orte Verlag Leseprobe
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Gegründet von Werner Bucher und Rosemarie Egger im Jahr 1974 Nr. 218, Oktober 2022 ISBN 978-3-85830-299-1; ISSN 1016-7803
Erscheint fünf Mal jährlich. Die nächsten Ausgaben mit folgenden Themen: 219 «La Chaux-de-Fonds».
Fühlen Sie sich von einem der Themen angesprochen, haben Sie Informationen dazu oder sogar Interesse, in der Redaktion mitzuarbeiten, dann freuen wir uns über Ihre Zuschrift an unsere Redaktionsadresse.
Leitung Redaktion: Annekatrin Ranft-Rehfeldt
Redaktion orte
Bärenmoosweg 2, CH-5610 Wohlen
Tel. +41 44 742 31 58, redaktion@orteverlag.ch Redaktionsteam: Annekatrin Ranft-Rehfeldt (Leitung)
Gabriel Anwander, Viviane Egli, Regina Füchslin, Susanne Mathies, Erwin Messmer, Monique Obertin, Cyrill Stieger, Peter K. Wehrli
Verlag: orte Verlag
Im Rank 83, CH-9103 Schwellbrunn
Tel. +41 71 353 77 55, Fax +41 71 353 77 56 verlag@orteverlag.ch, www.orteverlag.ch
Einzelnummer: Fr./Euro 18.–
Abonnemente: Gönnerabonnement orte Fr./Euro 140.–(5 Ausgaben pro Jahr + Poesie-Agenda) Jahresabonnement orte Fr./Euro 84.–(5 Ausgaben pro Jahr + Poesie-Agenda) Abonnemente im Ausland: Fr./Euro 12.– Zuschlag
Inseratepreise:
1 / 1 Seite (121 x 180 mm) Fr. 400.–
1 / 2 Seite (121 x 88 mm) Fr. 200.–
1 / 4 Seite (121 x 42 mm) Fr. 120.–
Inserateverkauf: Annina Dörig, inserate@orteverlag.ch, Tel. +41 71 353 77 40
Umschlag: Gestaltung: Daniela Saravo, Verlagshaus Schwellbrunn
Bild: Zirkusplakat, Privatsammlung Peter K. Wehrli
Copyright der Texte bei den Autorinnen und Autoren.
Trotz umfangreicher Bemühungen ist es uns in wenigen Fällen nicht gelungen, die Rechteinhaber für Texte und Bilder einiger Beiträge ausfindig zu machen. Der Verlag ist hier für entsprechende Hinweise dankbar. Berechtigte Ansprüche werden selbstverständlich im Rahmen der üblichen Vereinbarungen abgegolten.
inhalt
3 Editorial Zirkus
orteinhaltsverzeichnis
5 Einleitung Peter K. Wehrli Wagnis als Alltag
Die Seiltänzer Georg Heym – 10 Auf der Galerie Franz Kafka –
Zirkus Robert Lax
Der Zirkus als kreativer Zustand
zirkus Julia Cimafiejeva – 16 Zirkus Salimba Wolfgang Cziesla
Thomas Mann und der Zirkus Frido Mann – 22 Der Zirkusakt als Text Paul Bouissac – 24 Fragen an Ursus & Nadeschkin Peter K. Wehrli
Der Zirkus als Weltanlage
Zirkus Klabund – 29 Elf zirzensische Schlaglichter Peter K. Wehrli
«Liliputaner» Martin R. Dean Dressur
Dressur Walter Mehring – 38 Erinnern Sie sich, Walter Mehring … ? Peter K.Wehrli – 41 Tierfabel Else Lasker-Schüler Scheitern und Lachen
42 Der Narr Roland Grohs – 44 Die Karte Lorenz Langenegger –
«...es ist unter der Würde des Clowns, den Menschen zu spielen!» Peter K. Wehrli Zirkus – Gegenwart und Vergangenheit
52 40 Jahre Marc Ottiker – 54 Warum das Kind in der Polenta kocht Gabriel Anwander – 56 Porträt des Zirkus Wunderplunder Gabriel Anwander –
Der Zirkus wird abgeschafft Ursus Wehrli
Autorenbiografien
orte-bestenliste
orte-bücherregal
hör-orte: Hans Fallada – Lilly und ihr Sklave
Helmut Vogel
Peter K. Wehrli
wander-orte Cyrill Stieger
ortolan: Gedichte im Obwaldner Dialekt Romano Cuonz
fundorte: Ein fantastisches Tagebuch
Virgilio Masciadri
zündorte: Lesesucht und Lockdown Susanne Mathies
orte-festival Annekatrin Ranft-Rehfeldt
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2 AB 23. NOVEMBER 2022 DIE HAUPTSTADT DINNER-SHOW TICKETS & INFOS: CASINOBERN.CH Bern 12. – 30. Oktober Zürich 2. – 27. November circus-monti-ch
Hereinspaziert – liebe Leserinnen und Leser
Erleben Sie die Welt des Zirkus in der diesjährigen orte-Herbstausgabe. Seiltän zer, Clowns, «Liliputaner» und ein Narr begegnen Ihnen im Textzelt. Kann man den Zirkus als Weltanlage sehen? Zeigt die Dressur das Böse im System? Ist der Zirkus dem Theater als Bedeutungsträger unterlegen? Diese und andere Fragen werden ausgeleuchtet, mitunter durch Frido Manns Erinnerungen an seinen Grossvater Thomas Mann, Ursus & Na deschkins Lagebericht über den Zirkus heute und Walter Mehrings Schreckens szenario. Begegnen Sie Franz Kafka Auf der Galerie, wenn er brillant die Szene der Seiltänzerin beschreibt, die vom Staub umweht, mit ausgebreiteten Armen, zurück gelehntem Köpfchen ihr Glück mit dem gan zen Zirkus teilen will – und weint. Sogar unser beliebter orte-marktplatz bietet Wortakrobatik, Versjonglage, Meta phernpyramiden und Silbenzauber. Die ganze Welt trifft sich in unseren Rub riken, wenn Schauspieler Helmut Vogel in der bestenliste literarische Reflexionen zum Besten gibt und im bücherregal Gastrezensentinnen Alice Grünfelder und Claudia Eugster ihre Empfehlungen vor stellen. Wenn im ortolan, fundorte, hörorte und zündorte Einfälle zu Papier gebracht, fantastische Tagebücher geöff net, Entdeckungsgeschichten erzählt und
Lesesucht beleuchtet werden. Unser wan derorte folgt den Spuren Gottfried Kel lers, und in den Ankündigungen empfehlen wir Ihnen Zürich liest 2022 mit 220 Veranstaltungen sowie Lesungen mit Vera Schindler-Wunderlich, Vera Bauer und Bodo Krumwiede.
Besonders freut es uns, in dieser Ausgabe ein neues orte-Redaktionsmitglied vorzustellen, den Schriftsteller Gabriel Anwan der. Geboren und aufgewachsen in der Ostschweiz, hat er nach dem Besuch der Fachhochschule in Kanada, Indien, Ka merun und zuletzt im Kanton Bern gelebt und gearbeitet. Heute wohnt er in Langnau im Emmental und schreibt Kolum nen, Kurzgeschichten und Kriminalro mane.
Peter K. Wehrli, Susanne Mathies und Gabriel Anwander, die den Thementeil dieser Ausgabe kuratierten, sowie die gesamte orte-Redaktion wünscht Ihnen Le seerlebnisse voller Magie, Nachdenklich keit und neuen Einblicken in die Welt des Zirkus von gestern bis heute. Ob Zirkus Salimba, Wunderplunder, Roncalli oder Wortzirkus Bramarbasani – so etwas haben Sie noch nie erlesen.
Beste Grüsse Annekatrin Ranft-Rehfeldt
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orteeditorial
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Zirzensischer Auftakt
Als Kinder spielten wir Zirkus. Der Purzelbaum war echt. Aber der Schreck des Dompteurs vor dem grimmig fauchenden Löwen war gespielt. Da wurde der Zirkus also Theater. Der richtige Zirkus aber wird nicht gespielt, er wird gelebt. Der Mut der Seiltänzer, die fast in der Höhe verschwinden, ist nicht gespielt, er ist tatsächlich vorhanden. Dabei verirren wir uns leicht in ein Widerspiel der Gegensätze, das Pe ter Handke 1966 in seinem folgenreichen Essay Die Dressur der Objekte ausgetragen hat. Er interpretiert den Zirkus als «Thea ter ohne Bedeutung», weil ja ein Trapez künstler, der durch die Zirkuskuppel fliegt, nichts anderes bedeutet als «ein Trapez künstler, der durch die Zirkuskuppel fliegt», und nicht etwa, «die Gedanken sind frei».
Ist es im Theater der Schauspieler, der die Szenen in seiner Gestik und Mimik mit
Bedeutungen auflädt, so ist es im Zirkus das Publikum, das den Zirkusakt nach sei ner emotionalen oder rationalen Verfas sung mit metaphorischer Sinngebung nährt.
Viele von Peter Handkes frühen Ideen ha ben dann etwa in André Hellers Zirkus Roncalli ihren Niederschlag und auch di rekte szenische Gestalt gefunden. Und die Gedanken haben 1974 in sehr geringerer Form sogar in Zürich ihren zirzensische Verwirklichung bestanden: An einer Sit zung der damaligen Gruppe Olten wurde prächtig unsystematisch diskutiert, wes halb Schriftsteller, also Dramatiker, ihr li terarisches Tun allein auf Prosa, Vers oder Drama beschränken und sich nie gedrängt fühlen, etwa Zirkusnummern zu schrei ben. Vorführbare, wohlverstanden. Das Ergebnis der Diskussion hiess Wortzirkus Bramarbasani, eine Wortschöpfung, die
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Plakat des Wortzirkus Bramarbasani von Bettina Truninger.
Clemens Mettler, dem Autor des Glasberg eingefallen ist.
Am 1. September 1974 fand die zirkushaft grosssprecherisch angekündigte «Welt premiere» im Thearena-Zelt auf dem Zür cher Schiffländeplatz statt. Da feierte sich Zirkus ungebrochen als Theater. Und das Programm triefte vor lauter Bedeutungs reichtum. Da gab es keine Zirkusnummer, die nicht ideell und mit «poetischer Ideo logie» aufgeladen sein wollte: der Zirkus seiner Zirkushaftigkeit entkleidet. Und was davon überlebte, feierte sich als Zitat. Da durfte André Kaminski seinen «atem beraubenden Hochseilakt» mit dem Titel
Die dressierte Idee aufladen, die Bodenak robatik-Darbietung machte erkennbar, dass die Obersten auf der Pyramide selber das Tragen nicht gewohnt sind. Doris Morf verbreitete in ihrer «Menagerie» die Frage, inwiefern der Mensch ein Tier sei. Und Franz Hohler als Raubtierdompteur lieferte eine szenische Studie über die Zi vilisierung der Wildheit. Und selbst das Gerumpel der einbrechenden Tische und Wände in der von Clemens Mettler ausgeheckten Clownnummer hatte seine Erklä rung darin, dass der reiche Hausbesitzer, der Weissclown, den armen Obdachlosen August aus seiner Bleibe vertrieben haben wollte.
Weil da kühn «Zirkus als literarische Gat tung« installiert werden sollte, schien es selbstverständlich, dass Nummer 25 der Literaturzeitschrift orte das Programm des Zirkus Bramarbasani ausführlich doku mentierte; orte taugte da als – allerdings verspätetes – Programmheft. Und einiges von der damaligen «Erneuerungslust, von der Vitalisierung erstarrter Konvention, von der Sinngebung im Sinnlosen, von der Poetisierung des Kruden» findet seine un verhohlene Fortsetzung nun in der vorlie genden orte-Nummer, die sich jenen Zir kus zum Thema macht, der trotz Tierschutzmassnahmen und Anklage wegen kultureller Aneignung trotzig seine ei gene Gegenwelt feiert.
Peter K. Wehrli
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Wagnis als Alltag
Georg Heym
Die Seiltänzer
Sie gehen über den gespannten Seilen Und schwanken manchmal fast, als wenn sie fallen. Und ihre Hände schweben über allen, Die flatternd in dem leeren Raum verweilen.
Das Haus ist übervoll von tausend Köpfen, Die wachsen aus den Gurgeln steil und starren, Wo oben hoch die dünnen Seile knarren. Und Stille hört man langsam tröpfeln.
Die Tänzer aber gleiten hin geschwinde Wie weisse Vögel, die die Wandrer narren Und oben hoch im leeren Baume springen.
Wesenlos, seltsam, wie sie sich verrenken Und ihre grossen Drachenschirme schwingen, Und dünner Beifall klappert auf den Bänken.
Quelle: Das bunte Buch. Leipzig: Kurt Wolff Verlag, 1914.
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Frankreich 18. Jahrhundert.
Franz Kafka
Auf der Galerie
Wenn irgendeine hinfällige, lungensüchtige Kunstreiterin in der Manege auf schwankendem Pferd vor einem uner müdlichen Publikum vom peitschen schwingenden erbarmungslosen Chef monatelang ohne Unterbrechung im Kreise rundum getrieben würde, auf dem Pferde schwirrend, Küsse werfend, in der Taille sich wiegend, und wenn dieses Spiel unter dem nichtaussetzenden Brau sen des Orchesters und der Ventilatoren in die immerfort weiter sich öffnende graue Zukunft sich fortsetzte, begleitet vom vergehenden und neu anschwellen den Beifallsklatschen der Hände, die ei gentlich Dampfhämmer sind – vielleicht eilte dann ein junger Galeriebesucher die lange Treppe durch alle Ränge hinab, stürzte in die Manege, rief das: Halt! durch die Fanfaren des immer sich anpas senden Orchesters.
Da es aber nicht so ist; eine schöne Dame, weiss und rot, hereinfliegt, zwischen den Vorhängen, welche die stolzen Livrierten vor ihr öffnen; der Direktor, hingebungs voll ihre Augen suchend, in Tierhaltung ihr entgegenatmet; vorsorglich sie auf den Apfelschimmel hebt, als wäre sie seine über alles geliebte Enkelin, die sich auf gefährliche Fahrt begibt; sich nicht
entschliessen kann, das Peitschenzeichen zu geben; schliesslich in Selbstüberwin dung es knallend gibt; neben dem Pferde mit offenem Munde einherläuft; die Sprünge der Reiterin scharfen Blickes verfolgt; ihre Kunstfertigkeit kaum be greifen kann; mit englischen Ausrufen zu warnen versucht; die reifenhaltenden Reitknechte wütend zu peinlichster Achtsamkeit ermahnt; vor dem grossen Salto mortale das Orchester mit aufgeho benen Händen beschwört, es möge schweigen; schliesslich die Kleine vom zitternden Pferde hebt, auf beide Backen küsst und keine Huldigung des Publi kums für genügend erachtet; während sie selbst, von ihm gestützt, hoch auf den Fussspitzen, vom Staub umweht, mit aus gebreiteten Armen, zurückgelehntem Köpfchen ihr Glück mit dem ganzen Zir kus teilen will – da dies so ist, legt der Ga leriebesucher das Gesicht auf die Brüs tung und, im Schlussmarsch wie in einem schweren Traum versinkend, weint er, ohne es zu wissen.
Quelle: Erzählungen und andere Prosa. In: Zeno. Meine Bibliothek, www.zeno.org/ Literatur/M/Kafka,+Franz/Erz%C3%A4 hlungen+und+andere+Prosa/Ein+Landarzt/ Auf+der+Galerie [19.09.2022]
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Francisco Goya, Disparate Puntual.
Robert Lax Zirkus Die Sterne des Morgens
Hast du meinen Zirkus gesehen?
Kennst du dergleichen?
Bist du frühmorgens aufgestanden, um den Einzug der Wagen in die Stadt zu sehen?
Hast du gesehen, wie sie ihr Feld bezogen?
Warst du dabei, als es errichtet wurde?
Hast du gesehen, wie man im Dunkeln, bei Laternenschein, die Küche einrichtete?
Hast du sie Feuer machen und darum herumsitzen sehen, still rauchend und plaudernd?
Als die ersten Strahlen der Dämmerung kamen, hast du da gesehen,
Wie sie sich in die Wolldecken rollten und in Schlaf fielen?
Ein Schläfchen nur, bis es Zeit wäre,
Die Leinwand zu entrollen, das Zelt aufzuschlagen, Wasser für Mensch und Tier abzufüllen und zu tragen;
Warst du dabei, als die Tiere zum Vorschein kamen,
Die wuchtigen Elefanten, um die Pfosten zu schleppen
Und die Leinwand zu entrollen?
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Der Dichter Robert Lax als Clown. © Robert Lax
Warst du dabei, als der Morgen über die Gräser herankam?
Warst du dabei, als die Sonne durch dicke Wolkenballen blickte
Auf die Männer, die am Küchenfeuer schliefen?
Hast du den kalten Morgenwind in ihre Decken beissen sehen?
Hast du den Morgenstern am Firmamente funkeln sehen?
Hast du das leise Murren der Männerstimmen gehört,
Hast du sie um das Küchenfeuer lachen hören?
Als die Morgensterne ihre Speere herunterschossen und den Himmel netzten …
Und für jeden einzelnen Halm ist es Morgen.
Warst du dabei, als wir den Himmel entrollten,
Als wir das Firmament errichteten?
Warst du dabei, als die Morgensterne
Miteinander sangen
Und alle Kinder Gottes vor Freude jauchzten?
Quelle: Poesie der Entschleunigung –ein Lesebuch, Pendo Verlag Zürich 2008.
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Der Zirkus als kreativer Zustand
Julia Cimafiejeva
Zirkus
ich kam zur welt mit diesem wanderzirkus in mir. einem zirkus, denk mal an, in einem polessischen dorf. jongleure, akrobaten, bärtige jungfrauen … diese schande!
mein wanderzirkus wuchs gemeinsam mit mir, wie ein wolfjunges fleisch will, wollten sie budenzauber und freie bahn. hier gab es nur rübenäcker, kartoffelkäfer und bauernregeln.
ich versteckte den zirkus zwischen buchseiten wie ein herbar. jongleure, akrobaten, bärtige jungfrauen presste ich glatt, ihre gierigen leiber hoffentlich auszutrocknen.
doch die zirkusleute verweigerten den tod, sie wuchsen, erstarkten bedeckt von den seiten durch die nahrhaften buchstaben im zelt meines körpers
sie lernten die kunststücke wie kätzchen lernen, küken, ferkel. und als sie bei kräften waren, einen wagen aufgetan, eine karte gezeichnet hatten –als sie alles beherrschten, was sie wollten und mussten …
da raubten sie mich. da frassen sie mich.
da eröffneten sie endlich in mir ihren wanderzirkus.
Quelle: Der Angststein, Gedichte, aus dem Belarussischen von Tina Wünschmann sowie Thomas Weiler und Uljana Wolf, mit einem Vorwort von Uljana Wolf. Berlin: edition.fotoTAPETA, 2021. ISBN: 978-3-949262-20-3.
Hinweis: im Oktober 2022 erscheint ein zweiter Band der Autorin in der edition.fotoTAPETA.
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