
5 minute read
Nautische Zeitreise
Für einzigartiges Flair im Natur- und Urlaubsparadies Bodensee sorgen historische Schiffe wie die Duchess of Argyll und die Sowitasgoht VII, die, aufwendig restauriert, heute in neuem Glanz erstrahlen. Sie begeistern durch ihre Schönheit und Eleganz. Und durch ihre Geschichte.
Duchess of Argyll. Die Dampfyacht von Kpt. Kloser ist seit 2011 in Hard zu Hause.
Zur K&K Zeit, als der See noch an fünf Länder – das Großherzogtum Baden, das Königreich Bayern, das Königreich Württemberg, die Schweiz und das Kaiserreich Österreich – grenzte, bevölkerten erste Raddampfer und Dampfschiffe den Bodensee. 1895 prägten mehr als 80 Dampfschiffe das Bild, die v. a. die fehlende Zugverbindung der Arlbergbahn ersetzten und Menschen sowie Waren auf dem Wasserweg nach Konstanz oder Friedrichshafen

beförderten. Es war ebenso die Zeit, in der international ein Wettlauf um das schönste Schiff entbrannte – prächtige Boote im Jugendstil entstanden. So auch in England im Jahre 1883 die Dampfyacht Duchess of Argyll, die der gleichnamige Herzog in Auftrag gab, um standesgemäß zu glänzen und Lustfahrten zu unternehmen.
Glanz und Gloria. „Damals hat man repräsentiert, die Ausstattung und Materialien der Schiffe waren vom Feinsten. Die Duchess of Argyll besteht ganz aus edlem Mahagoniholz und glänzendem Messing. Sie bietet Platz für 17 Personen“, erzählt Kapitän und Schiffsingenieur Reinhard Kloser. Die 74-jährige Seefahrerlegende ist vielen als der Mann bekannt, welcher den historischen Schaufelraddampfer Hohentwiel in Schuss und auf Kurs auf den Bodensee brachte. Besonders knifflige technische Herausforderungen sind seine Leidenschaft. Da verwundert es kaum, dass die 2011 zum Verkauf ausgeschriebene desolate Duchess of Argyll, auf die ihn der Liechtensteiner Geschäftsmann Erich Hopp aufmerksam machte, sein Interesse weckte. Gemeinsam mit Holzbauspezialist Hubert Hartmann besichtigte das oldtimerbegeisterte Trio die heruntergekommene Lady an der Themse in Windsor und schlug sofort zu.
Restaurierung in Hard. „Eigentlich hätte man das Schiff gar nicht so einfach aus England bringen dürfen, da die Duchess
Die elegante Segelyacht Sowitasgoht VII ist bereits seit 85 Jahren am Bodensee unterwegs und genießt einen hohen Bekanntheitsgrad. Geplant und erbaut wurde das historische Schiff vom Bregenzer Franz Plunder, welcher mit einem hochseetüchtigen Schwesterschiff 1923 den Atlantik querte und für großes Aufsehen sorgte.
of Argyll im National Heritage registriert ist“, erzählt Kloser. Man wollte das nun 138 Jahre alte Schiff jedoch vor dem drohenden Untergang bewahren – der damalige Besitzer, ein Professor aus Eton, war erleichtert. In einer Nacht- und Nebel-Aktion wurde die 13 Meter lange und 2,40 Meter breite Dampfyacht per Lkw nach Hard gebracht und in vielen tausend Arbeitsstunden aufwendig restauriert. „Hubert hat sich um alles, was aus Holz ist, gekümmert. Meine Wenigkeit übernahm die technische Restaurierung – vom Kessel bis zur Dampfmaschine“. Zur Crew gehört auch Aero-Clubpräsident Reinhard Flatz.
Highlight Bodensee. Heute gleitet die Duchess of Argyll lautlos und majestätisch über den im Sonnenlicht funkelnden Bodensee. Das Schiff könnte allerdings Geschwindigkeiten erreichen, die zum Wasserskifahren ausreichen. „Die Engländer sind mit steifer Oberlippe vorgefahren, das tun wir natürlich nicht in unserer Bescheidenheit“, lacht Kapitän Kloser. Für ihn ist der Lifestyle, den die historische Dampf- yacht mit sich bringt, ein wahrer Genuss und der Bodensee ein Naturjuwel: „Nachdem ich alle Illusionen loswerden durfte, wo es hätte besser sein können, bin ich reumütig an den Bodensee zurückgekehrt“, erklärt der erfahrene Seefahrer, der 55-mal den Panama- und zwölfmal den Suezkanal durchquerte und heute das heimische Gewässer bevorzugt.
Sowitasgoht. Auch Physiotherapeutin Sibylle Hartmann, die eine Praxis in Schwarzenberg betreibt, verspürt wenig Fernweh. „Für mich hat woanders segeln gar keine Priorität mehr“, sagt die 47-Jährige, die früher Segeltörns in ausländischen Gewässern unternahm. Sie schätzt die Vorzüge des Bodensees: das Klima, die Natur, die Sauberkeit und Wasserqualität, die unkomplizierte Anreise und schnelle Heimkehr in den Bregenzerwald. Und vor allem: das eigene Boot am See – die historische Segelyacht Sowitasgoht VII, die 1936 vom Bregenzer Franz Plunder geplant und erbaut wurde.
Plunders Erbe. Plunder war ein wahrer Tausendsassa: Bildhauer, Bootskonstrukteur, Bootsbauer, Lehrer, Hochseesegler, Buchautor und Major der amerikanischen Army. Größere Bekanntheit erlangte er durch die 14 Meter lange Hochseeyacht Sowitasgoht V, mit der er gemeinsam mit drei Freunden 1923 die Atlantiküberquerung wagte – von Bregenz über Hamburg und Madeira in 61 Tagen nach New York. Tausende Schaulustige bejubelten damals den Stapellauf an der „Bodensee-


Baujahr 1936. Die Holzyacht wurde originalgetreu restauriert.

Traumschiff. Ehepaar Hartmann-Alster auf der Sowitasgoht VII.


werft“ in Hard. Die Überfahrt war eine echte Sensation – eine Legende war geboren. Weitere Boote liefen vom Stapel, so auch die Sowitasgoht VII von Sibylle Hartmann, die fachmännisch restauriert und fahrtüchtig im YCH im Harder Hafen liegt.
85 Jahre am See. „Die Sowi, wie wir sie nennen, ist ca. 12 m lang und 3,10 m breit. Übernommen habe ich sie 2012 von meinem Bruder, der keinen Käufer fand – was daran lag, dass Restaurationsarbeiten durchgeführt werden mussten“, so Hartmann, die sich mit Ehemann Günter Alster auf das zeit- und kostenintensive Unterfangen einließ. „Weil ich alte Dinge und deren Einfachheit liebe, gibt es auch heute außer dem Tiefenmesser weder GPS noch andere Technik an Bord“, erzählt die Seglerin. Stattdessen sticht unter Deck ein Koffergrammofon aus der Entstehungszeit ins Auge. Das originalgetreue Segelboot ist ein Schmuckstück und ein kleiner Star am Bodensee: „Unser Segelschiff wird oft erkannt. Es kommt sogar vor, dass fremde Leute uns erzählen, dass sie vor 20 Jahren auf dem Boot gesegelt sind oder gefeiert haben.“ Kein Wunder, denn die Sowitasgoht VII ist seit stolzen 85 Jahren auf dem Schwäbischen Meer unterwegs und hat vielerorts Menschen begeistert. Das tut sie noch immer. Mit dem Charme und der Eleganz, die nur historischen Schiffe versprühen, repräsentiert sie längst vergangene Tage. Und sorgt für das besondere Flair, das dem Bodensee eigen ist. Yvonne Tscherner