Sudetendeutsche Zeitung 15. November 2024 Ausgabe 46 Pay

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Symposium „125 Jahre Brünner Nationalitätenprogramm“ (Seite 3)

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Jahrgang 76 | Folge 46 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 15. November 2024

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sche Zeitung Präsident Pavel: Wie Trump ng Neudeker Heimatbrief Zeitung den Ukraine-Krieg beenden will TE

HEIMATAUSGABEN IN DIESER ZEITUNG tschen Landsmannschaft

Prague Defense Summit nach den Wahlen in den USA

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Mitteilungsblatt für den früheren Gerichtsbezirk Zuckmantel im Altvatergebirge

General von Sandrart

Kämpfen statt nur Material zu liefern? Nato-Truppen im direkten Kampf gegen Putin? Sein Stab habe ihm geraten, sich öffentlich nicht zu diesem heiklen Thema zu äußern, aber Generalleutnant Jürgen-Joachim von Sandrart, machte es dennoch – wenn auch indirekt.

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on Sandrart ist seit 2021 Kommandierender General des Multinationalen Korps Nord-Ost im polnischen Stettin. Dieser Nato-Großverband ist das Schlüsselelement zur Verteidigung des Baltikums und Polens gegen einen russischen Angriff. Man möge sich vorstellen, auf der Bühne stehe kein General, sondern ein ziviler Bürger und Vater von vier Kindern, erklärte der von seinen Soldaten hochgeschätzte DreiSterne-General dem Publikum des Praque Defense Summit, um dann mit einer rhetorischen Frage eine politisch unkorrekte Antwort zu geben. Man müsse als Gesellschaft zu einer Übereinkunft kommen, für welche Ziele man bereit sei zu kämpfen, sagte der deutsche General und stellte fest: „Kämpfen ist mehr als nur Material zu liefern. Glauben Sie, daß die Alliierten die Wehrmacht besiegt hätten und erfolgreich in der Normandie gelandet wären, wenn die anderen Alliierten von den USA nur Material erhalten hätten?“ Zweitens, so der General: Von 2009 bis 2011 seien insgesamt 130 000 Soldaten im Auftrag der Nato in Afghanistan im Einsatz gewesen, um, wie es der damalige Verteidigungsminister Peter Struck einmal feststellte, Deutschland beziehungsweise den Westen auch am Hindukusch zu verteidigen. Jetzt diskutiere man, ob der Westen die Ukraine mit 15 oder 18 Luftverteidigungssystemen unterstütze, kristierte General von Sandrart und sagte: „Wir haben die Diskussion nicht abgeschlossen, was es braucht, um sicherzustellen, daß die Ukraine weiterhin als selbstbestimmter liberal-demokratischer Staat innerhalb Europa existieren kann. Ich rufe nicht zum Krieg auf, aber ich fordere solide und vorsichtige Überlegungen.“

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Beim Prague Defense Summit hat Tschechiens Staatspräsident Petr Pavel dargelegt, wie die Ankündigung des wiedergewählten US-Präsidenten Donald Trump, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine „innerhalb von 24 Stunden zu beenden“, konkret aussehen könnte und welche Folgen dies für Europa haben werde.

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avel war vor seiner politischen Karriere Soldat und der erste General aus den ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten, der zum Vorsitzenden des Nato-Militärausschusses berufen wurde. Auch wenn die Ankündigung, eine Lösung innerhalb von 24 Stunden zu erreichen, wenig realistisch sei, glaube er, so Pavel, daß es Trump schaffen werde, einen „Deal“ mit Putin zu schließen, der aber wahrscheinlich weder im Interesse Europas noch der Ukraine sei. Demnach werde der Krieg eingefroren, und die Ukraine müßte die Krim und die besetzten Gebiete im Osten der Ukraine an Rußland abtre-

Tschechiens Staatspräsident Petr Pavel mit Gastgeber Dr. Bastian Giegerich, der seit 2023 als erster Deutscher das Internationale Institut für Strategische Studien (IISS) leitet. Foto: IISS ten. Gleichzeitig müßte die Nato zusichern, daß die Ukraine innerhalb der nächsten zwanzig Jahre nicht in das Bündnis aufgenommen werde. Und die Europäer

müßten die entmilitarisierte Zone zwischen den beiden Ländern dauerhaft überwachen. Pavel: „Eine Friedensregelung wird eine starke Auswirkung auf die Si-

cherheitsarchitektur für ganz Europa haben. So ein Abkommen kann nicht ohne Europa, und erst recht nicht ohne die Ukraine geschlossen werden.“

Ein starkes Engagement der USA in Europa bleibe unverzichtbar und sei entscheidend für die globale Stabilität. Dies stärke die Glaubwürdigkeit der USA und der Nato. Die Bereitschaft und die Fähigkeit, sich zu verteidigen, sende, so Pavel, „eine klare Botschaft an diejenigen, die den Frieden bedrohen wollen“. Der wachsenden Bedrohung durch autokratische Regime, ob aus Rußland, China, Nordkorea oder dem Iran, könnten die westlichen Demokratien nur gemeinsam standhalten. Pavel: „Unsere Zukunft hängt nicht von Hoffnung ab, sondern von unserem Mut und unserem Engagement, unsere Werte zu verteidigen. Ich glaube, daß die freie Welt auf dem Weg ist, diese Aufgabe anzunehmen.“ Gastgeber des Prague Defence Summit war das 1958 in London gegründete International Institute for Strategic Studies (IISS). An der Konferenz nahmen insbesondere hochrangige Militärs, Verteidigungspolitiker und Vertreter der Rüstungsindustrie teil. Torsten Fricke

MdB Philip Krämer (Bündnis 90/Die Grünen) über die USA unter Donald Trump und den Vormarsch der Russen in der Ukraine

„Äußerst fragile außenpolitische Lage“ Als einziger Politiker aus Deutschland hat Philip Krämer am Prague Defense Summit teilgenommen. Der Bundestagsabgeordnete gehört der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an und ist Mitglied des Verteidigungsausschusses.

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err Krämer, welche Erkenntnis nehmen Sie aus Prag mit? Philip Krämer: Wir befinden uns in einer äußerst fragilen außenpolitischen Lage. Wir wissen noch nicht, welche konkreten Auswirkungen die Wiederwahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA haben wird. Und wir erleben eine Zuspitzung der militärischen Lage in der Ukraine. Jeden Tag rückt Rußland mit seinen Streitkräften um ein bis sechs Kilometer vor und erzielt immer wieder kleinere Frontdurchbrüche. Beides ist besorgniserregend und stellt uns in Europa vor große Herausforderungen. Tschechiens Präsident Petr Pavel hat in seiner Rede skizziert, wie der künftige US-Präsident Donald Trump sein Wahlversprechen, den Krieg in der Ukraine zu beenden, erfüllen könnte. Demnach lautet Trumps Vorschlag, den Frontverlauf einzufrieren und der Ukraine den Beitritt zur Nato für zwanzig Jahre zu verwehren. Was halten Sie davon? Krämer: Als Europäer lehnen wir das ab. Eine vom Westen akzeptierte Abspaltung würde auf Kosten der Souveränität der Ukraine sowie zu Lasten der europäischen Sicherheit gehen, auch wenn es dabei zu einer gewissen Annäherung zwischen den USA und Rußland käme. Der Effekt wäre, daß wir eine

geschwächte Ukraine hätten, die nicht unter dem Schutz der Nato stehen würde. Rußland könnte die Zeit nutzen, seine militärischen Ressourcen zu regenerieren, um dann ab 2029 wieder über die gleiche militärische Stärke zu verfügen, wie vor dem Angriff auf die Ukraine. Wir wissen nicht, wer nach Trump kommt, aber wir wissen, daß Rußland sich durch Kompromisse bislang immer in seinen Aggressionen bestätigt sieht. Wenn die russische Föderation also – unter welchem Präsidenten auch immer – wieder angreift, wären wir in einer noch schwierigeren Lage als derzeit. Auf dem Gipfel wurde der frühere Verteidigungsminister Peter Struck mit seinem berühmten Satz zitiert, daß Deutschland auch am Hindukusch verteidigt werde. In Afghanistan war die Nato mit Bodentruppen im Einsatz. Ist es wirklich eine Option, auch in der Ukraine mit Nato-Kräften einzugreifen? Krämer: Nein, in der gegenwärtigen Lage ist das keine Option. Es ist aber sehr sinnvoll, und das haben wir in den vergangenen Jahren gelernt, uns selbst keine roten Linien zu setzen, sondern unser Verhalten an rote Linien gegenüber Rußland zu knüpfen. Frankreichs Präsident Macron hatte den Einsatz von Bodentruppen deshalb bereits ins Gespräch gebracht. Ich halte es für wichtig, in Szenarien zu denken – leider auch in Szenarien weiterer russischer Eskalation. Wie sieht ein Worst-Case-Szenario aus, das zum Einsatz von Nato-Kräften führen könnte? Krämer: Wenn es einen um-

MdB Philip Krämer am Podium in Prag. Foto: IISS fassenden Frontdurchbruch der russischen Föderation und einen Angriff auf Kiew gibt, also die Staatlichkeit der Ukraine in höchster Gefahr ist. Für dieses Szenario sollten wir eine Diskussion führen, wie wir dann als Nato beziehungsweise Europäische Union reagieren. Ich halte es für überlegenswert, in diesem Fall Truppen zu entsenden, die einen defensiven Auftrag haben, und entsprechend in der Lage sind, Kiew zu verteidigen. Dies wäre ein deutliches Zeichen an Moskau, daß der Westen die Ukraine nicht alleine läßt. Die Hoffnung wäre, daß dieses Eingreifen dann so abschreckend auf Putin wirkt, daß er seinen Vormarsch abbricht. Und wir so in eine Verhandlungssituation kommen, die aber keine gute ist, da wir es in diesem Szenario nur noch mit einer Rumpf-Ukraine zu tun haben. Ein sinnvolleres Signal fände ich es allerdings, daß wir Putin ein Ultimatum stellen: Wenn Rußland weiter zivile Infrastruk-

tur beschießt, steht die deutsche Flugabwehr an der polnischukrainischen Grenze und bekämpft russische Luftziele. Das schützt ukrainische Städte und entlastet die ukrainische Luftverteidigung. Besser wäre es, wenn es nicht zu diesem Worst-Case-Szenario kommt. Präsident Pavel hatte deshalb auf der Münchner Sicherheitskonferenz eine Munitionsinitiative für die Ukraine gestartet, damit das Land sich effektiver verteidigen kann. Wie ist Ihre Einschätzung? Krämer: Ich finde diese Initiative sehr gut. Präsident Pavel hat damit gezeigt, daß mit politischer Führung und starkem Vorausgehen ein Unterschied gemacht werden kann, zumal davor die Europäische Munitionsinitiative gescheitert war. Deutschland hat die Initiative von Präsident Pavel finanziell massiv unterstützt. Und ich hätte mir auch von einigen anderen Staaten noch mehr Unterstützung gewünscht. Sie hatten in Ihrer Rede erklärt, daß es nach dem Aus der Ampelkoalition keinen verabschiedeten Haushalt für 2025 gibt. Steht damit die Unterstützung der Ukraine auf der Kippe? Krämer: Die Haushaltsmittel für 2024 sind weitestgehend ausgeschöpft. Und bis eine neue Bundesregierung nach einer Bundestagswahl einen Haushalt für 2025 verabschiedet, werden voraussichtlich mehrere Monate vergehen. Das ist auch für die Ukraine eine große Katastrophe. Wie könnte eine Welt nach dem Ukraine-Krieg aussehen? Bekommt Deutschland dann wieder billiges Gas aus Rußland? Krämer: Neben China und

den USA werden sich weitere Machtzentren entwickeln. Indien, die arabische Welt und Südostasien werden deutlich an Einfluß gewinnen. Diese neuen Konstellationen müssen sich erst ordnen. Daß wir in absehbarer Zeit wieder Handelsbeziehungen wie vor 2014, also vor der Annexion der Krim durch Rußland, mit Moskau haben werden, halte ich für eine Illusion. Zumindest in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren ist das ausgeschlossen. Wir werden weiter vor der Herausforderung stehen, daß sich die westlichen Demokratien gegen die Autokratien behaupten müssen. Es geht darum, unsere Freiheit zu verteidigen. Für mich gehören auch deshalb erneuerbare Energien zu einem erweiterten Sicherheitsbegriff. Welchen strategischen Weg muß Deutschland einschlagen? Krämer: Entscheidend für Deutschland ist es, die Solidarität mit unseren mittel- und osteuropäischen Partnernationen in den Vordergrund zu stellen. Gerade gegenüber Polen, Tschechien und den baltischen Staaten müssen wir angesichts unserer rußlandfreundlichen Politik in dem Jahrzehnt vor dem Angriffskrieg deutlich machen, daß wir solidarisch mit ihnen sind und an ihrer Seite gegen die russische Aggression stehen. Wir haben da als Deutsche einen großen Nachholbedarf. Die Enttäuschung über Deutschland und die Skepsis über unsere Bündnistreue ist bei unseren östlichen Nachbarn groß. Es wird dort mit großer Sorge beobachtet, in welche Richtung sich unser Land politisch entwickelt. Torsten Fricke


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