FLOËE
viele wissenschaftliche Arbeiten existieren, die meine Erfahrungen in therapeutischen Prozessen und meine Intuition bestätigen. Wichtig finde ich, dass mein Buch auch Menschen ohne psychologische Vorkenntnisse erreicht und ich anderen, vielleicht jüngeren und weniger erfahrenen Reisebegleitenden wertvolle Orientierungshilfen geben kann. Ich habe mir erlaubt, hauptsächlich die weibliche Form zu wählen, sozusagen als Ausgleich für die lange männliche Dominanz. Die neue Gendersprache ist mir noch zu fremd. Und natürlich möchte ich immer alle Geschlechter ansprechen, von weiblich bis männlich, einschliesslich neutral. Manchmal möchte ich mit einer besonderen Schreibweise (Wörter/Verben mit Bindestrichen getrennt oder Grossbuchstaben innerhalb eines Wortes) auf die tiefere Bedeutung eines Wortes hinweisen. Zum Beispiel kann Entwicklung darauf hindeuten, dass wir uns aus verschiedenen Schichten, z. B. aus Verhaltensmustern, schälen oder wickeln müssen, um zu unserem Kern zu kommen. Zur Hypnotherapie gehören Wiederholungen, vor allem, wenn es um die Aufnahme neuer Informationen geht. Deshalb scheue ich mich auch in meinen Ausführungen nicht davor, meine Grundideen zu wiederholen. Das führt dazu, dass Sie alle Kapitel für sich lesen können und sich nicht unbedingt an eine Reihenfolge halten müssen. Es ist auch durchaus möglich, zuerst den Anhang zu studieren. Auf alle Fälle wünsche ich Ihnen aufschlussreiche Momente mit den Reiseberichten spannender Menschen! Anna Dorothea Keller-Brand, Fachpsychologin für Psychotherapie Medizinische Hypnose Werkstatt für Trancephänomene und Ent-Wicklung Schmiedengasse 13 2502 Biel
«ICH WUNDERE MICH, DASS ICH SO GUTER DINGE BIN» FLOËE, 75 JAHRE Zu meiner Person: Ich wurde als Bub geboren und bin transident. Auch wenn ich einen Männerkörper habe, lebe und vor allem fühle ich als Frau. Ich komme aus gutbürgerlichen Verhältnissen. Nach der Schule habe ich ein Studium in Kunst- und Musikwissenschaften sowie Anglistik abgeschlossen. Gleichzeitig versuchte ich bis circa 30, eine Laufbahn als Filmemacher aufzubauen. Nach deren Scheitern übernahm ich den väterlichen Uhrenbetrieb, den ich 36 Jahre lang recht erfolgreich führte. Was hat Sie dazu bewogen, eine Therapie zu beginnen? Vor ein paar Jahren begleitete ich meine alkoholkranke Freundin zur Therapie. Nach der Therapiestunde, an der ich auch teilnahm, gab mir Anna einen Wink: Sie machte eine Bemerkung, mit der sie mir zu verstehen gab, dass sie meine Not sah. Das beschäftigte mich, und ich realisierte erst dann so richtig, dass bei mir etwas nicht stimmte. Ein paar Tage danach meldete ich mich bei ihr zu einer ersten Einzelsitzung an. Sie sagte mir später, dass sie sich gefragt hätte, wer hier eigentlich die Klientin sei, ich oder die Freundin. Mein ausgeprägtes Helferverhalten war ihr dabei besonders aufgefallen. Mein Leben lang wollte ich es immer allen recht machen, das ging so weit, dass ich mich selbst jahrelang verleugnete. Mit 60 hatte ich mein Outing als Transidente. Doch trotz diesem grossen Schritt litt ich nach wie vor unter einer tiefen Unsicherheit und starken Einsamkeitsgefühlen. Ausserdem begab ich mich in eine Co-Abhängigkeit mit meiner alkoholkranken Freundin. So entschied ich mich, auf Annas Therapie-Angebot einzugehen. Wo sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Ihrer Not und Ihrer Biografie? Mein Leben war seit meiner Kindheit von Aussenseitertum und Einsamkeit geprägt. In der Schule war ich zwar gut, aber die Beziehungen zu meinen Eltern oder zu Freunden und Kollegen waren gestört.
12 | Einstieg
Die lange Reise nach innen_2 Kopie.indd 12-13
Floëe | 13
13.05.22 14:20