Überleben (Kurzvorschau)

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Was nun? Nun wussten meine Familie und die Polizei davon. Also suchte ich bald darauf auch das Gespräch mit der Direktion Berger. Ich erzählte ihnen von der Vergewaltigung. Nun hatten sie endlich einen plausiblen Grund, der meine Verhaltensänderungen erklärte. Das Einzige, das ich ihnen vorwarf und auch äusserte, war der Hinweis, dass man vielleicht in Zukunft nicht voreilig über Verhaltensänderungen urteilen sollte. Zumal es doch wirklich seltsam war, dass sich eine Mitarbeitende, die immer gute Leistung erbracht hatte, von einem Tag auf den anderen wie ein umgekehrter Handschuh verhielt. Das Verständnis war gross und das Direktoren-Ehepaar ging herzlich mit mir um. Sie waren betroffen und entsetzt, dass in einem idyllischen Ort wie Interlaken so etwas passieren konnte. Ich bedankte mich für die gute Zeit, die ich in diesem grossartigen Hotel erleben durfte, und für alles, was ich dort lernen durfte. Ich teilte ihnen ebenfalls mit, dass ich nun vorhatte, am 25. September 2004 zwecks Sprachaufenthalts für ein halbes Jahr nach Frankreich zu gehen. Das war der Abschluss meiner Zeit in diesem Hotel. Da nun die drei Monate vorbei waren, konnte ich endlich auch den Aidstest machen. Mein damaliger Hausarzt führte den Test mit mir durch. Dann die Erleichterung, ich hatte mich nicht mit HIV oder Hepatitis infiziert. Meine Mutter begleitete mich auch noch zu meiner Gynäkologin. Zum Glück war auch körperlich soweit alles gut verheilt. Was mir zu schaffen machte – aufs Körperliche bezogen –, war die Schilddrüse. Vom Würgen des Täters bis zur Bewusstlosigkeit hatte sich meine Schilddrüse nicht wieder erholt. Ich entwickelte eine starke Überfunktion und musste daher viele Tabletten schlucken. Ebenso hatte ich seit der Tat Schwierigkeiten beim Atmen. Der heftige Schlag auf meine Nase hatte die Nasenscheidewand verschoben. Die Ärzte rieten mir zu Operationen an Schilddrüse und Nase, aber ich wollte noch zuwarten. Den Entscheid, doch zu operieren, traf ich erst später. Bei der Polizei wurde ich verhört. Das war schrecklich. Alles verlief so herzlos. Ich musste alles im Detail schildern. Ein mehrseitiges Protokoll wurde erstellt. Jede Seite musste ich einzeln nochmal durchlesen und signieren und das alles, damit ich dann am Schluss die Aussage bekam: «Ist gut Frau Maurer, wir glau27


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