
2 minute read
UVG-Pflegebeiträge
IM SCHLAGLICHT
Die Pflegbeiträge der Unfallversicherer beschäftigen das IRB schon lange. Endlich entschied das Bundesgericht zu Gunsten der Betroffenen.
Von Michael Bütikofer, Bereichsleiter IRB, Rechtsanwalt und Notar
Bereits im letzten Jahr berichteten wir an dieser Stelle über die UVG-Pflegebeiträge und beendeten den Beitrag mit «Aktuell warten wir gespannt auf ein Urteil des Bundesgerichts zu dieser höchstrichterlich noch nicht geklärten Frage – seit September 2020 ist ein Fall eines SPV-Mitglieds hängig». Damals ungeklärt war die Frage, ob sich die Unfallversicherungen damit begnügen dürfen, sich an den Grundpflegekosten lediglich mit der Hilflosenentschädigung (HLE) zu beteiligen oder ob sie einen darüberhinausgehenden Beitrag schulden. Wir vom IRB haben von Anfang an, d.h. ab Inkrafttreten der revidierten Verordnungsbestimmung von Art. 18 UVV, die Meinung vertreten, dass die Leistungspflicht der Unfallversicherungen weit über das blosse Bezahlen einer HLE hinausgeht.
Erstes Urteil
Das Bundesgericht äusserte sich zu dieser hoch umstrittenen Frage erstmals im September 2020. Damals hielt das Bundesgericht im Wesentlichen fest, dass die Unfallversicherungen bloss die Kosten der medizinischen Pflege vollständig übernehmen müssen. An den Kosten der Grundpflege müssten sich die Versicherungen hingegen lediglich mit einem Beitrag beteiligen. Das Bundesgericht hatte es indes unterlassen zu klären, was unter dem Begriff «Beitrag» genau zu verstehen ist. Ebenso wenig hatte sich das Bundesgericht zur Frage geäussert, ob und falls ja in welchem Umfang die versicherte Person sich die HLE an die Grundpflegekosten anrechnen lassen muss.
Das Bundesgericht bestätigte seine Rechtsprechung vom September 2020 in den Urteilen vom 3. Februar 2021 und 26. März 2021. Dabei blieben jedoch weiterhin zwei zentrale Fragen zur UVG-Pflegefinanzierung ungeklärt: Wie hoch ist der Beitrag, den die Unfallversicherung zusätzlich zur HLE an die Grundpflegekosten beisteuern muss und inwiefern muss die versicherte Person sich ihre HLE an die Grundpflegekosten anrechnen lassen? Als das Bundesgericht sein Urteil vom 26. März 2021 fällte, waren beim Bundesgericht noch zwei weitere Beschwerden von Querschnittgelähmten hängig, in welchen es ebenfalls um die UVG-Pflegefinanzierung ging. Die fallführenden Rechtsanwälte haben die Möglichkeit genutzt und dem Bundesgericht im Rahmen des sogenannten Replikrechts dargelegt, inwiefern in den zuvor ergangenen Bundesgerichtsurteilen wichtige, praxisrelevante Fragen zur UVG-Pflegefinanzierung offen geblieben sind. Das Bundesgericht hat die Hinweise offenbar zur Kenntnis genommen, wie sich ein paar Monate später zeigen sollte.
Klärender Entscheid
Am 27. Oktober 2021 hat das Bundesgericht die ungeklärten Fragen endlich und zugunsten unserer Mitglieder beantwortet: das Bundesgericht stellte klar, dass sich die Unfallversicherungen nicht damit begnügen dürfen, sich an den Grundpflegekosten nur mit der HLE zu beteiligen. Vielmehr müssen die Unfallversicherungen die Grundpflegekosten gesamthaft übernehmen, wobei sich die versicherte Person die HLE bis auf den Anteil für die alltägliche Lebensverrichtung «Fortbewegung ausser Haus» an die Grundpflegekosten anrechnen lassen muss. Diese klärende Rechtsprechung wird nach unserer Auffassung dazu führen, dass Betroffene mit hohen Grundpflegekosten in Zukunft finanziell bedeutend entlastet werden.
Seit dem 1. Januar 2017 wirkten wir vom IRB mit unzähligen Eingaben auf einen solchen Entscheid hin. Es freut uns ausserordentlich, dass das Bundesgericht am 27. Oktober 2021 bis dahin ungeklärte Fragen zugunsten der querschnittgelähmten Menschen beantwortet hat. Ein grosser Erfolg für alle Betroffenen!