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7. Gerichtliche Erwachsenenvertretung
7. Gerichtliche
Erwachsenenvertretung
7.1 Gerichtliche Erwachsenenvertretung
Habe ich nicht über meine Vertretung verfügt und können mich meine nächsten Angehörigen nicht vertreten, wird mir ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt. Dieser wird vom Gericht überwacht.
BEISPIEL ZUR GERICHTLICHEN ERWACHSENENVERTRETUNG
Bernd ist 69 Jahre alt. Er ist verwitwet und hat keine Kinder. Es gibt also keine nächsten Angehörigen. Er überlegt sich, was einmal sein wird, wenn er seine Geschäfte nicht mehr selbst besorgen können wird.
Wer kann dann die Geschäfte für Bernd erledigen?
Wer nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu erledigen, braucht eine Vertretung.
Hat die betroffene Person keine Vorsorgevollmacht errichtet und können oder wollen die nächsten Angehörigen die Angelegenheiten nicht erledigen, wird vom Gericht ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt. Dieser übernimmt die Vertretung der betroffenen Person in denjenigen Bereichen, in denen die betroffene Person sich selbst nicht vertreten kann.
BIS 30. 06. 2018
Bis 30.06.2018 wurde der gerichtliche Erwachsenenvertreter „Sachwalter“ genannt. Bestehende Sachwalterschaften wurden mit 1.7.2018 zu gerichtlichen Erwachsenenvertretungen.
Die Bestellung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters kann für einzelne Angelegenheiten (z. B. ein bestimmtes Geschäft, Zustimmung zu einer bestimmten Operation, etc.) oder auch für bestimmte Arten von Angelegenheiten (z. B. alle finanziellen Angelegenheiten) der betroffenen Person erfolgen.
Der gerichtliche Erwachsenenvertreter kann zum Beispiel: • die betroffene Person vor Behörden oder gegenüber anderen Personen vertreten, • für die betroffene Person Verträge unterschreiben, • das Vermögen der betroffenen Person verwalten oder • für medizinische oder soziale Betreuung sorgen.
Für weitreichende Handlungen und Entscheidungen benötigt der gerichtliche Erwachsenenvertreter eine Genehmigung des Gerichts. Solche Entscheidungen sind zum Beispiel: • die dauerhafte Änderung des Wohnortes der betroffenen
Person (z. B. Umzug in ein Heim), • Zustimmung zu einer medizinischen Behandlung, wenn die betroffene Person zu erkennen gibt, dass sie die Behandlung ablehnt, • Verkauf/Vermietung des Hauses oder der Wohnung der betroffenen Person oder • Annahme oder Ablehnung einer Erbschaft.
Die Handlungsfähigkeit wird aber nur soweit eingeschränkt, als es unbedingt notwendig ist. Angelegenheiten, welche die betroffene Person noch gut selbst erledigen kann, darf der gerichtliche Erwachsenenvertreter nicht erledigen. In den nicht von der Erwachsenenvertretung betroffenen Bereichen kann die betroffene Person ihr Leben weiterhin frei von Einschränkungen gestalten.
Was der gerichtliche Erwachsenenvertreter konkret darf, ist im Bestellungsbeschluss des zuständigen Gerichtes geregelt.
Ist also ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter nur für den vermögensrechtlichen Bereich bestellt, kann die betroffene Person Entscheidungen über z. B. Operationen weiterhin selbst treffen.
Zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter kann grundsätzlich jeder bestellt werden. Meist übernehmen folgende Personen (in dieser Reihenfolge) die gerichtliche Erwachsenenvertretung: • Personen, die aus einer Vorsorgevollmacht, einer Vereinbarung einer gewählten Erwachsenenvertretung oder einer ErwachsenenvertreterVerfügung hervorgehen • Nahestehende Personen (z. B. Eltern, Ehegatte, Kinder, Freunde) • Erwachsenenschutzvereine • Notare oder Rechtsanwälte • Andere geeignete Personen
Ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter unterliegt immer der Kontrolle des Gerichtes. Dieses überprüft, ob er im Interesse der betroffenen Person handelt. Zuständig ist das Bezirksgericht, in dessen Sprengel die betroffene Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für seine Tätigkeit erhält der gerichtliche Erwachsenenvertreter jährlich eine Entschädigung. Grundsätzlich stehen ihm 5 % sämtlicher Einkünfte der vertretenen Person zu. Übersteigt der Wert des Vermögens der betroffenen Person € 15.000,-, so erhält er zusätzlich 2 % von dem € 15.000,- übersteigenden Betrag. Das Gericht kann im Einzelfall die Entschädigung mindern, z. B. wenn die Tätigkeit nur mit geringem Aufwand verbunden war, oder sie bei besonders umfangreichen und erfolgreichen Bemühungen des gerichtlichen Erwachsenenvertreters erhöhen.
Eine gerichtliche Erwachsenenvertretung endet: • nach Erledigung der übertragenen Angelegenheit, • spätestens drei Jahre nach der Bestellung, sofern sie nicht erneuert wird, • oder mit dem Tod der betroffenen Person oder des Vertreters.
LÖSUNG ZUM BEISPIEL GERICHTLICHE ERWACHSENENVERTRETUNG
Wenn Bernd sich selbst nicht mehr vertreten kann und er nichts anderes verfügt hat, wird vom Gericht ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt. Dieser wird in seiner Tätigkeit vom Gericht kontrolliert.
Ab diesem Zeitpunkt darf der gerichtliche Erwachsenenvertreter Vertretungshandlungen für die betroffene Person nicht mehr vornehmen.
7.2 Erwachsenenvertreter-Verfügung
Ich lege fest, wen ich mir als meinen gerichtlichen Erwachsenenvertreter wünsche.
BEISPIEL ZUR ERWACHSENENVERTRETER-VERFÜGUNG
Bernd ist sehr gut mit seiner Nachbarin Susi befreundet. Sollte er einmal einen Unfall haben oder aufgrund einer schweren Erkrankung selbst nicht mehr handeln können, möchte er, dass Susi alle seine Angelegenheiten für ihn erledigt, sie aber nicht vollkommen frei verfügen kann, sondern in ihren Handlungen vom Gericht überprüft werden soll. Was kann Bernd machen, dass Susi einmal seine Geschäfte für ihn besorgen darf?
Die Entscheidung, wer als gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt wird, trifft das Gericht. Dabei steht das Wohl der betroffenen Person im Vordergrund. Ihr Wunsch wird in der Regel berücksichtigt, da das Gericht vorrangig jene Person zu bestellen hat, die aus einer Erwachsenenvertreter-Verfügung hervorgeht.
Mit einer Erwachsenenvertreter-Verfügung kann die betroffene Person schon vor Eintreten einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung eine geeignete Person dafür nennen. Sie kann auch festlegen, wer nicht zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter bestellt werden darf. Der Vorteil der Erwachsenenvertreter-Verfügung liegt darin, dass man individuelle Wünsche und Vorgaben für diesen Fall aussprechen kann. Dieser Wunsch ist dann vom Gericht jedenfalls bei der Bestellung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters einzubeziehen. Das Gericht ist aber nicht an die Erwachsenenvertreter-Verfügung gebunden. Es entscheidet nach freiem Ermessen, was am besten für die betroffene Person ist.
Für die Errichtung einer Erwachsenenvertreter-Verfügung reicht geminderte Entscheidungsfähigkeit aus. Auch wenn die betroffene Person nur mehr ungefähr versteht, was die Erwachsenenvertretung bedeutet und welche Folgen die Bezeichnung eines Erwachsenenvertreters hat, kann sie eine Erwachsenenvertreter-Verfügung errichten.
Die Erwachsenenvertreter-Verfügung muss schriftlich vor einem Notar, einem Rechtsanwalt oder einem Mitarbeiter eines Erwachsenenschutzvereins errichtet und von diesen im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) registriert werden. Für die Registrierung im ÖZVV fällt eine einmalige Registrierungsgebühr an.
Die betroffene Person kann die Erwachsenenvertreter-Verfügung jederzeit widerrufen. Auch der Widerruf muss von einem Notar, einem Rechtsanwalt oder einem Mitarbeiter eines Erwachsenenschutzvereins im ÖZVV eingetragen werden.
LÖSUNG ZUM BEISPIEL ERWACHSENENVERTRETER-VERFÜGUNG
Bernd möchte, dass ihn Susi einmal als gerichtliche Erwachsenenvertreterin vertreten kann. Dazu muss er eine ErwachsenenvertreterVerfügung vor einem Notar, einem Rechtsanwalt oder einem Mitarbeiter eines Erwachsenenschutzvereins errichten und sie von diesem im ÖZVV eintragen lassen. Das Gericht wird, wenn Susi geeignet ist, dem Wunsch von Bernd entsprechen und Susi als gerichtliche Erwachsenenvertreterin bestellen. Susis Tätigkeit wird dann laufend vom Gericht kontrolliert.
TIPP
Erwachsenenvertreter-Verfügung
• Können Sie Ihre Geschäfte selbst nicht mehr besorgen, wird vom Gericht ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt, der dafür zuständig ist. Durch eine rechtzeitige Erwachsenenvertreter-Verfügung können Sie dem Gericht mitteilen, wen
Sie für diesen Fall gerne als gerichtlichen Erwachsenenvertreter bestellt hätten. Das Gericht wird Ihrem Wunsch in der Regel folgen, ist aber nicht verpflichtet, sich an Ihren Wunsch zu halten.
• Sie können in einer Erwachsenenvertreter-Verfügung aber auch bestimmte Personen von der Bestellung ausschließen.
Sie können also festlegen, wer auf keinen Fall zu Ihrem gerichtlichen Erwachsenenvertreter bestellt werden soll.
• Der gerichtliche Erwachsenenvertreter wird vom Gericht kontrolliert.