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Marktplatz der Eitelkeiten
from IMMOBILIEN AKTUELL
by IMMOCOM
Immobilienanzeigen sind erstaunlich altmodisch geblieben und bemühen Wörter, die auch einen Käse oder Wein beschreiben könnten.
Wortgewaltig drückte es Johann Wolfgang von Goethe aus: „Aufmerksamkeit ist das Leben.“ Manch einem erscheint sie als beachtliches Geschenk, manch einer fordert sie massiv ein. Dies geschieht meist ganz instagramable über Bilder. Auf denen es natürlich nicht wie bei Hempels unter dem Sofa aussieht, sondern gediegen. Vielleicht auch stilvoll. Oder spektakulär und immer lichtdurchflutet.
Während mit dem Filter verschönerte Aufnahmen von Wohnungen durch das Netz flirren, geben sich die Immobilienanzeigen eher altmodisch. Fast immer prangt die Hochwertigkeit an erster Stelle, exklusiv mit atemberaubendem Blick wird gewohnt, die Hektik der Stadt verschwindet in der Oase (auch wenn sie an einer Hauptverkehrsstraße liegt), Metropolen-Feeling stellt sich ein, es ist ein beliebter Standort im quirligen Viertel, mit genug Privatsphäre, angereichert mit Faszination, Außergewöhnlichkeit, ein Wohntraum eben. Eingemeißelt in die Gedankenwelt ist die Floskelsprache – dabei ist es vollkommen egal, ob es sich um ein Luxusapartment in der Hauptstadt oder eine Wohnanlage in der B-Stadt handelt. Würde man ein Beschreibungs-Quiz veranstalten, vermutlich hätten alle recht. Die Destinationen bekommen keine maßgeschneiderten Beschreibungen mehr, sondern müssen mit Wortgruppen von der Stange vorliebnehmen. Wichtig: Aufmerksamkeit ist nicht umtauschbar, deshalb eignet sich eine Verzierung mit schönen Worten.
Dass offener Neid auch eine Form der Aufmerksamkeit ist, kann man beispielsweise im Tagesspiegel sehen. Während der Verlag mit eben jenen nichtssagenden Anzeigen viel Geld verdient und diese prominent platziert, lästert sich die Redaktion eins. So beispielweise über Black Label Immobilien, die ein Luxus Penthouse by Swen Burgheim für 3,25 Millionen Euro mit dem Spruch „Arm, aber sexy war einmal“ verkaufen wollten. Und dann gibt es da noch ein Parfüm, das für das „avantgardistische Wohngebäude Joux auf dem von Herzog & de Meuron konzipierten Berliner Stadtquartier Am Tacheles“ kreiert wurde. Herb-zitronische Aromen von Bergamotte sowie Noten von Sandelholz, Tabak, Weihrauch, Amber und Zedernholz sollen zur Seele einer Wohnung werden. Verspricht der Hersteller. Der Tagesspiegel kommentiert: „So also riecht das neue Berlin – und pro 100 Milliliter, die ‚mit einem gleichmäßigen, feinen Sprühnebel‘ aufs Parkett und das Ledersofa nieseln, um sich dort sinnlich miteinander zu verseelen, werden auch nur 35 Euro fällig. Dufte, wa?“ Aufmerksamkeit um jeden Preis eben.
Ivette Wagner