Handreichung zum Bildungsfeld Religiosität und Werteorientierung

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Vorwort „Wo kommen wir her?“, „Wo gehen wir hin?“, „Wer hat

Ein ethisch fundierter Umgang im Kindergarten äußert

die Erde gemacht?“, „Was ist, wenn wir sterben?“, „Sehen

sich in einem wertschätzenden Umgangston zwischen

wir uns in einem anderen Leben wieder?“ Quer durch

Kindern und Erwachsenen, in den Anstrengungen, die

alle Kulturen ist es ein Grundbedürfnis des Menschen,

unternommen werden, um den Aufbau positiver Be-

sich mit den existenziellen Fragen des Lebens auseinan-

ziehungen zu unterstützen, aber auch in einer freund-

derzusetzen. Die Gemeinschaft, die Familie, die Kultur

lichen und über die Zweckmäßigkeit hinaus – liebevol-

und Religion, in die wir hineingeboren werden, helfen

len – Gestaltung der Lernumgebung. Letztendlich ist ein

nach Antworten auf diese Fragen zu suchen.

kontinuierlicher reflektierter Umgang mit der eigenen

Religiosität und die unbewusste sowie bewusste Orien-

Haltung und Überzeugung als Pädagog*in unerlässlich.

tierung an Werten können Wegweiser für ein gelingen-

Der Kindergarten ist eine Wertegemeinschaft: Er lebt

des Leben sein. Sie bringen das ureigene menschliche

Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und Zusammenhalt und

Streben nach Gemeinschaft, nach Zugehörigkeit, nach

lässt zugleich Raum für individuelle Auseinandersetzung

Wertschätzung und Anerkennung zum Ausdruck.

und Muße. Der Kindergarten hat den Auftrag, den Mäd-

Die Mädchen und Jungen im Kindergarten führen uns

chen und Jungen und ihren Familien, unabhängig von

mit ihrem unvoreingenommenen Suchen und Finden

ihrer Familienkultur und Zugehörigkeit zu Religions- und

von Antworten auf die Fragen des Lebens tagtäglich vor

Glaubensgemeinschaften, mit Interesse, Respekt, mit

Augen, wie wichtig die Auseinandersetzung damit für die

Achtung und Wertschätzung zu begegnen.

Entwicklung ihrer Persönlichkeit und ihres Werteempfin-

Er begleitet die Kinder auf dem Weg ihrer Entwicklung zu

dens ist. Für diese Auseinandersetzung brauchen sie ver-

selbstbestimmten, reflektierenden und gemeinschafts-

traute Bezugspersonen. Im Kontakt mit pädagogischen

fähigen Persönlichkeiten und trägt damit unmissver-

Fachkräften und Anderen übt das Kind, sich auf die Emp-

ständlich und kultursensitiv zur Demokratiebildung bei.

findungs-, Gefühls- und Gedankenwelt des Gegenübers

Orientiert an den Werten des christlich-abendländi-

mehr und mehr empathisch einzulassen. Es erfährt, dass

schen Menschenbildes nimmt ein pädagogisch und

Menschen einander brauchen und füreinander, für Tiere,

ethisch fundierter Umgang mit Heterogenität, religiöser

Pflanzen und gemeinsame Ressourcen, Verantwortung

und kultureller Vielfalt dabei sowohl Unterschiede als

tragen. Diese frühen Beziehungs- und Gesellschaftser-

auch Gemeinsamkeiten in den Blick. Das Gemeinsame

fahrungen prägen das Kind in unfassbarem Ausmaß. Die

bahnt die Wege für das Miteinander, die Unterschiede

Vorbildwirkung der pädagogischen Fachkraft durchdringt

regen an sich für Neues zu öffnen.

den Kindergartenalltag in jedem Moment. Sie ist als Fun-

Die vorliegende Handreichung konkretisiert die in den

dus und Spiegel wichtig für den persönlichen, individuel-

Rahmenrichtlinien angeführten Bildungsziele zum Bil-

len Auf- und Ausbau von Werten. Der soziale Rückhalt,

dungsfeld „Religiosität und Werteorientierung“. Ich bin

den das Kind erfährt, die Momente in denen es sich an-

überzeugt, dass sie zu selbstreflektiertem pädagogi-

genommen, sicher und begleitet fühlt, lassen auch seine

schen Handeln anregt und mit einem Spektrum vielfälti-

Werte zunehmend besser zur Entfaltung kommen.

ger Impulse zur Stärkung eines positiven Selbstkonzep-

Im Bildungskontext stellt der professionelle Umgang mit

tes der Mädchen und Jungen beitragen kann.

religiösen und ethischen Inhalten hohe Anforderungen

Mein großer Dank gilt Katharina Ebner, Andrea Mitter-

an die Pädagog*innen. Durch verlässliche Nähe und ein

mair, Martina Monsorno und Herta Petermair sowie der

konstantes, anregendes Erleben in der eigenen Mitwelt

Arbeitsgruppe, die über mehrere Jahre zielstrebig an der

sowie durch einladende, ermunternde Zuwendung,

Fertigstellung der Handreichung gearbeitet, Beispiele

kann das Kind innere Sicherheit, elementare Bindungen,

gesammelt und Expert*innengespräche geführt haben.

tragende Werthaltungen aufbauen, Sinnbezüge herstel-

Ebenso danke ich den vielen Pädagoginnen, die in ihren

len, Vertrauen in sich und die Welt entwickeln und so

Beiträgen Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Praxis

auch religiös und spirituell wahrnehmungsfähig werden.

beigesteuert haben. In meinen Dank einschließen darf

Die pädagogische Fachkraft unterstützt das Kind beim Ken-

ich auch Sie, liebe Leserinnen und Leser, die sich für

nenlernen und Leben einer wertschätzenden und respekt-

frühkindliches Wachsen und Lernen interessieren, da-

vollen Haltung gegenüber allem, was lebt. Sie erkundet mit

mit Verantwortung für Gemeinschaft und Gesellschaft

ihm die Beziehung zu Menschen, Tieren und Pflanzen und

übernehmen und den Prozess weiter mitgestalten.

vermittelt ihm, wie wichtig es ist, vorhandenes spirituelles, kulturelles und ökonomisches Gut und Ressourcen dankbar zu respektieren, zu schätzen und zu schützen.

Die Landeskindergartendirektorin Helena Saltuari Handreichung Religiosität

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Didaktische Materialien

1min
page 89

Eine Auswahl an wertvollen Bilderbüchern

3min
pages 87-88

Kriterien für Bilderbücher zur vorurteilsbewussten und inklusiven Bildung

1min
page 86

Mit Kindern über das Thema Sterben nachdenken Herta Petermair

6min
pages 79-81

Ein Trauerkoffer Care-Team Kindergartensprengel Mühlbach

2min
pages 83-84

ABSCHIED, TRENNUNG UND BEGRENZUNGSERFAHRUNGEN

2min
page 78

DIDAKTISCHE MATERIALIEN

2min
page 85

Bei mir zu Haus, bei dir zu Haus Karin Berger, Monika Hölzl

2min
page 74

RELIGIÖSE VIELFALT UND FAMILIENKULTUR

2min
page 72

Tee-Ritual – kulturelle Zuschreibung oder Familienkulturen sichtbar machen? Christine Pernter, Irmgard Oberrauch

3min
pages 75-76

Die Lernumgebung vorurteilsbewusst gestalten Irmgard Oberrauch

5min
pages 69-71

Welche Werte sollen Kinder im Kindergarten erleben?“ Sabine Runggaldier

2min
page 68

WERT-voll Katrin Unterhofer

3min
pages 66-67

Wert(e)volle Teamarbeit im Kindergarten Cornelia Brugger, Edith Lechner, Edith Stampfer, Anna Silginer, Petra Oberprantacher, Unterhofer Martha

1min
page 65

Ein Werte-Baum als Begleiter durch das Jahr Birgit Brunner

2min
pages 63-64

Bildung für eine nachhaltige Entwicklung – Lebenswelt Kindergarten Ulrike Pircher, Christine Schlechtleitner

6min
pages 59-62

Bedürfnisse hinter Konflikten erkennen Katharina Ebner

6min
pages 57-58

Ich verstehe die Gefühle von meinem Freund“ Anna Mall

2min
page 53

Manuel benutzt zum Laufen einen Rollstuhl Sabine Bordonetti

5min
pages 55-56

Gefühle benennen, kennen lernen – der Friedensplatz entsteht Birgit Kerschbaumer

2min
page 54

Stärkung der emotionalen und sozialen Kompetenz Andrea Mittermair

2min
pages 50-51

Wer bin ich? Selbstporträt als Ansatz für Werte-Bewusstsein Veronika Lintner

1min
page 49

WERTE, ACHTSAMKEIT, RESPEKT, UMGANG MIT MENSCHEN UND NATUR

2min
page 48

Ein ganz besonderer Tag – der Geburtstag Josefine Tappeiner

2min
page 45

Von Herzen gratulieren – Geburtstagsfeier im Kindergarten Susanne Reichegger

2min
page 46

Das Fest der Heiligen Drei Könige und die Haussegnung – „Rachn“ Verena Saltuari

3min
pages 43-44

Kinder gestalten ihre Weihnachtskrippe Marianne Kalser

1min
page 42

Ermutigung zu einer Feierkultur Markus Felderer

4min
pages 36-37

Wir teilen das Martinsbrot. Solidarisch sein Julia Dalsant

2min
page 38

Eigenaktiv durch Advent und Weihnachten Rita Tratter

4min
pages 39-41

Kinder haben ein Bedürfnis nach Ritualen Sonia Mutschlechner, Silvia Boncilli, Ruth Hirschberger

2min
pages 34-35

Mensch und Tier freuen sich, bald wird Jesus geboren Theresia Nischler

2min
pages 30-31

RITUALE, SYMBOLE UND FESTE

5min
pages 32-33

Kinder erzählen die Weihnachtsgeschichte Luzia Franzelin

7min
pages 27-29

Jesus am Kreuz Kornelia Maria Zerz

1min
page 26

Tod und neues Leben – die Ostererzählung Isolde Moser

2min
pages 24-25

Der Sturm auf dem See Theresia Nischler

2min
page 23

Die Geschichte von Bartimäus Vera Manzini, Edeltraud Rainer

1min
page 22

Der gute Hirte – Geborgenheit erfahrbar machen Birgit Unterholzner

1min
page 21

Unsere Kindergartenbibel Daniela Tonezzani, Daniela Premer, Corinna Raffl

2min
page 20

Die Bibel mit der Lebenspraxis in Verbindung gebracht Luzia Franzelin

2min
page 19

GRUNDLEGENDES

5min
pages 8-9

KINDERBIBEL UND BIBLISCHE GESCHICHTEN

4min
pages 17-18

Vorwort

3min
page 5

Staunen und Werteerfahrungen weitergeben Marianne Kalser

2min
pages 15-16

Die inklusive Haltung als Basis für eine gelingende Bildungsarbeit Sabine Laner, Melanie Pöhl, Elka Wiedmer

2min
page 11

Religiosität und Werteorientierung

1min
page 7

Philosophieren mit Blick auf ein Werte- und Weltbewusstsein Andrea Mittermair, Doris Daurer

3min
pages 13-14

Einführung

2min
page 6
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Handreichung zum Bildungsfeld Religiosität und Werteorientierung by Land Südtirol - Provincia Bolzano - Issuu