Ostpost 42

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Aufruhr in Rostock Die Rostocker Domfehde 1487-1491 (Teil 1) Dieser Text ist eine dreiteilige Nacherzählung in heutiger Sprache aus „Des Alt- und Neuen Mecklenburgs achtes Buch von Mecklenburgs Vereinigung durch Zusammenfügung seiner Länder...“ von David Frank, Güstrow und Leipzig 1754 sowie einigen Ergänzungen aus wikipedia und rosdok.uni-rostock.de

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uch schon zu Zeiten jener turbulenten Ereignisse, am Ende des 15. Jahrhunderts, war Rostock die größte und reichste Stadt Mecklenburgs. Das Verhältnis zwischen den Landesherren und der Stadt schien im Jahre 1483 aus vielerlei Gründen zerrüttet. Die Herzöge Magnus II. und Balthasar von Mecklenburg waren knapp bei Kasse. Ihr 1477 verstorbener Vater Heinrich IV., genannt „der Dicke“, hatte ihnen durch seine verschwenderische Hofhaltung einen Schuldenberg hinterlassen. Auch ihre Güter waren hoch verschuldet und so sollten außerordentliche Steuern und neue Zölle Abhilfe schaffen. Besonders in Städten wie Rostock führte dieses Vorhaben zu großer Unzufriedenheit. Gleichzeitig hatte es Vorfälle und herzogliche Pläne gegeben, die auf entschlossenen Widerstand der Rostocker Bürger stießen. So hatte ein Adliger aus Gragetopshoop seinen Sohn bei Nacht und Nebel aus dem herzoglichen Gefängnis in Güstrow befreien lassen. Dieser fand Zuflucht in der Stadt Rostock, welche sogleich das herzogliche Verlangen nach Auslieferung zurückwies. Jeder Rostocker Bürger sollte laut Gesetz in Rostock vor Gericht gestellt werden können. Da es aber zu keiner Gerichtsverhandlung kam, beschloss Herzog Magnus zur Sühne den Rostocker Besitz Gragetopshoop vor den Toren Rostocks zu plündern. Allerdings war der Plan verraten worden, sodass die herzoglichen Angreifer von städtischen Soldaten abgewehrt und erschlagen wurden. Neben dem militärischen Fußvolk verloren dabei mehrere Adlige aus angesehenen Familien ihr Leben, was deren Familien und die Herzöge sehr erbitterte. Rostock fühlte sich stark zu dieser Zeit und wollte sich ohnehin von der Mecklenburgischen Herrschaft lösen. Gerade hatte die Stadt einen Beistandsvertrag mit den anderen Städten des wendischen Quartiers der Hanse erneuert und auch der gesamte, mächtige Hansebund stand hinter Rostock. In dieser Situation wollte man wohl alles abschlagen, was von landesherrlicher Seite an die Stadt herangetragen wurde. So verhielt es sich auch mit dem Anliegen der Herzöge, in Rostock ein Dom-Kapitel zu stiften. Es sollte in den Ruhestand gegangenen Universitätsprofessoren zu einem gesicherten Lebensabend in einem kirchlichen Rahmen verhelfen. Ihr Wissen, Ansehen und erworbener Besitz sollten nach Ende ihrer Amtszeit der Stadt erhalten bleiben. Als Laienbrüder brauchten sie kein Gelübde abzulegen und auch keine strengen Ordensregeln befolgen. Zum Unterhalt des Stiftes sollten neben den Herzögen die Rostocker Kirchgemeinden mit eigenen Mitteln und Personal beitragen, ja sie sollten in das zu gründende Stift eingegliedert werden und ihre Eigenständigkeit verlieren. Es gingen sehr bald vielerlei Gerüchte unter den einfachen Bürgern um, nach denen die Landesherren eine Hintertür suchten, um wieder mehr Macht und Einfluss in Rostock und über die Universität zu gewinnen. Tatsächlich sollten vorwiegend juristisch gebildete, fürstliche Kleriker und Diener die zu vergebenen Posten als Stiftsherren erhalten. Auch wurde befürchtet, dass die Herzog Magnus II. (1441 - 1503) im Doberaner Münster (Foto: Hinrich Bentzien)

seelsorgerische Arbeit der Pastoren der Rostocker Stadtkirchen unter der Mehrbelastung durch das Domstift leiden könnten. Niemand in Rostock war begeistert über die herzoglichen Pläne - nicht mal die Universität selbst, welche ja gefördert werden sollte, stattdessen aber zwischen die Fronten geriet. Auf Seiten der Stadt war man sogar für eine Schließung der Universität. Auf Antrag von Herzog Magnus verfügte Papst Innozenz VIII. im November 1484 also die Einrichtung des umstrittenen Domstifts. Da sich die Rostocker noch nicht päpstlichen Erlassen fügen wollten, tat sie der Bischof von Ratzeburg nach etlichen Verhandlungen und Appellationen für und wider das Domstift in den Bann. Außerdem rief er alle weltlichen Mächte, wie den Kaiser, Fürsten und andere Mächtige dazu auf, militärischen Druck auf die Stadt auszuüben. Es ist aber nicht bekannt, dass irgendjemand sich in dieser Sache auf ’s Pferd geschwungen hätte. Man wusste auch, wie leichtfertig die Kirche in solchen Bann-Angelegenheiten vorging. Trotzdem bedeutete so ein Bann natürlich eine enorme geistliche und wirtschaftliche Einschränkung eines Gemeinwesens und seiner Menschen. Rostock wandte sich noch einmal an den Papst, wurde aber durch unermüdliche Einflussnahme des Mecklenburgischen Herzogs Magnus zum Schweigen gebracht. Schließlich fügte sich die Stadt. Bischoff und Herzog gingen daran, die Einrichtung eines Domstiftes umzusetzen. Allen Beteiligten an dem großen Staatsakt war wiederholt freies Geleit zugesichert worden.

Zwischen den Stühlen So zogen also die Mächtigen Mecklenburgs am Mittwoch nach den Heiligen Drei Königen des Jahres 1487 in Rostock ein. Es waren die beiden Herzöge Balthasar und Magnus nebst Gemahlinnen, die Bischöfe von Schwerin und Ratzeburg

sowie andere Vertreter der Geistlichkeit und der Mecklenburgischen Stände. In der Klosterkirche von St. Johannis, wo die Herzöge abgestiegen waren, wurde das Versprechen des freien Geleits noch einmal bekräftigt. Der älteste Bürgermeister Rostocks, Barthold Kerckhoff war städtischerseits der Verantwortliche und hatte, wie man munkelte, das Nachgeben der Stadt gegenüber Herzog Magnus in Doberan längst vorbereitet. Für die einen war das die Erfüllung einer päpstlichen Order und des fürstlichen Willens - für andere aber Preisgabe eines Stückchens Selbstständigkeit und schlicht Hochverrat. Schließlich strebte Rostock nach völliger Unabhängigkeit und wollte nicht finanziell einstehen für herzogliche Hofhaltung und ehrgeizige politische Ziele. Nur wenig trennte die Bürger noch von dem ersehnten Ziel, welches Städte wie Lübeck und Hamburg schon erreicht hatten. Warum also den Fürsten neuen Einfluss in der Stadt gewähren? Hatte man ihnen nicht jedes Stückchen Freiheit über Jahrhunderte teuer abgekauft? Bezahlen sollten das häufig die Unterschichten und sie waren es auch, die am schnellsten in unkontrollierbare Wut gerieten. Zwar diente das Stift einer löblichen Sache - der Finanzierung der Universität - jedoch hatte man auch mit dieser ständig Streit. Von Manchen wurde diese Institution gar nicht geschätzt. Am folgenden Freitag den 12. Januar 1487 schritten und ritten die hohen Gäste zur Messe nach Sankt Jakobi. Hier wurde unter Vorsitz des Ratzeburger Bischofs die Umwandlung der Kirche in ein Kollegial- oder Domstift verkündet und Vertreter anderer Rostocker Gemeinden in Ämter des Stiftes eingesetzt. So wurde der Pfarrer von Sankt Marien, Thomas Rode, zum Domprobst und der Pfarrer von der Jakobikirche, Heinrich Bentzien, zum Dekan ernannt. Auch an ein eigens entworfenes Wappen und Siegel war gedacht worden. Viele andere Posten und Funktionen wurden noch besetzt und allen Beteiligten noch mal genaue Anweisungen bezüglich der Abhaltung ihrer Gottesdienste gegeben. Auch der Rat der Stadt wurde einbestellt und auf dessen Bitte endlich der Kirchenbann von der Stadt genommen. Anschließend setzte sich die feierliche Prozession zum herzoglichen Quartier und zur Einnahme eines Festmahls in Bewegung. Hier nahmen auch die frisch gebackenen Domherren an einer eigenen Tafel Platz. Allerdings war wohl so manchem von ihnen etwas flau im Magen, denn sie wussten dass es in ihrer Stadt besonders in den ärmeren Bevölkerungsgruppen erbitterte Gegner des Domstiftes gab. Sie kannten ihre Mitbürger, die manchmal zu wütenden Gewaltausbrüchen neigten. Noch war es ruhig auf den Straßen und noch wurde gescherzt an der fürstlichen Tafel: Das neue Domstift benötigte doch noch einen ordentlichen Märtyrer. Hieß nicht der neue Probst „Thomas“ - genau wie der heilige Thomas von Canterbury, der auch für seinen Glauben gestorben war? Wenn das nicht passte! Es war Werktag und auch am folgenden Samstag gingen die Menschen in Rostock ruhig ihrer Arbeit nach. Jedoch wussten sie bescheid über die Geschehnisse, denn sie hatten den prächtigen Aufzug schließlich selbst beobachtet. Auch hatten missgünstige Ratsherren gegen ihren Ältesten Barthold Kirchhoff und seine Nachgiebigkeit gehetzt. Es brodelte also hinter den hanseatischen Kulissen und auch den Herzögen waren entsprechende Gerüchte zu Ohren gekommen. Beide bauten aber auf das mehrfach zugesicherte freie Geleit und begriffen wohl nicht, dass sich der Rat der Stadt mit seiner Zusage eines Domstiftes genau zwischen die Stühle gesetzt hatte. Fortsetzung folgt. Text: Hinrich Bentzien


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