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4. Gewählte Erwachsenenvertretung

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1. Überblick

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Ich bestimme meinen Vertreter erst im Bedarfsfall selbst. Dieser wird vom Gericht überwacht.

BEISPIEL ZUR GEWÄHLTEN ERWACHSENENVERTRETUNG

Annas beste Freundin Brigitte ist 74 Jahre alt. Bei ihren Treffen bemerkt Anna, dass Brigitte in letzter Zeit des Öfteren sehr zerstreut wirkt und Dinge vergisst. Ein Arzt stellt fest, dass Brigitte an Altersdemenz leidet. Kurz nach der Diagnose verschlechtert sich ihr Zustand rapide, so dass sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst besorgen kann.

Anna möchte Brigitte helfen. Kann Anna ihre beste Freundin vertreten?

Solange jemand entscheidungsfähig ist, kann er eine Vorsorgevollmacht errichten und so seinen Vertreter festlegen. Im gesunden Zustand machen sich jedoch nur wenige Menschen Gedanken über eine Vertretung. Zwar wird die Frage der Vertretung erst aktuell, wenn man (z. B. aufgrund einer psychischen Krankheit) seine Angelegenheiten nicht mehr selbst besorgen kann, für die Errichtung einer Vorsorgevollmacht ist es dann aber schon zu spät!

Seit 01.07.2018 gibt es deshalb die gewählte Erwachsenenvertretung. Die betroffene Person kann einen oder mehrere gewählte Erwachsenenvertreter bestimmen, wenn sie sich bereits nicht mehr selbst um ihre Angelegenheiten kümmern kann und keinen Vertreter (z. B. Bevollmächtigten siehe Kapitel 2. Seite 15; Vorsorgebevollmächtigten siehe Kapitel 3. Seite 17) dafür hat. Voraussetzung ist aber, dass die betroffene Person gemindert entscheidungsfähig ist. Sie muss in Grundzügen verstehen können, welche Bedeutung und Folgen die Bevollmächtigung des gewählten Erwachsenenvertreters hat.

Die betroffene Person kann jede ihr nahe stehende Person als gewählten Erwachsenenvertreter bestimmen. Zu den nahe stehenden Personen zählen nicht nur Angehörige, sondern beispielsweise auch Freunde oder Nachbarn.

BEACHTE! Bei der gesetzlichen Erwachsenenvertretung können nur die nächsten Angehörigen (z. B. Ehegatte, Kinder, Eltern, …, Seite 39) die betroffene Person vertreten, zum gewählten Erwachsenenvertreter kann jede nahe stehende Person (z. B. auch Freunde oder Nachbarn) bestimmt werden.

Die betroffene Person und der gewählte Erwachsenenvertreter müssen eine Vereinbarung abschließen, in der sie die Vertretungsbefugnisse festlegen. Die Vertretungsbefugnis kann einzelne Angelegenheiten oder Arten von Angelegenheiten umfassen. Für gewisse Angelegenheiten (z. B. dauerhafte Änderung des Wohnorts, medizinische Behandlungen gegen den Willen der betroffenen Person) braucht der gewählte Erwachsenenvertreter eine gerichtliche Genehmigung. Betrifft die Genehmigung finanzielle Angelegenheiten, fällt dafür eine Gerichtsgebühr an.

TIPP

Gewählte Erwachsenenvertretung

Die betroffene Person kann durch die gewählte Erwachsenenvertretung auch dann einen Vertreter bestimmen, wenn sie ihre Angelegenheiten bereits nicht mehr selbst besorgen kann. Dazu muss sie aber noch ungefähr verstehen können, welche Bedeutung und Konsequenzen die gewählte Erwachsenenvertretung hat.

In der Vereinbarung können die betroffene Person und der gewählte Erwachsenenvertreter gemeinsam festlegen, welche Angelegenheiten letzterer besorgen darf.

Die betroffene Person und der gewählte Erwachsenenvertreter müssen die Vereinbarung höchstpersönlich schriftlich vor einem Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein abschließen und sie in das Österreichische Zentrale Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) eintragen lassen. Für die Registrierung im ÖZVV fällt eine einmalige Registrierungsgebühr an.

Der gewählte Erwachsenenvertreter unterliegt wie der gerichtliche Erwachsenenvertreter der gerichtlichen Kontrolle. Im Rahmen der Vermögensverwaltung ist der gewählte Erwachsenenvertreter rechnungslegungspflichtig. Nach Ablauf des ersten Jahres der Vermögensverwaltung hat er dem Gericht eine Antrittsrechnung vorzulegen, in der er das Vermögen im Einzelnen auflistet. Danach hat er in Zeitabständen von maximal drei Jahren regelmäßig Rechnung zu legen (laufende Rechnung) und nach Beendigung der Vermögensverwaltung eine Schlussrechnung zu erstellen. Für die Bestätigung der Rechnung fällt eine Gerichtsgebühr an. Der Entfall der Gebühr kann beantragt werden, wenn das Sparguthaben als einziges Vermögen € 21.008,- und die jährlichen Einkünfte € 13.912,- nicht übersteigen.

LÖSUNG ZUM BEISPIEL GEWÄHLTE ERWACHSENENVERTRETUNG

Brigitte kann solange einen gewählten Erwachsenenvertreter bestimmen, als sie in Grundzügen versteht, was die Bevollmächtigung eines gewählten Erwachsenenvertreters bedeutet und welche Folgen sie hat. Als Vertreterin kann Brigitte ihre beste Freundin Anna wählen. Beide müssen vor einem Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein eine Vereinbarung darüber abschließen und diese im ÖZVV eintragen lassen. Welche Angelegenheiten Anna besorgen darf, ergibt sich aus der Vereinbarung.

Anna kann Brigitte also vertreten, wenn Brigitte sie als gewählte Erwachsenenvertreterin bestimmt.

Der Erwachsenenvertreter muss Belege über die Verwaltung des Vermögens der betroffenen Person sammeln und bis zur Beendigung der Vermögensverwaltung aufbewahren. Außerdem muss er dem Gericht jeden Erwerb einer unbeweglichen Sache (z. B. einer Liegenschaft) melden und er hat dem Gericht mitzuteilen, wenn das Vermögen der betroffenen Person € 15.000,- überschreitet.

Des Weiteren ist der gewählte Erwachsenenvertreter verpflichtet, dem Gericht jährlich einen Lebenssituationsbericht zu erstatten. Darin hat er über • die Gestaltung und Häufigkeit der persönlichen Kontakte mit der betroffenen Person, • ihren Wohnort, • ihr geistiges und körperliches Befinden und • die im vergangenen Jahr besorgten und im kommenden

Jahr zu besorgenden Angelegenheiten

zu berichten. Den ersten Bericht muss der gewählte Erwachsenenvertreter dem Gericht binnen vier Wochen nach Beginn seiner Vertretungsbefugnis vorlegen.

TIPP

So organisieren Sie Ihre gewählte Erwachsenenvertretung

• Legen Sie fest, wen Sie als gewählten Erwachsenenvertreter bestimmen möchten und welche Vertretungsbefugnisse Sie

Ihrem Vertreter einräumen wollen. Vergewissern Sie sich, dass die gewählte Person einverstanden ist, die Vertretung zu übernehmen. Umgekehrt können auch Ihnen nahe stehende Personen auf Sie zukommen und Ihnen ihre Hilfe anbieten.

• Vereinbaren Sie und Ihr Vertreter einen Termin beim Notar,

Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein. Vor diesem schließen sie gemeinsam die Vereinbarung über die gewählte

Erwachsenenvertretung ab. Auch Hausbesuche sind möglich.

• Die Wahl eines gewählten Erwachsenenvertreters ist nur zulässig, wenn Sie die Angelegenheiten, die der gewählte

Erwachsenenvertreter erledigen soll, nicht mehr selbst besorgen können.

Dies muss durch ein ärztliches Attest nachgewiesen werden.

Nehmen Sie oder ihr Vertreter daher das Attest unbedingt mit zum Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein.

• Der Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein registriert die Vereinbarung im Österreichischen Zentralen

Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) und stellt Ihnen und dem

Vertreter eine Bestätigung über die Eintragung aus.

• Mit der Vereinbarung über die gewählte Erwachsenenvertretung und der Registrierungsbestätigung darf der gewählte

Erwachsenenvertreter für Sie tätig werden.

5.

GESETZLICHE ERWACHSENENVERTRETUNG

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