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Mitglieder und Finanzen
Schon 1935 begann J. Debrunner als Obmann der Vogelschutzgruppe eine grossangelegte Sammelaktion. Dass eine einzige Person zu dieser Leistung fähig war, grenzt fast an ein Wunder, denn dieser war vollzeitlich in einer Bank in Zürich tätig und reiste täglich, auch samstags, mit der Bahn von Wängi an seinen Arbeitsort. Bei der Suche nach Gönnern und Spendern wird ihm sowohl seine Banker-Erfahrung wie auch seine Überzeugungskraft zugute gekommen sein. Er kannte eine grosse Zahl von spendefreudigen Leuten, und dies noch während der Wirtschaftskrise der Dreissigerjahre!
1940 erreichte der NVG-Grundbesitz den endgültigen Zustand von ca. 450 Aren, welcher bereits auf einen Franken Buchungswert abgeschrieben war! Dies weckte natürlich auch den Neid von andern Naturschutzorganisationen im Kanton.
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Im Gründungsjahr war allerdings die Wängener Beteiligung an Gönnern und Spendern relativ klein: von rund 200 Personen stammte nur ein Dutzend aus Wängi und Umgebung, die am Sammelergebnis von knapp 2000 Franken nur etwa 150 Franken beisteuerten.1938 wurde eine neue Mitglieder- und Gönnerliste erstellt, und da – der damaligen Sitte entsprechend – auch Berufe und Funktion aufgeführt wurden, lässt sich ein sehr gutes Bild der gesellschaftlichen Struktur der Mitglieder machen:
Auswärtige (davon 7 % juristische Personen) ca. 160 Wängi und Umgebung (10% juristische Personen) ca. 80 Selbstständig Erwerbende, Geschäftleute 35 Landwirte 22 Lehrerinnen, Lehrer und Pfarrherren 16 Angestellte 5 Arbeiter (siehe folgende Seite) 1
Dr. Heinz Haeberlin Bundesrat


Hans Reutlinger Regierungsrat
Die Mitglieder gehörten der Mittel- und «Oberschicht» an, natürlich wurde gezielt nur hier Werbung betrieben, weil es ja vorerst einmal um die Finanzierung ging. Dieser einzige «Arbeiter» ist als Nachtwächter der Weberei aufgeführt (hier waren damals mehr als 250 Personen beschäftigt), dieser übernahm dann für kurze Zeit das Amt des Reservataufsehers und hatte täglich zwei Rundgänge zu machen, um «das Tun Übelgesinnter» zu verhindern.
An den General- oder Jahresversammlungen nahmen aus verständlichen Gründen nur Mitglieder der Umgebung teil, neu Eintretende wurden aber feierlich aufgenommen.
Aus dem Jahresbericht von 1940: «Mit Gruss und Handschlag wurden folgende Mitglieder aufgenommen: · H. Geser, Massgeschäft, Frauenfeld · Eugen Herzog, Landwirt und Pomologe, Wängi · Adolf Müller, Posthalter, Eglisau · Kantonsrat und kantonaler Bauernsekretär Hans Reutlinger Weinfelden» (wurde bald nachher zum thurg. Regierungsrat gewählt)
Interessant ist auch die Liste von «besonderen Mitgliedern» (dem Sinne nach prominente Persönlichkeiten) · alt Bundesrat Dr. Heinz Haeberlin · Ständerat Dr. Paul Altwegg · Regierungsrat Dr. Jakob Müller (von Krillberg stammend) · Dr. A. Pfaehler, Präs. Schweiz. Naturschutzbund · Prof. Dr. H. Tanner, Präs. Naturschutzkommission TG · Walter Bruggmann, Grossgrundbesitzer, Manila · Dr. Gottlieb Bachmann, Präs. Direktion Schweiz. Nationalbank · Alfred Huggenberger, Schriftsteller, Gerlikon/Frauenfeld
· Johann Künzli, Kräuterpfarrer, Zizers · Prof. E. Laur, Schweiz. Bauernsekretär, Brugg · Dr. Willi Schohaus, Seminardirektor, Kreuzlingen · Dr. Binswanger, Direktor Kuranstalt Bellevue, Kreuzlingen
Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieg brachte eine brutale Wende
1940 war die Arrondierung des Schutzgebietes abgeschlossen. Schwere Differenzen mit einem Anstösser, Meinungsverschiedenheiten mit kantonalen Organisationen belasteten die Arbeit im Vorstand. Zudem machte die neue Situation gewisse weltanschauliche Schwierigkeiten sichtbar: Die Anbauschlacht von Bundesrat Traugott Wahlen war nicht leicht mit der Philosophie der Idealisten zu vereinbaren, zudem mussten alle Kräfte für die Vogelfutterbeschaffung aufgebracht werden (der Vogelschutz war immer noch eine der Hauptaufgaben!).
Mitgliederlisten wurden keine mehr erstellt, ab 1941 keine Jahresberichte mehr gedruckt, und die NVG wurde rasch zu einem lokalen Verein. Der Mitgliederbeitrag von «mindestens 4 Franken» wurde schliesslich auf 1 Franken gesenkt, zuletzt begnügte man sich mit freiwilligen Spenden.
Anlässlich der Jahresversammlung 1948, wo als wichtigstes Traktandum die Demission von Gründungspräsident Jos. Debrunner angekündigt wurde, erschienen nebst dem Vorstand gerade zwei Mitglieder! Worauf dieser rasche Rückgang an Engagement und Erfolg zurückzuführen ist, kann heute nicht leicht beurteilt werden. Andere kantonale Naturschutzorganisationen drücken sich in dieser Hinsicht vornehm verhalten aus: man hätte in Wängi «das Fuder halt doch etwas überladen». Mitglieder und Finanzen 31
Prof. Ernst Laur Bauernsekretär (STG)


Dr. Jakob Müller Regierungsrat (OM)
Nach dem Kriege erholte sich die Wirtschaft, und im Grütried pendelten sich die Aktivitäten auf ein gesundes, der Bevölkerung angepasstes Mass ein. Fortschritte waren bescheiden aber stetig und dauern glücklicherweise bis heute an.
Mitglieder
In den Mitgliederlisten der Gründerjahre wurden praktisch nur Männer aufgeführt, immerhin erscheinen Emmy Gamper als Rechnungsrevisorin und die beiden Töchter des in Wängi berühmten Arztes Hermann Walder: Mariette Rentsch-Walder, Geschäftsführerin Rentsch Druck AG, als Sponsorin des ersten NZZ-Separatdruckes und Anna Walder, erste weibliche thurgauische Berufsberaterin, welche auch in finanziellen Angelegenheiten oft um Rat angegangen wurde.
Heute wird ein wichtiger Teil der Arbeit von Frauen ausgeführt, und der Vorstand wäre ohne diese wohl kaum mehr funktionsfähig.
Auch wandelte sich die schweizweite Gönnergesellschaft zu einem Gemeindeverein, wie die beiden Darstellungen zeigen:
Jahr Mitgliederzahl Wängi und Umgebung von auswärts 1936 ca 200 12 ca 190 1938 ca 240 ca 80 ca 160 1949 99 58 41 1950 89 58 31 1962 160 132 28 1990 221 210 11 1990 – 2010 100% ca 95% ca 5 %
Naturschutzvereinigung Grütried Mitgliederzahlen und Beiträge
Jahre Anzahl Gönner Betrag 1975 260 3000 1976 258 2840 1977 231 2700 1978 225 2800 1979 ca. 200 3000 1980 fehlt fehlt 1981 ca. 200 2200 1982 ca. 200 2800 1983 198 2800 1984 ca. 200 2850 1985 ca. 200 2800 1986 ca. 210 3100 1987 ca. 220 3700 1988 ca. 220 3800 1989 219 3400 1990 221 3700 1991 fehlt fehlt 1992 fehlt fehlt 1993 162 3600 1994 142 3650 1995 132 3000 1996 125 2800 1997 133 3700 1998 140 3700 1999 132 3200 2000 147 5300 2001 130 4300 2002 184 7300 2003 192 8900 2004 221 7000 2005 247 8700 2006 220 7000 2007 202 6600 2008 188 6200 2009 145 4950 2010 93 3200
Finanzielle Entwicklung
1935 bis 1940: Vom Erfolg der Geldsammlungen Debrunners wurde bereits berichtet. Mit Kriegsbeginn waren diese zur Hauptsache abgeschlossen. In den ersten Jahren nahm man etwa 10'000 Fr. durch Spenden und Jahresbeiträge ein; etwa die Hälfte davon wurde für den Landerwerb verwendet. Da alle Vorstandsmitglieder noch berufstätig waren und grossteils am Samstag noch gearbeitet wurde, mussten Landwirte und Unternehmer für die Aktivitäten in den Schutzgebieten engagiert und selbstverständlich bezahlt werden.
Die Aufwendungen für · Erdbewegungen, Neupflanzungen von Mischwald und Gebüsch · Errichtung eines Maschenhages gegen Rehfrass · Administrativen Aufwand und Druckspesen machten in den ersten Jahren fast soviel wie der Landerwerb aus!
Kriegszeit bis 1960
Dass diese Zeitspanne wohl als schwierigste Periode angesehen werden darf, wurde bereits erwähnt. Die Einnahmen durch jährliche Mitgliederbeiträge sanken bis 1960 auf durchschnittlich 300 Franken und begannen erst später wieder zu steigen. An der 25-JahreJubiläumsversammlung waren neben den Ehrengästen nur zehn Mitglieder anwesend!

Finanzielle Entwicklung 1960 bis heute:
Die Mitgliederzahlen aus den ersten Jahren sind bekannt, dann fehlen diese aber bis 1974. Sicher ist aber, dass die Einnahmen stetig stiegen, von 1963 mit 750 Fr. auf 2500 Fr./ Jahr 1974. Ab 1975 existieren genauere Angaben (siehe Tabelle vorheriges Kapitel).
Gründe für die erfreuliche Entwicklung dürften folgende sein: Einerseits nahm das Umweltbewusstsein in dieser Zeit zu, der Begriff «Umweltschutz» entstand in diesen Jahren. Auf der anderen Seite ist es sicher das Verhältnis zur Freiwilligenarbeit in der NVG. Während vor 1960 noch beachtliche Summen für Löhne ausbezahlt wurden, sind heute praktisch alle Pflegeeinsätze Freiwilligenarbeit! (Siehe Kapitel 14, «Arbeitseinsätze im Grütried»).
Die daraus resultierende komfortable finanzielle Situation erlaubte es sogar, hie und da freiwillig auf die Kantonsbeiträge zu verzichten. Das beachtliche heutige Vermögen von über 50000 Franken ist für zukünftige Neuerwerbungen von Schutzgebieten vorgesehen. Hier glückte aber leider seit zwei Generationen kein Ankauf mehr!
