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Das Ohr am Herzen des Stadtteils S
from Ostpost 42
- der Ortsbeirat Stadtmitte
Alle 5 Jahre wählen wir unsere Bürgerschaft, alle 7 Jahre unseren Oberbürgermeister als Chef der Verwaltung. Dazwischen lesen wir in der Zeitung davon, was die so machen. Aber was, wenn ich selbst etwas in meiner Nachbarschaft sehe, das die Stadt ändern müsste? Für einige Dinge eignet sich das Portal „klarschiff-hro“ gut, aber für das, was Lisa vorhat, will sie zum Ortsbeirat gehen. Lisa ist 14, sie ärgert sich darüber, dass es keinen Zebrastreifen auf ihrem Schulweg gibt. Wählen darf sie noch nicht, aber alle Bürgerinnen und Bürger ab 14 Jahre dürfen Anträge an ihren zuständigen Ortsbeirat stellen.
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Der Vorsitzende des Ortsbeirates Stadtmitte Andreas Herzog
Lisa will einen Zebrastreifen
Bevor sie sich zu einer der Sitzungen auf die Socken macht, schreibt sie eine E-mail an den Ortsbeirat und schildert ihr Anliegen, stellt einen Antrag und begründet ihn. Andreas Herzog, der Vorsitzende in Stadtmitte, meldet sich bei Lisa, um sicherzugehen, dass er alles richtig verstanden hat und startet vorab eine Anfrage an die Verwaltung, was es mit der Verkehrssituation vor Lisas Schule auf sich hat. Außerdem beschließt er zusammen mit dem Ortsamt, den Antrag auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu bringen. Zu der Sitzung lädt er Lisa ein.
Unter dem Tagesordnungspunkt „Wünsche und Anregungen der Einwohnerinnen und Einwohner“ melden sich unangemeldet verschiedene Leute zu Wort und beschweren sich über Sachen. Ihre Anliegen werden aufgenommen, damit sie auf einer späteren Sitzung weiterbearbeitet werden können. Mehr kann man an dem Abend nicht tun. Lisa war gewitzter, ihr Tagesordnungspunkt ist die Nummer 7 und sie wartet gespannt. Dann trägt sie ihr Anliegen vor, die Mitarbeiterin aus dem Ortsamt verliest die inzwischen auch eingetroffene Antwort der Verkehrsbehörde auf das Anliegen und der Ortsbeirat beschließt über den Antrag. So läuft es im Idealfall. Der Antrag wird dann weitergereicht und im besten Fall wird der Zebrastreifen angelegt. Oft sind die Dinge leider komplizierter und brauchen mehr Zeit. Wie funktioniert ein Ortsbeirat?
Die Stadt hat 14 Ortsbeiräte. Das deutet schon darauf hin, dass hier keine „große Politik“ gemacht wird, sondern sehr kleinteilig auf die Ortsteile geschaut wird. Bauten, Straßen, Spielplätze, Freizeiteinrichtungen, häufig auch Müllkörbe sind die Themen. Geleitet werden die Sitzungen von einem Vorsitzenden, in der Stadtmitte ist das Andreas Herzog, der von der SPD entsandt wurde. Das zuständige Ortsamt begleitet die Arbeit vonseiten der Verwaltung.
Die vornehmsten Aufgaben des Ortsbeirats bestehen nun in zwei Dingen:
Zum einen ist er das Ohr am Herzen der Bürgerinnen und Bürger. Die Einwohnerinnen und Einwohner können ihn kontaktieren und zu den Sitzungen kommen, so wie Lisa.
Dann ist er der Stachel im Fleisch der Verwaltung, denn den Ortsbeiräten muss vieles vorgelegt werden, was in der Stadt beschlossen werden soll, vor allem Baumaßnahmen und Straßenbau. Der Ortsbeirat sieht sich die Maßnahmen an und hinterfragt kritisch, wie sich das auf die Menschen im Stadtteil auswirken wird. Außerdem ist er berechtigt, Antworten und Stellungnahmen aus der Verwaltung einzufordern. Dieses Recht ergibt sich daraus, dass die Ortsbeiräte die Bürgerschaft und den Oberbürgermeister beraten sollen. Damit sie diese Beratung qualifiziert und kompetent erledigen können, müssen sie alle Informationen bekommen können. Das klappt mal mehr, mal weniger gut.
Haben die was zu sagen?
Nein – und ja. Antworten auf drängende Fragen einzufordern, alles schön und gut, aber damit haben wir ja noch nichts verändert, meinen manche. Die Veränderung ist größer als viele denken, denn die Transparenz behördlichen Handelns ist ein wichtiger Faktor in der Demokratie. Weil der Ortsbeirat zum Beispiel die Vorgänge um das Parkhaus schön transparent gemacht hat, schwoll der Widerstand gegen ein zweites hässliches Parkhaus im Stadtteil an. Daraufhin ging der Ortsbeirat einen Schritt weiter, hat Widerspruch erhoben und durch einen Antrag den Gestaltungsbeirat in den Bauprozess einbinden können. Mit großem Erfolg! Man muss ihm also nicht nur vieles vorlegen, der Ortsbeirat darf auch widersprechen und den Protest in die Bürgerschaft tragen.
Das Budget der Ortsbeiräte
Auf dem Weg zu mehr Bedeutung für die Ortsbeiräte wurde im Jahr 2019 beschlossen, ihnen ein eigenes, kleines Budget zu geben, um direkt im Stadtteil etwas zu bewirken. Pro Bewohnerin und Bewohner des Stadtteils 0,50 Cent und einen Grundsockel von 3000 Euro habe die Ortsbeiräte jährlich zur Verfügung, um Vereine und Projekte in ihrem Ortsteil zu stärken. Die normalen Aufgaben der Bürgerschaft und der Kommune Rostock sind damit nicht gemeint, der Ortsbeirat wird also selbst keine fehlenden Straßenschilder oder Abfallkörbe aufstellen. Geregelt ist das in der Richtlinie zum Budget der Ortsbeiräte. Die Antragstellung ist relativ einfach. Als Antragsteller eignen sich Vereine gut, es geht aber auch ohne. Die östliche Altstadt hat bereits häufig davon profitiert, zum Beispiel bei der Beleuchtung der Petrikirche, der Hüpfburg und dem Zuschuss für das Bühnenprogramm beim Altstadtfest.
Wie kommt man in einen Ortsbeirat?
Vorschlagsrecht für die Ortsbeiräte haben die Fraktionen. Die Fraktionen der Bürgerschaft rufen in der Regel in ihre Parteien hinein, um nach Interessierten für die Arbeit zu suchen. Sie müssen nicht, sind aber häufig Mitglieder der Parteien, nicht selten sind sie sogar Mitglieder der Bürgerschaft. Da sich die Mitglieder eines Ortsbeirats alle 4 Wochen treffen und zwischen den Sitzungen in den Stadtteil hineinhorchen, recherchieren und die Arbeit der Fraktionen und der Bürgerschaft mitverfolgen, sucht man dafür Menschen, die die Zeit und die Lust dazu mitbringen. Die Bürgerschaft beruft die vorgeschlagenen Mitglieder der Ortsbeiräte für die Dauer der Legislaturperiode, also 5 Jahre. Für die Arbeit bekommt man eine kleine Aufwandsentschädigung bezahlt. In Zukunft werden für alle Mitglieder Stellvertreter benannt werden, die ggf. einspringen können. Das soll helfen, mehr Menschen in diese Arbeit einzubinden und Nachwuchs gut einzuarbeiten.

Der Ortsbeirat Stadtmitte tagt normalerweise im Rathausanbau, Beratungsraum 1a/b (Foto: Kira Ludwig)
Wo finde ich den Ortsbeirat Stadtmitte?
Auf der Homepage des Rathauses findet man mit ein bisschen Mühe Informationen zu Ortsbeiräten, die Satzung und die Regeln für das Ortsbeirats-Budget. Auch den Antrag findet man dort. Die Sitzungstermine werden im Städtischen Anzeiger veröffentlicht – ein Muss für alle kommunal Interessierten!
Normalerweise tagt der Ortsbeirat Stadtmitte im Rathaus-Anbau. In der Corona-Zeit trifft er sich meistens im Bürgerschaftssaal oder neuerdings sogar online. Den Ortsbeirat Stadtmitte erreichen sie unter folgender E-mail-Adresse:
obr14-stadtmitte@rostock.de