3 minute read

Die Königin der Instrumente und ihr König

Olivier Latry ist der vermutlich gefragteste Konzertorganist der Gegenwart. Als Titularorganist an der Notre-Dame in Paris spielt er auf der Cavaillé-Coll-Orgel und ihren 8000 Pfeifen eines der grössten Instrumente der Geschichte.

Text: Corinne Holtz

Paris sei die Stadt der Liebe, stand in den Reiseführern des letzten Jahrhunderts. Dass Paris die Hauptstadt der Orgel ist, war nirgends zu lesen. 300 Instrumente sind in den Kirchen und Kathedralen über die Stadt verteilt. Der römische Katholizismus war über ein Jahrtausend lang die vorherrschende Religion in den Herrschaftsgebieten der französischen Monarchie und damit Staatsreligion, die Liaison zwischen den Machtzentren Paris und Rom so eng, dass Frankreich als «älteste Tochter der Kirche» galt.

Der Klerus bestimmt bis heute, wie viele Titularorganist:innen einer Kirche zugeschlagen werden. Nur die Besten sind gut genug für die ehrwürdigsten Posten der Stadt. Charles-Marie Widor etwa wirkte 65 Jahre an der Kirche St-Sulpice, Olivier Messiaen 61 Jahre an der Église de la Trinité, Olivier Latry trat den Posten an der Notre-Dame im Jahr 1985 im Alter von 23 Jahren an. Zusammen mit ihm wurden drei weitere Titularorganisten gewählt, denn «jederzeit musste einer von uns vieren verfügbar sein», sagt Latry. Die Entscheidung hätte «verhängnisvoll» sein können. Gut, dass man sich in «wichtigen Dingen» stets fand.

Seit jeher ist Notre-Dame ein Ort musikalischen Lebens und identitätsstiftend. Als die Kathedrale 2019 brannte, drohte das älteste nationale Symbol Frankreichs unterzugehen.

Zahlreiche Geistliche hätten hier auch die Kunstausübung gefördert, erklärt Latry, und nennt Jacques Leclerc, dessen Schrift Debout sur le soleil Jean-Louis Florentz zu einer gleichnamigen Komposition inspirierte. Kardinal Jean-Marie Lustiger (bekannt als Reformator des Klerikalismus) war besonders empfänglich für Musik, auch für zeitgenössische. So habe der «geheime Kenner des Repertoires» massgeblich dazu beigetragen, dass Olivier Messiaen 1988 den Preis Paul VI. bekam.

Muss man gläubig sein, um als Organist im Dienst der Liturgie zu stehen, zu reagieren auf das, «was zuvor gesagt oder gesungen wurde»? Latry spricht konkreter als etwa Messiaen über seine Spiritualität: «Die Energie des Ortes trägt uns. Das Licht und der Raum wirken ins Innere.»

Neben seiner Tätigkeit als «titulaire» und Dozent am Conservatoire Nationale Supérieure gibt Latry rund 80 Konzerte im Jahr. Dabei übertritt er gerne die Grenzen des Originalrepertoires. Franz Liszt etwa transkribierte Wagners Pilgerchor aus Tannhäuser für die Orgel, Henri Büsser den berühmten ungarischen Marsch aus Berlioz’ La Damnation de Faust. Auch Bachs Kantatenwerk findet ihren Weg zur Orgel, insbesondere in Choral-Transkriptionen bedeutender französischer Organisten wie Eugène Gigout und Marcel Dupré. Selbst Bachs Chaconne aus der d-Moll-Partita für Violine solo erklingt unter Latrys Händen – eine Praxis, die aus dem 19. Jahrhundert stammt und dort den Siegeszug des Klaviers mitgestaltete.

In Zürich gastiert Latry mit Francis Poulencs Orgelkonzert von 1938. Poulenc holte sich für die Registrierungsangaben Rat beim Organisten und Komponisten Maurice Duruflé – «titulaire» an der Kirche St-Étienne-Dumont in Paris und als Konzertorganist in Europa und den USA unterwegs. Frankreich steht für eine Organistentradition, die so einzigartig ist wie ihre Orgelbauer und deren farbenreiche Instrumente. Die Orgel höre niemals auf, «eine anspruchsvolle Weggefährtin zu sein», sagt Latry, seine Hände stünden «im Dienst der Schönheit und des Glaubens».

Olivier Latry

Di | 25. März 2025 | 19.30 UhrTonhalle Zürich

Willi Zimmermann Violine und LeitungZürcher Kammerorchester

Wolfgang Amadeus MozartSerenade Nr. 6 D-Dur, Serenata notturna, KV 239

Antonín DvořákNotturno für Streichorchester H-Dur, op. 40

Hugo WolfItalienische Serenade für Streichorchester G-Dur

Josef SukMeditation über den altböhmischen Choral St. Wenzeslaus für Streichorchester, op. 35a

Maurice DurufléPrélude et Fugue sur le nom d’Alain, op. 7

Francis PoulencKonzert für Orgel, Streichorchester und Pauke g-Moll

TicketpreiseCHF 115 / 105 / 90 / 65 / 40

This article is from: