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Vorwort

„Wo kommen wir her?“, „Wo gehen wir hin?“, „Wer hat die Erde gemacht?“, „Was ist, wenn wir sterben?“, „Sehen wir uns in einem anderen Leben wieder?“ Quer durch alle Kulturen ist es ein Grundbedürfnis des Menschen, sich mit den existenziellen Fragen des Lebens auseinanderzusetzen. Die Gemeinschaft, die Familie, die Kultur und Religion, in die wir hineingeboren werden, helfen nach Antworten auf diese Fragen zu suchen. Religiosität und die unbewusste sowie bewusste Orientierung an Werten können Wegweiser für ein gelingendes Leben sein. Sie bringen das ureigene menschliche Streben nach Gemeinschaft, nach Zugehörigkeit, nach Wertschätzung und Anerkennung zum Ausdruck. Die Mädchen und Jungen im Kindergarten führen uns mit ihrem unvoreingenommenen Suchen und Finden von Antworten auf die Fragen des Lebens tagtäglich vor Augen, wie wichtig die Auseinandersetzung damit für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit und ihres Werteempfindens ist. Für diese Auseinandersetzung brauchen sie vertraute Bezugspersonen. Im Kontakt mit pädagogischen Fachkräften und Anderen übt das Kind, sich auf die Empfindungs-, Gefühls- und Gedankenwelt des Gegenübers mehr und mehr empathisch einzulassen. Es erfährt, dass Menschen einander brauchen und füreinander, für Tiere, Pflanzen und gemeinsame Ressourcen, Verantwortung tragen. Diese frühen Beziehungs- und Gesellschaftserfahrungen prägen das Kind in unfassbarem Ausmaß. Die Vorbildwirkung der pädagogischen Fachkraft durchdringt den Kindergartenalltag in jedem Moment. Sie ist als Fundus und Spiegel wichtig für den persönlichen, individuellen Auf- und Ausbau von Werten. Der soziale Rückhalt, den das Kind erfährt, die Momente in denen es sich angenommen, sicher und begleitet fühlt, lassen auch seine Werte zunehmend besser zur Entfaltung kommen. Im Bildungskontext stellt der professionelle Umgang mit religiösen und ethischen Inhalten hohe Anforderungen an die Pädagog*innen. Durch verlässliche Nähe und ein konstantes, anregendes Erleben in der eigenen Mitwelt sowie durch einladende, ermunternde Zuwendung, kann das Kind innere Sicherheit, elementare Bindungen, tragende Werthaltungen aufbauen, Sinnbezüge herstellen, Vertrauen in sich und die Welt entwickeln und so auch religiös und spirituell wahrnehmungsfähig werden. Die pädagogische Fachkraft unterstützt das Kind beim Kennenlernen und Leben einer wertschätzenden und respektvollen Haltung gegenüber allem, was lebt. Sie erkundet mit ihm die Beziehung zu Menschen, Tieren und Pflanzen und vermittelt ihm, wie wichtig es ist, vorhandenes spirituelles, kulturelles und ökonomisches Gut und Ressourcen dankbar zu respektieren, zu schätzen und zu schützen. Ein ethisch fundierter Umgang im Kindergarten äußert sich in einem wertschätzenden Umgangston zwischen Kindern und Erwachsenen, in den Anstrengungen, die unternommen werden, um den Aufbau positiver Beziehungen zu unterstützen, aber auch in einer freundlichen und über die Zweckmäßigkeit hinaus – liebevollen – Gestaltung der Lernumgebung. Letztendlich ist ein kontinuierlicher reflektierter Umgang mit der eigenen Haltung und Überzeugung als Pädagog*in unerlässlich. Der Kindergarten ist eine Wertegemeinschaft: Er lebt Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und Zusammenhalt und lässt zugleich Raum für individuelle Auseinandersetzung und Muße. Der Kindergarten hat den Auftrag, den Mädchen und Jungen und ihren Familien, unabhängig von ihrer Familienkultur und Zugehörigkeit zu Religions- und Glaubensgemeinschaften, mit Interesse, Respekt, mit Achtung und Wertschätzung zu begegnen. Er begleitet die Kinder auf dem Weg ihrer Entwicklung zu selbstbestimmten, reflektierenden und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten und trägt damit unmissverständlich und kultursensitiv zur Demokratiebildung bei. Orientiert an den Werten des christlich-abendländischen Menschenbildes nimmt ein pädagogisch und ethisch fundierter Umgang mit Heterogenität, religiöser und kultureller Vielfalt dabei sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten in den Blick. Das Gemeinsame bahnt die Wege für das Miteinander, die Unterschiede regen an sich für Neues zu öffnen. Die vorliegende Handreichung konkretisiert die in den Rahmenrichtlinien angeführten Bildungsziele zum Bildungsfeld „Religiosität und Werteorientierung“. Ich bin überzeugt, dass sie zu selbstreflektiertem pädagogischen Handeln anregt und mit einem Spektrum vielfältiger Impulse zur Stärkung eines positiven Selbstkonzeptes der Mädchen und Jungen beitragen kann. Mein großer Dank gilt Katharina Ebner, Andrea Mittermair, Martina Monsorno und Herta Petermair sowie der Arbeitsgruppe, die über mehrere Jahre zielstrebig an der Fertigstellung der Handreichung gearbeitet, Beispiele gesammelt und Expert*innengespräche geführt haben. Ebenso danke ich den vielen Pädagoginnen, die in ihren Beiträgen Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Praxis beigesteuert haben. In meinen Dank einschließen darf ich auch Sie, liebe Leserinnen und Leser, die sich für frühkindliches Wachsen und Lernen interessieren, damit Verantwortung für Gemeinschaft und Gesellschaft übernehmen und den Prozess weiter mitgestalten.

Die Landeskindergartendirektorin Helena Saltuari

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