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Ein Kammerorchester in einer anderen Dimension

Die Camerata Salzburg führt große Solokonzerte von Brahms und Mendelssohn mit ihren künstlerischen Partnerinnen Hélène Grimaud und Janine Jansen sowie symphonische Orchesterwerke auf

VON RAINER LEPUSCHITZ

Seit mehr als drei Jahrzehnten widmet sich Hélène Grimaud der Musik ihres »Seelenverwandten« Johannes Brahms. Als sie vor vielen Jahren als erstes Werk des norddeutschen Komponisten dessen erstes Klavierkonzert kennen lernte, öffnete sich für sie »eine ganze Welt, in die man sich ohne viel Nachdenken ganz fallen lässt«. Oft schon hat sie sich auf Konzertpodien in diese wie eine Urgewalt brausende Konzertwelt von Brahms begeben und das Werk auch schon zwei Mal auf CD aufgenommen, doch noch nie hat sie es in einer Konstellation aufgeführt wie nun in einer internationalen Konzertserie mit der Camerata Salzburg (am 5. Mai, zwei Tage vor Brahms’ 192. Geburtstag auch im Wiener Konzerthaus): nämlich ohne Dirigent:in!

Das kann Grimaud aber nur wagen, weil die Camerata in ihrer fast 75-jährigen Entwicklung zu einem vollkommen selbstbestimmten Kammerorchester geworden ist. Wechselweise angeführt von ihren beiden Konzertmeistern Giovanni Guzzo und Gregory Ahss, musiziert jedes Mitglied in kreativer »Eigenverantwortung im höchsten Sinne der Gemeinschaft«, wie dies schon Orchestergründer und Chefdirigent Bernhard Paumgartner 1952 innovativ als grundsätzliche Ausrichtung des damals aus Lehrenden und Studierenden des Salzburger Mozarteums bestehenden Ensembles formulierte. Also ein durch und durch kammermusikalisches Musizierverständnis in orchestraler Größe, ein Verständnis, das durch den zweiten für das Orchester nachhaltig prägenden Chefdirigenten Sándor Végh (von 1978–1997) durch dessen Credo noch weiter sensibilisiert wurde: jedes Werk wie im Zusammenspiel eines Streichquartetts anzugehen.

In geradezu logischer Konsequenz seiner Entwicklung als Kollektiv von verantwortlich agierenden Einzelmusiker:innen entschied das Orchester schließlich im Jahr 2016, die künstlerische Führung in die eigenen Hände zu nehmen und fortan auf eine:n Chefdirigent:in zu verzichten. Stattdessen musiziert die Camerata mit ihrem musikalisch-demokratischen Selbstverständnis nun meistens geleitet von ihren Konzertmeistern als »Primi inter pares«.

Im Frühjahr 2025 dringt das Salzburger Kammerorchester auf diesem konsequent eingeschlagenen Weg in einer anderen Dimension wieder weiter vor, indem es wagt, große Solokonzerte und symphonische Werke ohne Dirigent:innen u. a. auch im Wiener Konzerthaus aufzuführen: Brahms’ monumentales 1. Klavierkonzert sowie seine symphonisch konzipierte und besetzte 1. Serenade, des Weiteren das in weitem symphonischem Bogen gespannte Violinkonzert e-moll von Mendelssohn und dessen gewichtige »Reformations-Symphonie«.

Mit den beiden Solistinnen hat die Camerata innerhalb der letzten Jahre eine für ihr kammermusikalisches Musizierverständnis ideale, innige Verbindung aufgebaut, ja eine Herzensverbindung – denn sie seien »ein Herz und eine Seele«, wie es eine Konzertkritik in Salzburg hervorhob. Dies kann man auch auf zwei CD-Aufnahmen von Grimaud und der Camerata unter der Leitung ihres Konzertmeisters Giovanni Guzzo spüren: Mozarts Klavierkonzert dmoll und Schumanns Klavierkonzert. Nun folgt der nächste – große –Schritt in diesem kreativen Kollektiv hin zu Brahms’ Sturm-und-Drang-Konzert.

Janine Jansen

Mit der niederländischen Geigerin Janine Jansen, mit der die Camerata ebenso eine künstlerische Partnerschaft und intensive Zusammenarbeit mit weltweiten Konzertauftritten verbindet, folgt nunmehr nach vielen Aufführungen von Mozart-Violinkonzerten ein Aufbruch in die Romantik hin zu Mendelssohns Violinkonzert e-moll. In diesem großen lyrischen Konzert und in der glaubensstarken 5. Symphonie Mendelssohns wird die Camerata von Gregory Ahss vom Konzertmeisterpult aus geleitet. Jansen und Ahss haben schon in einigen Kammermusikprojekten eine nahe Musiziergemeinschaft aufgebaut, die nun auch im symphonisch geweiteten Violinkonzert Mendelssohns zum Tragen kommen wird.

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Mo, 05/05/25, 19.30 Uhr · Großer Saal

Camerata Salzburg · Grimaud · Guzzo

Hélène Grimaud, Klavier Giovanni Guzzo Konzertmeister, Leitung

Johannes Brahms: Serenade Nr. 1 D-Dur op. 11 · Klavierkonzert Nr. 1 d-moll op. 15

Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/62021

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Mo, 02/06/25, 19.30 Uhr · Großer Saal Di, 03/06/25, 18.30 Uhr · Großer Saal

Camerata Salzburg · Jansen · Ahss

Janine Jansen, Violine Gregory Ahss Konzertmeister, Leitung

Johann Sebastian Bach: Ricercare à 6 (Musikalisches Opfer BWV 1079) (Bearbeitung für Kammerorchester) · Felix Mendelssohn Bartholdy: Violinkonzert e-moll op. 64 · Symphonie Nr. 5 D-Dur op. 107 »Zur Feier der Kirchen-Reformation«

Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/62086

https://konzerthaus.at/konzert/eventid/62089

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