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Dialoge

Musikalische Dialoge zwischen Alt und Neu sind in der Programmgestaltung gewiss keine Neuigkeit. Doch in der Gegenüberstellung von Corellis Concerto grosso und Dubugnons Passacaille concertante tritt der Dialog selbst in den Mittelpunkt.

Text Silvio Badolato

Man kennt ihn aus dem Alltag, aus den Nachrichten, in der Politik wird er als Prinzip hochgehalten, um dann nicht selten in die Niederungen der Plattitüde zu fallen, mal ist er konstruktiv, mal oberflächlich und unverbindlich oder dann wieder tiefgreifend und pointiert. Der Dialog ist mehr als nur die Gegenüberstellung zweier oder mehrerer Sprecher:innen. Bereits in seiner ursprünglichen Wortbedeutung bezeichnet er die Welt zwischen den Worten: Er dient der Erkenntnis- und Konsensgewinnung und ist in dieser Funktion ein altes literarisches Genre. Doch nicht nur die Literatur, auch die Musik bedient sich nicht selten dieses Begriffes. Als Kaspar Zehnder 2019 das Festival Murten Classics unter das Motto «Dialoge» stellte, zielte er auf die Zwischentöne und Schattierungen ab, die sich im Spiel zwischen Solist:innen und Orchester entfalten. Und Nikolaus Harnoncourt, ein Wegbereiter der historischen Aufführungspraxis, erkannte im Dialog eines der wesentlichen Ausdrucksmittel der barocken und klassischen Musik.

Als Inbegriff dieser Dialogstruktur gilt das barocke Concerto grosso. Ursprünglich bezeichnete dieser Begriff den grösseren Teil des Orchesters (Ripieno) im Gegensatz zum kleineren (Concertino). Gemäss dem damals weit verbreiteten Prinzip der Doppelchörigkeit musizierten die beiden Gruppen im Wechsel miteinander. Davon ausgehend wurden Werke für diesen Besetzungstypus als Concerti grossi bezeichnet. Vor allem Arcangelo Corellis Sammlung von 12 Concerti grossi op. 6 (1680) blieb für etliche Komponistengenerationen von Geminiani bis Händel mustergültig. Der Kontrast zwischen Tutti und Soli ist jedoch nur ein Aspekt dieser äusserst vielseitigen Werke. Vielmehr als die Begründung einer Gattungsnorm beabsichtigte Corelli eine klangliche Erweiterung der Triosonate mit der Effekt- und Farbpalette des Orchesters, oder wie es Georg Muffat ausdrückte: «Dann durch scharffes Beobachten dieser opposition oder Gegenhaltung der langsamb- und geschwindigkeit, der Stärke, und Stille; der Völle des großen Chors, und der Zärtlichkeit des Terzetl, gleich wird das Gehör in ein absonderliche Verwunderung verzuckt.»

Auch 350 Jahre nach Arcangelo Corelli erkunden Komponist:innen neue Tönungen im orchestralen Klangspektrum. In seiner Passacaille concertante für Violine und Streichorchester, die Richard Dubugnon für das Zürcher Kammerorchester komponiert hat, wechseln sich, ganz im Stile des Concerto grosso, Solovioline, kleine Gruppen von Soloinstrumenten und Tuttistellen ab. Und mit der Passacaglia greift der gebürtige Lausanner auf eine weitere barocke Form zurück. In jeder Variation über das PassacagliaThema begegnen sich andere Instrumentengruppen und erschaffen so eine Vielfalt von Klangfarben.

Die Auseinandersetzung mit alten Gattungstraditionen ist für Richard Dubugnon von zentraler Bedeutung: «Mich interessiert die Musik der alten Meister: Die gelehrtesten Komponisten, die ich kenne, sind die der Renaissance wie Ockeghem, Palestrina, Josquin Desprez und des Barock, mit J. S. Bach als Gipfel des Gleichgewichts zwischen Wissenschaft und Ästhetik, den er insbesondere in den Goldberg-Variationen und dem Musikalischen Opfer erreicht.» Und so bleibt der Dialog im Orchester auch heute lebendig – denn die alten Meister haben noch immer etwas zu melden!

Daniel Hope & Sebastian Bohren

Di | 13. Mai 2025 | 19.30 UhrTonhalle Zürich

Daniel Hope Music DirectorSebastian Bohren Violine Zürcher Kammerorchester

Arcangelo CorelliSinfonie d-Moll, Santa Beatrice d’Este, WoO 1

Antonio VivaldiKonzert für Violine und Streichorchester C-Dur, RV 190

Richard DubugnonPassacaille concertante (Uraufführung)

Arcangelo CorelliConcerto grosso c-Moll, op. 6/3

Grażyna Bacewicz Konzert für Streichorchester

Antonio VivaldiKonzert für zwei Violinen und Streichorchester D-Dur, RV 511

TicketpreiseCHF 115 / 105 / 90 / 65 / 40

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