht es wie kein Zweiter, seine «Schätze» spannend und ästhetisch ansprechend auf die Leinwand zu bringen. Peter Mösch hat in seinem Atelier ein riesiges Arsenal von alten Zeitungen, hält aber auch rostige Nägel, ausgediente Scheren und anderes Werkzeug bereit, um als Haupt- oder Nebensache seine oftmals geometrisch gestalteten Bilder zu komplettieren. Beiden Peter ist die Galerie Alts Schlachthuus als Aussteller bereits bekannt. Tschan aus Gelterkinden, Mösch aus Leymen, pflegen seit Jahren ein freundschaftliches Verhältnis und freuten sich auf ihre gemeinsame Präsentation in Laufen. Die Besucherinnen und Besucher erwartet eine ausgewogene Ausstellung mit vorwiegend grossformatigen Bildern, die sich trotz völlig unterschiedlicher Ar-

FOTO: MARTIN STAUB

beitstechnik recht harmonisch präsentiert. Auf die Frage: «Wie gehen Sie an ein neues Werk heran?», sagt Peter Mösch: «Ich arbeite spontan, das Werk entsteht auf dem Weg zur Vollendung, ich lebe mit dem Entstehungsprozess und male, um zu sehen.»

Grosse und kleine Formate

Peter Tschan hat schon vor Beginn eine Vorstellung, die sich aber im Entstehungsprozess gerne wandelt: «Ich konzentriere mich auf ein Motiv, setze das meist experimentell um, lasse die Natur mitgestalten und bin vom Endergebnis oft selber überrascht. Meine Reisen und Wanderungen inspirieren mich» Beide Künstler präsentieren nebst den grossen auch kleinere Formate. Während Mösch zu den neusten auch ältere Werke zeigt, hat sich Tschan vorwiegend auf aktuelle Bilder konzentriert. Galerie Alts Schlachthuus: Öffnungszeiten Fr 17-21, So 11-16. Finissage Sonntag, 6. Februar. ANZEIGE

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Pressekonferenz im Alte Schlachthuus: Die Lage ist ernst Simon Chen ist unterhaltend, aber nicht nur lustig. Zu nahe liegen die Aussagen des Komikers bei der Realität. Gaby Walther Anfangs letzte Wochen waren im Vorverkauf erst zwei Tickets weg. Am Samstag besuchten dann doch rund 50 Personen die Vorstellung im Alte Schlachthuus in Laufen und wurden mit einem geistreichen, aber auch nachhaltigen Programm belohnt. Denn der Auftritt von Simon Chen war nicht nur zum Lachen, sondern regte zum Nachdenken an. «Angst ist immer ein schlechter Ratgeber», meint Daniel Köchlin, der nach der Einleitung von Bundesrat Alain Berset die Fragen der Journalistinnen und Journalisten beantwortet. Gekonnt schlüpft Simon Chen in die Rollen der beiden Akteure, die seit der Pandemie allen bestens bekannt sind. Diesmal dreht sich die ernste Lage aber nicht um

Klimaerwärmung: Vielleicht liegt es am Magma. FOTO: GABY WALTHER

den Virus, sondern um den Klimawandel. Startpunkt der 10 Jahre dauernden Krise ist ein Hangrutsch beim Üetliberg. Seit diesem Ereignis hat das KAK (Kantonale Amt für Klima) den Klimanotstand ausgerufen und zählt die Klimaopfer. Ziel ist es, das persönliche CO2 zu reduzieren, um den Anstieg der Temperatur zu stoppen und Naturkatastrophen zu verhindern. In einem Mix aus Pressekonferenz, Radionachrichten und Auftritt eines Massnahmegegners zieht der Kabarettist erstaunlich viele Parallelen zur Coronasituation. Durch die fünfte Hitzewelle werde ab 65 Jahren am meisten gestorben, Abstand halten wegen der hohen Temperatur sei eminent und die Grenzen müssen geschlossen werden, es können keine Überschwemmungsflüchtlinge aufgenommen werden, erklärt der Bundesrat. Der Reproduktionsfaktor sei zu hoch. Die Überbevölkerung menschgemacht. Das neue Start-up My Shit propagiert, die Notdurft zu vermindern und pro Sitzung eine Abgabe für Arme zu spenden. Dabei

heisst die Gretafrage: «Konsumierst du noch oder kompensierst du schon.» Die Herdenkompensation soll erreicht werden. Rainhard Mays Lied «Über den Wolken» wird verboten, während der Song der Toten Hosen «Unter den Wolken» zur Hymne werden soll. Der Klimagegner kämpft für die Freiheit und fragt sich, ob die Erwärmung nicht durch das Erdinnere, das Magma, entsteht. Schliesslich tritt noch der Prediger auf, denn Gott habe alles vorausgesagt. Simon Chens Programm der Zukunft ist höchst aktuell. Am Auftritt des Wortspielers gibt es nichts zu bemängeln. Während zwei Stunden zieht er einen in seinen Bann und präsentiert eine Geschichte, die rundum aufgeht. Chen überzeugt als Imitator. Die Texte sind sprachlich raffiniert, wenn auch beklemmend. Ohne moralisch zu werden zeigt der Komiker überspitzt auf, wohin wir steuern, und dass Corona nicht die letzte und nicht die grösste Krise ist, die wir in naher Zukunft zu bewältigen haben.

Ausführliche Informationen www.kfl.ch AUSSTELLUNG

21. Januar– 6. Februar

Peter Mösch & Peter Tschan Öffnungszeiten: Freitag, 17.00–21.00 Uhr Sonntag, 11.00–16.00 Uhr KINO

Donnerstag, 27. Januar, 20.30 Uhr

Nomadland Roadmovie, Abenteuer; USA 2021, 108 Min. KABARETT

Freitag, 28. Januar, 20.00 Uhr

Ferruccio Cainero n auf Herbst obe tic tac Versch Alts Schlachthuus Seidenweg 55, 4242 Laufen


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