Steffen Hörtler: Interview zum Tag der Deutschen Einheit (S. 3)
Sudetendeutsche Zeitung Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft
Reicenberger Zeitung 160. Jahrgang
HEIMATBOTE
Jahrgang 73 | Folge 39 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 1. Oktober 2021
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„Ein Zeichen der Solidarität mit den Menschen in Weißrußland“
Václav-Havel-Menschenrechtspreis an die mutige Maria Kolesnikowa
Der neunte Václav-Havel-Menschenrechtspreis, mit dem außergewöhnliches zivilgesellschaftliches Engagement zur Verteidigung der Menschenrechte gewürdigt wird, ist in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg an die weißrussische Oppositionsführerin Maria Kolesnikowa verliehen worden.
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Versammlungspräsident Rik Daems, der den Vorsitz des Auswahlgremiums hatte, überreicht den Václav-HavelMenschenrechtspreis an Tatjana Chomitsch, die Schwester von Maria Kolesnikowa.
er mit 60 000 Euro dotierte Preis erinnert an Václav Havel, der am 5. Oktober 85 Jahre alt geworden wäre (siehe Seite 5) und wird jeweils zur Hälfte vom Europarat und dem tschechischen Außenministerium finanziert. Maria Kolesnikowa war die
Leiterin der Wahlkampfzentrale des früheren Präsidentschaftskandidaten Viktor Babariko und ist zu einer der Symbolfiguren der weißrussischen Opposition und des Kampfs der Menschen in Weißrußland für bürgerliche und politische Freiheiten und Grundrechte geworden.. Kolesnikowa wurde im September 2020 in Minsk entführt und sorgte für Schlagzeilen, als sie an der Grenze ihren Paß zerriß, um ihre Abschiebung und Verbannung aus Weißrußland zu verhindern. Sie wurde inhaftiert und im September wegen ihrer politischen Tätigkeit zu elf Jahren Gefängnis verurteilt. Kolesnikowas Schwester, Tatjana Chomitsch, nahm den Preis
in ihrem Namen an, und erklärte: „Dieser Preis ist ein Zeichen der Solidarität der gesamten demokratischen Welt mit den Menschen in Weißrußland. Es ist auch ein Zeichen für uns Weißrussinnen und Weißrussen, daß die internationale Gemeinschaft uns unterstützt und daß wir auf dem richtigen Weg sind.“ Der Präsident der Versammlung, Rik Daems, sagte: „Durch ihren Widerstand gegen ein Regime, das sich für Gewalt und Brutalität gegenüber friedlichem und legitimem Protest entschieden hat, zeigte Kolesnikowa, daß sie bereit ist, für eine größere Sache ihre eigene Sicherheit zu gefährden – sie hat wahren Mut bewiesen.“
Erste Analyse nach der Bundestagswahl
Drei Sudetendeutsche aus Bayern ziehen in den neuen Bundestag ein
Premierminister Andrej Babiš.
Tschechische Wahlen
Vorsprung von Babiš‘ Ano schmilzt Am Freitag, 8. und Samstag, 9. Oktober wählen die Tschechen ihr neues Parlament. Laut der neuesten Umfragen schmilzt der Vorsprung für die Ano-Bewegung von Premierminister Andrej Babiš deutlich.
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aut der aktuellen Zahlen eines Meinungsforschungsinstituts, die die tschechische Zeitung Právo veröffentlicht hat, kommt ANO auf 24,5 Prozent, dicht gefolgt von der Koaliton Spolu aus ODS, KDU-ČSL und TOP 09 mit 23,0 Prozent. Auf Platz drei liegt derzeit die Koalition aus Piraten und Stan mit 20,5 Prozent. Der rechtsradikalen SPD (Okamura-Partei) werden 11,5 Prozent vorhergesagt, und die kommunistische KSČM muß mit 5,0 Prozent um den Einzug ins Parlament fürchten. Seit Monaten liegen in allen Umfragen die derzeit mitregierenden Sozialdemokraten von der ČSSD mit 4,5 Prozent unter der Fünf-Prozent-Hürde. Staatspräsident Miloš Zeman, der nach der Wahl die stärkste Gruppierung mit der Regierungsbildung beauftragen muß, hat allerdings bereits erklärt, für ihn zählen nicht Koalitionen, sondern die Ergebnisse der Parteien – was wiederum die Ano -Bewegung bevorzugen würde. Von großer Bedeutung ist deshalb der Gesundheitszustand von Zeman, der erst vor wenigen Tagen aus dem Krankenhaus entlassen wurde.
Mit Stephan Mayer (CSU), Mechthilde Wittmann (CSU) und Sebastian Roloff (SPD) sind drei Landsleute aus Bayern mit sudetendeutschen Wurzeln im neuen Bundestag vertreten. Dagegen haben mit Bernd Fabritius (CSU) und Eckhard Pols (CDU) zwei prominente Vertreter der Vertriebenen den Wiedereinzug in den Bundestag verpaßt.
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abritius ist Präsident des Bundes der Vertriebenen, seit April 2018 Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten und war erst im März in den Bundestag als Nachrücker wieder eingezogen, nachdem er dem Parlament bereits von 2013 bis 2017 angehört hatte. Mit 31,7 Prozent erzielte die CSU zwar im Vergleich zu den anderen Parteien das mit Abstand beste Wahlergebnis dieser Bundestagswahl, gewann aber gleichzeitig 45 der 46 Direktmandate, womit alle Listenkandidaten, wie der südlich von München lebende Fabritius, leer ausgingen. Eckhard Pols vertrat die CDU seit 2009 als direkt gewählter Abgeordneter für den niedersächsischen Wahlkreis Lüchow-Dannenberg/Lüneburg im Bundestag. Seit Oktober 2017 war Pols zudem Vorsitzender der Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten der CDU/CSU-Fraktion. Bei der jetzigen Bundestagswahl kam Pols mit 24,9 Prozent hinter Jakob Blankenburg (SPD), der mit 28,2 Prozent direkt gewählt wurde, und Julia Verlinden (Die Grünen, 25,1 Prozent) nur auf den dritten Platz. Und Platz 17 auf der Niedersachsenliste der CDU reichte dann für Pols nicht zum Wiedereinzug in den Bundestag. Den Wiedereinzug in den Bundestag geschafft hat dagegen Pols 1. Stellvertreter der CDU/CSU-Vertriebenengruppe.
In der CSU-Parteizentrale applaudieren junge Anhänger, als das Wahlergebnis der CSU über die Bildschirme läuft. Stephan Mayer, seit 2018 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, für Bau und Hei- Mechthilde mat, gewann Wittmann, CSU im Wahlkreis Altötting mit 43,3 Prozent das Direktmandat mit deutlichem Vorsprung. Auch Dr. Silke Launert, bis- Sebastian lang eine der Roloff, SPD sechs stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Vertriebenengruppe, konnte ihr Direktmandat im Wahlkreis Bayreuth mit 42,4 Prozent klar verteidigen. Die CSUPolitikerin und Richterin, die seit 2013 dem Bundestag angehört, hat zwar keine Vertriebenenwurzeln, engagiert sich aber trotzdem für dieses Thema.
Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe und Mitglied im CSU-Parteivorstand, gratuliert Stephan Mayer zur Wiederwahl. Zum ersten Mal den Einzug in den Bundestag geschafft haben Mechthilde Wittmann (CSU) und Sebastian Roloff (SPD). Mechthilde Wittmann ist die Tochter eines berühmten Vertriebenen. Ihr 2018 verstorbener Vater Fritz Wittmann wurde am 21. März 1933 in Plan bei Marienbad geboren und gehörte von 1971
bis 1994 sowie von 1996 bis 1998 dem Bundestag an. Wittmann war unter anderem Präsident des Bundes der Vertriebenen, Stellvertretender Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Gründungsvorsitzender des Vorstandes der Sudetendeutschen Stiftung sowie Mitglied des Verwaltungsrats
der Deutschen Ausgleichsbank. Tochter Mechthilde Wittmann ist die Leidenschaft für die Politik in die Wiege gelegt worden. Die gebürtige Münchnerin trat 1983 in die CSU ein, war von 1994 bis 2013 Stadträtin in München, anschließend bis 2018 Landtagsabgeordnete sowie 2018 Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung. Am Sonntag gewann die Juristin in ihrer neuen Wahlheimat Kempten im Wahlkreis Oberallgäu mit 29,7 Prozent das Direktmandat. Sebastian Roloff, der sich einst in der Sudetendeutschen Jugend engagiert hatte, kandidierte für die SPD im Wahlkreis MünchenSüd, den jedoch die Grüne Jamila Schäfer gewann. Mit Platz 5 auf der Landesliste löste der Jurist das Ticket nach Berlin. Die Sensation, als parteiloser Kandidat in den Bundestag einzuziehen, ist Klaus Brähmig nicht gelungen. Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und Ex-Vorsitzende der Vertriebenen-Gruppe der CDU/CSUFraktion hatte 2017 sein Direktmandat im Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge an die damalige AfD-Politikerin Frauke Petry verloren und jetzt ein parteiunabhängiges Comeback versucht. Mit 5,1 Prozent war er aber am Ende chancenlos. Zwar haben direkt nach der Wahl die ersten Gespräche zwischen den Parteien begonnen, dennoch ist unklar, wie die künftige Bundesregierung aussehen und welche Auswirkungen dies auf die Vertriebenenpolitik haben wird. Wie die Sudetendeutsche Zeitung bereits Wochen vor der Wahl berichtete, scheint das Thema Flucht und Vertreibung bei den meisten Parteien kaum Relevanz zu haben. So finden sich nur in einem Wahlprogramm überhaupt entsprechende Aussagen – in dem von CDU und CSU. Torsten Fricke