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MENSAGESPRÄCH

AUS DER SCHULE IN DEN CHEFSESSEL

PHILIPP KALWEIT HAT SICH MIT 16 JAHREN SELBSTSTÄNDIG GEMACHT — HEUTE IST ER 19, AUFTRAGSHACKER UND LEITET SEIN EIGENES UNTERNEHMEN. IM INTERVIEW ERZÄHLT ER VON SEINEM UNGEWÖHNLICHEN WERDEGANG

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Interview: Kirsten Borgers

Philipp, wie hast du deine Leidenschaft fürs Hacken entdeckt? Dafür musste ich als Kind erst mal auf den alten Rechner meiner Mutter aufmerksam werden. Von meinem Taschengeld durfte ich mir einen dazu passenden Monitor kaufen. Meine erste Herausforderung war es, diesen Computer zu reparieren – das habe ich geschafft. Danach war es wie bei jedem anderen Hobby: Es macht ei nem Spaß und mit jedem Mal fängt man mehr Feuer. Es war also keine proaktive Entscheidung, Hacker zu werden, sondern eher ein natürlicher Prozess.

Wie kam es zur Gründung deiner Firma? Ich habe nie studiert, mir allerdings viele Dinge im Selbststudium beigebracht. Schon während meiner Schulzeit habe ich auf ehrenamtlicher Basis an einem Projekt zur Digitalen Gesell schaft teilgenommen. Ich habe dabei die junge Seite der Nutzer vertreten und war neben an deren Multiplikatoren mit meinem Namen offiziell gelistet. Diese Referenz hat dafür gesorgt, dass auch die Privatwirtschaft Interesse an mei ner Arbeit bekommen hat. So kam ich zu meinen ersten Kunden. Der nächste logische Schritt war dann die Freiberuflichkeit und später die Gründung von Kalweit ITS.

Woher kommt dein Unternehmergeist? Den habe ich sicherlich von meiner Mutter geerbt, die organisatorisch immer schon sehr kreativ gewesen ist. Sie war alleinerziehend: eine echte Herausforderung. Ein Part fehlte, der der Arbeit nachging. Dadurch hatte sie teilweise drei verschiedene Jobs am Tag. Meine Mut ter hat mir vorgelebt, Dinge einfach anzupacken und so Ziele zu erreichen. Mein Vorhaben,

»UM MIT 16 ALS GESCHÄFTSFÄHIG ZU GELTEN, MUSSTE ICH ERSTMAL VOR GERICHT ZIEHEN.«

selbstständig zu werden, kam in meiner Familie und im Freundeskreis nicht überraschend und wurde immer unterstützt.

Trotzdem war die Gründung mit 16 wahrscheinlich gar nicht so einfach. Das stimmt. Da in Deutschland die Geschäftsfähigkeit erst ab 18 Jahren gegeben ist, musste ich vor Gericht ziehen. Meine Kompetenz wurde aufgrund meiner schon gesammelten Referen zen nicht in Frage gestellt – vielmehr ging es um Haftungsfragen. Dafür wurde mein Umfeld ab geklopft: Die Richterin hat beispielsweise einige meiner Lehrer nach ihrer unabhängigen Meinung gefragt. Auch das Jugendamt wurde hinzugezogen. Der Prozess ist für mich sehr ungewöhnlich gewesen. Sogar das Begehen unserer Wohnung war notwendig: Gibt es ein Kinderzimmer? Ist für regelmäßige Mahlzeiten gesorgt? Wie sehen die schulischen Leistungen aus? Solche Fragen wurden geklärt. Daneben musste ich fiktive Verträge vorlegen. Danach stand fest: Ja, ich darf mich selbstständig ma chen und mein Start-up gründen. Ein kommissarischer Geschäftsführer hat für die erste Zeit die Haftung übernommen, ich war ihm aber gleichgestellt.

Woran genau arbeitet dein Start-up? Wir sind ein unabhängiges Beratungsunternehmen, spezialisiert auf IT-Security. Uns geht es um kreative Ideen, frische Insights und out-ofthe-box-Denken. Wir greifen dabei nicht nur auf internes Know-how zurück, sondern auch auf weltweite Experten. Der Fokus liegt auf Pe netrationstests, das sind klassiche Tests zur Prüfung von Software und Webapplikationen von Unternehmen. Außerdem bieten wir Hilfe zur Selbsthilfe an: Wir beraten IT-Abteilungen un terschiedlicher Firmen und geben Workshops sowie Schulungen zur IT-Sicherheit.

Auf welche Herausforderungen stößt du als junger Geschäftsführer? Natürlich möchte ich meinen Kunden auf Augenhöhe begegnen – das ist ziemlich schwierig, wenn man so jung ist. Deshalb greife ich auf Tricks zurück: Beispielsweise trage ich zu Kundenterminen einen Anzug, bei denen ich das Gefühl habe, dass eine gleichberechtigte

Begegnung sonst nicht hergestellt werden kann. Ich darf dann auf keinen Fall Klamot ten anziehen, die der Sohn meines Geschäftskunden auch tragen könnte. Denn ich bin optisch zu nah an dieser Altergruppe und dann kommt eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe

»DEN UNTERNEHMERGEIST HABE ICH VON MEINER

MUTTER GEERBT.«

gar nicht erst zustande. Ich empfinde es auch als herausfordernd, wenn Kunden die sachliche Ebene verlassen: Manche Menschen definieren sich nur über den Job und werden bei Verände rungsvorschlägen auf einmal persönlich. In solchen Fällen möchte ich die nötige Expertise aufrecht erhalten – dann werde ich belehrend, auch wenn ich das nicht will.

Nun zum schönen Teil: Welche Aspekte machen dir am meisten Spaß? Als sehr junger Mensch kann ich den Kunden neue Ideen und frische Insights in die IT-The matik liefern. Insofern ist es sogar ein Vorteil, dass meine Arbeitsabläufe noch nicht so rou tiniert sind. Ich bin außerdem viel unterwegs. Das Reisen an sich macht mir keinen Spaß, aber die unterschiedlichen Orte und vor allem Men schen innerhalb von Kooperationen kennenzulernen, ist toll. Da sind die verschiedensten Leute dabei: vom CEO über den Abteilungslei ter bis hin zum Entwickler.

Welche Tipps würdest du jungen Absolventen geben, die direkt nach dem Studium in die Selbst ständigkeit gehen wollen? Sie sollten nicht naiv an die Sache gehen und müssen sich darüber im Klaren sein, dass es im mer Mitbewerber gibt – und Anfänger kaum Erfahrung mitbringen. Dennoch würde ich unbedingt dazu ermutigen, die eigenen Ziele zu verfolgen. Mir begegnen oft junge Leute, die es total spannend finden, was ich mache. Doch sie sind oft verunsichert und meinen, in ihrer an gestrebten Branche wären alle schon so furchtbar weit. Das halte ich für kein Argument, denn jeder hat mal angefangen und sich trotz Hin dernissen durchgesetzt. Mit Geduld und genügend Zeit spielen sich die Dinge irgendwann ein und machen einem keine Angst mehr. Zu guter Letzt sollte man nie glauben, mehr zu wissen als andere. Zuhören lohnt sich, denn am Ende gibt es immer noch etwas dazuzulernen.

Lieblingsessen in der Schulmensa?

Kartoffelauflauf.

Studienpläne?

Ich würde gern irgendwann mal Wirtschaftspsychologie studieren.

Nebenjob zu Schulzeiten…

Eventfotograf und Reinigungskraft in Büros.

WG oder allein?

Ich könnte niemals in einer WG leben, ich brauche meinen Freiraum.

Früher Vogel oder Langschläfer?

Wenn ich frei habe, schlafe ich richtig aus. Beruflich bin ich auch mal um vier Uhr wach.

Bier oder Wein?

Wein! Bier kann ich nicht ab, höchs tens mal ein Radler.

Rucksack oder Koffer?

Privat Rucksack, beruflich Koffer.

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