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Interview

«Peitschenator» verpasst, weil ich immer die längste Strecke auswähle und sie durch die Gegend peitsche. Das nächste Level wäre dann Wandern. So weit bin ich dann doch noch nicht, dass ich mit Rucksack und Nordic-Walking-Stöcken die Berge erklimme. Meine Frau und ich haben vereinbart, dass es die Stöcke erst jenseits der 60 gibt. Bei unserem letzten Interview stand dein 40. Geburtstag an. Du sagtest damals, dass du dich unvernünftiger benimmst als mit Mitte 20 und hast prophezeit: «In zehn Jahren bin ich ein 15-Jähriger, gefangen im Körper eines 50-Jährigen.» Das habe ich damals tatsächlich geglaubt. Gott sei Dank, ist das nicht so eingetreten. Was hat sich verändert? Mit Mitte 40 habe ich gemerkt, dass ich dieser totalen Action überdrüssig wurde. Ich spürte, dass ich es endlich ein bisschen langsamer angehen und mehr auf meine Gesundheit schauen muss.

Sprich, weniger Party machen? Vor allem weniger herumreisen. Zu MTV-Zeiten gab es Monate, da war ich keine zwei Tage am Stück in Berlin. Das ist mir kürzlich wieder bewusst geworden, als ich in meinem Elternhaus einen alten Zettel in die Hände bekommen habe, auf dem ich meinen Eltern aufgeschrieben hatte, wann ich in dem Monat wo sein würde. London, Köln, Los Angeles – das war schon krass damals. Doch obwohl ich heute etwas gemächlicher unterwegs bin, bin ich immer noch nicht der handelsübliche 55-Jährige. Du wirst auch nach wie vor als «Berufsjugendlicher» betitelt. Da ich in einem jungen Umfeld arbeite, werden mir, seit ich Ende 30 bin, Fragen zum Älterwerden gestellt. Und klar stelle ich mir selbst manchmal die Frage, wann ich den Hebel endgültig umlege und damit beginne, altersgerecht zu leben. Aber ich glaube auch, dass Menschen heute ganz anders altern und man sich zunehmend über Interessen versteht, nicht mehr so sehr über den Jahrgang. Wenn du in einem Club vor lauter 20-Jährigen auflegst, fühlst du dich also immer noch wohl? Wenn all die jungen Menschen mit den Händen in der Luft zu einem meiner Tracks tanzen: auf jeden Fall! Ich habe sowieso einen extrem guten Draht zu Leuten, die meine Kinder sein könnten, weil ich eben nicht Musik aus den Achtzigern höre, sondern zeitgemässe Songs. Ich gehe auch nie auf Nostalgieveranstaltungen wie Ü40Partys, an denen Musik von früher läuft und alte Leute herumhängen, so etwas meide ich wie der Teufel das Weihwasser. Genau wie du nie von mir hören wirst «Früher war alles besser». Im Gegenteil: Ich denke immer, dass morgen noch geiler wird als gestern.

Das Gesicht von MTV

Markus Kavka (55) wurde bekannt als Gesicht von MTV, wo er von 2000 bis 2008 moderierte. Heute hat er wöchentliche Sendungen bei Deluxe Music und dem Radiosender egoFM, engagiert sich im Verein «Freunde fürs Leben» für mentale Gesundheit und legt als DJ in diversen Clubs auf. Er ist Autor mehrerer Bücher, zuletzt ist 2020 «Markus Kavka über Depeche Mode» erschienen. Kavka lebt in Berlin und ist mit Babette Conrady verheiratet. Nimmst du den Jungen nicht etwas weg, wenn du dich genauso jugendlich gibst wie sie? Tut mir leid, da müssen sie durch. (lacht) Im Ernst: Ich verstehe den Vorwurf, Jugendliche müssen sich von der älteren Generation abgrenzen können. Ich habe das gemacht, indem ich zum Goth wurde und krasse Musik gehört habe. Früher war das allerdings einfacher. Heute gehen die Muttis mit ihren Töchtern zu H&M und kommen im Partnerlook wieder raus. Wenn ich Teenager-Kinder hätte, hätten die es tatsächlich schwer, sich von mir abzugrenzen. Was bliebe denen übrig? Die würden vermutlich spiessig werden. Das wäre tatsächlich eine Abgrenzung. Davon wäre ich aber nicht sehr begeistert. Das ist genau der Sinn der Abgrenzung. Das stimmt. Aber dann würde ich wohl vorher freiwillig zum Spiesser werden, damit meine Kinder cool dastehen. Das könnte ich denen nicht wegnehmen. Du hast schon mit 40 oft von Kindern geredet … … und womöglich werde ich noch Papa, das ist nicht ausgeschlossen. Nicht, dass wir das nun generalstabsmässig planen würden, aber ich denke, im Verlauf des Jahres wird sich das entscheiden. Meine Frau ist erst 43, es würde also durchaus noch funktionieren.

Ihr seid seit zehn Jahren zusammen. War Nachwuchs vorher kein konkretes Thema? Ehrlich gesagt waren wir anfangs so berauscht voneinander, dass wir das erst ganz egoistisch zu zweit geniessen wollten. Ich habe damals gar nicht daran gedacht, dass ich bald 50 werde. So sind die Jahre ins Land gezogen. Dann sind wir gespannt, ob es bald Baby-News aus dem Hause Kavka gibt. Das wäre schon toll, denn den ganzen anderen Kram habe ich erlebt und bin dankbar dafür. Jetzt würde ich gern noch etwas weitergeben. Und bestimmt würden wir ein ganz cooles Kind hinkriegen. Aber wenns nicht sein soll, ist das auch voll okay. Das Baby würde nur MollLieder zu hören bekommen, du verabscheust ja fröhliche Musik. Warum eigentlich? Musik in Moll berührt mich einfach.Und ich habe seit jeher eine leicht melancholische Ader. Es ist kein Zufall, dass ich als Teenager zielgerichtet auf die Goth-Kultur zugesteuert bin, mich auch heute noch vor allem schwarz kleide.

Würdest du dich dennoch als glücklichen Menschen bezeichnen? Definitiv. Ich geniesse das Melancholische und hinterfrage es nicht, vielleicht ruhe ich deshalb so zufrieden in mir selbst. Vermutlich brauche ich es auch als

«Ich habe einen extrem guten Draht zu Leuten, die meine Kinder sein könnten.»

Ausgleich, sonst wäre ich ständig unerträglich happy und würde allen auf die Nerven gehen. In fünf Jahren wirst du 60. Was wirst du dann machen? Dann gehe ich in Rente. Hast du keine Angst, dass dir als Rentner langweilig werden könnte? Keineswegs. Ich schreibe wahnsinnig gern, und das funktioniert ja bis ins hohe Alter. Ich möchte so alle drei, vier Jahre ein Buch schreiben und daneben noch Spassprojekte wie Podcasts machen. Wenn dann noch ein Kind kommen würde, soll Babette schön arbeiten gehen, und ich mach den Vollzeitpapa. MM

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