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Köpfe rollen lassen!
„[…] bezeichnete der Ausdruck kolossos im alten Griechenland zunächst ein Bildnis riesigen Ausmaßes. Aber es handelte sich um ein Bildnis, das man in einem leeren Grab beerdigte […] In der Dunkelheit des Grabes fungiert die kolossos-Figur als Ersatz für die nicht vorhandene Leiche. Er ist dort Platzhalter des Verstorbenen […] Der kolossos ist kein Bild; er ist ein ‘Doppelgänger’ …“ Achille Mbembe: Kritik der schwarzen Vernunft, 2017
„Die Destruktion der Tradition muß die Konfrontation mit genau dieser Verhärtung der Tradition ertragen, damit sie den Rückgang zur Vergangenheit möglich machen kann, der zusammenfällt mit einem neuen Zugang zu den Quellen.“
Giorgio Agamben: Philosophische Archäologie, in: Signatura rerum, 2009
Beitragsverfasser/-innen:
Köpfe rollen lassen!
Dekonstruktion
Der Entwurf geht von der Überzeugung aus, dem monumentalen Denkmal nur durch eine drastische Intervention beikommen zu können. Dazu wird dem Bismarck insofern an den Leib gegangen, als sein Kopf fallen und rollen wird, wozu die Höhe der Statue sowie die Topographie der Umgebung beste Voraussetzungen bieten.

Statt nur eines ist die Platzierung mehrerer Bismarck-Köpfe in verschiedener Ausformung geplant – jedoch so, dass nur jeweils einer zur Zeit zu sehen ist Da auch das Denkmal von den gewählten Standorten nicht sichtbar ist, lässt sich nicht sofort erkennen und überprüfen, ob die aufgefundene KopfSkulptur tatsächlich einst auf der Statue gesessen hat. Die vereinzelte Anordnung der Elemente folgt, wie die Gestaltung des Alten Elbparks, den Prinzipien des englischen Landschaftsgartens, die das Gesamtbild den Betrachtenden erst bei der Bewegung erschließen. Dadurch ist eine reale Beschädigung des Denkmals nicht erforderlich. Der Eindruck einer Enthauptung entsteht auch so. Entscheidend ist, den Gedanken des „Denkmal-Sturzes“ sinnlich erfahrbar zu machen, weshalb die Köpfe jeweils in originaler Größe von ca. 3 Meter ausgeführt werden.
Information
Zusätzlich sind über einen QR-Code Informationen digital abrufbar. Hierbei wird die Möglichkeit, aktuelle und zukünftige Debatten und Dispute dokumentieren zu können, als integraler Bestandteil der Arbeit verstanden.
Repräsentation
Ebenfalls beabsichtigt ist die Aufstellung weiterer Bismarck-Köpfe an anderen Orten, denn es scheint, als hätte die Diskussion um das Denkmal und für was und wen es steht gerade erst begonnen …
… bereits die Zeitgenossen Bismarcks thematisierten die verschiedenen Rollen und Kostümierungen des Kanzlers, wie die Karikatur in der Zeitschrift ‘Kladderadatsch’ aus dem Jahr 1867 belegt – wie es heißt, sei Fürst v. Bismarck ein regelmäßiger Leser gewesen.

„Statuen, Monumente und Denkmäler sind eine Form der Herrschaft über den öffentlichen Raum. Die Frage, wer geehrt und erinnert oder an was gemahnt wird, ist dabei auch immer eine Frage danach, wie das Kollektiv imaginiert wird, wer dazugehört.“
Kim Sebastian Todzi und Jürgen Zimmerer: Bismarck in Hamburg, in: Hamburg – Tor zur kolonialen Welt, 2021
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