5 minute read

5. Gesetzliche Erwachsenenvertretung

BIS 30. 06. 2018

Die gesetzliche Erwachsenenvertretung entspricht in Grundzügen der bis zum 30. 06. 2018 bestehenden Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger.

Habe ich nichts verfügt, tritt die gesetzliche Erwachsenenvertretung ein.

BEISPIEL ZUR GESETZLICHEN ERWACHSENENVERTRETUNG

Antons Mutter Beate ist 72 Jahre alt und verwitwet. Nach einem Schlaganfall ist ihre rechte Körperhälfte gelähmt und sie wird voraussichtlich ein Pflegefall bleiben. Sie kann also ihre Geschäfte nicht mehr selbst erledigen. Wer bezahlt jetzt für sie ihre Rechnungen, wenn sie das selbst nicht mehr kann?

Die gesetzliche Erwachsenenvertretung greift, wenn die betroffene Person ihre Geschäfte nicht mehr ohne Gefahr eines Nachteils selbst erledigen kann. Gesetzliche Erwachsenenvertreter sind die nächsten Angehörigen.

Als nächste Angehörige gelten: • Ehegatten oder eingetragene Partner • Lebensgefährten, sofern sie seit mindestens drei Jahren mit der betroffenen Person im gemeinsamen Haushalt leben • Volljährige Kinder und Enkelkinder (Enkelkinder neu seit 01.07.2018) • Eltern und Großeltern (Großeltern neu seit 01.07.2018) • Geschwister, Nichten und Neffen (neu seit 01.07.2018) • Personen, die in einer ErwachsenenvertreterVerfügung genannt sind (neu seit 01.07.2018)

DIE GESETZLICHE VERTRETUNGSBEFUGNIS UMFASST FOLGENDE ANGELEGENHEITEN:

WAS ANGEHÖRIGE FÜR DIE BETROFFENE PERSON DÜRFEN BEISPIELE WAS ANGEHÖRIGE NICHT DÜRFEN

Alltagsgeschäfte

Bezahlung von Miete, Heizung, kleine Reparaturen, alltägliche Einkäufe private Briefe des Vertretenen öffnen; für außerordentliche Geschäfte, wie den Verkauf eines Hauses/einer Wohnung, benötigen Angehörige eine gerichtliche Genehmigung

Abschluss von Verträgen zur Deckung des Pflegebedarfs

Änderung des Wohnorts

Verwaltung von Einkünften und Vermögen

Geltendmachung von Ansprüchen

Zustimmung zu medizinischen Behandlungen Vertrag mit Heimhilfe, mobile Krankenpflege, Anschaffung eines Pflegebettes

Kurzfristige Änderungen des Wohnortes wie Kur- oder Krankenhausaufenthalt, Ferienaufenthalt, „Heim auf Zeit“

Behebung der Pension, Pflegegeld...; Konteneinsicht / Kontoauszüge, Eröffnung eines neuen Kontos

In Verwaltungsverfahren (z. B. Beteiligung am Bauverfahren des Grundstücksnachbarn), Geltendmachung von sozialen Ansprüchen wie etwa Pensions- und Pflegegeldansprüche

Grippeschutzimpfung, Zahnfüllung, aber auch „schwerwiegende“ Eingriffe wie etwa Chemotherapie, Amputationen, Setzen einer PEG-Sonde

bei dauerhafter Änderung des Wohnorts brauchen Angehörige eine gerichtliche Genehmigung Umzug in ein Heim (der Angehörige kann den Heimvertrag abschließen), Verlegung des Hauptwohnsitzes ins Ausland

das vom Vertretenen gesparte Geld für ihre eigenen Geschäfte ausgeben Das wäre als Untreue strafbar!

Eine Behandlung gegen den Willen des Vertretenen darf nur mit gerichtlicher Genehmigung durchgeführt werden

Die Vertretungsbefugnis besteht jedoch nur dann, wenn der Angehörige im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) eingetragen ist. Die Eintragung kann von einem Notar, einem Rechtsanwalt oder einem Erwachsenenschutzverein vorgenommen werden. Die Vertretungsbefugnis gilt nur drei Jahre, sie kann aber erneut eingetragen werden. Jede Eintragung löst eine Registrierungsgebühr aus.

Ist also die betroffene (volljährige) Person aufgrund einer Krankheit oder geistigen Behinderung nicht mehr fähig, ihre Rechtsgeschäfte zu besorgen, kann ein nächster Angehöriger die Vertretung der betroffenen Person übernehmen.

Die Regelung geht von der Idee aus, dass zu den nächsten Angehörigen das größte Vertrauen besteht und diese den Willen der betroffenen Person am besten kennen.

Der Wirkungsbereich der gesetzlichen Erwachsenenvertreter wurde mit der Neuregelung ab 01.07.2018 (vor allem im Bereich der medizinischen Behandlungen) deutlich erweitert!

LÖSUNG ZUM BEISPIEL GESETZLICHE ERWACHSENENVERTRETUNG

Anton ist als Sohn ein nächster Angehöriger. Er darf also auf das Konto der Mutter zugreifen, um ihre Rechnungen zu bezahlen, wenn sie das nicht mehr kann. Er darf für seine Mutter zum Beispiel Essen, Kleidung, Medikamente oder Reparaturen bezahlen. Dazu darf er über das Geld der Mutter verfügen und sie bei Bankgeschäften vertreten, also Geld von ihrem Konto abheben oder ein neues Konto eröffnen. Anton kann sich auch um eine Krankenpflege oder Heimhilfe kümmern, wenn seine Mutter Pflege braucht. Ist die Pflege zu Hause nicht mehr möglich, kann Anton sie mit gerichtlicher Genehmigung in einem Heim unterbringen und den Heimvertrag abschließen. Außerdem darf er sowohl einfachen als auch schwerwiegenden ärztlichen Behandlungen zustimmen.

Die nicht entscheidungsfähige Person kann trotz gesetzlicher Erwachsenenvertretung Alltagsgeschäfte, die ihre Lebensverhältnisse nicht übersteigen, selbst besorgen. Sie kann z. B. Lebensmittel, Kleidung oder kleinere Einrichtungsgegenstände kaufen, Haushaltsgeräte reparieren lassen, ins Kino gehen oder einen Urlaub buchen. Das Geschäft ist gültig, wenn die betroffene Person die in Anspruch genommenen Leistungen vollständig bezahlt. Dafür hat der gesetzliche Erwachsenenvertreter der betroffenen Person Bargeld zu überlassen oder den Zugriff auf Zahlungskonten zu gewähren.

Der gesetzliche Erwachsenenvertreter unterliegt im Vergleich zum gewählten oder gerichtlichen Erwachsenenvertreter nur teilweise der gerichtlichen Kontrolle: Für außerordentliche Geschäfte, die dauerhafte Änderung des Wohnortes und die Zustimmung zu einer medizinischen Behandlung gegen den Willen der betroffenen Person benötigt der gesetzliche Erwachsenenvertreter eine gerichtliche Genehmigung. Betrifft die Genehmigung finanzielle Angelegenheiten, fällt dafür eine Gerichtsgebühr an.

Des Weiteren ist der gesetzliche Erwachsenenvertreter verpflichtet, dem Gericht jährlich einen Lebenssituationsbericht zu erstatten. Darin hat er über • die Gestaltung und Häufigkeit der persönlichen Kontakte mit der betroffenen Person, • ihren Wohnort, • ihr geistiges und körperliches Befinden und • die im vergangenen Jahr besorgten und im kommenden

Jahr zu besorgenden Angelegenheiten

zu berichten. Den ersten Bericht muss der gesetzliche Erwachsenenvertreter dem Gericht binnen vier Wochen nach Beginn seiner Vertretungsbefugnis vorlegen.

Bei der Vermögensverwaltung wird der gesetzliche Erwachsenenvertreter nur eingeschränkt vom Gericht kontrolliert. Im Gegensatz zum

gewählten und gerichtlichen Erwachsenenvertreter muss der gesetzliche Erwachsenenvertreter grundsätzlich keine laufende Rechnung erstellen. Darunter versteht man die regelmäßige Rechnungslegung in Zeitabständen von maximal drei Jahren.

Das Gericht kann den gesetzlichen Erwachsenenvertreter aber zur laufenden Rechnungslegung verpflichten. Das wird allerdings nur dann geschehen, wenn eine unbewegliche Sache (z. B. eine Liegenschaft) zum Vermögen gehört oder der Wert des Vermögens oder der Jahreseinkünfte € 15.000,- wesentlich übersteigt. Außerdem muss ein besonderer Grund dafür vorliegen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn das Gericht berechtigte Bedenken daran hat, dass der gesetzliche Erwachsenenvertreter die Vermögensverwaltung an den Interessen der betroffenen Person ausrichtet. Ohne eine solche gerichtliche Anordnung muss der gesetzliche Erwachsenenvertreter dem Gericht nur eine Antritts- und Schlussrechnung vorlegen.

Der gesetzliche Erwachsenenvertreter hat dem Gericht nach Ablauf des ersten Jahres der Vermögensverwaltung die Antrittsrechnung vorzulegen. In dieser hat er das Vermögen der betroffenen Person im Einzelnen anzugeben, so dass sich das Gericht einen Überblick über Umfang und Art des Vermögens verschaffen kann. Nach Beendigung der Vermögensverwaltung ist eine Schlussrechnung zu erstellen. Für die Bestätigung der Rechnung fällt eine Gerichtsgebühr an. Der Entfall der Gebühr kann beantragt werden, wenn das Sparguthaben als einziges Vermögen € 21.008,- und die jährlichen Einkünfte € 13.912,- nicht übersteigen.

Der Erwachsenenvertreter muss Belege über die Verwaltung des Vermögens der betroffenen Person sammeln und bis zur Beendigung der Vermögensverwaltung aufbewahren. Außerdem muss er dem Gericht jeden Erwerb einer unbeweglichen Sache (z. B. einer Liegenschaft) melden und er hat dem Gericht mitzuteilen, wenn das Vermögen der betroffenen Person € 15.000,- überschreitet.

TIPP FÜR ANGEHÖRIGE

So organisieren Sie als nächster Angehöriger eine Vertretung

1. Lassen Sie ein ärztliches Attest über die mangelnde

Entscheidungsfähigkeit der betroffenen Person ausstellen.

2. Bringen Sie das ärztliche Attest zum Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein. Füllen Sie dort den Auftrag zur Registrierung der gesetzlichen Erwachsenenvertretung aus. Dann wird die Vertretungsbefugnis im Österreichischen

Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) eingetragen. Für die Registrierung im ÖZVV ist eine einmalige Registrierungsgebühr zu entrichten. Für die Registrierung wird ein Nachweis über die Angehörigeneigenschaft benötigt. Bitte daher

Geburtsurkunde, eventuell Heiratsurkunde und Meldezettel nicht vergessen!

3. Der Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein stellt eine Bestätigung über die erfolgte Registrierung aus.

Mit dieser Bestätigung können Sie dann für die betroffene

Person handeln.

6.

WIEDERSPRUCH GEGEN DIE GESETZLICHE ERWACHSENENVERTRETUNG

This article is from: