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Seelenfeuer

Sol Gabetta spielt zwei hochvirtuose, zugleich extrem emotionale Cellokonzerte – von Schostakowitsch und Saint-Saëns

VON ARNO LÜCKER

Ihr Lieblingskomponist ist Dmitri Schostakowitsch – verriet Sol Gabetta einmal in einem Interview. Sol Gabetta liebt also Schostakowitsch. Und Schostakowitsch liebte Johann Sebastian Bach. Bach wiederum liebte Gott, wusste aber um seine eigene kompositorische Genialität. Und deshalb strickte er in die Struktur so manch eines Werkes seinen eigenen (musikalischen) Nachnamen in Form der Töne B-A-C-H ein. Eine engschrittige Geste, die uns, so ganz »roh« gespielt, etwas Klagendes, Schmerzvolles vermittelt und irgendwie unzufrieden klingt. Schostakowitschs Name ist eigentlich nicht so musikalisch (klingt aber mindestens genauso unzufrieden). Der Bach-Fan Schostakowitsch behalf sich mit den Tönen D-(E)S-C-H und konnte sich mittels dieses »Klang-Autogramms« ebenfalls (heimlich) ins Bild setzen.

Am Beginn seines ersten Cellokonzerts, komponiert 1959, sind es zwar nicht exakt die D-(E)S-C-H-Töne, die wir hören, aber immerhin eine Variation dieser »persönlichen Unterschrift«. Und entsprechend privat – und doch politisch – tönt dieses Werk. Die getupften Töne vom Solo-Cello wirken schon für sich wie »mit der Gesamtsituation nicht einverstanden«. Das Orchester antwortet entsprechend »lustig« in Staccato-Tönen. Unter der harten Schale: ein Kern aus Bitterkeit. Hier äußert sich ein Individuum lediglich nach außen sarkastisch! Wie es innen aussieht, erfahren wir im Mittelsatz des Konzerts.

Am Anfang des ersten Parts kommt es bald zu »schiefen Sexten« im Cello, in unangenehm hoher Lage. Und trotzdem macht dieses Stück, trotz oder gerade wegen so mancher »Ausraster«, extrem Spaß. Ein Erlebnis, eine Tour de Force durch das Leben eines in Russland nicht gern gesehenen Komponisten. Spott, Häme, Verzweiflung – Selbst-Erhebung: alles in einem einzigen Werk.

Das anfangs Punktuelle bei Schostakowitsch trifft nach der Pause des Konzerts am 23. Mai – Sol Gabetta wird begleitet von der Sächsischen Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Tugan Sokhiev – auf herrlichste, erfüllte, sich in Liebe verströmende Flächigkeit, in Form von Anton Bruckners Symphonie Nr. 7 E-Dur.

Am 12. und 13. Juni ist Sol Gabetta erneut zu erleben: zunächst mit den Wiener Symphonikern und einem Dirigenten am Pult, der hier in Wien vor ein paar Jahren sein Dirigierstudium begann: Lorenzo Viotti. Das Konzert beginnt mit einem »Idyll für großes Orchester« namens »Im Sommerwind« – komponiert vom zum Schaffenszeitpunkt 21 Jahre alten Ur-Wiener Anton Webern. Das rhapsodische Werk bezieht sich auf einen Roman des Dichters Bruno Wille und entstand tatsächlich in einem Sommer, den der Komponist auf dem Familiengut Preglhof in Kärnten verlebte. Farbenreich geht es nach der Konzertpause weiter – mit Nikolai Rimski-Korsakows exotisch schillerndem Meisterwerk »Scheherazade«: für jedes Orchester ein Lieblingsstück.

Zuvor jedoch erklingt ein weiteres Lieblingsstück vieler Cello-Fans: das erste Konzert für Violoncello und Orchester a-moll op. 33 von Camille Saint-Saëns. Komponiert 1872 erscheint es wie ein »Konzert in einem Satz«, wiewohl man die traditionelle Dreisätzigkeit freilich spürt. Ein Konzert größter Emotionsäußerungen bei unnachahmlicher lyrisch-französischer »Sprache«. Zwei erste Cellokonzerte (fast) nebeneinander: Schostakowitsch und Saint-Saëns. Seelenfeuer: frei!

Und für die, die vom Cello nicht genug bekommen können: Im Anschluss an das Fridays@7-Konzert am 13. Juni spielt Sol Gabetta mit den Acht Cellisten der Wiener Symphoniker im Großen Foyer weiter …

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Fr, 23/05/25, 19.30 Uhr · Großer Saal

Sächsische Staatskapelle Dresden · Gabetta · Sokhiev

Sol Gabetta, Violoncello Tugan Sokhiev, Dirigent

Dmitri Schostakowitsch: Cellokonzert Nr. 1 Es-Dur op. 107 · Anton Bruckner: Symphonie Nr. 7 E-Dur

Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/62068

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Do, 12/06/25, 19.30 Uhr · Großer Saal

Wiener Symphoniker · Gabetta · Viotti

Sol Gabetta, VioloncelloLorenzo Viotti, Dirigent

Anton Webern: Im Sommerwind. Idylle für großes Orchester · Camille Saint-Saëns: Cellokonzert Nr. 1 a-moll op. 33 · Nikolai Rimski-Korsakow: Scheherazade. Suite symphonique op. 35

Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/62099

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Fr, 13/06/25, 19.00 Uhr · Großer Saal

Fridays@7: Wiener Symphoniker · Gabetta · Viotti

Sol Gabetta, Violoncello Lorenzo Viotti, Dirigent

Camille Saint-Saëns: Cellokonzert Nr. 1 a-moll op. 33 · Nikolai Rimski-Korsakow: Scheherazade. Suite symphonique op. 35 · Im Anschluss an das Konzert: Ausklang im Großen Foyer mit den Acht Cellisten der Wiener Symphoniker

Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/62100

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