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Engagement von Angehörigen
IM SCHLAGLICHT
Angehörige leisten unbezahlbare Arbeit und sind oft aus einem Pflege- oder Betreuungssystem nicht wegzudenken. Sie geben aber auch wertvolle Inputs und übernehmen die Führung bei Abklärungen.
Von Judith Stocker, Sozialarbeiterin LB
Im letzten Mai meldete sich Frau Do bei der Lebensberatung. Es ging um ihren Vater, eine veraltete Hilfsmittelversorgung und eine fehlende Finanzierung. Wer kann unterstützen? Wie später im Gespräch klar wurde, hatte Herr Do eine Polio-Erkrankung durchgemacht. Poliomyelitis – oder kurz Polio – ist auch unter dem Namen Kinderlähmung bekannt. Nur ganz wenige Infizierte entwickeln Lähmungen. Bei Herrn Do ist die Folge der Erkrankung eine Lähmung und Wachstumsretardation des rechten Beins. Damit er ein möglichst selbstständiges und schmerzfreies Leben führen kann, ist eine gute Hilfsmittelversorgung notwendig. Der Vater von Frau Do allerdings hat sich mit der aktuellen, mangelhaften Hilfsmittelsituation arrangiert, obwohl es ihm dadurch stetig schlechter ging. Die Tochter wurde aktiv und nahm Abklärungen vor.
Die Beratung und Begleitung Angehöriger ist eine Teilaufgabe der Lebensberatung. Voraussetzung ist das Einverständnis der betroffenen Person. Gerne unterstützten wir Frau Do und ihren Vater bei ihren Anliegen. Um mit den optimalen Hilfsmitteln versorgt zu werden, fand bei der Orthotec Nottwil AG eine detaillierte Abklärung statt. Schnell wurde klar, dass Herr Do eine neue, für ihn angefertigte Orthoprothese benötigt, da die jetzige nicht zufriedenstellend angepasst werden konnte.
Folgen einer Polio-Erkrankung
Nach wie vor ungeklärt war die Finanzierung. Die Frage ergibt sich aus der Lebensgeschichte von Herrn Do. 1953 in Südvietnam geboren, floh er 1980 mit seiner Ehefrau nach dem Vietnamkrieg in die Schweiz. Aus Erzählungen von ihrem Vater weiss Frau Do, dass er sich im Kindesalter mit dem Polio-Virus infiziert hatte. Die medizinischen Mittel seien damals in Vietnam sehr dürftig gewesen. Zwar habe er die Krankheit überlebt, doch führte sie zur erwähnten Lähmung des rechten Beines. Bei der Einreise in die Schweiz bestand die Lähmung bereits. Daher ist die IV nicht verpflichtet Hilfsmittel zu finanzieren. Nach Ankunft in der Schweiz finanzierte die Flüchtlingshilfe Herrn Do eine Orthoprothese. Diese war jedoch nicht auf seine Bedürfnisse angepasst. Über dreissig Jahre später liess sich Herr Do eine Neue anfertigen. Ein kleiner Anteil übernahm die Krankenkasse, den Rest musste er selber bezahlen. Bis zur Intervention der Tochter in diesem Jahr benutzte Herr Do ein Hilfsmittel, welches nicht mehr für seinen Körper geeignet war. Druckstellen und Stürze waren die Folge. Diese zogen Verletzungen und operative Behandlungen nach sich. Umso wichtiger war eine gute und schnelle Versorgung; auch um Folgeschäden zu vermeiden.
Gesuch an SPS
Die Verantwortlichen der Lebensberatung reichten gemeinsam mit der Tochter einen Antrag um Prüfung der Kostenübernahme bei der Schweizer ParaplegikerStiftung ein. Diese hat rasch gehandelt und subsidiär eine Kostengutsprache geleistet, sodass umgehend mit der Anfertigung des Hilfsmittels gestartet werden konnte. Parallel wurden die Kosten der zuständigen Krankenkasse vorgelegt. Inzwischen ist klar, dass diese einen Grossteil übernimmt.
Dank dem Engagement seiner Tochter kann Herr Do mit einer neuen, auf ihn abgestimmten Orthoprothese hoffentlich bald wieder schmerzfrei leben.