3 minute read

Händels »Deborah« und die Kunst des Recyclings

Next Article
Samara Joy Octet

Samara Joy Octet

Georg Friedrich Händel –ein Meister des »musikalischen Recyclings«: In seinem frühen englischsprachigen Pasticcio-Oratorium »Deborah« verwendete er zum Großteil bereits bestehende Musik. Obwohl er seine finanziellen Probleme damit nicht lösen konnte, war das Werk ein großer Publikumserfolg

VON MATTHIAS GUSCHELBAUER

Georg Friedrich Händel war bekanntlich ein großer Freund des in seiner Zeit weit verbreiteten Parodieverfahrens. Dabei handelte es sich um die kreative Praxis, bestehendes musikalisches Material für neue Kontexte zu adaptieren und wiederzuverwenden. Wie weit Händel dieses – mit modernen Worten gesprochene – »Recycling« seiner eigenen Musik trieb, zeigt sich eindrucksvoll am Oratorium »Deborah«: Rund drei Viertel des dreiteiligen Werkes bestehen aus bereits zuvor komponierten Abschnitten.

Doch warum entschied sich Händel für diese extensive Wiederverwendung seiner Musik? Grundsätzlich stellte das Parodieren im Barock kein ethisches Problem im Sinne einer Urheberrechtsverletzung dar, denn das schöpferische Handwerk begann nicht zwangsläufig beim Einfall der Melodie. Vielmehr waren auch das Rhythmisieren, Harmonisieren und Instrumentieren wesentliche Bestandteile des kompositorischen Prozesses. Zudem bot das Parodieverfahren die Möglichkeit, anlassbezogene und dem Adel vorbehaltene Kompositionen – etwa für Hochzeiten, Krönungen oder Trauerfeiern –einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, nachdem ihre ursprüngliche Verwendung obsolet geworden war. Im Fall von »Deborah« dürfte jedoch vor allem Zeitdruck ausschlaggebend für die Fülle an »recycelten« Parodiesätzen gewesen sein. Händel strebte eine schnelle Produktion an, um finanzielle Verluste seines seit 1729 bestehenden zweiten Opernunternehmens auszugleichen.

Händels Interesse am englischsprachigen Oratorium wurde durch eine Überarbeitung seiner älteren Masque »Esther« geweckt, die er im Mai 1732 erneut aufführte. In der darauffolgenden Saison folgten nach dieser Initialzündung weitere Oratorien, darunter im Winter 1733 »Deborah«, zu dem der Dichter Samuel Humphreys das Libretto verfasste. Damit legte Händel den Grundstein für die Gattung des volkssprachlichen Oratoriums, zu der er in den folgenden Jahren zahlreiche bedeutende Werke beisteuerte.

Die szenische Uraufführung von »Deborah« fand am 21. Februar 1733 im Londoner King’s Theatre statt und war ein großer Erfolg, auch wenn die hohen Eintrittspreise das breite Publikum fernhielten. Die zahlreichen weiteren Aufführungen des ungewöhnlich groß besetzten Pasticcio-Oratoriums belegen jedoch, dass Händel den Geschmack des Publikums genau traf. Sein Talent bestand darin, bereits existierende Musik kunstvoll zu bearbeiten und zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufügen. Sollte Ihnen beim Hören des meist unterschätzen Werks ein Satz seltsam vertraut vorkommen, werden Sie die ursprüngliche Vorlage mit etwas Detektivarbeit unter folgenden älteren Werken finden: »Il trionfo del Tempo e del Disinganno« (1707), »Dixit Dominus« (1707), »Brockes-Passion« (1716), »Ode for the Birthday of Queen Anne« (1713), »Chandos Anthems« (1717/18) und die »Coronation Anthems« (1727), um nur einige zu nennen.

::::::::::::::::::::::

So, 25/05/25, 19.00 Uhr · Großer Saal

Amsterdam Baroque Orchestra & Choir · Koopman

Deborah Sophie Junker, SopranBarak Jakub Józef Orliński, CountertenorSisera Sophia Patsi, MezzosopranAbinoam Wolf Matthias Friedrich, BassTon Koopman, Dirigent

Georg Friedrich Händel: Deborah. Oratorium in drei Teilen HWV 51

Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/62080

This article is from: