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9. Patientenverfügung

Ich lehne mit der Patientenverfügung bestimmte medizinische Maßnahmen für den Fall ab, dass ich selbst keine Entscheidungen mehr treffen kann.

BEISPIEL ZUR PATIENTENVERFÜGUNG

Peters Schwester Susi liegt nach einer Hirnoperation im Koma und muss mit einer Magensonde ernährt werden. Peter weiß, dass er nicht künstlich ernährt werden will, wenn ihn einmal so ein Schicksal ereilt. Sollte sein Herz einmal versagen, möchte er nicht wiederbelebt werden.

Wenn dieser Fall einmal eintritt, kann er sich wahrscheinlich nicht mehr selbst äußern um diese Entscheidung zu treffen. Aber wie kann er sichergehen, dass sein Wille beachtet wird?

Was ist, wenn ich geistig oder körperlich nicht mehr in der Lage bin, die notwendigen Entscheidungen über meine medizinische Versorgung zu treffen? Wessen Wille zählt dann und wie kann ich mich absichern, dass im Falle des Falles keine medizinischen Maßnahmen gesetzt werden, die ich nicht wünsche?

Es kommt immer wieder vor, dass Schwerstkranke am Ende ihres Lebens keine Kraft mehr haben, ihren eigenen Willen durchzusetzen. Sie geben dem Drängen von Ärzten und Angehörigen nach und lassen Eingriffe über sich ergehen, die sie eigentlich gar nicht wollen. Auch Angehörige werden über Befragen des Arztes eher zu lebensverlängernden Behandlungen tendieren. Will man bestimmte Behandlungen nicht, sollte man das rechtzeitig in einer Patientenverfügung dokumentieren.

Eine Patientenverfügung ist eine Willenserklärung, mit der ein Patient eine oder mehrere medizinische Behandlung(en) ablehnt. Es wird schriftlich festgehalten, welche medizinischen Maßnahmen im Falle von Unfällen oder Krankheiten nicht getroffen werden dürfen, Be-

handlungswünsche können in der Patientenverfügung nicht geäußert werden. Solch eine Erklärung können Personen abgeben, die bereits erkrankt sind aber natürlich auch gesunde Personen.

Damit ist der Wille des Patienten auch für den Fall dokumentiert, dass er selbst nicht mehr in der Lage ist, seine Meinung zu äußern und seine Entscheidung zu treffen.

Der Arzt versucht unter Zuhilfenahme der Patientenverfügung und in Rücksprache mit Ihren Angehörigen zu ergründen, was Sie selbst für sich entschieden hätten, falls Sie in der konkreten Situation gefragt werden könnten.

TIPP

Wann ist eine Patientenverfügung sinnvoll?

Folgende Fälle haben sich in der Beratungspraxis herauskristallisiert, in denen eine Patientenverfügung sinnvoll ist: • Sie lehnen Behandlungen aufgrund einer religiösen Überzeugung ab. Zeugen Jehovas lehnen z.B. Bluttransfusionen ab. • Sie leiden an einer Krankheit, deren Verlauf vorhersehbar ist.

Ab einem bestimmten Krankheitsfortschritt lehnen Sie

Behandlungen bereits heute ab. • Sie wollen keine lebensverlängernden Maßnahmen, wenn nur mehr die vegetativen Lebensfunktionen aufrechterhalten werden und keine Aussicht auf Besserung („ein menschenwürdiges Leben“) besteht

Der Arzt hat bei seiner Behandlungsentscheidung jede Patientenverfügung zu berücksichtigen.

9.1 Verbindliche Patientenverfügung

Wenn Sie aber unter allen Bedingungen sicherstellen wollen, dass eine medizinische Maßnahme nicht vorgenommen wird, so müssen

Sie eine Patientenverfügung so errichten, dass diese Patientenverfügung als verbindlich gilt. An so eine verbindliche Patientenverfügung ist der behandelnde Arzt strikt gebunden. Für die Errichtung einer verbindlichen Patientenverfügung müssen strenge formale und inhaltliche Erfordernisse erfüllt sein, denn sie lässt dem Arzt keinen Entscheidungsspielraum. Der Arzt muss Sie im schlimmsten Fall sterben lassen und darf Sie nicht behandeln!

Soll Ihre Patientenverfügung verbindlich gelten, muss

TIPP

Verbindliche Patientenverfügung

Die verbindliche Patientenverfügung ist für acht Jahre verbindlich. Wird sie danach nicht erneuert, muss der Arzt sich nicht mehr strikt an die Patientenverfügung halten, sie aber der Behandlungsentscheidung zu Grunde legen. Wenn Sie sich nicht 100 % sicher sind, welche Maßnahmen genau getroffen oder unterlassen werden sollen, empfiehlt es sich, die Patientenverfügung nicht verbindlich zu errichten.

• die Errichtung schriftlich erfolgen, • die abgelehnte Maßnahme ganz konkret beschrieben werden, • eine umfassende ärztliche Aufklärung mit medizinischen Informationen über Wesen und Folgen der Patientenverfügung geschehen und dokumentiert werden, • der Patient die Folgen der Patientenverfügung zutreffend einschätzen können und • die Errichtung vor einem Notar, einem Rechtsanwalt oder einem rechtskundigen Mitarbeiter der Patientenvertretung oder eines

Erwachsenenschutzvereins erfolgen.

Eine unter diesen Voraussetzungen errichtete Patientenverfügung ist jeweils für acht Jahre verbindlich, der Patient kann auch eine kürzere Frist bestimmen. Nach deren Ablauf kann sie erneuert werden. Auch nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen gelten als Erneuerung. Für die Verlängerung ist eine ärztliche Aufklärung notwendig. Mit der Bestätigung der ärztliche Aufklärung beginnt die

Achtjahresfrist von neuem zu laufen. Die juristische Beratung ist nicht mehr zwingend vorgesehen. Wird sie nicht erneuert, so ist der Arzt nicht mehr streng daran gebunden, hat sie seiner Entscheidung aber zu Grunde zu legen.

9.2 Die beachtliche Patientenverfügung

Patientenverfügungen, welche die Voraussetzungen der verbindlich geltenden Patientenverfügung nicht erfüllen, sind ebenfalls der Behandlungsentscheidung zu Grunde zu legen. Die Patientenverfügung lässt dem behandelnden Arzt in diesem Fall mehr Spielraum. Sie geben dem Arzt eine Orientierung für sein Handeln vor, überlassen die endgültige Entscheidung aber Ihren Angehörigen und ihm. Er muss sich also nicht unbedingt daran halten.

Es gilt also grundsätzlich, dass der Arzt sich vor jeder Behandlung vergewissern muss, welche Behandlungsweise der Patient wünscht oder ablehnt, das heißt: den konkreten Patientenwillen ermitteln. Hat der Patient eine verbindliche Patientenverfügung errichtet, so ist sein Wille verbindlich dokumentiert, der Arzt hat sich strikt daran zu halten. Erfüllt die Patientenverfügung nicht die Voraussetzungen für die verbindliche Patientenverfügung, so ist diesen Patientenverfügung bei der Ermittlung des Patientenwillens umso mehr zu berücksichtigen, je mehr sie die Voraussetzungen einer verbindlichen Patientenverfügung erfüllt. Dabei ist beispielsweise zu berücksichtigen,

• inwieweit der Patient die Krankheitssituation, auf die sich die

Patientenverfügung bezieht, sowie deren Folgen im Errichtungszeitpunkt einschätzen konnte, • wie konkret die medizinischen Behandlungen, die Gegenstand der Ablehnung sind, beschrieben sind, • wie umfassend eine der Errichtung vorangegangene ärztliche

Aufklärung war, • inwieweit die Verfügung von den Formvorschriften für eine verbindliche Patientenverfügung abweicht, • wie lange die letzte Erneuerung zurückliegt und • wie häufig die Patientenverfügung erneuert wurde.

Vereinfacht gesagt bedeutet das: Ihr Wille wird vom behandelnden Arzt umso stärker berücksichtigt, je konkreter Sie Ihre Patientenverfügung formulieren!

Eine Patientenverfügung kann jederzeit vom Patienten widerrufen werden.

!LÖSUNG ZUM BEISPIEL PATIENTENVERFÜGUNG

Peter will später nicht künstlich ernährt werden. Um so eine medizinische Behandlung schon im Vorhinein abzulehnen, kann Peter heute eine Patientenverfügung errichten. Ist Peter sich sicher, dass er unter keinen Umständen künstlich ernährt werden will, kann er eine verbindliche Patientenverfügung errichten. Da man aber heute die Entwicklungen der Medizin und der medizinischen Möglichkeiten schwer einschätzen kann, ist Peter zu empfehlen, eine Patientenverfügung zu errichten, welche nicht verbindlich ist. Diese teilt dem behandelnden Arzt Peters Wünsche und Sichtweisen mit und der Arzt kann seine konkreten medizinischen Entscheidungen dann auf Basis von Peters Wünschen treffen.

9.3 Der Weg zur Patientenverfügung

Der Weg zur Erstellung einer Patientenverfügung beginnt typischerweise damit, dass Sie sich darüber klar werden, ob und warum Sie eine Patientenverfügung erstellen möchten. Dazu empfiehlt sich der erste Kontakt mit Ihrem Notar, Rechtsanwalt oder einem rechtskundigen Mitarbeiter der Patientenvertretung oder eines Erwachsenenschutzvereins, der dazu dienen soll, Ihnen grundsätzliche Informationen zur Wirkung und den Voraussetzungen einer Patientenverfügung zu geben.

Danach führt der nächste Schritt zu Ihrem Vertrauensarzt (z. B. Ihrem Hausarzt). In einem ausführlichen Aufklärungsgespräch erörtert Ihr Arzt mit Ihnen insbesondere Krankheitsbilder, Behandlungsmöglichkeiten, die abgelehnte Maßnahme selbst, die Konsequenzen der Ablehnung sowie die möglichen Alternativen. Wenn Sie sich dann entscheiden sollten, eine verbindliche Patientenverfügung zu errichten, formulieren Sie Ihren Willen mit Hilfe des Hausarztes und machen Sie danach einen

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