Aufzeigen der vorhandenen Vielfalt und nicht um eine wissenschaftliche Aufarbei tung des Materials. Die häufig schwierig zu lesenden Handschriften, teilweise in Latein, sollen ausserdem die Herausforderungen der Arbeit mit Originalquellen vor Augen führen.
Der Text
Die Geschichte der Pfarrei und Schule Oberegg erschien ohne Autorennennung, wie es damals in den Zeitungen häufig der Fall war. Nur aus kleinen Hinweisen im Text und dem zeitlichen Rahmen war herauszufinden, dass es sich beim Autor um Pfarrer Oberholzer handeln muss. Einem Zeitgenossen hingegen wäre das klar gewesen.1 Die Pfarreigeschichte beginnt mit einer kurzen Einführung zur geografischen Lage Obereggs, die mit ironischen Bemerkungen gespickt ist. Anschliessend entfaltet Oberholzer eine chronologische Geschichte der Pfarrei. Er beginnt mit einer aus führlichen Vorgeschichte, die sich vor allem aus den Appenzeller Chroniken und denjenigen des Klosters St. Gallen, beziehungsweise deren Verarbeitung im 19. Jahr hundert, speist. Die Gründung der Pfarrei, der Bau der Kirche, sowie die Finanzie rung des Ganzen werden ausführlich, teilweise in wörtlichen Zitaten geschildert. Hier bemerkt man zum ersten Mal, dass Oberholzer ausgiebig mit den im Pfarreiar chiv erhaltenen Quellen arbeitet. Dies macht seinen Text wertvoll. Auf der anderen Seite ergibt sich daraus auch eine Problematik: Was in Oberegg aufgeschrieben und aufbewahrt worden ist, wird ausführlich geschildert, was nicht aufgeschrieben wor den ist oder woanders überliefert wurde, nicht. Damit leidet zuweilen die Gewich tung der einzelnen Themen. Sehr spannend ist, dass Oberholzer nicht nur das Wer den der Pfarrei als Institution beschreibt, sondern dort, wo es die Quellen zulassen, auch auf den Alltag der Menschen eingeht, zum Beispiel im Kapitel «Sitten und Ge bräuche». So entsteht an gewissen Stellen eine veritable Sozialgeschichte, was für einen rund hundertjährigen Text alles andere als selbstverständlich ist. Wichtig für Oberholzer sind die Errichtung der Kirche und der Kapellen; sie die nen in seinem Text als Ordnungseinheit. Die Umstände des Bauens, die Stifter und bauliche Details werden hervorgehoben. Damit wird auch die barocke Lebenswelt des 17. und 18. Jahrhunderts, in der das Stiftungswesen einen wichtigen Teil ein nahm, stark gewichtet. Der Kirchenbrand von 1817 ist ein weiteres, wichtiges Ereig nis in Oberholzers Pfarreigeschichte, dem ein ganzes Kapitel gewidmet ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass mehr schriftliche Quellen zugänglich sind je näher man an die eigene Gegenwart kommt. Hinzu kommen die mündliche Überliefe rung und persönliche Erinnerungen. Als Resultat wird Oberholzers Chronik vor al lem im 19. Jahrhundert sehr ausführlich und enthält gegen Schluss vermehrt per sönliche Erinnerungen und mit ihnen verknüpfte Wertungen.
11