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Worte mit Flügeln

«Nur Liebe und Tod ändern alle Dinge»:

Das sind Worte aus der Feder von Khalil Gibran, einem der meistgelesenen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. In der westlichen Welt ist er der bekannteste Dichter des Orients. In seiner Heimat Libanon wird er als kultureller Botschafter verehrt, der die Schönheit und Tiefe der arabischen Sprache und Kultur weltweit bekannt gemacht hat.

Text Petra Meyer

Khalil Gibran wird am Dreikönigstag im Jahr 1883 in Bischarri geboren, einer Stadt im heutigen Libanon, damals Teil des Osmanischen Reiches. Seine christlich-maronitische Familie gehört zu einer der ältesten christlichen Religionsgemeinschaften. Der Grossvater ist Priester, in der Verwandtschaft finden sich auch Angehörige der Sufis, einer mystischen Strömung des Islams. So kommt Gibran sehr früh in Berührung mit verschiedenen Religionen und Philosophien.

Schon als Kind machen sich Khalils vielseitige Begabungen bemerkbar. Er liebt es zu malen und zu lesen. Seine Mutter lehrt ihn arabisch, führt ihn an Kunst und Musik heran und erzählt ihm die Geschichten und Legenden des Libanon. Der Vater hingegen kämpft mit Alkoholproblemen. Wegen Betrug und Steuerhinterziehung landet er 1891 im Gefängnis. Allein mit vier Kindern wandert die Mutter daraufhin in die USA aus.

«Gott den Menschen schuf, gab er ihm die Musik als Sprache des Himmels und der Herzen.»

Khalil Gibran war gerade 22 Jahre alt, als er im Jahr 1905 sein erstes Werk Die Musik in arabischer Sprache veröffentlichte. Es folgt der autobiografisch angehauchte Kurzroman Gebrochene Flügel, eine tiefgreifende Liebesgeschichte, in der Gibran die menschliche Existenz in einer Welt untersucht, die sowohl die Erfahrung von tiefer Schönheit und grosser Liebe bereithält, aber auch umgeben ist von Gier, Schmerz und Leid.

Weltruhm erlangt Gibran einige Jahre später mit seinem grössten Erfolg Der Prophet, bei dem der biblische Erzählstil sowie der Einfluss der islamischen Mystik in Form des Sufismus allgegenwärtig sind. Das Buch handelt vom Propheten Al-Mustapha, der von den Einwohner:innen der Stadt Orphalese gebeten wird, seine Einsichten zu bestimmten Themen mitzuteilen. Es folgen 26 Kapitel mit den Reden des Propheten zu existenziellen Themen wie Abschied, Freiheit, Schmerz, Selbsterkenntnis, Freundschaft, Liebe, Schönheit, Zeit und Tod.

Das Buch ist, wie nahezu alle Werke von Khalil Gibran, von einem humanistischen, universellen Geist geprägt, der die Themen Liebe, Freiheit und Spiritualität anspricht – Werte, die in der libanesischen Kultur tief verwurzelt sind und mit denen er zu einer anerkannten Schlüsselfigur der arabischen Literatur im 20. Jahrhundert avanciert.

«Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.»

Gibrans Kinder sind seine Worte. Noch heute, 100 Jahre nachdem sie veröffentlicht wurden, entfalten sie ihre Wirkung. Auch in der Musik haben seine Texte ein Medium gefunden. Die berühmte libanesische Sängerin Fairuz vertonte seine beliebtesten Gedichte, John Lennon verwendete einige seiner Zeilen, die Band Coldplay liess sich ebenso inspirieren wie Elvis, der das Buch zu Weihnachten verschenkte. Der geniale Singer-Songwriter Johnny Cash sprach genau zwei Bücher ein: das Neue Testament und Der Prophet.

«Mein Libanon ist ein ruhiger Berg, der zwischen dem Meer und der Ebene liegt, wie ein Dichter zwischen einer Ewigkeit und einer anderen.»

Mit seiner libanesischen Heimat blieb Gibran zeitlebens eng verbunden. Die politischen Verhältnisse verfolgte er mit wachen Augen und kritischem Verstand, was zu seiner Exkommunikation führte. Er sei «gefährlich, revolutionär und giftig für die Jugend». Heute wird Khalil Gibrans Vermächtnis im Libanon mit einem eigenen Museum lebendig gehalten. In der Kapelle am Stadtrand seines Geburtsortes, dort wo sein Leichnam im Jahr 1932, ein Jahr nach seinem Tod, beigesetzt wurde, befinden sich 440 seiner Originalgemälde und -zeichnungen sowie private Manuskripte und persönliche Gegenstände aus seiner Zeit in New York.

Feder und Bogen: Khalil Gibran

Do | 10. April 2025 | 19.30 Uhr

ZKO-Haus

Thomas Douglas Erzählung Anina La Roche Konzept und Dramaturgie Musikerinnen und Musiker des Zürcher Kammerorchesters

Werke von Naji Hakim, Wadia Sabra und Weiteren

Ticketpreis CHF 50

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